Heiße Küsse & ein Schottenrock - Bettina Kiraly - E-Book

Heiße Küsse & ein Schottenrock E-Book

Bettina Kiraly

4,5

Beschreibung

Bei dem neuen Auftrag von Patrick Harris, einem bekannten Unterwäschemodel und Frauenhelden, läuft von Anfang an alles schief. Ohne Koffer und Verbindung zur Außenwelt sitzt er schließlich auf der schottischen Insel des zurückgezogen lebenden Angus McLean fest. Und dann muss der übertrieben fröhliche Kerl auch noch ständig anzügliche Kommentare machen! Angus merkt zufrieden, dass seine Flirtversuche Patrick nicht kalt lassen. Die Hoffnung, den smarten Amerikaner irgendwie halten zu können, wächst unaufhörlich, doch passen die beiden wirklich zusammen? Ein schottischer Millionär und ein Model?

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Heiße Küsse & ein Schottenrock

Der schottische Millionär und das Model

von

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2019

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Fxquadro – stock.adobe.com

© imacture – stock.adobe.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-308-0

ISBN 978-3-96089-309-7 (epub)

Inhalt:

Bei dem neuen Auftrag von Patrick Harris, einem bekannten Unterwäschemodel und Frauenhelden, läuft von Anfang an alles schief. Ohne Koffer und Verbindung zur Außenwelt sitzt er schließlich auf der schottischen Insel des zurückgezogen lebenden Angus McLean fest. Und dann muss der übertrieben fröhliche Kerl auch noch ständig anzügliche Kommentare machen!

Angus merkt zufrieden, dass seine Flirtversuche Patrick nicht kalt lassen. Die Hoffnung, den smarten Amerikaner irgendwie halten zu können, wächst unaufhörlich, doch passen die beiden wirklich zusammen? Ein schottischer Millionär und ein Model?

Kapitel 1

„Das wird ein großartiges Shooting. Du wirst ganz begeistert von der einzigartigen Kulisse sein“, hatte Patricks Agent Neil behauptet. „Vielleicht findest du hier dein Lächeln wieder.“

Patrick schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick schweifen. Einzigartig traf es tatsächlich. Zum Lachen war ihm allerdings nicht zumute. Das hier war ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Im negativen Sinn. Dafür würde er Neil den Kopf abreißen!

Der Wind blies Patrick kalt und rau ins Gesicht. Hier an der Anlegestelle der Isle of Skye tummelten sich ein paar Touristen. Eigentlich hatte er mit mehr Trubel gerechnet, doch einige der Fähren hatten ihren Dienst eingestellt. Wegen irgendwas mit einem aufkommenden Sturm, von dem Patrick allerdings noch nichts bemerkte.

Wo er das Boot wohl finden würde, das ihn auf die Shiant Isles bringen sollte? Hier herrschte geschäftige Betriebsamkeit. Patrick meinte sogar angespannte Unruhe bei den Seeleuten zu spüren, als er mit seinem Koffer den Steg entlang marschierte. Er zog den Gurt seiner Handgepäckstasche über seiner dicken Jacke zurecht. Seine Finger waren klamm, die Schultern taten ihm weh und er könnte etwas zu trinken vertragen. Natürlich nur Wasser. Zuckerhaltige Plörre kam für seinen Modelkörper nicht in Frage.

Wie sollte er in diesem Zustand morgen fit für das Fotoshooting der Unterwäschefirma sein? Warum musste die ihre knappen Slips unbedingt in Eiseskälte ablichten lassen? Weshalb hatten sie ihn hierher gekarrt, wo es nichts gab außer Wasser? Hatten sie keine Gegend gefunden, in der man näher an New York frieren konnte?

Am Ende des Stegs blieb er stehen und kniff die Augen gegen den Wind zusammen. Kein Boot zu entdecken, dessen Kapitän auf ihn zu warten schien. Patrick hatte keine Ahnung, wonach er überhaupt Ausschau halten sollte. Die Anweisungen von Neil waren nicht sonderlich informativ gewesen.

Ärger stieg in ihm hoch und brachte die Muskeln in seinem Gesicht dazu, noch mehr zu verkrampfen.

Ein Albtraum. Schon jetzt war dieser Auftrag der reinste Albtraum.

Er war mit dem Flugzeug nach Glasgow geflogen und zu seinem Leidwesen hatte ihn gleich am Flughafen jemand erkannt. Die Frauen, die ihn um Autogramme angebettelt hatten, war er nur schwer wieder losgeworden. Anschließend hatte er fast acht Stunden auf dem Rücksitz eines Taxis verbracht. Das machte die Anreise ziemlich teuer, doch er hatte sich nicht auf die Suche nach einer geeigneten Busverbindung machen wollen. Neil würde der Schlag treffen, wenn er dem Auftraggeber die Rechnung vorlegen musste, aber er war selbst schuld. Hätte er Patrick nicht in diese Einöde geschickt, wäre der Aufwand nicht notwendig gewesen. Im Moment konnte Patrick seinen Agenten ohnehin nicht darüber informieren.

Schon am Flughafen in Edinburgh hatte er festgestellt, dass sein Handyakku leer war, und während der Weiterfahrt hatte er keine Gelegenheit gehabt, es aufzuladen. Ihm stand noch eine Bootsfahrt bevor. Erst danach konnte er seine schlechte Laune hoffentlich an seinem nichtsnutzigen Agenten auslassen. Er brauchte eine Möglichkeit, um Dampf abzulassen. Diese Reise war die reinste Tortur.

Auf dem nächsten Steg entdeckte er zwei stark schaukelnde Boote. Er stakste auf das erste zu. Egal, ob er den richtigen Kahn gefunden hatte, der Mann in der gelben Regenkleidung würde ihn zu der verdammten Insel bringen. Sonst würde Patrick einfach umdrehen und wieder nach Hause fahren.

„Sie da!“, brüllte er, sobald er in Rufweite kam. „Ich muss auf die Shiant Isles.“

„Tag, Sir. Da haben Sie sich aber schlechtes Wetter für Ihren Ausflug ausgesucht. Heute sollten Sie lieber in Ihr Hotel zurückkehren.“

„Ich wohne in keinem Hotel“, stellte Patrick klar. „Jemand muss mich auf diese Insel bringen. Ich habe dort einen Auftrag.“

Der Mann richtete sich auf und schob die Kappe auf seinem Kopf zurück, sodass zerzaustes, braunes Haar zum Vorschein kam. „Sind Sie Handwerker?“

Patrick rollte mit den Augen. Gott, diese Hinterwäldler! „Ich bin Model. Ein ziemlich bekanntes. Vermutlich haben Sie mich bereits auf einigen Plakaten gesehen.“

„Möglich. Ich verstehe nur nicht, was das mit Ihrem Wunsch zu tun hat, auf die Insel zu kommen.“

„Eine Firma hat mich für ein Fotoshooting engagiert“, erklärte Patrick. „Es ist also dringend notwendig, dass Sie mich hinfahren.“

„Dabei denken Sie an mich? Tschuldigung, aber dafür bin ich der Falsche. Vielleicht probieren Sie es bei Paddy da drüben. Der wird nicht dringend von seiner Frau daheim erwartet.“

„Ich soll weiter nach einem Boot suchen? Für so einen Unsinn habe ich keine Zeit.“ Patrick schüttelte den Kopf. „Ich zahle Ihnen das Doppelte von dem, was Sie sonst für die Überfahrt erhalten.“

Der Mann wirkte nun doch interessiert. Die gelbe Jacke spannte über seinem Bauch, als er Patrick musterte. „Sie wissen aber schon, dass das sechs Stunden dauert? Ich wäre zwölf Stunden unterwegs. Und jetzt ist es bereits zehn.“

„Und?“

„Es wird dunkel, bevor ich wieder zurück bin. Niemand fährt gerne auf dem unruhigen Meer herum, wenn der Himmel schwarz ist.“

Patrick zuckte mit den Schultern. „Ich kenne mich mit diesen Kähnen nicht gut genug aus, um beurteilen zu können, was möglich ist und was nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass ich noch heute auf diese verdammte Insel muss. Und das lasse ich mich notfalls auch einiges kosten.“

Der Mann nahm seine Kappe vom Kopf und kratzte sich ausgiebig. Seine Stirn war gerunzelt. Entweder überlegte er, ob er das Risiko der Überfahrt eingehen sollte, oder er grübelte, wie er Patrick weiter abzocken konnte.

„Wo genau wollen Sie überhaupt hin?“

„Shiant Isles, wie ich bereits sagte.“ Patricks Vertrauen in sein Gegenüber nahm ab. Kannte der Kerl sich überhaupt gut genug aus?

Der Kapitän schnaubte. „Schon klar. Die Inselgruppe besteht aus drei Inseln, die sich in Privatbesitz befinden. Auf welche wollen Sie genau?“

„Ein Angus McLean wurde mir als Kontakt genannt.“

„Der Besitzer hat sein Haus auf Garbh.“

Patrick zuckte mit den Schultern. „Dann nehmen wir das. Haben wir einen Deal?“

Mehrere Augenblicke verstrichen ohne eine Reaktion des anderen Mannes.

„Sie haben fünf Sekunden Zeit, sich zu entscheiden“, stellte Patrick klar. „Entweder Sie nehmen den Auftrag sofort an oder ich suche mir jemand anderen.“

Grinsend schüttelte der Kapitän des Schiffes den Kopf. „Sieht nicht so aus, als hätten Sie viel Auswahl. Aber wenn Sie mir hundert Pfund geben, haben wir einen Deal.“

„Wie viel?“ Patrick blieb die Spucke weg.

„Hundertfünfzig Pfund. Sie können gerne Ihr Glück bei einem Kollegen versuchen. Oder Sie sparen sich die ohnehin sinnlose Suche, klettern jetzt auf mein Boot und lassen uns losfahren, bevor ich es mir anders überlege.“

Verärgert knurrte Patrick auf. Besser, er versuchte nicht länger zu feilschen, sonst stieg der Preis weiter an. „Sie nehmen nicht zufällig Kreditkarten an?“

Der Fremde lachte nur.

Patrick kramte in seinem Handgepäck nach seiner Geldbörse. Ohne Bargeld ging er nie aus dem Haus, aber der Betrag war schon ein wenig übertrieben. Auf der bisherigen Reise hatte er einiges ausgegeben und eigentlich wollte er noch etwas als Reserve zurückbehalten. Schließlich würde er auf dieser verdammten Insel wohl kaum leicht an Geld kommen.

„Ich habe gerade so genug dabei“, sagte er schließlich sauer und sah den immer noch grinsenden Kerl an. „Kommen Sie mir ein wenig entgegen. Dann kann ich mir morgen vielleicht noch ein Eis leisten.“

„Als Model sollten Sie darauf verzichten. Außerdem zittern Sie jetzt schon. Was wollen Sie da mit einem Eis?“

Dieser Typ war ja ganz schön hartnäckig. Patrick kniff die Augen zusammen. „Dann eben nicht. Lassen Sie uns aufbrechen.“

„Gerne. Ich muss nur noch kurz was klären. Bringen Sie in der Zwischenzeit Ihr Gepäck an Bord.“

„Ich soll den Koffer selbst tragen?“, fragte Patrick entsetzt.

Der Mann lachte, sprang leichtfüßig von seinem Schiff und marschierte an ihm vorbei. „Bestimmt werden Sie die nächsten Tage viel Spaß haben. Zu schade, dass ich das nicht miterleben werde.“

Was sollte dieser Kommentar bedeuten? Missmutig griff Patrick nach seinem Koffer und näherte sich dem Boot.

Der Abstand zum Steg war zu weit, um ihn einfach auf das Deck zu rollen. Außerdem schaukelte das Boot viel zu stark, als dass er es wagte, einen Fuß auf die Holzplanken zu setzen und den Koffer nachzuziehen. Da landete er bestimmt im Wasser und das Salzwasser wäre Gift für seine Frisur. Schließlich achtete er penibel darauf, seine dunklen Haare auch im Sommer nicht aufzuhellen.

Unsicher sah er dem Kapitän hinterher. Der Mann war bereits aus Patricks Sichtfeld verschwunden. Auf diesem Steg befand Patrick sich im Moment ganz allein, also musste er sich wohl auch ganz allein um das Problem kümmern. Wie kam er dazu?

Er rollte den Koffer näher an das Ende des Stegs und warf einen Blick ins Wasser. Gemütlich sah das nicht aus. Die Tiere, die sich da drinnen vielleicht tummelten, stellten vermutlich gar nicht das Hauptproblem dar, sollte er unverhofft schwimmen gehen. Vielmehr war das Wasser mit Sicherheit verdammt kalt. Und von den Wellen zwischen dem Boot und den Steinen hin und her geworfen zu werden, klang auch nicht sonderlich einladend.

Sein Koffer war von Louis Vuitton. So ein edles Teil konnte er auch nicht einfach rüber schmeißen. Seine ganze Kleidung befand sich in dem Stoffkoffer. Wenn der ins Wasser fiele, wäre das ähnlich ärgerlich, als wenn Patrick selbst im Wasser landete.

Verdammt. Er wollte sich nur irgendwo hinsetzen, sich ausruhen und etwas essen. Stattdessen war er gezwungen, sich mit schweren Koffern und schwankenden Booten auseinanderzusetzen.

Schritte näherten sich hinter Patrick. Er wandte sich um in der Hoffnung, der Kapitän wäre zurückgekehrt und könnte ihn unterstützen. Stattdessen entdeckte er einen Mann, ein paar Jahre jünger als er selbst, in abgewetzten Jeans und einer Jacke, die schon bessere Tage gesehen hatte.

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte der Neuankömmling.

„Ich glaube nicht, dass es Ihnen leichter gelingt, das Gepäck an Bord zu hieven, als mir.“

„Fahren Sie mit Sean raus?“

Woher sollte Patrick wissen, wie der kauzige Kerl hieß, der ihn abgezockt hatte? Er war schließlich nicht hierhergekommen, um Freundschaften zu schließen. „Vermutlich“, brummte er. „Keine Ahnung, wohin er verschwunden ist.“

„Er ist in den Pub gegangen. Die Handyverbindung hier ist ziemlich schlecht, also nutzt er das Festnetz im Lokal, wenn er telefonieren muss.“

Die Möglichkeit zu telefonieren, etwas zu trinken und sich im Warmen aufzuhalten … Da ging es Sean deutlich besser als Patrick.

„Na, großartig“, brummte er. „Und wie lange dauert das?“

Der Fremde lächelte höflich. „Bestimmt ist er gleich zurück. Ich bringe inzwischen Ihren Koffer an Bord, wenn Sie möchten.“

Patrick nickte. „Das wäre großartig. Sie haben nicht zufällig eine Flasche Wasser dabei, die Sie mir überlassen könnten?“

„Sorry, habe ich nicht.“ Der andere klopfte seine Jacke ab, um zu beweisen, dass er nichts dabei hatte. „Bevor wir ablegen, sollten Sie sich aber noch etwas besorgen. Wir sind ziemlich lange unterwegs.“

„Hier um die Ecke gibt es nicht zufällig einen Supermarkt?“, fragte Patrick.

Der Matrose - oder wie man das nannte, was er machte - lachte und schüttelte den Kopf. „Gehen Sie doch in den Pub, in dem Sean auch ist. Ich kann Ihnen den Weg zeigen.“

Seufzend wechselte Patrick seine Umhängetasche von der schmerzenden Schulter auf die andere und ließ sich dann erklären, wie er zu diesem Lokal kam. Nach einem letzten Gruß ließ er den Mann und seinen Koffer zurück.

Zum Glück musste er nicht weit gehen, sondern nur ein paar Meter die Straße entlang marschieren, in eine Seitengasse abbiegen und sich dann noch mal links halten. Das Schild mit dem nicht mehr ganz grünen Kleeblatt war nicht zu übersehen.

Als Patrick eintrat, empfingen ihn dampfige Wärme, lautes Geplauder und neugierige Blicke. Er sah sich um, bis er den Kapitän neben dem Wandtelefon entdeckte, und stapfte auf ihn zu.

Sean hatte einen Krug mit einer dunklen, schaumbedeckten Flüssigkeit vor sich auf dem Tresen stehen und hielt den Hörer ans Ohr gepresst.

Viel hatte er nicht zu sagen. Die Person am anderen Ende der Leitung schien ihm stattdessen einen Vortrag zu halten. Vielleicht zeigte sich seine Frau nicht sonderlich erfreut darüber, dass er nicht pünktlich nach Hause kam.

Ungeduldig wartete Patrick, bis der Mann das Telefonat beendete, und bestellte sich in der Zwischenzeit ein Glas Wasser mit einem Schnitzer Zitronenscheibe. Der Barkeeper schien seinen Wunsch witzig zu finden, doch Patrick hatte nicht vor, sich sein Modelleben mit unnötiger Kalorienzufuhr schwerer zu machen, als es ohnehin schon war.

„Können wir los?“, fragte Patrick, sobald der Kapitän den Hörer seufzend auf die Gabel gelegt hatte.

„Wie kommen Sie denn hierher?“, stellte der Mann eine Gegenfrage.

„Ihr Maat hat mir gesagt, wo ich Sie finden kann.“

Sean runzelte die Stirn. „Mein Maat?“

„Oder Ihr Matrose. Ich kenne die richtige Bezeichnung nicht.“ Patrick grübelte. „Schiffsjunge? Gehilfe? Der junge Mann jedenfalls, der Ihre Gäste höflicher begrüßt, als Sie es tun.“

Der Kapitän nahm einen großen Schluck aus seinem Glas und leerte es damit beinahe zur Gänze. „Ich habe niemanden, der mir auf dem Boot hilft. Um meine Aignéis kümmere ich mich ganz allein.“

„Wer war der Kerl dann? Er kennt Sie offensichtlich sehr gut und ist im Umgang mit Booten geschult. Er war so nett, meinen Koffer an Bord zu bringen.“

„Sehr nett, in der Tat.“ Sean lachte laut auf.

„Was amüsiert Sie so?“

Der Kapitän trank den letzten Rest und legte dann einen Schein auf das blankpolierte Holz vor ihm. „Mein Freund hier ist eingeladen“, sagte er zum Barkeeper. „Der arme Kerl hat Bekanntschaft mit einem etwas zu hilfsbereiten Schotten gemacht.“

„Schon wieder ein Diebstahl?“, fragte der Mann hinter dem Tresen und schenkte Patrick einen mitleidigen Blick. „Diese Welt ist kein schöner Ort mehr.“

„Moment. Welcher Diebstahl?“ Patrick klammerte sich an seinem Glas fest. „Ihr Bekannter hat bloß meinen Koffer auf Ihr Boot geschafft.“

„Wir können gerne nachsehen, ob wir Ihr Gepäck tatsächlich auf meiner Aignéis finden. Aber wir können uns das genauso gut sparen und direkt zur Polizei gehen.“ Sean schlug Patrick auf die Schulter. „Ihr Großstädter seid manchmal naiver als meine dreijährige Nichte.“

Dass er einem Dieb auf den Leim gegangen war, ärgerte Patrick maßlos. Vermutlich würde er all seine teure Kleidung nie wiedersehen. Das Ladekabel für sein Handy war in diesem Koffer gewesen, der mehr gekostet hatte, als zehn Überfahrten mit diesem verdammten Boot. Wenigstens war das Shooting dadurch nicht gefährdet, weil sein Auftraggeber die Slips zur Verfügung stellte. Hoffentlich konnte Patrick sich von den Mitarbeitern wenigstens Shirts borgen, sonst säße er tagelang ohne Wechselkleidung auf der Insel fest.

Er zog sich die Decke, die Sean ihm gegeben hatte, enger um die Schultern, und starrte aus dem Fenster der Kajüte nach draußen. Der Himmel hatte sich verdunkelt und passte hervorragend zu Patricks Gemütslage. Wehe, Neil kümmerte sich nicht um dieses Problem, sobald Patrick ihn kontaktiert hatte.

Der Kapitän stand ungerührt und mit unbeweglichem Gesichtsausdruck am Ruder. Er behielt die Wellen und das Wetter im Blick. Vermutlich sollte Patrick dankbar sein, dass der Mann ihn zur Polizeistation begleitet hatte und auf ihn gewartet hatte, während Patrick die Anzeige aufgegeben hatte. Viel hatte er nicht über den Dieb erzählen können. Er traf zu viele exzentrische Menschen, um einem Allerweltsgesicht Aufmerksamkeit zu schenken. Ohnehin machte er sich nicht allzu große Hoffnungen, seine Sachen wiederzusehen. Er hatte versucht, Neil zu erreichen, doch dessen Nummer war ständig besetzt gewesen.

Obwohl der Besuch bei der Polizeistation einige Zeit in Anspruch genommen hatte, waren sie doch noch losgefahren. Das Mitleid des Kapitäns war zwar nicht groß genug, um den Fahrpreis zu reduzieren, aber Patrick war mit seinen Nerven ohnehin am Ende. Diese Reise sollte einfach nur vorbei sein, damit er sich in ein weiches Bett verkriechen konnte.

„Wir sind gleich da“, sagte der Kapitän über seine Schulter zu Patrick.

„Danke. Es werden gestern und heute einige Boote zur Insel gefahren sein. Ich hoffe, es ist Platz genug, damit wir anlegen können.“

Sean wandte sich ihm zu. „Davon weiß ich nichts. Selbst wenn, wäre es kein Problem. Auf dieser Insel ist niemand von uns gern lange gesehen. Der Bootssteg wird leerer sein als Ians Bierfässer am St Andrews Day.“

Patrick verstand nicht, wovon der Kapitän sprach, aber als sie sich der Anlegestelle von Garbh näherten, stimmte er ihm zu. Hier herrschte absolut tote Hose.

Nachdem Sean das Boot zum Steg gelenkt hatte, half er Patrick von Bord. „Tut mir wirklich leid, dass Sie beklaut wurden, Junge. Hoffentlich bekommen Sie den Koffer von diesem Luis wieder zurück.“

„Louis Vuitton“, korrigierte Patrick automatisch, als würde das eine Rolle spielen. Er holte das vereinbarte Honorar aus seiner Geldbörse und reichte es dem Kapitän. Jetzt war er nicht nur seine Wechselkleidung los, sondern auch noch pleite. „Danke für Ihr Entgegenkommen und Ihre Hilfe.“

„Kein Problem. Viel Erfolg noch.“

„Danke. Vielleicht sehen wir uns ja bei meiner Rückkehr in diesem Pub wieder.“

Der Kapitän lachte, zuckte mit den Schultern und kehrte auf sein Boot zurück. Patrick beobachtete, wie er die Leinen löste und sich dann auf den Rückweg machte.

Sein Blick wandte sich der Insel zu, die für ein paar Tage sein Zuhause sein würde. In der Dunkelheit wirkte sie nicht sonderlich einladend. Ein Weg, der schwach von Solarlampen ausgeleuchtet wurde, führte den Hügel hoch und verschwand im Nirgendwo. Patrick lief los und war froh, dass die beeindruckenden steilen Klippen dieser Insel weiter entfernt begannen. Um die jetzt noch hinaufzuklettern, fehlte ihm die Energie.

Als er den Hügel erklommen hatte, entdeckte er ein paar hundert Meter vor ihm ein Haus. Riesig, massig und wenig einladend stand es trotzig mitten in dem steinigen Gelände. Wo man hier ansprechende Fotos machen sollte, war Patrick ein Rätsel. Erst einmal war ohnehin die Gestalt interessanter, die sich ihm von dem Gebäude aus mit schnellen Schritten näherte.

Ein kleines Empfangskomitee. Jetzt war das Schlimmste überstanden. Gleich würde man sich um ihn kümmern. Hatte man sich Sorgen um ihn gemacht, weil seine Anreise so lange gedauert hatte? Das Problem mit dem leeren Handyakku hatte bestimmt nicht zur allgemeinen Beruhigung beigetragen. Geschah den Leuten recht, die ihn hierhergeschickt hatten.

Er eilte vorwärts und hielt den Blick auf den Mann gerichtet, der auf ihn zumarschierte. Die dicke Jacke verhüllte viel von der Gestalt des Fremden. Die Kappe, die seinen Kopf bedeckte, machte es Patrick unmöglich, Details zu erkennen. Selbst als sie nur noch ein paar Meter voneinander entfernt waren, konnte Patrick nicht mit Sicherheit sagen, mit wem er es zu tun hatte. Vielleicht war das ein Mitarbeiter der Crew. Sonderlich viel Wert schien er auf sein Äußeres nicht zu legen. Also handelte es sich um niemanden, der bei diesem Shooting etwas zu sagen hatte.

„Sie sind gekommen“, stellte der Fremde statt einer Begrüßung fest, als sie schließlich voreinander standen.

Patrick lachte trocken auf. „Gut erkannt. Die Anreise war ein echter Albtraum. Ich muss sofort die Person sprechen, die dieses Shooting koordiniert.“

„Das ist leider nicht möglich. So jemand ist nicht hier.“

„Noch nicht?“ Er runzelte die Stirn und musterte den anderen Mann. Seiner Einschätzung nach war der Kerl ein paar Jahre älter als er und deutlich schmaler. Die Augenfarbe des um gut zehn Zentimeter kleineren Mannes konnte Patrick nicht erkennen. Doch das Rot des Bartes und der Haare war auffällig genug. Ob er durch und durch schottisch war? Patricks eigener, breiter Körperbau passte besser zu seiner Vorstellung von einem Schotten als der von seinem Gegenüber. Zurück zum eigentlichen Thema. „Sehr ungewöhnlich, dass der Verantwortliche noch nicht eingetroffen ist. Dann bringen Sie mich zu jemandem, der sich hier auskennt.“

Der Fremde lachte heiser auf. „Man hat Sie anscheinend nicht informiert.“

„Worüber? Mein Handyakku ist schon seit einer Ewigkeit leer. Sie haben nicht zufällig ein Ladekabel, das Sie mir borgen können?“

„Ein Handy nutzt Ihnen hier nichts. Es gibt kein Netz. Aber jetzt erklärt sich, warum Sie nichts von der Absage wissen.“

Patrick runzelte die Stirn. Warum sprach der Mann in Rätseln mit ihm? Er war müde und nicht in der Stimmung für Detektivspielchen. „Welche Absage?“, blaffte er.

Der Gesichtsausdruck des Mannes blieb freundlich. „Das Shooting findet nicht statt. Zumindest nicht in den nächsten Tagen. Es gibt eine Unwetterwarnung. Die Leute vom Fotoshooting kommen nicht.“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das ganze Drama war umsonst?“ Patrick wandte sich um und sah zum Meer. Das Boot von Sean war nicht mehr als ein kleiner Punkt auf dem Wasser. Den Kapitän konnte er nicht mehr zurückrufen. „Verdammte Scheiße! Dämliches Kackwetter! Zum Teufel auch!“

Hinter sich hörte er etwas, das verdächtig nach Kichern klang.

Verärgert fuhr er herum. „Schön, wenn Sie Ihren Spaß haben, während mir hier die Nerven durchgehen. Ich bin umsonst hierhergekommen und mir wurde alles geklaut. Meine Möglichkeit, gleich wieder von hier zu verschwinden, wird in meinem Rücken gerade immer kleiner. Was zum Teufel soll ich jetzt tun?“

„Sie bleiben erst einmal bei mir.“

Kapitel 2

Angus McLean konnte nicht anders, er ließ seinen Blick über die Gestalt seines unerwarteten Gastes wandern. Patrick Harris, der Patrick Harris, dem Angus bereits einige Zeit höchste Bewunderung entgegenbrachte und der der eigentliche Grund dafür war, dass er sein Heim für einen Haufen Fremder öffnete, damit ein Fotoshooting stattfinden konnte.

Patrick war ein großer Mann, mit sexy breiten Schultern und einer schmalen Hüfte, die auch in der dicken Daunenjacke von Burberry und den Levis-Jeans gut zur Geltung kam. Er wirkte leger, aber ein geschultes Auge erkannte den Wert der Kleidung und Angus hielt sich für recht versiert, wenn es um Mode ging.

„Verfluchter Mist!“, schimpfte das Model und fuhr sich durch das beinahe schwarze Haar. Er hatte sich von Angus abgewandt und starrte dem Boot hinterher, das auf den Wellen der See tanzte, als wäre es eine Nussschale. Es gab nicht viele Boote, die sich hier raus wagten, schließlich war Angus’ unabdingbarer Wunsch nach Abgeschiedenheit auf den umliegenden Inseln wohlbekannt.

„Es muss eine Alternative geben!“, beschied Patrick Harris knapp. Er baute sich breitbeinig vor Angus auf und stemmte die Hände in die Hüften.

Seine Reisetasche schlug gegen seine Seite und baumelte, aber Angus bemerkte dies nur am Rande. Sein Blick ruhte auf der Leibesmitte seines unerwarteten Gastes und weckte ein ungewohntes Gefühl in ihm. Zufriedenheit.

„Ein Sturm zieht auf.“ Er räusperte sich und zwang sich, aufzusehen. Patricks verengte Augen glommen vor Wut und ein Muskel zuckte an seiner Wange, die wie aus Stein gemeißelt schien, so straff spannte sich die Haut zwischen Jochbein und Kinn. Ein leichter Schatten hing auf seinem Gesicht, wo sein Bart nachzuwachsen begann.

„Ich habe nur dabei, was in dieser Tasche steckt.“ Patrick legte die wohlgeformte Hand auf die Ledertasche mit Markenlabel – Armani.

Auch dieses Mal folgte Angus’ Blick der Bewegung. Die langen, kräftigen Finger weckten sein Interesse. Angus schluckte und verlagerte sein Gewicht. Da es sicherer war, beim Thema zu bleiben, als über Patrick Harris’ sexy Körper nachzudenken, drehte er sich zum Haus und deutete knapp den Weg entlang.

„Kommen Sie. Wir können alles Weitere im Haus klären.“

Nach zwei Schritten bemerkte Angus, dass sein Gast nicht folgte. „Mr Harris.“

Das Model sah mit angespannter Mimik über das Meer. Seine Haltung sprach von seinem Unwillen, die Situation so anzunehmen, wie sie war.

„Es wird ein heftiger Sturm werden, der über einige Tage andauern kann.“ Was für alle, die sich auf den Inseln aufhielten, bedeutete, dass sie von der Außenwelt abgeschnitten waren. „Es gibt nichts, was getan werden kann. Wir müssen es aussitzen.“ Da Patrick Harris sich noch immer nicht rührte, fuhr Angus fester fort: „Ich kann Ihnen mit allem Nötigen aushelfen. Kommen Sie! Es ist unnötig, sich hier draußen den Tod zu holen, wenn es im Haus warm ist und das Abendessen bald auf dem Tisch stehen sollte.“

„Verdammter Mist!“

Angus stapfte zu ihm rüber und stellte sich vor das Model. „Mr Harris, es gibt keine Möglichkeit, die Insel zu verlassen, es sei denn, Sie möchten mehrere Seemeilen im eisigen Meer schwimmen.“ Da das ein sinnloses Unterfangen wäre, verwarf er den Gedanken mit einem Schmunzeln.

In dem Moment richtete sich der Blick seines Gegenübers auf Angus und verdunkelte sich noch weiter. „Das gefällt Ihnen wohl!“, schrie er. Die Tasche rutschte von seiner Schulter und fiel ungebremst zu Boden. „Ich bin seit mehr als vierundzwanzig Stunden unterwegs! Ohne Pause, ohne Schlaf und, verflucht noch mal, auch ohne anständige Verpflegung!“ Er trat drohend einen Schritt auf Angus zu und lehnte sich so weit vor, dass sich ihre Nasen fast berührten. Warmer Atem strich über Angus’ Gesicht, als Patrick weitersprach.

„Für nichts!“

Angus verbat sich ein Blinzeln. Obwohl er Machtspielchen verabscheute, durfte niemand so mit ihm sprechen. Da sie notgedrungen miteinander auskommen mussten, zumindest, bis er abgeholt wurde, sollte Patrick Harris seine Grenzen kennen. Also wartete Angus, hielt dem Blick des Models stand und wich nicht einen Zentimeter zurück.

Nach einem spannungsgeladenen Moment schwand Patrick Harris’ Aggression, seine Haltung lockerte sich, die Schultern streckten sich und seine geballten Fäuste öffneten sich. „Aber natürlich sind Sie dafür nicht verantwortlich.“

„Nein, das Wetter liegt jenseits meines Einflussgebietes.“ Angus wagte es, aufzuatmen. „Ich biete Ihnen erneut meine Gastfreundschaft an. Begleiten Sie mich bitte.“

Das Model nickte knapp und presste ein Dankeschön hervor, das nicht besonders aufrichtig klang. Er folgte Angus ins Haus.

Mrs Vance, die treue Haushälterin, die schon seit Jahren im Dienst der Familie McLean stand, hastete auf ihn zu, wobei ihr Blick bereits kundig über den Gast schweifte. Ein Lächeln erblühte auf ihren welken Lippen und der Schalk glänzte in ihren Augen.

„Ah! Da ist das Prachtstück.“ Sie trat näher an Patrick Harris heran und umrundete ihn, wobei sie ihn taxierte. „Legen Sie ab. Ich kann es kaum erwarten, dass dieses Shooting stattfindet!“

Das Model, das bei der Aufforderung begonnen hatte, seine Jacke zu öffnen, stockte. Seine Kinnlade klappte herunter und seine grimmigen braunen Augen verloren einen Teil der Schwere.

„Na, Laddie, brauchen Sie Hilfe?“ Die Haushälterin bemerkte nicht, wie irritiert Harris dreinblickte. Sie war gute zwei Köpfe kleiner als das hochgewachsene Model und musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um an den Schultern seiner Jacke zu zupfen.

„Mrs Vance, Mr Harris wird einige Tage unser Gast sein.“

Angus schälte sich aus seiner Felljacke, hängte sie an die Garderobe, die sich hinter einer unauffälligen Tür verbarg, und wickelte sich den Schal vom Hals. Gewöhnlich kam er nicht so weit, sondern wurde von der Haushälterin bereits beim Aufzippen des Reißverschlusses unterbrochen. In einem Haushalt mit Bediensteten aufzuwachsen, hatte durchaus seine Schattenseiten. Absolute Unselbstständigkeit zählte Angus dazu.

„Moment!“ Harris fuhr herum und fing die Hände der alten Frau ein, um sie zurückzuschieben. „Behalten Sie die Hände bei sich, ja?“

„Sie meint es gut“, beschwichtigte Angus, wobei er Mrs Vance zur Seite drängte.

„Mag sein, aber ich möchte nicht betatscht werden.“ Harris verschränkte die Arme vor der Brust. Sein breitbeiniger Stand sprach von Abwehr. Da hatten sie einen sehr grimmigen Mann, der die nächsten Hiobsbotschaften sicher ebenso wenig locker aufnehmen würde wie die bloße Hilfsbereitschaft der alten Frau. Angus verkniff sich sowohl eine Rüge, schließlich meinte seine Haushälterin es in der Tat nur gut, als auch ein Seufzen. Schade, dass Patrick Superstar Harris solche Allüren an den Tag legte. Noch wollte er es dem gebeutelten Gast aber durchgehen lassen, weshalb er die Wogen mit einer Ablenkung glättete.

„Natürlich. Mrs Vance, wurden die Gästezimmer vorbereitet? Mr Harris hatte eine anstrengende Reise.“ Angus konnte sich einen Blick nicht verkneifen, als Harris endlich die Jacke öffnete. Er trug ein weißes Hemd, das ihm auf den Leib geschneidert schien, so eng lag es an.

„Mr Harris, Mrs Vance zeigt Ihnen Ihr Zimmer und stellt Ihnen alles zur Verfügung, was Sie benötigen.“ Leider gab es keinen Grund, Harris weiter davon abzuhalten, sich auszuruhen. Angus seufzte innerlich.

„Wenn Sie Gesellschaft beim Abendessen vorziehen, zeigt Mrs Vance Ihnen den Speiseraum, sobald Sie sich erfrischt haben.“ Er nickte der Haushälterin zu, die sogleich lostrippelte.

„Harris, sind Sie Schotte? Dann wissen Sie ein gutes Haggis sicher zu schätzen. Hach, wie freue ich mich darauf, Ihnen unsere Spezialität aufzutischen!“

Angus sah dem ungleichen Paar nach, wobei er sich zusammenreißen musste, um nicht ungeniert auf den Knackarsch des Models zu starren. Die Levis-Jeans saßen perfekt und umschlossen nicht nur die Pobacken, sondern auch die muskulösen Schenkel des dunkelhaarigen Laufstegstars.

Angus erinnerte sich noch genau an den Moment, als er Patrick Harris zum ersten Mal gesehen hatte. Es war in Paris gewesen, bei der Fashion Week. Patrick war für Joop gelaufen, hatte einen modischen Zweireiher ebenso lässig präsentiert wie die halbzerrissenen Jeans für Calvin Klein am Tage darauf. Es war seine Ausstrahlung, die Angus auf Anhieb fasziniert hatte. Seine kühle und doch völlig sonnige Lässigkeit, seine Wandlung vom arroganten Schönling zum heißen Cowboy.

Angus atmete tief durch, als er sich losriss und gedankenverloren in sein Arbeitszimmer verschwand.

Angus strich sich das Jackett glatt und rutschte auf dem Stuhl herum. Sein Blick war auf die Tür geheftet. Er rechnete nicht damit, dass Harris tatsächlich herunterkam, schließlich musste er einiges verdauen.

„Mr Vance, ich denke, wir brauchen nicht zu warten.“ Er wedelte mit der Hand, um dem Bediensteten zu bedeuten, das Essen aufzutragen.

Der alte Mann schlurfte hinaus. Angus rieb sich über das angespannte Gesicht. Er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, obwohl er nach ihrem ersten Zusammentreffen Zweifel hatte, dass er die Gesellschaft des Models genießen könnte. Patrick Harris war nicht so, wie er es angenommen hatte.

Mrs Vance’ Stimme war schon aus weiter Ferne zu hören.

Angus setzte sich gerader hin, legte die Handflächen flach auf den Tisch und presste sie gegen das kühle Tischtuch. Mit einem Mal spannte sich sein Körper an und er lauschte angestrengt. Erst, als er ein Brummen vernahm, stieß er den Atem aus und gönnte sich ein erleichtertes Grinsen.

„Ich hoffe, dass Sie maßlos übertreiben“, sagte Harris gerade.

„Ah, da ist ja mein Göttergatte!“, freute Mrs Vance sich. „Mr Vance, hier haben wir ein waschechtes …“

„… Model zu Gast“, beendete ihr Mann den Satz. Sein demonstratives Desinteresse in Haltung und Stimme steigerte Mrs Vance’ Aufregung noch. Sie kicherte, als sie zur Tür hereinkamen.

Patrick Harris verzog den Mund, als er eintrat und nach zwei Schritten stehenblieb. Seine volle Unterlippe wurde dabei betont, aber es bildete sich auch eine unschöne Falte zwischen Nase und Mundwinkel. Angus nahm sich die Zeit, das eckige Gesicht zu bewundern. Die ausgeprägten Wangenknochen und der maskuline Kiefer ließen auf einen starken Willen schließen, die vollen Lippen auf Sinnlichkeit. Am meisten zogen Angus jedoch seine Augen an. Patrick Harris wirkte immer düster, ob nun auf Werbedrucken oder auf dem Laufsteg, aber bisher hatte Angus angenommen, das wäre lediglich auf seine Aufträge zurückzuführen. Nun jedoch war er drauf und dran, diese Auffassung zu revidieren. Was, wenn Patrick Harris von Natur aus eher mürrisch angelegt war?

„Ein Glück“, murrte der Bedienstete, als er den Servierwagen hinter dem Model hereinschob und Harris dann umrundete.

„… dass sich sonst keiner hergewagt hat?“ Mrs Vance lachte gackernd auf. Sie geleitete den Gast bis zu seinem Platz zu Angus’ Rechten und schob ihm den Stuhl zurecht.

Patrick Harris biss die Zähne aufeinander. Sein Blick richtete sich starr auf das geblümte Porzellan vor ihm und seine Nasenflügel bebten. Offenbar hielt er sich nur mühsam zurück.

„Mrs Vance, der Wein.“ Angus bemühte sich, den Blick der Haushälterin einzufangen und stumm mit ihr zu kommunizieren. Er forderte mit dem Heben einer Braue mehr Zurückhaltung.

Die kleine, rundliche Frau wieselte auch weiterhin um Harris herum, beugte sich etwas zu nahe zu ihm, um ihm den Wein einzuschenken, und fragte nach seinen Wünschen.

„Sir?“

Angus nickte Mr Vance zu, der ihm auftischte.

„Mr Vance, wie ungehobelt …“, tadelte Mrs Vance.

„… nicht erst Mr McLeans Gast zu bedienen?“, fragte Mr Vance.

Angus ignorierte das Paar und fasste Patrick Harris erneut ins Auge. „Haben Sie sich eingerichtet?“

Ein entnervter Blick verriet ihm bereits alles.

„Sagt Ihnen Ihr Zimmer zu? Zu meinem Bedauern ist das Anwesen nicht gerade luxuriös ausgestattet.“ Angus unterdrückte ein Kichern. „Ich muss Sie bitten, mit Strom und Heißwasser hauszuhalten.“

Harris’ Geduld war deutlich am Ende. Er griff nach dem Besteck, um die Finger fest um das Silber zu schließen, atmete tief ein und entließ die Luft in einem harten Stoß. „Soll heißen?“

„Wir haben einen Generator, allerdings nur begrenzten Brennstoff. Unser Wasser wird aufbereitet, aber auch die Anlage hat nur ein gewisses Fassungsvermögen.“ Angus räusperte sich, weil ihm die Umstände peinlich waren. Sein Loft in London war hochmodern, die Villa in Griechenland ein Juwel unter den Feriendomizilen, aber Cobb House auf Garbh, der einzigen bewohnten Insel der Shiant Ilses, war kaum mehr als ein Cottage.

„Hm“, brummte Patrick Harris, wobei seine Mundwinkel bedenklich abdrifteten. „Mich wundert gar nichts mehr.“

„Bei vier Personen“, nahm Angus leicht nervös das Thema wieder auf, „werden wir keine Probleme bekommen.“ Er räusperte sich und straffte sich. Es gab keinen Grund zur peinlichen Berührung, sagte er sich, schließlich befanden sie sich weit abgelegen jeglicher Zivilisation, und als er das Haus mitsamt der Inselkette erstanden hatte, war weder Elektrik noch fließend Wasser vorhanden gewesen.

„Allerdings …“ Er hob die Hand, deutete zu den verrammelten Fenstern um sie herum und lauschte. Man hörte den Wind heulen und an den Läden zerren. „… zieht jetzt der Sturm auf.“

„Ja, habe ich gehört.“

„Wir liegen weit genug oben, um vor der Flut sicher zu sein, und Bäume stehen auch nicht in unmittelbarer Nähe zum Haus, aber wir rechnen trotzdem mit Schäden. Der Generator …“

„Mr McLean, ich verhungere und offen gestanden habe ich genug von diesem Sturm und dieser Gegend! Ich wünschte, ich hätte Neil gleich zum Teufel geschickt, als er mir mit seiner einzigartigen Kulisse kam! Mein Lächeln wiederfinden, verflucht, ich hätte gewarnt sein sollen!“

Seine Faust donnerte auf den Tisch, und er schüttelte den Kopf.

„Mrs Vance, Sie haben den Gentleman gehört.“

Mr Vance übernahm es, den Teller des Models zu füllen, das den Mund aufsperrte. Angus wusste bereits, was er bemängeln würde, und kam ihm zuvor.

„Mr Vance, sparen Sie sich die Kohlenhydrate. Mrs Vance, ändern Sie den Speiseplan der nächsten Tage. Sprechen Sie sich dabei mit Mr Harris ab, aber belästigen Sie ihn nicht.“

So etwas wie Dankbarkeit huschte über Patrick Harris’ düstere Miene, verschwand aber so schnell wieder, wie sie aufgetaucht war.

„Sie können uns nun allein lassen.“ Die Aufforderung bewirkte bei Angus ein gewisses Flattern in der Magengegend. Er sah dem bediensteten Ehepaar angespannt nach, bis sich die Tür knarrend hinter den beiden schloss. Dann räusperte er sich vorsichtig.

„Sicherlich hat Mrs Vance Ihnen bereits alles Notwendige erklärt und wir können uns über interessantere Dinge unterhalten.“

„Halten Sie mich nicht für undankbar, aber mir ist nicht nach einer Unterhaltung zumute.“ Patrick rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und begann die Bohnen aufzupicken.

Angus starrte das Model an. Vielleicht war der Mann nicht undankbar, aber unfreundlich auf jeden Fall.

Bedeutete dies nun, dass er seine Meinung ändern musste? War Patrick Harris gar nicht die Art Mann, mit der man befreundet sein wollte?

Hatte er seinen Rückzugsort für eine fehlgeleitete Fantasie preisgegeben? War er auf den schönen Schein hereingefallen und hatte sich von gestählten Muskeln und sinnlichen Lippen verführen lassen?

Es wäre nicht das erste Mal gewesen …

Kapitel 3

Patrick konnte nicht schlafen. Der Wind rüttelte an den Fenstern und ließ sie klappern, das Haus gab seltsame Geräusche von sich, die er nicht einordnen konnte und die ihn beunruhigten. Die Bettdecke fühlte sich fremd auf seiner Haut an. Zwar war das Material des Überzugs edler als das, das er zuhause verwendete, aber er empfand keine Zufriedenheit. Denn obwohl er es gewohnt war, in unterschiedlichen Hotels zu schlafen, fraß sich der Geruch dieses Zimmers in seinen Kopf und machte ihn ganz verrückt. Es roch nach einer Mischung aus Gräsern, wilden Blumen und Meer. Dabei dachte Patrick an Wildheit und Freiheit. Pure Ironie.

Seufzend rollte er sich auf den Bauch, zog die Decke höher über seinen nackten Körper und versuchte, zur Ruhe zu kommen. In seinem Kopf schwirrte es. Fragen und Gesprächsfetzen jagten hintereinander her und wollten ihn zwingen, sich mit den Geschehnissen der letzten Stunden zu beschäftigen.

Wo war er hier eigentlich gelandet? Dieses Cottage befand sich im Nirgendwo. Die Insel wurde normalerweise von niemandem betreten außer von seinen drei seltsamen Mitbewohnern. Nicht, dass es Patrick tatsächlich überraschte, dass niemand freiwillig in diese Einöde zog, in der man Dank fehlendem Handyempfang nur mit einem Satellitentelefon Kontakt zur Außenwelt aufnehmen konnte. Wer sich entschied, hier zu leben, musste ein Problem mit Menschen im Allgemeinen haben. Vermutlich hielt man es hier nur aus, wenn man nicht ganz richtig im Kopf war. Das würde auf jeden Fall erklären, warum die drei Personen dieses Haushalts sich so seltsam benahmen.

Die Haushälterin hatte sofort einen Narren an ihm gefressen. Wie sie um ihn herumscharwenzelt war, mochte für manche Männer vielleicht ein Kompliment sein. Ihn störte es allerdings sehr. Sie entsprach einfach nicht seiner Altersklasse. Außerdem hätte er es seltsam gefunden, mit ihr zu flirten, wie er es sonst vielleicht getan hätte, wenn ihr Ehemann danebenstand. Wenn es für ihn von Vorteil war, spielte er den Charmeur bei jedem, mit dem er zu tun hatte. Sogar als ein potentieller Arbeitgeber mit ihm geschäkert hatte, war er darauf eingegangen. Ein paar harmlose, höfliche Worte schadeten niemandem. Bloß die Einladung zum Date hatte er ausgeschlagen. Auf amouröse Beziehungen ließ er sich nämlich ausschließlich mit Frauen ein. Und zwar mit unverheirateten Exemplaren. So leid es ihm für Mrs Vance tat, Chancen hatte sie bei ihm nicht.

Das Rütteln an den Fenstern seines Zimmers nahm zu. Selbst als er sich das Kissen über die Ohren legte, konnte er das Geräusch nicht aussperren. So wurde das nichts mit dem Nachholen des Schlafes, wie er es sich eigentlich verdient hatte.

Ob er froh sein sollte, hier zu sein, statt auf der Isle of Skye festzusitzen, wo er sich nach dem Diebstahl seiner Sachen nicht einmal ein Hotelzimmer leisten könnte? Von dort aus hätte er allerdings wenigstens die Möglichkeit gehabt, die Heimreise früher anzutreten. Dank dieser verdammten Unwetterwarnung musste er die Gesellschaft von drei kauzigen Einsiedlern ertragen.

Plötzlich ertönte ein Knall.

Glas splitterte.

Das Heulen des Windes nahm zu.

Durch den schmalen Spalt seiner Tür zog es mit einem Mal wie Hechtsuppe.

Irgendetwas musste kaputt gegangen sein.

Dieser Sturm war tatsächlich schlimmer, als Patrick sich vorgestellt hatte – vielleicht deckte das Unwetter gerade das Dach ab. Im Augenblick hörte er allerdings nur ein Klappern, als irgendetwas gegeneinander schlug.

Er wartete, ob der Lärm weniger wurde, doch das Scheppern ließ nicht nach. Verärgert richtete er sich auf, tastete in der Dunkelheit nach dem Lichtschalter für die kleine Stehlampe neben seinem Bett und wartete, bis seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten.

Schließlich schwang er die Beine über den Bettrand und horchte nach draußen. Er glaubte Schritte zu hören, die den Gang entlangkamen. Vielleicht sollte er fragen, ob er behilflich sein konnte.

Natürlich stand ein Morgenmantel zur Verfügung, in den er sich hüllen konnte. Weiche, fließende Seide, die sich bestimmt sehr angenehm auf seiner Haut anfühlen würde. Aber es wäre dennoch seltsam gewesen, darunter nackt zu sein. Also schlüpfte Patrick in seine Shorts und ging zur Tür. Jetzt konnte er sich den Mantel auch sparen. Sein Blick fiel auf den Stuhl, auf den die Haushälterin die geliehene Wechselkleidung gelegt hatte. Er bemerkte aus den Augenwinkeln den Namen auf dem Etikett der Boxershorts. Emporio Armani. Patricks Lieblingsmarke.

Er hielt an und sah die Kleidung durch. Bei den Jeans, dem Hemd und der Unterwäsche handelte es sich allesamt um Markenware. Seinem Gastgeber hätte er so viel Modeverständnis nicht zugetraut. Ganz so weltfremd wie zunächst gedacht schien dieser Mr McLean doch nicht zu sein. Gut, Patrick hatte registriert, dass der Schotte beim Abendessen einen Anzug von außergewöhnlicher Qualität getragen hatte. Er hatte sogar überlegt, ob es sich um einen Maßanzug handeln könnte, nicht ganz der heutigen Mode entsprechend, vor zwei, drei Jahren aber bestimmt furchtbar teuer. Aber wozu benötigte ein Einsiedler im Niemandsland einer schottischen Insel elegante, teure Abendkleidung? Irritiert bemerkte Patrick, dass er nicht genau einschätzen konnte, mit wem er es eigentlich zu tun hatte.

Noch neugieriger als zuvor öffnete er die Tür und trat auf den Gang. Von weiter vorne drang Licht zu ihm. Es schien aus einem Raum schräg gegenüber zu stammen. Langsam marschierte er darauf zu.

„So ein verdammter Mist“, murmelte eine männliche Stimme. „Nun sieh sich einer dieses Durcheinander an.“

Patricks Mundwinkel zuckte. Sein Gastgeber war schon eine Nummer für sich. Dieser Mann sprach so gestelzt, dass Patrick fürchtete, er könnte sich bei seinen umständlichen Antworten die Zunge brechen. Und ganz offensichtlich war der Mann auch nicht in der Lage, ordentlich zu fluchen.

Patrick kam bei der offenen Tür an, die den Blick in den Raum freigab. Mr McLean stand am Fenster und versuchte nach den Fensterläden zu greifen, die knapp außerhalb seiner Reichweite hin und her schwangen und beim Krachen gegen die Wand das nervtötende Geräusch verursachten, das Patrick zuvor gehört hatte.

Auf dem Boden lagen Splitter. Mr McLean trug zum Glück rosa Flauschpantoffeln, sonst hätte er sich die Füße zerschnitten. Sein Körperbau war in dem überweiten Schlafanzug von Burberry nicht gut zu erkennen, doch Patrick wusste von dem ziemlich schief gelaufenen Abendessen, dass sein Gastgeber etwas schmaler gebaut war als er. Ob die trotzdem breiten Schultern von harter Arbeit stammten? Patrick wagte es zu bezweifeln. Ein Mann wie Mr McLean machte sich bestimmt nicht die Hände schmutzig.

„Kann ich helfen?“, fragte er, um nicht länger über den Körper des anderen Mannes nachzudenken.

Mr McLean zuckte zusammen und warf einen Blick über die Schulter. „Um Himmels willen! Warum schleichen Sie sich so an?“

„Der Krach der Fensterläden hat das Geräusch meiner nackten Füße vermutlich geschluckt. Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“

Der andere starrte ihn an. Sein Blick wanderte zu Patricks Füßen. McLeans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie nach der Musterung der Füße wieder nach oben wanderten.

„Mrs Vance hat wohl vergessen, Ihnen einen Schlafanzug bereitzulegen“, mutmaßte der Schotte.

Patrick lachte auf. Interessanter erster Gedankengang bei einer nächtlichen Begegnung während eines Unwetters. „Nein. Tatsächlich hat ein ziemlich hübsches Exemplar auf meinem Bett gelegen. Allerdings schlafe ich immer nackt.“

Mr McLeans Augenbrauen hoben sich. „Interessant.“

Ähm, war es das für den Schotten tatsächlich? Patricks weibliche Fans sprangen natürlich auf Informationen wie diese an, doch warum beschäftigten sich die Gedanken seines Gastgebers damit?