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Nur einmal will Laurent, der Herrscher des Königreichs Armaria, seiner Pflicht entfliehen und sich fühlen wie ein ganz normaler Mann. Mit der süßen Emilia, die keine Ahnung von seiner wahren Identität hat, verbringt er heimliche Stunden des Glücks. In ihren Armen kann er vergessen, dass sein Land vor dem Ruin steht und dringend eine Finanzspritze braucht. Eine Zweckheirat, die alle Geldsorgen lösen würde, scheint der einzige Ausweg zu sein. Doch wie wird Emilia reagieren, wenn sie erfährt, wer er wirklich ist? Und dass er im Begriff steht, um die Hand einer anderen anzuhalten?
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Seitenzahl: 201
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Jessica Gilmore Originaltitel: „Cinderella’s Secret Royal Fling“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 032020 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Rita Koppers
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733713942
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Das Königshaus von Armaria lädt zu einem Mitsommerball ein
Termin: 21. Juni
Uhrzeit: ab 19.00
Veranstaltungsort: Schloss von Armaria
Dresscode: Abendgarderobe
Um Antwort wird gebeten
Laurent nahm die geprägte Karte und drehte sie um. Diese Seite war leer und wartete auf einen Namen. Eine seltsame Vorstellung, dass diese Karte in weniger als einer Woche zu den begehrtesten der Stadt zählen würde. Nein, nicht nur der Stadt, sondern ganz Europas.
Schließlich war es schon mehr als zwanzig Jahre her, dass Armaria einen seiner berühmten Mitsommerbälle veranstaltet hatte, genug Zeit, dass sich Legenden darum rankten. Es wurde gemunkelt, dass alles möglich war für jene, die das Glück hatten, daran teilzunehmen. Filmstars verliebten sich in Mitglieder des Königshauses, Dienstmädchen heirateten einen Herzog, und unglückliche Gräfinnen liefen mit Stalljungen davon. Jeder Sommerball war voller Wunder, Verführung, Magie.
Zumindest wenn man den Geschichten glaubte. Die Wirklichkeit war wahrscheinlich viel prosaischer. Trotzdem, sollten Laurents Pläne Früchte tragen, würde man sich über den Ball in diesem Jahr vielleicht eines Tages Geschichten über einen Heiratsantrag um Mitternacht und eine märchenhafte Romanze erzählen. Zum Glück war er zu alt, um an Märchen zu glauben, außerdem hatte er noch nie von einer Romanze geträumt. Ein Mann in seiner Position konnte nur darauf hoffen, dass man miteinander auskam und sich mochte.
Er wandte sich um, als die Tür der Bibliothek geöffnet wurde und seine Mutter den Raum betrat. Als sie ihn entdeckte, zeigte sich Erleichterung auf ihrem Gesicht. Er legte die Karte zurück auf seinen Schreibtisch, bedeckte sie schnell mit einem leeren Stück Papier und ging auf seine Mutter zu, um sie zu begrüßen.
Majestätisch streckte sie die Hand nach ihm aus. „Laurent, seit du aus England zurück bist, habe ich dich kaum gesehen. Hier hast du dich also versteckt.“
„Versteckt wohl kaum, Maman“, protestierte er, während er sich herunterbeugte, um ihre noch immer faltenlose Wange zu küssen. „Mein Berater wusste, dass ich hier bin. Genauso wie das Dienstmädchen, das mir meinen Kaffee gebracht hat.“ Er deutete auf den kleinen Tisch mit dem porzellanen Kaffeeservice, der vor einem der Sofas stand. „Er ist noch heiß. Darf ich dir eine Tasse einschenken?“
„Danke, mein Lieber.“ Anmutig nahm die verwitwete Erzherzogin auf dem antiken Sofa Platz, legte die Knöchel übereinander und saß kerzengerade und mit erhobenem Kopf da. Selbst wenn sie beide allein waren, erlaubte sie sich keine entspannte Haltung. Ihr Haar war immer perfekt frisiert, ihr Make-up frisch aufgelegt und ihre Kleidung erlesen. Schon als kleiner Junge hatte man ihm eingebläut, dass er als Mitglied der Herrscherfamilie von Armaria – als wichtigstes und bekanntestes Mitglied – immer im Mittelpunkt stand. Und selbst wenn er allein sei, dürfte er das niemals vergessen.
Laurent schenkte seiner Mutter eine Tasse von dem duftenden Kaffee ein und reichte sie ihr.
„Danke, Laurent. Aber du sollst wissen, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um sich in der Bibliothek zu verstecken. Der Premierminister hat dich gesucht. Er hofft auf eine Antwort …“
„Nein, er hofft auf eine andere Antwort, die er aber nicht bekommen wird. Ich werde nicht zulassen, dass er Armaria in ein schmutziges kleines Steuerparadies verwandelt. Mein Großvater und Vater haben es auch so geschafft, genau wie du. Und ich werde nicht derjenige sein, der an dem Land Verrat begeht und es verkauft. Unsere Menschen verdienen etwas Besseres.“
„Unser Volk verdient neue Straßen und Häuser, bessere Krankenhäuser, mehr Schulen …“
„Und genau deshalb brauchen wir eine langfristige Strategie.“ Sie wirkten wie zwei Schauspieler, die auswendig gelernte Sätze aufsagten. Sätze, die sie seit drei Jahren wiederholten, seit Laurent seinen Abschluss als Betriebswirt gemacht und seine Mutter ihm offiziell die Regentschaft von Armaria überlassen hatte.
„Und du hast eine?“ Hoffnung ließ ihre Stimme fröhlicher klingen. „Wie war deine Reise nach England? Hat er Ja gesagt?“
Sie musste nicht genauer ausführen, wer mit er gemeint war. Denn ihr war durchaus bewusst, dass Laurent zum zweiten Mal, von der Öffentlichkeit unbemerkt, dem High-Tech-Unternehmer Mike Clayton einen Besuch abgestattet hatte, dessen Robotertechnik man in jedem Haushalt auf der Welt finden konnte. Und Mike Clayton suchte nach einer nachhaltigeren Form der Energie, um besagte Geräte herzustellen. Energie, die ein kleines Land mit langer Küste, windgepeitschten Hügeln und Bergen und vielen Sonnenstunden zur Verfügung stellen konnte …
Laurent ging zu dem hohen, schmalen Fenster und sah hinaus auf die berühmten Gärten des Schlosses, in denen sich Touristen tummelten. Der Tourismus war eine wertvolle Einnahmequelle für das kleine Land, aber es reichte nicht, um ihm den Wohlstand zu bringen, den es brauchte. „Nicht direkt. Aber er hat auch nicht Nein gesagt und will herkommen, um sich den geplanten Standort ein zweites Mal anzusehen und sich mit den Leuten von der Universität zu treffen.“
„Das klingt vielversprechend. Aber reicht das? Ich weiß, dass der Premierminister auf einen Plan hofft, der vor der Sommerpause vom Parlament abgesegnet wird. Also brauchst du etwas Konkreteres, was du ihm anbieten kannst, als einen in Aussicht gestellten zweiten Besuch.“
„Ich brauche gar nichts. Das Parlament hat lediglich Beraterfunktion, und der Premierminister täte gut daran, sich das in Erinnerung zu rufen.“ Langsam atmete Laurent ein, während er sich zu seiner Mutter umdrehte. „Du weißt, dass mein Vater dagegen war, das Land zu einem Steuerparadies verkommen zu lassen. Und er war auch nicht gewillt, das Land in einen riesigen Vergnügungspark im pseudo-mittelalterlichen Stil zu verwandeln. Du hast dir alle Mühe gegeben, seinen Vorstellungen zu entsprechen, und ich werde sein Erbe nicht verraten. Falls es uns gelingt, ein erfolgreiches Tech-Unternehmen wie Clay Industries bei uns anzusiedeln, dann werden andere sicher nachziehen. Wir könnten Armaria in die Technologie-Metropole Europas verwandeln, ein Silicon Valley des Nordens. Wir können Jobs schaffen und Wohlstand, ohne unsere Integrität zu verlieren.“ Abrupt hielt er inne, weil er so klang, als würde er eine vorbereitete Rede vor dem Parlament halten. Seine Mutter lächelte verständnisvoll. Schließlich hatte sie die Rede in verschiedenen Ausführungen schon oft gehört.
„Nicht mich musst du überzeugen, Laurent.“
„Nein, nur das Parlament.“ Auch wenn es nur eine Beraterfunktion hatte, war das Leben deutlich einfacher, wenn man die Parlamentarier auf seiner Seite hatte. „Falls Clay Industries anbeißt, dann wird das Parlament von der Idee eines Steuerparadieses ablassen. Ich brauche nur diese erste Kapitalanlage …“
„Dann wirst du also einen Weg finden.“ Sie klang sachlich, denn genau das war ihre gemeinsame Aufgabe. Seit zehn Jahrhunderten hatten die Erzherzöge von Armaria alles getan, um ihr Volk vor Eindringlingen und Seuchen, Kriegen und Hungersnöten, Bankrott und Armut zu schützen. Und er würde nicht der Erste sein, der versagte.
„Ja, das werde ich. Deshalb habe ich auch vorgeschlagen, dass die Claytons unsere Ehrengäste bei unserem Mitsommernachtsball sein werden. Mike Claytons sechzigster Geburtstag fällt auf den gleichen Tag, und sie haben noch nicht entschieden, wie sie ihn begehen wollen. Was gäbe es Schöneres, als ihn hier zu feiern?“
„Mittsommer ist immer etwas Besonderes, aber es ist nicht einmal mehr einen Monat bis dahin. Und es ist Jahre her, dass wir einen großen Ball gegeben haben. Seit dein Vater …“ Ihre Stimme schwankte, wie immer, wenn sie von ihrem verstorbenen Mann sprach. Obwohl schon seit einundzwanzig Jahren Witwe, war ihre Trauer nicht kleiner geworden. Vielleicht wäre es anders, hätte sie ihr Leben weitergeführt. Stattdessen war es stehen geblieben, als ihr Mann gestorben war, wie Laurent wusste, und sie war gefangen gewesen in einer Regentschaft, die sie auch nicht gewollt hatte. Sie hatte das kleine Land beschützt, um es ihrem Sohn zu übergeben. „Es gibt so viel zu tun, zu planen, zu arrangieren. Der Ballsaal könnte ein wenig Farbe und Glanz brauchen, genau wie die Hälfte dieses Flügels und einige unserer Gästezimmer.“
„Nur gut, dass wir so viel Personal im Schloss haben, nicht wahr? Ich weiß, dass die Zeit knapp ist, Maman, aber unsere Mitsommernachtsbälle waren legendär. Und wenn wir diese Tradition wiederaufleben lassen, zeigt das doch, dass wir Vertrauen in Armaria haben. In unsere Vergangenheit, die Traditionen und auch in unsere Zukunft. Es ist die ideale Gelegenheit, dass die Claytons sich in Armaria verlieben könnten und in all das, was wir anzubieten haben. Mike Clayton soll nicht nur mit seinem Kopf, sondern auch mit seinem Herzen dabei sein, wenn er sich für uns entscheidet. Da wir gerade davon sprechen …“ Laurent zögerte. Wenn er die nächsten Worte erst einmal gesagt hatte, gab es kein Zurück mehr. Er wappnete sich. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich heirate.“
„Heiraten?“ Die Überraschung seiner Mutter hatte fast etwas Komisches. Dabei schnitt sie seit zwei Jahren dieses Thema selbst immer wieder an und erstellte regelmäßig Listen von geeigneten jungen Damen.
„Du erinnerst mich doch ständig daran, dass ich schon achtundzwanzig bin. Und wie du weißt, ist Alex der Nächste in der Nachfolge. Wäre es nicht falsch, wenn ich ohne einen Erben sterbe und er Erzherzog werden würde?“
„Der liebe Alex“, murmelte seine Mutter. „Er liebt dieses Krankenhaus sehr.“
„Genau deshalb sollte ich heiraten und ein oder zwei Erben haben, damit er sich keine Sorgen machen muss, dass er sein Stethoskop an den Nägel hängen und stattdessen die Krone aufsetzen muss.“
Forschend sah die Erzherzoginwitwe ihren Sohn an. „Ich wusste gar nicht, dass du mit jemandem zusammen bist.“ Sie klang, als könnte es nicht sein, wenn sie nichts davon wusste. „Und du weißt doch, wie es ist. Du bist Armaria und musst das tun, was für das Land richtig ist, und das betrifft auch deine Ehe. Du kannst nicht irgendjemand heiraten.“
„Das hatte ich auch nicht vor.“ Tief atmete er durch. „Mike Clayton hat eine Tochter. Bella. Du wirst sie sicher mögen. Ich überlege, sie zu fragen, ob sie meine Erzherzogin werden möchte. Um die Verbindung zwischen Armaria und Clay Industries auf allen Ebenen zu stärken.“
„Verstehe.“ Seine Mutter zuckte zusammen. Für einen Moment war die respekteinflößende Regentin verschwunden und hatte einer Mutter Platz gemacht, die den Tränen nahe war, die nur wollte, dass ihr Sohn glücklich wurde. Doch sie fasste sich schnell wieder. „Ach, Laurent, ich verstehe es tatsächlich. Und natürlich ist es sinnvoll.“
„Ich habe Bella oder ihren Eltern noch nichts gesagt“, warnte Laurent seine Mutter. „Weil ich zuerst mit dir darüber sprechen wollte. Sie könnte natürlich schon andere Pläne haben, in denen kein windiges altes Schloss vorkommt und ein Leben in einem fremden Land.“
„Erzähl mir von ihr. Was bringt sie zum Lachen? Wovon träumt sie?“
Laurent hüstelte, weil ihm die seltsamen Fragen unangenehm waren. Er war ein Erzherzog. Mit Träumen oder Lachen hatte er nichts zu tun. Für ihn zählten Fakten und Zahlen. Und falls er sich entschied, Bella Clayton einen Heiratsantrag zu machen, und sie ihn annehmen würde, wäre das ein Handel, den es in allen Zeiten gegeben hatte. Er führte ein Land, das Investitionen brauchte, und ihre Familie konnte das bewerkstelligen. Ein Titel und ein Thron gegen Geld oder Einfluss oder Absicherung, genau wie seine Vorfahren es immer wieder gemacht hatten.
„Wie du weißt, war ich schon zweimal bei ihrer Familie, und sie scheint hinreichend nett zu sein.“ Er musste seine Mutter nicht ansehen, um zu wissen, dass sie zusammenzuckte. Offenbar fehlte ihr der romantische Aspekt. „Sie ist hübsch, vielleicht sogar schön“, versuchte er es noch einmal. „Sie liebt Hunde und Pferde. Wenn wir zusammen waren, haben wir die meiste Zeit darüber gesprochen.“ Dass sie beide Tiere liebten, war doch ein guter Anfang für eine Ehe. Viele Paare hatten weit weniger gemeinsam.
„Wo ist sie ausgebildet worden?“
„Darum muss man sich keine Sorgen machen. Sie war in einem exklusiven Internat und danach ein paar Jahre in der Schweiz, um die Schule zu beenden. Seitdem arbeitet sie für Clay Industries und kümmert sich mit um den Wohltätigkeitsfonds.“ Wobei sie nicht mit einem Arbeitstag von neun bis fünf überlastet schien; aber die Wohltätigkeitsarbeit würde sich gut für die Presse machen und war eine gute Vorbereitung für viele der notwendigen Pflichten einer Erzherzogin.
Seine Mutter hob eine Augenbraue. „Keine Universität? Das ist schade. Ich denke, dass ein Mädchen in diesen unsicheren Zeiten eine gute Ausbildung braucht, die über den korrekten Gebrauch der Messer und den richtigen Hofknicks hinausgeht. Denn sie kann nie wissen, ob sie nicht als Regentin in einer absoluten Monarchie endet. Ein guter Grundstock in Mathematik und Wirtschaft kann da wesentlich sein.“
Eine Welle von Mitleid für seine Mutter erfasste ihn. Kaum dreißig und schon verwitwet, hatte sie im Namen ihres Sohnes die Rolle der Landesmutter übernehmen müssen. „Hoffentlich wird es nicht so weit kommen. Ich habe nicht vor, sie mit alldem allein zu lassen. Aber sie scheint sich der Belastung als auch der Vorzüge dieser Aufgabe sehr wohl bewusst zu sein. Und ihre Mutter hat mir gegenüber eigens erwähnt, dass Bella auf beiden Seiten ihres Familienstammbaums von den Normannen abstammt – Mike Clayton hat sie adoptiert, als er ihre Mutter geheiratet hat. Ihr leiblicher Vater war allerdings ein Baron, also ist ihre Herkunft gut genug für die Leute, denen so etwas wichtig ist.“
„Ja, es klingt, als ob es passen würde. War das deine Idee, Laurent, oder haben ihre Eltern angedeutet, dass ihr beide eine passende Verbindung wärt?“
„Es war allein meine Idee. Es gab keinen Druck von Mike Clayton, auch keinen Hinweis darauf, dass seine Investition von solch einem Schritt abhängig sei. Aber er liebt seine Stieftochter sehr, und Familie ist ihm ausgesprochen wichtig. Ich glaube, er würde es willkommen heißen, wenn wir heiraten, und er würde sein Bestes geben für den Ort, den sie irgendwann ihr Zuhause nennen könnte.“ Bei Bellas Mutter Simone hatte die Sache anders ausgesehen. Sie hatte bei seinen zwei Besuchen auf dem Familienanwesen mehrmals eine Verbindung zwischen Laurent und ihrer Tochter angedeutet und keine Gelegenheit ausgelassen, sie zusammenzubringen. Laurent bezweifelte nicht, dass sie sich genau dieses Ergebnis erhoffte – und dass sie bei einem Heiratsantrag voll und ganz hinter einer Investition von Clay Industries in Armaria stehen würde.
„Und die junge Dame, könntest du sie mögen? Wäre sie nach so kurzer Zeit mit einem Heiratsantrag einverstanden? Könntest du glücklich mit ihr sein?“
Das waren drei unterschiedliche Fragen.
„Ich werde glücklich sein, wenn ich sehe, dass Armaria floriert“, sagte er schließlich. „Und was Bella Clayton angeht … Ich glaube nicht, dass ein Heiratsantrag eine Überraschung wäre. Sie ist sechsundzwanzig und aufgewachsen in der Erwartung, dass sie einen Platz in der Gesellschaft einnimmt. Das Leben hier würde für sie nicht so ein Schock sein wie vielleicht für jemanden mit anderer Herkunft.“
„Na dann“, meinte seine Mutter nach einem Augenblick. „In diesem Fall freue ich mich, sie kennenzulernen – und auch ihre Familie. Wann erwartest du sie denn?“
„Ein paar Tage vor dem Ball.“ Er ging zu seinem Schreibtisch, zog die Karte, die er sich vorher angesehen hatte, unter dem Papier hervor und reichte sie seiner Mutter. „Das ist ein Entwurf, den ich habe anfertigen lassen. Sobald wir mit der Gestaltung zufrieden sind, können wir sie verschicken. Sag also bitte deinem Sekretär, er soll meinem bis Ende der Woche eine Liste all der Personen schicken, die du gerne einladen möchtest. Ich weiß, die Zeit ist knapp, aber das ist der erste Ball, den wir seit zwanzig Jahren veranstalten. Ich glaube, dass keiner der Gäste sich Gedanken darum macht, dass er vielleicht schon etwas anderes vorhat, meinst du nicht? Und wenn alles gut geht, wird Armaria zum Ende des Sommers vielleicht eine neue Erzherzogin haben und keine Geldsorgen mehr.“
Nachdenklich sah seine Mutter sich in der Bibliothek um. „Ich werde auch eine Liste all der Arbeiten aufstellen, die bis dahin gemacht werden müssen. Alle müssen mithelfen, wenn wir das Schloss für Hunderte von Gästen öffnen wollen.“
„Ich werde gerne einen Pinsel schwingen, wenn das hilft, die Arbeit zu erledigen. Und mach dir keine Sorgen um den Ball, Maman. Simone Clayton hat eine Eventmanagerin empfohlen, und wenn alles gut geht, sollte sie am Wochenende anfangen.“ Er zögerte. „Natürlich werde ich als Gastgeber alle Kosten übernehmen, aber die Claytons haben noch eigene Wünsche und natürlich auch eine eigene Liste von Gästen, die sie einladen möchten. Deshalb bestehen sie darauf, die Eventmanagerin zu bezahlen, genauso wie für ihre Gäste und all das, was zusätzlich erforderlich ist. Wie du dir vorstellen kannst, habe ich alles versucht, um sie davon abzubringen, aber sie haben sich nicht umstimmen lassen.“ Laurents Mund wurde schmal. Sein Land, sein Schloss, seine Verantwortung. Aber er wollte um Mike Clayton werben – und um seine Tochter –, nicht mit ihnen streiten. Deshalb war ihm am Ende nichts anderes übrig geblieben, als gnädig zu kapitulieren.
„Verstehe. Bist du dir sicher, Laurent, dass dieses Mädchen dich glücklich machen wird?“
Als Antwort beugte er nur den Kopf. „Ich weiß genau, was ich tue, was mich betrifft als auch Armaria.“
Weil er wusste, dass es eigentlich keinen Unterschied machte, weil beides miteinander verflochten war. Er war der Erzherzog, und mit dem Titel hatte er Verantwortung für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, für das ganze Land. Er hatte nie Zeit darauf verschwendet, sich zu wünschen, dass es anders wäre. Was hätte das auch für einen Sinn? Er musste sich auf die Zukunft konzentrieren – und nun würden seine Pläne endlich Früchte tragen. Bella Clayton war attraktiv, sympathisch, gut erzogen und hatte beste Verbindungen – und sie war die Erbin des Unternehmens, das Armarias Zukunft verändern könnte. Falls sie bereit war, ihm diese Vorteile im Gegenzug zu einem Titel zuzugestehen, dann wäre er tatsächlich ein glücklicher Mann.
Emilia Clayton lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und brachte ein geschäftsmäßiges Lächeln zustande, während sie ihre Stiefmutter über den antiken Schreibtisch hinweg betrachtete.
„Du musst keinen Termin ausmachen, wenn du mich sehen willst, Simone.“ Obwohl beide Frauen wussten, dass das eine Lüge war. Emilia tat alles, um der Familie ihres Vaters aus dem Weg zu gehen. Und sie war sicher, dass sie genauso erleichtert war wie sie selbst, wenn sie sich bei Geburtstagen oder Einladungen zum Abendessen entschuldigte. Deshalb war sie über Simones Besuch auch überrascht, allerdings nicht angenehm. Allein der Anblick ihrer Stiefmutter machte es Emilia schwer, die ruhige, kontrollierte Geschäftsfrau zu bleiben, zu der sie geworden war. Denn sie erinnerte sich nur zu gut, wie sie als Teenager rebelliert hatte, viel zu wütend, um sich noch beherrschen zu können. Sie verdrängte die Erinnerung und behielt ihr Lächeln bei.
Simones verhaltenes Lächeln war genauso falsch wie Emilias. „Du hast die letzten Textnachrichten deines Vaters nicht beantwortet. Ein offizieller Termin schien mir deshalb der einzige Weg, an dich heranzukommen.“
„Wenn ich gewusst hätte, dass es so dringend ist, hätte ich mir die Zeit genommen. Ich bin allerdings sehr beschäftigt. Wie du sehen kannst.“ Emilia blieb freundlich, trotzdem hatte sie ein bedrückendes Gefühl. War ihr Vater krank? Seine Nachrichten waren sehr unverbindlich gewesen – er hoffe, dass es ihr gut gehe und er sie bald irgendwann wiedersehen würde. Die gleichen Nachrichten, die er in den letzten zehn Jahren geschickt hatte, wenn er sich an sie erinnerte. Nichtssagend, unpersönlich, Balsam für sein Gewissen.
Wahrscheinlich genau das, was sie verdiente.
„Ich habe gehört, dass du eine eigene Agentur eröffnet hast. Sehr originell, all das hier.“ Ihre Stiefmutter sah sich in dem offen gestalteten Büro um, mit den sanften Farben Weiß und Grau, den leuchtenden Bildern, den gemütlichen Sitzgelegenheiten und einer Atmosphäre, die eindeutig darauf hinwies, das originell noch das neutralste Wort war, das ihr dazu eingefallen war. „Ich muss sagen, dass ich sehr überrascht war, als ich hörte, dass du in Chelsea wohnst, Emilia.“ Die leichte Betonung auf dem Du war sehr vielsagend und verriet, dass Emilia ihrer Meinung nach nicht in dieses inzwischen exklusive Viertel passte.
„Niemand war überraschter als ich, aber hier befindet sich nun einmal unsere Agentur.“ Tatsächlich war Chelsea das letzte Viertel, das Emilia sich ausgesucht hätte. Seit sie mit sechzehn für immer ihr Zuhause verlassen hatte, hatte sie sich nicht in diesen Teil in Westlondon gewagt, weil es Kensington zu nahe war, wo sich das Apartment ihres Vaters befand, und weil an jeder Ecke unwillkommene Erinnerungen lauerten. Doch als ihre Kollegin und Freundin das alte Stadthaus geerbt hatte, das im Herzen des alten Chelsea in einer wunderschönen, von Bäumen gesäumten Straße stand, war das der Auslöser für die beiden, zusammen mit ihren anderen Freundinnen Amber und Harriet ihre Jobs und ihre Mietwohnungen aufzugeben.
„Ja, die Agentur Happy End. Sehr skurril.“
„Wir sorgen dafür, dass unsere Klienten glücklich sind. Wo ich gerade davon spreche, ist das hier ein Geschäftstermin, Simone, oder wolltest du mich nur sehen? Allerdings sind wir sehr beschäftigt.“
Nur leicht hob Simone eine Augenbraue, ihr einziger Kommentar in Bezug auf das ungebührliche Benehmen. Emilia hatte ihre Stiefmutter nie reizen können, auch wenn sie es noch so sehr versucht hatte. Denn tatsächlich war Simone das Verhalten ihrer Stieftochter viel zu egal gewesen, um sich dadurch aufbringen zu lassen, mochte sie auch noch so unhöflich und ungezogen gewesen sein. „Lady Jane Winspear war voll des Lobes über die Party, die du für sie organisiert hast.“
Emilia behielt ihr verhaltenes Lächeln bei, um nicht zu zeigen, dass sie erstaunt war. Die Party war für besonders verwöhnte Zwillinge gewesen. Ihrer Meinung nach war ihre Stiefschwester Bella genauso verwöhnt. „Schön zu hören.“
„Sollte ich also eine Eventmanagerin brauchen, dann wäre ich hier richtig? Auch um deinem kleinen Unternehmen ein wenig zu helfen? Ich weiß, dass du zu stolz bist, um Hilfe anzunehmen, aber ich hoffe, du wirst nicht so dumm sein, Arbeit abzulehnen, für die du bezahlt wirst.“
Emilia ballte unter dem Tisch ihre Hände zu Fäusten. Schon vor Jahren hatte sie deutlich gemacht, dass sie von ihrem Vater und seiner neuen Familie nichts wollte oder brauchte. Doch auch wenn die Agentur gut angelaufen war, wäre es dumm, einen Auftrag abzulehnen, besonders von Leuten, die so gute Verbindungen hatten wie ihr Vater und die Stiefmutter. „Du willst mich engagieren?“
„Deshalb bin ich hier. Ich möchte, dass du den Ball für den Geburtstag deines Vaters organisierst.“
Emilia schluckte. Natürlich wusste sie, dass ihr Vater in weniger als einem Monat sechzig wurde. Wie auch nicht, da sie an seinem fünfzigsten Geburtstag die Gelegenheit genutzt hatte, ihre Koffer zu packen, um seine Familie und sein Leben für immer hinter sich zu lassen. Sie hatte vorgehabt, seinen sechzigsten Geburtstag wie alle anderen davor einfach zu vergessen.
„Wie ich schon sagte, wir sind sehr beschäftigt, und der Auftrag kommt sehr kurzfristig. Außerdem kann ich mir keine Bestechungsgeschenke leisten.“ Sie stockte, ein wenig erschrocken über sich selbst, während sie all die Ausreden vorbrachte. Weshalb hatte Simone immer diese Wirkung auf sie?
„Ich weiß, dass es kurzfristig ist. Eigentlich hatte dein Vater auch einen ruhigen Geburtstag mit der Familie vorgesehen.“ Bei dem Emilia offensichtlich nicht eingeplant gewesen war. Was sicher an ihrem eigenen Verhalten der letzten Jahre lag, aber trotzdem versetzte es ihr einen Stich. „Wie auch immer, jetzt ist er jedenfalls als Ehrengast beim Mittsommerball in Armaria eingeladen, der seit mehr als zwanzig Jahren zum ersten Mal wieder veranstaltet wird.“
Das waren tatsächlich sehr beeindruckende Neuigkeiten, und Emilia gab sich überwältigt, während sie überlegte, wo Armaria lag. War es das kleine Land zwischen Frankreich und Italien oder zwischen der Schweiz und Italien? „Meinen Glückwunsch an Dad“, sagte sie, und Simone warf ihr einen harten Blick zu.