Heimgekehrt - Kerstin Schwarz - E-Book

Heimgekehrt E-Book

Kerstin Schwarz

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Beschreibung

Melissa Marx ist an einem Samstagabend noch spät unterwegs. An einer Bushaltestelle begegnet sie einem kleinen Mädchen, das sich hilfesuchend an sie wendet. Nichts ahnend, dass diese Begegnung ihr Leben verändern wird, nimmt sich Melissa der Kleinen an. Von einem fremden Mann verfolgt, fliehen die beiden durch kleine Hintergassen und können sich gerade noch so retten. Innerhalb kürzester Zeit erkennt Melissa jedoch, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, bleibt ihr keine andere Wahl. Sie muss herausfinden, wer dieses kleine Mädchen ist und welche Geschichte sie zu verbergen hat...

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Seitenzahl: 86

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Kerstin Schwarz HEIMGEKEHRT

Roman

Originalausgabe

Impressum

Text: Copyright (c) 2012 by Kerstin D. Schwarz (alias Merci) Umschlagmotiv und -gestaltung: Copyright (c) Kerstin D. Schwarz

Verlag:

Kerstin Schwarz

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15

01237 Dresden

[email protected] // www.kerstin-schwarz.com

Druck und Herstellung:epubli, ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-8689-4

In Gedenken an meine beiden Omas

- Rest in Peace -

1

- Prolog -

Es war Samstag Abend und ich lief verträumt durch die Straßen. Plötzlich sah ich sie!

Ein kleines Mädchen stand an einer Bushaltestelle, etwas entfernt von den anderen Menschen, die auf den Bus warteten.

Im ersten Moment glaubte ich einen Engel zu sehen. Sie wirkte so unschuldig und zerbrechlich. Auf den ersten Blick schien das Mädchen makellos zu sein. Die Wangen waren leicht gerötet. Mit ihren großen Augen, dem feinen Mund und der kleinen Stupsnase war sie schon jetzt eine richtige Schönheit. Ihr goldenes Haar glänzte im Mondlicht und fiel locker um ihre Schultern. Einzig das hellblaue Sommerkleid wirkte fehl am Platz.

War ihr nicht kalt? Immerhin war es schon Anfang Herbst und die ersten Blätter hatten sich bereits bunt gefärbt. Auch wenn es ein milder Abend war, wirkte das Kleidchen doch etwas unpassend. In der Hand hielt sie einen Regenschirm. Von dem Regen und geschweige den Eltern fehlte jede Spur.

Als sich unsere Blicke trafen, wusste ich es. Das ist meine Mission! Meine gute Tat für heute!

Ich warf ihr ein schwaches Lächeln zu, welches sie selbstsicher erwiderte. Davon bestätigt, näherte ich mich ihr und sprach sie an. Fragte, was sie denn so spät und ganz allein noch hier mache. Doch statt mir zu antworten, schaute die Kleine mir tief in die Augen. „Siehst du den Kerl mit der Kapuze?“, fragte sie mich.

Ich sah ihn!

Ein paar Meter weiter saß ein Mann auf der Bank vor der Haltestelle. Er war vielleicht Anfang dreißig und hatte einen kurzen Bart. Seine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen und sein verstohlener Blick ruhte auf uns.

Ich nickte leicht und das Mädchen fuhr fort. „Er verfolgt mich!“

Mit großen Augen starrte ich die Kleine an. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Mein Gesichtsausdruck schien für sich zu sprechen, denn ohne weitere Erklärungen packte sie meinen Arm und zog mich ein Stück zur Seite. „Komm, ich beweise es dir!“

Wir bewegten uns auf den Mann zu. Als wir näher kamen, blickte er mir direkt in die Augen. Er hatte schon etwas Furchteinflößendes an sich, da musste ich dem Mädchen recht geben. Langsam schoben wir uns an ihm vorbei. Erst als wir außerhalb seiner Reichweite waren, ließ das Mädchen meinen Arm wieder los.

Ich hörte ein leises Rascheln und ohne mich umdrehen zu müssen, wusste ich, dass der Mann aufgestanden war. Noch hörte ich keine Schritte, die uns folgten, aber dennoch mahnte mich das Mädchen zur Eile.

Wir liefen die Straße hinunter und bogen mehrmals in kleinere Seitenstraßen ab. Ich hoffte, dass das Mädchen sich hier auskannte, denn ich war mir nicht sicher, ob ich den Rückweg finden würde.

Plötzlich blieb das Mädchen stehen und ich lehnte mich an eine Hauswand. Nur einmal kurz verschnaufen!

Während ich mich schon in Sicherheit wiegte, flüsterte mir die Kleine etwas ins Ohr. „In einer Minute sind wir tot!“

Erschrocken sprang ich auf und wusste nicht, wohin ich fliehen sollte. Als hätte sie meine Panik vorhergesehen, zog mich das Mädchen zurück und hielt mich am Arm fest.

„Er wartet schon hinter dieser Ecke auf uns!“

Die Worte kamen ganz emotionslos aus ihrem Mund. Sie packte ihren Regenschirm fester und hielt ihn wie eine Waffe vor sich. Im Lichtschein der Straßenlaterne blitzte die Spitze des Schirmes auf.

Als sie damit selbstsicher um die Ecke sprang, sah er aus, wie ein messerscharfer Dolch. Im ersten Moment hielt ich alles für einen schlechten Scherz. Konnte der Mann uns wirklich den Weg abgeschnitten haben? Woher sollte er denn wissen, durch welche Straßen wir gelaufen waren? Auch konnte ich mir nicht vorstellen, woher das Mädchen wissen konnte, was uns hinter dieser Ecke erwarten sollte.

Doch als ich dann die typischen Geräusche eines Handgemenges und ein darauf folgendes Stöhnen vernahm, wurde ich eines Besseren belehrt.

Ich riss mich aus meinen Gedanken und machte tapfer einen Schritt um die Ecke. Entsetzt musste ich mit ansehen, wie das Mädchen die dolchartige Spitze des Regenschirmes aus der Brust eines Mannes zog, um dann gleich damit erneut zuzustechen. Mordlust blitzte schelmisch in ihren Augen auf und ihr Lächeln schien immer breiter zu werden.

Es war der Mann von der Bushaltestelle! Die Kleine hatte recht gehabt. Nicht nur damit, dass er sie verfolgt hatte. Nein, auch damit, dass er uns hinter dieser Ecke aufgelauert hatte. Womöglich wären wir sogar in der nächsten Minute tot gewesen. Doch nun hatte es nicht uns erwischt, sondern ihn!

Nachdem das Mädchen immer wieder auf den hilflosen Mann eingestochen hatte, konnte ich mir dieses schreckliche Schauspiel nicht länger ansehen. Ich rief ihr zu, doch sie reagierte nicht. Dieser Mann konnte uns nun wirklich nichts mehr anhaben.

Mit aller Kraft gelang es mir, das Mädchen zur Seite zu ziehen und ihr den Schirm zu entreißen. Sie war noch immer von Adrenalin gesteuert und ich konnte sie kaum beruhigen. Erst nachdem ich die Kleine fest in den Arm genommen hatte, schien sie die Realität um sich herum wieder wahrzunehmen. Ich ließ sie los und sofort wich sie aus meiner Umarmung zurück.

Das Mädchen hob ihren Schirm auf und schaute mich bitter an. „Lass uns hier verschwinden!“, befahl sie mir in einem Ton, der keine Widerworte duldete. Den Mann und die blutige Tat erwähnte sie mit keinem Wort.

Um ganz sicher zu sein, dass ich nicht alles nur geträumt hatte, blickte ich kurz zurück. Der Mann lag noch immer da. Er war zusammengekrümmt und langsam breitete sich eine Blutlache unter seinem Körper aus. Die Kapuze war zurückgeschoben und enthüllte den Blick auf sein Gesicht. In dem fahlen Licht wurde es noch stärker betont und seine markanten Wangenknochen stachen besonders hervor. Er hatte schwarzes Haar, das er zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Seine toten Augen starrten mir nach, als wir um die Ecke verschwanden.

Ich stand noch immer unter Schock und ließ mich willenlos von der Kleinen durch die Gassen führen. Ein mystischer Zauber lag zwischen uns. Um diesen nicht zu brechen, sprach keiner ein Wort. Es war der Zauber des Vergessens und Verdrängens. Sollte er jemals brechen, wäre es Zeit geworden, sich mit dieser grauenvollen Tat auseinanderzusetzen, die Risiken und Folgen zu bedenken und sich selbst die Fehler eingestehen, die wir begangen hatten. Aber so waren die Realität und die grausigen Geschehnisse ganz weit weg, verborgen hinter einem grauen Nebelschleier.

Wir kamen gerade noch rechtzeitig zur Bushaltestelle zurück. Der nächste Bus nahte bereits und stoppte zeitgleich mit unserem Eintreffen. Das Mädchen stieg direkt ein, lächelte mir zu und winkte noch zum Abschied. Dann schlossen sich die Türen und der Bus verschwand in der Nacht. Mitsamt dem Mädchen, dem Regenschirm und ihrem Motiv. Und ich kannte noch nicht einmal ihren Namen.

2

- Sonntag -

Mit dröhnendem Schädel erwachte ich am nächsten Morgen in meinem Bett. Was für eine Nacht! Ich konnte mich erst an gar nichts erinnern. Weder wo ich letzte Nacht gewesen war, noch wie ich überhaupt nach Hause und in mein Bett kam. Ich drehte mich zur Seite. Bei dieser Bewegung schmerzte alles. Meine Arme, meine Beine, mein Rücken, meine Schultern. Was war nur passiert?

Ein Blick auf die Uhr verriet, es war schon weit nach zehn Uhr morgens. Mein erster Versuch aufzustehen, endete damit, dass ich mich doch nur wieder zurück auf den Rücken rollte. An Aufstehen war im Moment nicht zu denken. Glücklicherweise schlief ich sofort noch einmal ein und erwachte erst wieder um die Mittagszeit.

Noch immer fühlte sich mein Kopf bleischwer an, doch so langsam lichtete sich der Nebel darin. Leider waren die Gedanken und Erinnerungen, die dahinter verborgen lagen und nun nach und nach freikamen, nicht die schönsten.

Schwach erinnerte ich mich an ein Mädchen, das sich ängstlich an mich wand. Ich fühlte eine tiefe Verbundenheit zu ihr, wie ein Band, das uns fest umgab. Hatte ich es nicht für meine persönliche Mission gehalten? Noch erfüllten mich die rückblickenden Gedanken mit einem Gefühl der Glückseligkeit. Doch im nächsten Moment sah ich einen Regenschirm vor meinem geistigen Auge. Ein Dolch blitzte auf und Blut spritzte in alle Richtungen. Ich sah mich über einen Mann gebeugt. Sah, wie ich immer wieder und wieder auf ihn einstach.

Mit diesen widerlichen Gedanken im Kopf ging ich zu Boden. Ich stürzte und kroch zur Wand. Das konnte doch nicht wirklich passiert sein! Ich lehnte mich mit dem Rücken zur Wand, zog die Knie an und schluchzte hemmungslos. Hatte ich gestern Nacht etwa einen Menschen ermordet?! Ich hatte keine klaren Erinnerungen an die letzte Nacht. Nur diese Horrorbilder, die immer wieder vor meinen Augen aufblitzten.

Aber war ich zu so etwas fähig? Könnte ich zu so etwas überhaupt fähig sein? Ohne Grund einen fremden Menschen attackieren? Erbarmungslos und ohne Mitgefühl? Woher sollte ich die Kraft nehmen, einen erwachsenen Mann zu überwältigen? Fragen über Fragen - mein Kopf dröhnte. Mein Gehirn ratterte und suchte nach Antworten, während mir immer wieder diese schrecklichen Bilder vor Augen erschienen.

Das Telefon klingelte. Sein Klingeln zerriss die Stille und schmerzte in meinem Kopf. Ich saß immer noch auf dem Boden und konnte mich nicht rühren. Wusste gar nicht, wie viel Zeit mittlerweile schon verstrichen war, denn ich hatte jegliches Gefühl für Raum und Zeit verloren.

Ich wimmerte, flehte und betete, dass dieses lästige Geräusch endlich verstummen möge. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Würde ich dann endlich meine Ruhe finden? Endlich verstummte das Telefon und ich atmete aus. Ohne es zu merken, hatte ich die ganze Zeit die Luft angehalten. Nun ließ auch der Druck in meiner Brust nach und das beklemmende Gefühl in meinem Inneren löste sich auf. Ich atmete noch ein paar Mal tief ein und aus. Bei jedem Atemzug spürte ich eine stetige Verbesserung meines Zustandes. So langsam war ich wieder fähig zu denken.