Mir wurde mein Leben geschenkt, um es zu leben - Kerstin Schwarz - E-Book

Mir wurde mein Leben geschenkt, um es zu leben E-Book

Kerstin Schwarz

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Beschreibung

Chronisch krank? Ein Verlauf, der nicht aufzuhalten ist? Unheilbar? Mit fünfundvierzig Jahren erhält die Autorin die Diagnose: Morbus Parkinson. Damit zählt sie zu den jung beziehungsweise frühzeitig Erkrankten. Unvermittelt herauskatapultiert aus ihren gewohnten Abläufen muss sie ihre Vorhaben neu planen und ihr Leben völlig umstrukturieren. Hinzu kommt eine stetig wachsende psychische und je nach Schweregrad der aktuellen Symptome auch physische Belastung für sie und ihre Liebsten. Am schwierigsten jedoch gestaltet sich die Annahme des Selbst, dieses fremden Selbst. Die Autorin beschreibt auf sehr persönliche Weise, wie sie ihren Weg bis heute bewältigte. Sie erzählt von den ganz alltäglichen Momenten, aber auch von Phasen der Stille, um den schwierigen Weg der Akzeptanz sichtbar zu machen. Es ist ein Buch für Betroffene, für Angehörige und für alle anderen interessierten Menschen.

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Einleitung

„Oh, du hast echt Glück gehabt.“

„Mensch, du bist ein Glückspilz.“

„So viel Glück wie du möchte ich auch haben.“

„Bist du glücklich?“, fragte man mich hin und wieder, wenn ich auf einer Party wieder einmal für gute Stimmung sorgte und aus vollem Hals lachte.

Glück? Was ist das?

Für mich ist die Antwort in den letzten Jahren wichtig geworden, weil sie die Haltung zum Leben und den Prozess, mein Leben zu leben, stark beeinflusst.

Im Laufe eines Mädelabends fragten mich auch meine Freundinnen irgendwann, was ich unter Glück verstehe. Mir fiel keine stimmige Definition ein und ich dachte einige Tage darüber nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.

Vor Kurzem trat ich in schriftlichen Kontakt mit Xavier Lignan.1 Wir chatteten und unterhielten uns über Doktorarbeiten. Schließlich gab ich die Frage einfach an ihn weiter. Seine Überlegungen bestätigten mich in meinem Vorhaben, meine Geschichte zu erzählen. „Meinen Patienten“, so schrieb er mir, „empfehle ich immer, das Konzept des Glücks in Zufriedenheit umzuwandeln, um mehr Frieden zu erhalten. Eine Person mit einem hohen Zufriedenheitsgrad wählt die Gefechte/Kämpfe/Schlachten. Man muss sich selbst Raum für alles geben.“

Da wir anfangs in spanischer Sprache korrespondierten, war es schwierig zu verstehen, was genau er meinte. Ich bat einen Bekannten, dessen Muttersprache Spanisch ist, um eine Übersetzung. Er schickte mir diese mit der Anmerkung zurück, dass es kompliziert für ihn sei, Begriffe aus der Fachsprache so zu übersetzen, dass der philosophische Aspekt nicht verloren gehe. Die zwei ersten Sätze geisterten tagelang in meinem Kopf herum, bis ich verstand, was Xavier Lignan ausdrücken wollte:

Es ist wichtig zu lernen, sich nicht jedem Gefecht zu stellen. Man hat die Wahl, welcher Schlacht man sich stellt, um sie sodann energisch zu bestreiten.

Der schriftliche Ausdruck ermögliche es den Menschen, sich viel gründlicher zu erforschen, schrieb er mir außerdem.

Aus diesem Grund ist meine persönliche Sichtweise und die niedergeschriebene Veranschaulichung das Ergebnis eines Blickes tief in mein Innerstes.

Am 21. Dezember 2014 erhielt ich mit fünfundvierzig Jahren die Diagnose: Morbus Parkinson.

Damals begann ich sofort zu recherchieren und stellte fest, dass diese Krankheit eine Krankheit alter Leute ist. Informationen, die meine statistischen Werte berücksichtigten, waren begrenzt, es existierte kaum Forschung mit diesen Parametern.

Für lange Zeit gab ich auf. Sobald ich meine Krankheit offenlegen musste, sagten mir viele, ich solle mal dies lesen oder mir jene Sendung anschauen. Alle meinten es gut, aber ich wollte mich mit der Thematik nicht auseinandersetzen.

Ich lehnte es ab, darüber zu reden, wenn aus dem Familien-, Freundes-, Bekannten- oder später Kollegenkreis all diese Tipps gegeben wurden.

Ich kämpfte mich durch den Tag und war mehrere Jahre voll unbändiger, hoffnungsloser Wut, lebte mein Leben zum Teil sehr exzessiv, ohne Ziele, ohne an die Zukunft zu denken.

Ich lernte in dieser Zeit aber auch Menschen kennen, die zu meinen engsten Vertrauten wurden und bei denen ich bis heute klagen kann, wenn es notwendig ist. Das war das Beste, was mir passieren konnte. Diese Menschen halfen mir aus einer tiefen Krise und es war der Anfang für einen neuen Abschnitt in meinem Leben:

Ich begann, die Fülle meiner Gedanken aufzuschreiben. Bis heute finde ich darin meine innere Ruhe und eine tiefe Zufriedenheit.

Ja, ich bin glücklich, wenn ich schreibe, und genieße mit den wichtigsten Menschen mein Leben.

1 Xavier Lignan arbeitet in Mexiko-Stadt als Psychotherapeut. Für mich ist er ein unabhängiger Berater, ein Partner im Gedankenaustausch über vielfältige, breit gefächerte Themen der Psychologie und Philosophie.

Inhaltsverzeichnis

1

Heute [1]

2

Diagnose

Arztodyssee

Entscheidende Untersuchung

Ergebnis

3 Erste Auseinandersetzung

Schwerbehinderung

Reha – Aufenthalt 2015

4 Der lange Weg zur Akzeptanz

Alltag

Ausbruch

Suche

Auslöser

Neue Ziele

Reha – Aufenthalt 2019

Rückschlag

Stabilität

5 Heute [2]

Literatur

1 Heute [1]

Der Strand ist beinahe menschenleer, ich sitze allein im Sand. Die Sonne zieht glutrot am Horizont auf. Ich liebe die frühen Morgenstunden. Ich liebe die Ruhe, die mir Kraft gibt. Ich liebe die Stille, bevor der Tag erwacht. Es ist für mich die schönste Zeit des Tages.

Hier, im Urlaub und am Strand, beginnt der Tag mit seinem Trubel später. Bald spazieren ein paar Frühaufsteher die Uferpromenade entlang. Erste ehrgeizige Sportler joggen oder gleiten im Wasser ruhig dahin. Die Bistrobesitzer stellen Tische und Stühle für die Urlauber heraus. Die Ladenbesitzer ziehen die Eisengitter nach oben und öffnen ihre Geschäfte.

Ohne Eile steigt die Sonne auf. Ihre Strahlen streicheln meine Haut und wärmen sie langsam. Der Himmel ist klar, keine Wolken. Still, fast glatt, liegt das Meer vor mir. Kleine Wellen kräuseln sich Richtung Strand und laufen ruhig aus.

Jetzt kommen allmählich die Sonnenanbeter. Zeitig am Strand zu sein, sichert den besten Platz für den gesamten Tag. Ein Badetuch ist schnell hingelegt. Den Spieß des Sonnenschirms derb in den Sand zu rammen, damit er bei Wind weiterhin stabil steht und den angenehmen Schatten spendet, ist Routine für viele.

Jeden Morgen beobachte ich ein älteres Pärchen bei der Ausübung. Es dauerte nicht länger als zehn Minuten und beide sitzen sodann auf ihren ausgeklappten Stühlen unter ihrem Sonnenschirm, jeweils ein Buch in den Händen haltend, lesend am Strand.

Stetig kommen mehr Sonnenliebhaber und der Strand füllt sich. Es wird nun Zeit, dass ich gehe. Ich mag es nicht, wenn so viele Menschen um mich herum sind, und ich mag auch nicht die Lautstärke, die damit einhergeht. Mittlerweile ist es oft anstrengend, wenn ich mehreren Personen, zum Beispiel bei einer Diskussion, zuhören muss.

Etwas behäbig stehe ich auf, strecke langsam meine Arme nach oben, mal die Handflächen einfach aufeinandergelegt, mal die Finger ineinander verschränkt, auf jeden Fall so, dass beide Arme gleichermaßen gefordert werden.

Danach beuge ich mich vorsichtig nach vorn und lasse die Arme nach unten hängen, damit sich der Lendenwirbelbereich entspannt. Zum Schluss lege ich die Hände auf meine Hüften und drehe den Oberkörper mehrere Male nach rechts und nach links. Alle Übungen führe ich in meinem sehr gemächlichen Tempo aus. Zu Bekannten und Freunden sage ich oft spaßeshalber, ich müsse mich erst einmal entfalten. Es ist Schwerstarbeit für mich. Bis jetzt bemerkt noch keiner, dass mir das alles nicht leichtfällt, dass es schmerzt.