Hot kisses and a gun - Bettina Kiraly - E-Book

Hot kisses and a gun E-Book

Bettina Kiraly

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Beschreibung

Hollywood – Marcus Lovett hofft auf seinen Durchbruch als Schauspieler. Eine Independent-Produktion scheint seine große Chance. Doch einen schwulen Cowboy spielen? Dank seines homosexuellen Co-Stars gestaltet sich der Dreh heißer als erwartet. Charlie Walker kämpft mit seinen eigenen Dämonen. Seine dunkle Vergangenheit hoffte er, hinter sich gebracht zu haben. Marcus ist eine willkommende Abwechslung und die Spannung zwischen ihnen wird bald fast unerträglich. Doch hat ihre Beziehung eine Chance, wenn beide Geheimnisse verbergen?

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Kathrin Fuhrmann & Bettina Kiraly

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Thorsten Schmitt – Shutterstock.com

© Arthur – studio10 – Shutterstock.com

© N_Jay –Shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-472-8

ISBN 978-3-96089-473-5 (epub)

Inhalt:

Hollywood – Marcus Lovett hofft auf seinen Durchbruch als Schauspieler. Eine Independent-Produktion scheint seine große Chance. Doch einen schwulen Cowboy spielen? Dank seines homosexuellen Co-Stars gestaltet sich der Dreh heißer als erwartet.

Charlie Walker kämpft mit seinen eigenen Dämonen. Seine dunkle Vergangenheit hoffte er, hinter sich gebracht zu haben. Marcus ist eine willkommende Abwechslung und die Spannung zwischen ihnen wird bald fast unerträglich. Doch hat ihre Beziehung eine Chance, wenn beide Geheimnisse verbergen?

Kapitel 1

Marcus suchte den Straßenrand nach einem Parkplatz ab. Kein leichtes Unterfangen in Beverly Hills, dem Nobelviertel von Los Angeles, in dem sein Agent Don Derringer eine riesige Villa besaß.

Trotzdem fanden ihre Besprechungen generell in dessen Büro statt, in einer Seitenstraße des Rodeo Drives.

Marcus wendete. Ihm blieb kaum etwas anderes übrig, als auf und ab zu fahren, wenn er nicht meilenweit durch die Gegend laufen wollte. Er schaute auf die Armbanduhr, eine Hugo Boss Ikon, die sein ganzer Stolz war. Er kam zu spät und Derringer hasste Unpünktlichkeit. Das war kein guter Start für das Gespräch.

Marcus schlug auf das Lenkrad und beugte sich vor. Er brauchte doch nur eine kleine Lücke, in der er seinen Mustang Fastback GT390 quetschen konnte. Endlich fand er einen Wagen, der blinkte und wohl aus seiner Parkposition herauswollte. Marcus bremste und setzte zurück.

»Zum Glück!«, murmelte er und trommelte nervös auf dem braunen Leder herum, welches um das Holzlenkrad gewickelt war, um edler zu wirken. Er hatte einiges an seinem Kultwagen verändert und steckte jeden Cent in die Restaurierung und Instandhaltung, den er irgendwie erübrigen konnte. Viel war das nicht, schickte er doch einen horrenden Betrag monatlich nach Hause, um sein Gewissen zu beruhigen. Denn er war in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgehauen und hatte all seine Verpflichtungen zurückgelassen, um hier, in Hollywood, seinem Traum hinterherzujagen. Und bisher hatte er es nicht einen noch so schwierigen Moment lang bereut.

Marcus hastete in das gläserne Vestibül und ließ sich an der Rezeption anmelden. Derringers Büro befand sich im zehnten Stockwerk und da Marcus enge Räume nicht sonderlich mochte – und da war sein Mustang die Ausnahme – sprintete er die Treppe hoch.

So war er einigermaßen außer Puste, als er endlich seinem Agenten gegenüberstand und die Hand ausstreckte. »Mr Derringer.«

Der schaute mit zusammengezogenen Brauen an ihm herab. »Sie sind spät dran, Mr Lovett. Wieder einmal.«

Marcus zwang die Lippen zu einem entschuldigenden Grinsen. Er zog die Hand zurück und rieb sie an seiner anderen. »Ja, die Parksituation ist hier mehr als … angespannt.«

»Das ist Ihre Ausrede?« Wieder streifte ihn dieser Blick. Er mochte es nicht, so angeschaut zu werden, als wäre er minderwertig und nicht gut genug, um einbezogen zu werden oder mit einem Mindestmaß an Respekt behandelt zu werden. Leider kannte er diesen Blick zur Genüge. Britney hatte ihn immer so angeschaut, wann immer sie einen Wunsch geäußert hatte, den er ihr nicht erfüllen konnte.

»Ich …«

»Die Parksituation war angespannt?«, höhnte sein Agent und schüttelte den Kopf. »Ich wage es nicht, Sie zu einer Audition zu schicken, bei der keine Amateure sitzen!«

Marcus räusperte sich. Die Besprechung verlief noch schlechter als erwartet, aber immerhin kamen sie gleich auf den Punkt. »Ich werde natürlich pünktlich sein. Bei jeder Audition und auch bei zukünftigen Gesprächen mit Ihnen, Mr Derringer. Es tut mir wirklich leid, dass Sie …«

Der Agent winkte ab und ließ ihn stehen, um durch das große Büro zu flanieren. Er trug ein weißes Hemd, das nur zur Hälfte geschlossen war, zu einem ebenfalls weißen Anzug. Lediglich die Schuhe und der Gürtel stachen hervor, da beides aus Krokodilleder gefertigt war. Gut zwanzig Goldketten lagen um seinen Hals. Sie hatten unterschiedliche Längen und bewegten sich bei jedem Schritt auf der nackten Haut ihres Trägers.

Marcus verkniff sich sein Grinsen. Zwar war er ärgerlich, weil sein Agent ihn wieder geringachtete, indem er ihn schlicht stehen und nicht zu Ende sprechen ließ, aber allein die Aufmachung seines Gesprächspartners weckte seine Belustigung. Derringer dachte wohl, er wäre eine Mischung aus Sunny Crockett und Mr T. Zusammengenommen war er eher eine Witzfigur als stylisch, aber Mode war schließlich eine Geschmacksfrage. Er selbst hielt die Siebziger für tot und das war auch gut so. Abgesehen von den wirklich coolen Autos hatte die Vergangenheit nichts zu bieten. Die Gegenwart, die Neunziger, versprachen einen genialen Aufbruch in die Zukunft. Alles konnte nur besser werden – außer den Autos, die wurden nur hässlicher.

Mr Derringer schenkte sich großzügig Alkohol ein und drehte sich mit dem Glas in der Hand zu ihm um. »Also, Sie baten um diese Unterredung. Es eilte, sagten Sie. Worum geht es?«

Marcus rieb die Hände. »Ich habe von diesem Vorsprechen gehört …«, sagte er vorsichtig. Eigentlich war es Mr Derringers Job, ihm die Termine für geeignete Auditions auszuhandeln und sie ihm dann mitzuteilen. Es war enervierend, warten zu müssen und es nicht selbst in der Hand zu haben, wohin sein nächster Schritt ihn führte.

Mr Derringer hob das Glas und prostete ihm zu. Erst nachdem er einen Schluck genommen und mit zufriedener Zustimmung genickt hatte, richtete er seinen Blick wieder auf Marcus.

»Diesem Vorsprechen? Mr Lovett, wissen Sie, wie viele Vorsprechen jede Woche stattfinden?«

Bisher war Marcus von einem die Woche ausgegangen, denn zu mehr wurde er nicht geschickt. Allerdings hielt er es für unklug, dies nun anzumerken. Offenbar erwartete Derringer auch keine Antwort, denn er schüttelte den Kopf und leerte sein Glas, um es fortzustellen. Er schlenderte wieder auf ihn zu, um an seinem großen Schreibtisch nach seinem Planer zu fischen.

»Allein in dieser Woche sind es zweiundzwanzig bei halbwegs anerkannten Studios.«

Marcus runzelte die Stirn. »Zweiundzwanzig.« Und er war bei einem gewesen.

»Richtig.« Er hob die Brauen. »Von welchem könnten Sie also sprechen? Diesem?« Er deutete auf eine Position in dem Buch, die Marcus nicht sehen konnte. »Oder diesem?« Derringer tippte auf eine andere Stelle.

Marcus biss die Zähne fest aufeinander. Seine Belustigung war vollständig verflogen und auch der Anblick des Agenten half nicht mehr, seinen Ärger zu zerstreuen.

»Ich spreche von der Audition für ›Riding the bull‹.« Er spürte seine Anspannung in jeder Faser seines Körpers und entließ den Atem in einem langgezogenen Zug. Es stand heute wohl noch ein langes Lauftraining an, um sich wieder zu beruhigen.

»Riding …« Derringer schüttelte den Kopf und überflog seine Einträge mehrfach. »Da sind Sie falsch informiert. Es gibt kein Projekt mit diesem Titel.«

Einen Moment war Marcus irritiert, dann ahnte er den Grund dafür und wechselte mit einem Seufzen das Standbein. »Es ist eine Independent-Produktion.«

Derringers Miene wurde zu dem Abbild absoluter Abscheu. »Independent«, zischte er. »Wollen Sie Erfolg haben und in der Branche anerkannt oder belächelt werden?« Er klappte den Terminplaner mit einem deutlichen Knall zu. »Was auch immer die drehen, es wird nicht in die Kinos kommen.« Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, wie lief es am Mittwoch?«

Marcus trat wieder von einem Fuß auf den anderen. »Das kann ich nicht einschätzen«, gab er widerwillig zu. »Sie suchten Statisten.«

»Nun, ich werde am Montag nachhorchen. Am Dienstag habe ich ein weiteres Vorsprechen organisiert. Betty gibt Ihnen die Daten. Wenn Sie weiterhin keine Fragen haben, widme ich mich nun wieder meiner Arbeit.« Derringer stieß sich vom Tisch ab und umrundete ihn.

»Ist es wieder ein Vorsprechen für eine Statistenrolle, oder komme ich dieses Mal wenigstens zu Wort?« Marcus presste die Zähne wieder aufeinander. Er sollte besser den Mund halten.

Derringer nahm auf seinem Stuhl Platz und zog den Planer an sich. »Es ist eine unterstützende Rolle, wenn ich mich recht entsinne. Sind Ihnen Statistenrollen nicht gut genug? Möchten Sie dafür nicht mehr vorsprechen?«

Marcus stieß den Atem aus. Er wollte eine richtige Rolle. Er wollte in den Credits genannt werden und auf dem roten Teppich mit all den großen Namen entlangspazieren! Aber natürlich lernte man sein Handwerk am besten im Einsatz und am Beispiel anderer, also in Produktionen, und da war es egal, ob man einen Satz hatte oder nur schmückendes Beiwerk war. »Natürlich gehe ich zu jeder Audition.« Selbst für Werbung war er sich nicht zu schade, schließlich musste er Geld verdienen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten – und den von Britney.

»Schön. Guten Tag, Mr Lovett.«

Marcus blieb, wo er war. Er war deutlich entlassen worden, aber er wollte sich nicht einfach wegschicken lassen. Er räusperte sich und traf seine Entscheidung. »Ich würde mir diese Independent-Sache trotzdem gerne anschauen. Ich habe mit einem Freund gesprochen, Len Myers, er ist Maskenbildner und für die Produktion engagiert.« Er unterbrach sich kurz, weil sich der schneidende Blick des Agenten auf ihn legte. »Er sagt, sie haben Jonathan Demme als Regisseur.« Aufregung ließ seine Stimme beben. Er liebte die Werke des Filmemachers, da sie stets facettenreich waren und Dinge infrage stellten. Die Sicht auf allseits anerkannte Wahrheiten.

Derringer verengte die Augen. »Sie sprechen doch nicht von diesem Schwuchtelfilmchen?«

Marcus klappte den Mund zu, unfähig etwas hervorzubringen.

»Sie wollen wirklich in diesem … Auf keinem Fall! Hollywood mag es gerade als brandaktuelles Thema sehen, aber damit bekommen diese abartigen Kerle eine Lobby und fühlen sich in ihrem Treiben noch bestätigt!« Derringers Lippen kräuselten sich. »Es ist abnorm und sollte unter Strafe gestellt werden!«

Marcus räusperte sich. »Ich möchte nicht auf die Straße gehen und für die Rechte der … Schwulen demonstrieren, Mr Derringer, ich möchte lediglich eine Rolle ergattern. Demme ist ein anerkannter Regisseur, die Produktion low Budget und damit habe ich eine Chance …«

»Einen Kerl abzuknutschen?«

Marcus stoppte mitten im Satz. Sein Mund stand einen Moment offen, was sicherlich recht dämlich aussah, dann fing er sich und räusperte sich. Er drehte sich und ließ den Blick über die Einrichtung schweifen. Viel Weiß, viel Chrome und Leder. Es war sicher schick, aber nicht ganz sein Stil. Er mochte es alt und rustikal. Alt und rustikal waren hier nur Mr Derringers Ansichten. »Wenn Sie es so formulieren …«

»Gut, dann sind wir uns ja einig.«

Marcus runzelte die Stirn. »Wenn ich einen Kerl knutschen muss, um endlich mit meiner Karriere voranzukommen, sei’s drum!!!« Aber er hoffte doch, dass es nicht zwangsweise dazu käme. Sollte er sich lieber zuvor über den Film informieren? Denn bisher war ihm weder bewusst gewesen, dass es sich um einen Milieufilm handeln würde, noch dass in ihm geküsst werden würde.

Derringer schürzte die Lippen und maß ihn einmal mehr. »So einer also.«

Marcus atmete tief durch. »Es ist mir völlig egal, ob ich eine Tonne Make-up tragen muss, Frauenkleider oder auch ein albernes Superheldenkostüm, solange ich endlich vorankomme, Mr Derringer. Ich bin es leid, Rasenmäher zu verkaufen oder der Typ hinten links in der Gruppe zu sein!«

Dafür hatte er nicht alles hinter sich gelassen! Sein Studium, seine Familie, seine Liebe …

Er verbannte den Gedanken an Britney schnell und ballte die Fäuste. »Ich will vorsprechen.«

»Dann sehen Sie zu, wie Sie an eine Audition geraten. Ich werde keinen meiner Klienten bei einem moralisch fragwürdigen Projekt unterbringen.« Er verengte die Augen. »Aber ich habe einen Slot für einen Actionfilm. Den Russen wird ordentlich der Hintern versohlt.« Er grinste begeistert. »Das ist eher der Stoff, aus dem eine Oscar-Nominierung ist. Nicht dieses … Schwuchtelzeug.«

Marcus presste die Lippen aufeinander. Er hasste diese Geringschätzung und da war es egal, ob sie sich gegen ihn richtete oder gegen andere.

»Ich lasse Betty die Daten heraussuchen.« Derringer griff nach dem Telefon und drückte auf einen Knopf, bevor er den Hörer an sein Ohr presste. »Betty, die Informationen für die ›Killingparty‹-Audition geben Sie an Mr Lovett weiter.« Er legte auf. »Viel Erfolg.«

»Danke.« Marcus blieb unsicher. Sollte er noch einmal auf das andere Vorsprechen zurückkommen?

Letztlich konnte er Derringers Mitarbeit nicht erzwingen. »Auf Wiedersehen.« Marcus ging zur Tür, wo er noch einen Blick zurückwarf. Vielleicht sollte er sich einen anderen Agenten suchen, allerdings war er damit vor zwei Jahren auch nicht sonderlich erfolgreich gewesen.

Im Vorraum schaute die Sekretärin von ihrer elektrischen Schreibmaschine auf. »Einen Moment noch, Mr Lovett.« Sie tippte und zog das beschriebene Blatt dann heraus, um es zu falten und ihm zu geben. »Bitte sehr. Viel Erfolg, Mr Lovett.« Sie lächelte zu ihm auf.

Marcus nahm ihr den Zettel ab und klappte ihn auf. Zwei Adressen und zwei Daten waren notiert. »Danke, Betty.«

»Sehr gern.« Ihr Grinsen wurde tiefer. »Sagen Sie, bleiben Sie in der Stadt?«

Er schüttelte den Kopf. »Ich muss noch raus nach Cherryoak Falls zu einer Rasenmäher-Präsentation.« Marcus verdrehte die Augen und lehnte sich an den Schreibtisch. »Es wird sicher ein spannender Abend.«

»Oh, nun, dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.« Sie strich sich mit ihren pinken Fingernägeln durch das Haar und befeuchtete sich die Lippen. »Ich werde heute Abend im Golden Hen sein, für den Fall, dass Sie die Rasenmäher doch noch verschmähen wollen.«

»Eine interessante Einladung.« Marcus musterte sie schnell. Betty war brünett, schlank und bebrillt. Der strenge Hosenanzug war nicht sexy, aber sicherlich versteckte sie darunter eine hübsche Figur. »Ich werde versuchen, es einzurichten.« Er zwinkerte und stieß sich vom Tisch ab. »Wir sehen uns.«

Die Treppe lockte ihn und so trabte er sie in unerhörter Geschwindigkeit herab. Vor der Tür schnappte er nach Atem, stemmte die Hände in die Mitte und hob den Kopf, um in die Sonne zu schauen. Er hatte noch etwas Zeit, bevor er sich auf den Weg zu seinem Broterwerb machen musste, nur was sollte er damit anfangen?

Sollte er Len einen Besuch abstatten?

Irgendwas drängte ihn dazu, es zumindest zu versuchen. Bei ihrem letzten Gespräch – vor zwei Tagen im Pub – hatte er ausführlich über seinen derzeitigen Job gesprochen. Er arbeitete gar nicht so weit entfernt an einem Hai-Horrorfilmremake. Es lag nicht auf dem Weg nach Cherryoak, aber damit konnte er leben.

Marcus sah sich um. Das Set war minimalistisch, schließlich wurde eine Strandszene gedreht und offenbar wurden dazu nur ein Dutzend Statisten in knapper Badekleidung gebraucht. Er stützte sich auf dem Zaun ab, der die Promenade vom Sand trennte. Er war nicht der einzige Schaulustige. Weitere drängten sich an die Barriere und kommentierten die Szenerie. Besonders die Attribute der weiblichen Darsteller.

Marcus ignorierte die sexistischen Anspielungen, schließlich hatte er nicht viel Zeit, um Len zu finden und auszuhorchen. Vermutlich war es auch eine sehr dumme Idee gewesen, dem Impuls nachzugeben und hier rauszufahren, um den Freund bei der Arbeit zu stören.

»Das konntest du dir wohl nicht entgehen lassen, was?«, rief eine bekannte Stimme. Marcus verengte die Augen und hob die Hand, um das Sonnenlicht auszublenden. Len winkte, wobei er auf ihn zulief. »Ich dachte erst, ich sehe nicht richtig!«

»Hi, Len.« Sie begrüßten sich mit einem nerdigen Handschlag.

»Und? Möchtest du Denise kennenlernen?« Len zwinkerte. »Ich habe wohl zu viel geschwärmt, hm?«

Denise war der Star des Horrorfilms und unter anderen Umständen sicherlich wert, seine Zeit zu vergeuden. Len drehte sich, um an den Strand zu deuten. »Dort ist sie. Sie wiederholen den Take bereits zum fünften Mal, daher würde ich es heute lieber nicht versuchen.« Len lachte und boxte gegen Marcus’ Schulter. »Dann wiederum: Welche Lady kann dir schon widerstehen?«

»Du setzt mich hier gar nicht unter Druck, oder?«

Len lachte, dann seufzte er und lehnte sich ebenfalls an den Zaun, nur von der anderen Seite her. Sein Blick lag mit deutlicher Bewunderung auf Denise. »Ich hoffe wohl, dass du es versauen wirst.«

Marcus pfiff. »So ist das. Hey, warum lädst du sie nicht einfach mal ein?« Das wäre sicherlich besser, als sie nur anzuschmachten.

Len prustete und deutete an sich entlang. »Als ginge sie mit so einem aus!« Nun musterte er Marcus. »Du bist da eine andere Hausnummer.«

»Wie wäre es, wenn du mich heute Abend in Cherryoak triffst, und wir gehen laufen? Etwas Ertüchtigung hat noch niemandem geschadet und vielleicht brauchst du in einigen Monaten nicht mehr neidisch auf meine Schenkel zu starren?«

Hitze schoss Len in das Gesicht. »Hey, da schaue ich sicher nicht hin!«

Marcus ließ das Thema fallen, schließlich war er nicht rausgefahren, um über Sport, Frauen oder Muskeln zu sprechen. »Gut.« Er räusperte sich. »Sag mal, dieses Projekt von dem du sprachst … nach diesem hier …« Nun wurde ihm ungemütlich heiß. Nutzte er ihre Freundschaft aus, um beruflich voranzukommen? Eigentlich trennte er so etwas lieber. »Ich war gerade bei Derringer und habe ihn nach dem Projekt gefragt. Ich dachte, ich könnte es ja versuchen.«

Len zuckte die Achseln. »Klar, solltest du, Mann!«

Seine Zustimmung erleichterte Marcus so sehr, dass er aufseufzte. »Derringer will mit dieser Produktion nichts zu tun haben.« Sollte er sagen warum?

»Ach nein?« Len verzog die Miene. »Tja, deswegen ist es so schwierig, Personal zu bekommen.« Er riss sich von der knappbekleideten Badenixe los und richtete seine Aufmerksamkeit gesammelt auf ihn. »Die Rolle des Everett Steele wird zum dritten Mal umbesetzt!« Er schaute sich um und beugte sich dann vor, um leise weiterzusprechen. »Hanks hat abgesagt, nachdem er das Skript gelesen hatte, Depp unterschrieb, hat sich dann aber ebenfalls wieder losgesagt …«

»Für einen Independent-Film?« Das waren erschreckend große Namen und damit schrumpften seine Chancen, eine Rolle zu bekommen, gewaltig.

Len zuckte die Achseln. »Demme wollte ein Zugpferd, aber die Zeit wird knapp. Hey, hast du morgen Zeit?«

Marcus nickte geistesabwesend.

»Gut, ich hole dich ab.« Er schlug ihm gegen die Brust. »Ich sollte zurück, um Denise den Schweiß von der Stirn zu tupfen.« Er zwinkerte mit einem schiefen Grinsen. »Nicht, dass sie mich bemerken würde!«

»Okay, warte.« Marcus hielt ihn am Arm zurück. »Wann?«

Len zog die Nase kraus. »Acht Uhr. Wir müssen raus nach Beverly Hills … Mach dich hübsch.«

»Haha. Ich bin naturschön.« Er gab dem Freund einen Schubs und sah ihm noch nach. Jetzt hatte er nicht erfahren, worum es in ›Riding the Bull‹ eigentlich ging und ob es tatsächlich ein ungewöhnliches Thema beinhaltete, aber letztlich hatte er es Derringer gegenüber deutlich gesagt: Es war ihm scheißegal, ob er einen Typen küssen musste, um endlich eine große Rolle an Land zu ziehen.

Kapitel 2

Charlie betrat den Eingangsbereich des Kinos erst, nachdem er sich mit einem schnellen Blick in alle Richtungen versichert hatte, sich allein auf der dunklen Straße zu befinden. Nach dem Bezahlen der Karte nickte er dem Angestellten zu. Er marschierte zum richtigen Saal und nahm in der hintersten Reihe Platz.

Es hatten nicht viele Gäste hergefunden, aber das störte Charlie nicht weiter. Er mochte es, sich in dem abgelegenen Kino Filme anzusehen, die es nicht in die großen Ketten geschafft hatten. Sie erinnerten ihn daran, dass jeder Streifen seine Zuschauer fand.

Auf dem Bildschirm verliebten sich zwei arme, aber herzensgute Menschen, während das Schicksal ihnen immer wieder Steine in den Weg legte. Die Schauspieler waren nicht sonderlich talentiert. Die Low-Budget-Produktion hatte sich professionelle Darsteller nicht leisten können. Die langgezogene Handlung, in denen sich die beiden Helden gegen alle Widerstände zur Wehr setzten, würde das breite Publikum niemals überzeugen. Dennoch war es spannend für Charlie, die beiden zu beobachten. Als die Frau in die Drogenszene abrutschte und der Mann versuchte, ihr zu helfen, wirkte der Schmerz in den Augen der beiden Menschen so überzeugend, dass sich ihm der Hals zuzog.

Gut, das schauspielerische Talent trug vermutlich gar keine Schuld daran. Frustriert beobachtete er, wie sich die Schauspieler hölzern durch die Szene kämpften. Sobald sie den Mund öffneten, verschwand die Magie, die sie mit ihren Mienen erzeugen konnten. Nein, die beiden schafften es nicht durch ihre Begabung, ihn in den Bann zu ziehen. Vielleicht reichten seine Erinnerungen an seine eigene Unfähigkeit, einem geliebten Menschen aus dem Drogensumpf zu helfen, aus, um seine Augen brennen zu lassen. Diese dunklen Tage lagen so weit zurück und lebten doch in ihm fort. Ob es ihm jemals gelänge, diese Zeit völlig hinter sich zu lassen?

Es war an der Zeit, dass er seiner Schwester wieder einmal einen Besuch abstattete. Er musste sich davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Das würde den Schmerz in seiner Brust hoffentlich wieder verschwinden lassen.

Ein Besucher des Kinos auf der anderen Saalseite erhob sich und erregte damit Charlies Aufmerksamkeit. Abgelenkt von dem schlechten Drama auf der Leinwand sah Charlie in seine Richtung und bemerkte, dass der Mann ihn mit einem Lächeln beobachtete, während er sich durch die Reihe schob und auf ihn zukam.

Irritiert versuchte Charlie mehr von seinem Gesicht zu erkennen, das halb im Schatten lag. Der attraktive Mann mit den braunen, kurzen Haaren war ihm allerdings völlig fremd. Vielleicht dachte er, einen Bekannten entdeckt zu haben, und würde gleich peinlich berührt umdrehen. Also wandte Charlie den Blick wieder zur Leinwand.

Der Mann kam unbeirrt näher und schob sich sogar neben Charlie. »Hallo, Fremder.«

»Hallo«, gab Charlie knapp zurück.

»Auch allein hier?«

Charlie zuckte nur mit den Schultern. Natürlich wusste er, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. Hoffentlich reichte es, wenn er sein Desinteresse deutlich mit einem abweisenden Gesichtsausdruck zeigte.

»Hast du Lust auf ein wenig Gesellschaft und Ablenkung von dem mittelmäßigen Film?«, fragte der Mann mit einem verführerischen Lächeln.

»Danke, aber ich will mir nur den Film ansehen.«

»Ein spannender Streifen, wenn man die schrecklichen Schauspieler ignoriert. Ich bin mir sicher, du kannst den Film auch genießen, während ich mich ein wenig um dich kümmere.«

Die Beharrlichkeit des anderen schmeichelte Charlie. An diesem Abend war ihm nicht nach einem kleinen, unbedeutenden Abenteuer gewesen. Auch wenn er sich längere Zeit nicht amüsiert hatte, konnte er sich nicht auf etwas einlassen, wofür sich die Presse interessieren könnte.

»Tut mir leid«, murmelte er. »Du hast bestimmt kein Problem, jemanden zu finden, der auf dein nettes Angebot eingeht.«

»Ich will aber dich«, schnurrte der Fremde und legte eine Hand auf Charlies Knie. Langsam strich er höher.

Charlie suchte den Blick des Mannes. Wusste der andere, wer er war?

Die Hand rutschte auf die Innenseite von Charlies Schenkel. Der Mann benutzte seine Nägel, um über den Hosenstoff zu streichen und damit einen Schauer in Charlies Nacken zu verursachen. Er hatte dieses Spiel wirklich gut drauf.

Entgegen seiner Absicht, sich nicht auf den anderen einzulassen, reagierte Charlies Schwanz, der sich sofort aufrichtete.

»Du machst es mir schwer, dir zu widerstehen«, gestand Charlie. »Aber ich mach sowas nicht in der Öffentlichkeit.«

»Kann ich in deinem Fall verstehen. Ich würde mir auch Gedanken über Paparazzi machen. Treffen wir uns in der Toilettenanlage? In fünf Minuten?«

Charlie sog scharf die Luft ein, als der Druck der Finger zunahm. Sein neuer Freund hatte ihn also erkannt. Möglicherweise war das der Grund, weshalb er sich mit ihm vergnügen wollte. Zumindest schien es sich um keinen liebestollen Fan zu handeln, der ihn um ein Autogramm anbetteln wollte. Aus einem Impuls heraus wollte Charlie dem Mann eine Chance geben. Wenn er bereit wäre, sich an ein paar Regeln zu halten, würde Charlie vielleicht darauf einsteigen.

»In fünf Minuten. Nur oral. Kein Gequatsche. Keine Verpflichtungen. Keine Bitte um einen Gefallen. Sonst wird das nichts mit uns.«

Der Fremde nickte. Er beugte sich näher, drückte Charlie mit seinen warmen Lippen einen schnellen Kuss auf die Wange und stand dann auf. Bevor er seine Hände von Charlie nahm, streifte er dabei wie unabsichtlich seinen Schritt. Dann verließ er den Kinosaal.

Tief durchatmend lehnte Charlie sich zurück. Wollte er das wirklich durchziehen? Nein, auch wenn es noch so verlockend war. Er würde einfach gehen und den attraktiven Mann vergessen. Er wollte sich auf seine Karriere konzentrieren und keinen Skandal riskieren. Zu lange wartete er jetzt bereits auf die Rückmeldung seines Agenten. Heimlich hoffte er auf eine Rolle in einem Blockbuster, was wieder einmal zum Greifen nah erschien. Die Besorgnis, dass es nicht klappen könnte, setzte ihn gehörig unter Druck. Den könnte er mit einem Ausflug in die Toilettenanlage gut abbauen. Dennoch würde er nicht darauf eingehen.

Der Mann hatte ihn erkannt. Möglicherweise war er bloß scharf darauf, mit einer kleinen Berühmtheit rumzumachen. Unter Umständen ging es ihm allerdings darum, an Informationen zu gelangen, die er irgendeinem Klatschmagazin verkaufen konnte. So etwas war Charlie bereits einmal passiert und hatte für ziemlichen Ärger gesorgt. Das Risiko würde er also nicht eingehen.

Er stand auf und verließ das Kino, bevor dem Kerl klar wurde, dass Charlie nicht kommen würde.

Als Alondra ihm am nächsten Tag die Tür öffnete, wirkte sie über seinen Besuch nicht sonderlich erfreut. »Was machst du hier?«, fragte sie mehr als direkt. Ihre Augen, ebenso braun wie seine, funkelten misstrauisch. »Ich wüsste, wenn wir verabredet wären.«

»Ich bringe dir bloß ein paar Brötchen und dachte, ich nutze diesen wunderschönen Sonntagmorgen für ein Frühstück mit meiner großen Schwester. Willst du hier essen oder darf ich dich einladen?«

»Weder noch. Ich habe eigentlich in einer Stunde etwas vor.«

»Ach, dann reicht das für ein schnelles Frühstück. Ein paar Minuten Verspätung bin ich dir bestimmt wert.« Er schob sich an ihr vorbei in die Wohnung und sah sich dabei möglichst unauffällig um.

Der kleine Raum, der als Wohn- und Esszimmer mit integrierter Kochzeile fungierte, wirkte sauber und aufgeräumt. Alondra besaß nur wenige Möbel. Er hatte ihr mehrmals angeboten, ihr eine größere Wohnung zu finanzieren oder zumindest mit ein paar Sachen auszuhelfen. Seine sture Schwester wollte allerdings nichts von ihm annehmen, was über eine kleine Zuwendung hinausging. Weil sie es allein schaffen wollte. Als müsste sie sich das Leben unnötig schwer machen.

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Soll ich mit den Brötchen in die Küche?«

»Wenn es sein muss.« Sie schloss die Eingangstür und folgte ihm dann zur Küchenecke.

»Hast du Butter und Marmelade? Die Bäckerei die Straße runter hatte nichts im Angebot.«

»Im Kühlschrank steht alles, was du brauchst, aber eigentlich habe ich bereits gefrühstückt.«

So wie er. Schließlich war es bereits kurz vor zehn. »Einen Kaffee trinkst du doch trotzdem mit mir?«

Sie nahm ihm die Tüte mit den Brötchen ab und verstaute sie in einer Brotdose. »Haben wir nicht vor gut einem Jahr besprochen, dass diese Überraschungsbesuche meine Pläne durcheinanderbringen? Struktur ist mir wichtig, wie du weißt. Du sollst anrufen, bevor du bei mir auftauchst.«

Damit sie ihre Wohnung für seinen Besuch vorbereitete?

Diesen Verdacht hatte sie nicht verdient. Dennoch meldete sich sofort wieder seine Besorgnis zu Wort.

»Ich wollte dich sehen«, sagte er und bemühte sich um einen harmlosen Tonfall. »Zuerst war es zu früh, um durchzuklingeln, und dann hat es keinen Unterschied mehr gemacht.«

»Warum bist du wirklich hier, Ramón?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und kniff die Augen zusammen.

»Muss ich das wirklich aussprechen?«

»Habe ich dir in den letzten Jahren Anlass zu Misstrauen gegeben?«, fragte sie mit nörgelndem Tonfall. »Hattest du in den vergangenen Monaten den Eindruck, deine Sorge wäre angebracht? Denkst du wirklich, du müsstest mich wieder rund um die Uhr kontrollieren?«

Auf so eine Diskussion ließ sich Charlie gar nicht erst ein. »Ich bin für dich verantwortlich. Egal, wie viel Zeit vergangen ist, ich werde mir immer Sorgen um dich machen.«

»Ich habe vor kurzem fünf Jahre Drogenfreiheit feiern dürfen. Du kannst stolz auf mich sein.«

»Das bin ich.« Er trat auf sie zu und zog sie in seine Arme. Vielleicht konnte er auf diese Art ihren Unmut besänftigen. Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass sie ihr Leben dem Anschein nach endlich im Griff hatte. Ihr Job machte ihr Spaß. Sie hatte sich einen Freundeskreis aufgebaut, der sie nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Regelmäßig besuchte sie Treffen mit anderen Drogenabhängigen, hatte sogar die Patenschaft für einen anderen Süchtigen übernehmen dürfen. Inzwischen war sie für ihr Verantwortungsgefühl und ihre Verlässlichkeit bekannt. Niemand zweifelte daran, dass sie ihre dunkle Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.

Niemand außer Charlie.

Natürlich war es ihr gegenüber nicht fair. Sie hätte sein Vertrauen verdient, nachdem sie sich schon so lange gut schlug. Für ihn würde sie allerdings niemals ganz gesund sein. Wenn er die Augen schloss, sah er sie wieder in ihrer schlechtesten Version ihrer selbst vor sich. In seinem Kopf verwandelte sie sich in die zitternde, verängstigte Frau, die für den nächsten Schuss alles aufs Spiel gesetzt hätte. Er hatte damals nicht genug auf sie achtgegeben, aber dieser Fehler würde ihm nicht noch einmal passieren.

Sie versuchte, sich von ihm freizumachen, um die Diskussion fortzusetzen, doch er war nicht in der Lage, sie loszulassen. Er schlang seine Arme noch ein wenig fester um sie.

»Du erdrückst mich, Ramón«, sagte sie gepresst. »Bitte, ich verstehe, weshalb du das Bedürfnis hast, mich vor der Welt zu beschützen, aber du schnürst mir die Luft ab.«

»Tut mir leid. Ich klammere mich gerne an die Vorstellung, dass ich alles unter Kontrolle habe, wenn ich über jeden Aspekt deines Lebens informiert bin.«

Alondra klopfte ihm auf den Rücken. »Nein, im Ernst, Ramón. Du erdrückst mich. Ich kriege keine Luft. Mir wird schon ganz schwindelig.«

Erschrocken ließ er sie los und trat zurück. »Und wieder etwas, das mir leid tut.«

»Du musst aufhören, dich ständig einzumischen. Ich weiß zu schätzen, dass du mir bei jedem Besuch Geld zusteckst, doch dadurch fühle ich mich schlecht. Mein Job ernährt mich, und du kannst unmöglich so viel verdienen. Wenn ich mich nicht irre, ist dein letzter Film vor ein paar Wochen abgedreht worden. Hast du etwas Neues am Start?«

»Ich habe mehrere Eisen im Feuer. Inzwischen gibt es Regisseure, die gezielt nach mir fragen. Ich habe mir einen Ruf erarbeitet.« Auch wenn er nicht sicher war, ob er sich darauf zu viel einbilden durfte. Immerhin würde er es in Hollywood aufgrund seines Outings niemals zu Ruhm bringen. »Tatsächlich werde ich mir aussuchen können, an welchem Projekt ich mich beteiligen will.«

»Das freut mich sehr für dich. Erzähl mir mehr davon.« Sie ging um den Tresen herum und holte zwei Tassen hervor. »Wenn du versprichst, mich nicht mehr zu löchern, bekommst du dafür sogar einen Kaffee von mir.«

Er lachte auf. »Wie könnte ich diese charmante Einladung ablehnen?«

»Wirst du dich jemals ändern?«, fragte sie leise.

»Worauf spielst du an?«

»Wie du dich ausdrückst! Immer so vornehm. Du hattest immer schon diesen Hang zu Theatralik.« Sie machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. »Ich kann mich noch gut erinnern, wie oft ich dich vor den Nachbarkindern wegen deiner Vorliebe für klassische Musik verteidigen musste. Obwohl du nicht größer als ein Küchentisch warst, hast du mit deinem Faible für Klassik und Jazz alle anderen Kinder verunsichert. Ein Glück, dass du Kontrabass in dieser Band spielen konntest, in der du Gleichgesinnte gefunden hast.«

»Ein Glück, ja.« Er erstickte beinahe an den Worten.

Alondra seufzte leise. »Wie talentiert zu warst! Ich habe dir furchtbar gerne zugehört. Schade, dass du die Musik ganz aufgegeben hast. Nicht, dass ich der Meinung wäre, du würdest nicht auch als Schauspieler hervorragende Leistung bringen. Trotzdem hattest du hinter deinem Kontrabass immer einen verzückten Ausdruck in den Augen, den ich seitdem nicht mehr bei dir gesehen habe.«

Weil sein Musikinstrument für ihn die Unschuld verloren hatte. Seit zehn Jahren konnte er Musik nicht mehr auf die gleiche Art genießen wie zuvor. »Die Schauspielerei ist mein Leben. Ich kann mit Filmen viel mehr Menschen erreichen, als es mir als Musiker möglich wäre.«

»Solange du glücklich bist! Egal, was du mit deinem Leben noch anfangen willst, gleichgültig, welche Träume du noch verwirklichen möchtest, ich bin immer an deiner Seite.«

Er nickte und fühlte sich seltsam beklommen. Tatsächlich hatte sie ihn bei jedem Teil seines Lebens ermutigt. Hoffentlich gab er ihr das gleiche Gefühl von Sicherheit. Sie wusste nicht, wie weit er gehen würde, um sie zu beschützen. Sie ahnte nicht, was er alles bereits getan hatte. Sollte sie es jemals erfahren, würde sich ihr Blick auf ihn für immer ändern. Dann würde sie ihm das nicht so leicht verzeihen, obwohl er nur ihr zuliebe so gehandelt hatte, wie es notwendig gewesen war.

Endlich war der Kaffee durchgelaufen. Seine Schwester füllte zwei Tassen und stellte Milch und Zucker vor ihn, was er aber beides ablehnte.

Alondra kam zu ihm und drückte ihn auf einen Hocker vor dem Tresen, bevor sie neben ihm Platz nahm. »Erzählst du mir von deinen heißen Eisen? Kannst du mir etwas zu deinem möglichen neuen Projekt verraten?«

»Mein Agent hat heute Morgen angerufen. Einer der Filme, bei denen ich vorgesprochen habe, wurde genehmigt. Der Produzent will mich noch einmal sehen, bevor wir mit dem Dreh beginnen. Aber ich habe eine feste Zusage.«

»Du wirkst nicht glücklich«, stellte sie fest. »Freust du dich denn nicht auf dieses Projekt?«

»Es wird hohe Wellen schlagen, wenn der Regisseur seinen Willen durchsetzt. Soviel ist sicher. Der Filmdreh wird bestimmt amüsant. Doch es gibt nicht nur gute Neuigkeiten. Für die Rolle in einem anderen Film wurde ich leider nicht angenommen.«

»Es tut mir leid, dass du dich enttäuscht fühlst. Vielleicht ändern die zuständigen Leute ja noch ihre Meinung.« Sie legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Ihre Wärme drang durch den Stoff seines Hemdes.

Benommen starrte er auf ihre Hand, versuchte, seine Gefühle zu sortieren. Er war so auf seine Sorge um sie konzentriert gewesen, dass er sich noch keine Zeit genommen hatte, die Information zu verdauen. »Das denke ich nicht. Ich hätte die andere Rolle gerne übernommen. Sie ist nicht sonderlich groß. Ein Serienmörder hätte mich bloß zu einem seiner Opfer gemacht. Vermutlich wäre man unter all dem Blut nicht in der Lage gewesen, mein Gesicht deutlich zu erkennen. Trotzdem habe ich gehofft, dass die Rolle mir die Tür zu großen Produktionen öffnen könnte.«

Er stockte. Damit sollte er seine Schwester nicht belasten. Es galt, Alondra von den Schwierigkeiten seines Lebens fernzuhalten. Er durfte sich ohnehin nicht beschweren. Bei Independent Produktionen war er gefragt. Es gab für ihn genug zu tun. Er verdiente gutes Geld und hatte einige Fans. Regelmäßig konnte er sich auf der Leinwand betrachten. Auch wenn er bislang noch keine Nominierung für einen Preis erhalten hatte, würde das irgendwann der nächste Schritt sein. Alles, was er brauchte, war Geduld.

Geduld, zu der er fähig war, wie er früher schon bewiesen hatte. Geduld, zu der er sich zwingen würde, auch wenn es ihm schwerfiel.

Um seine Schwester zu beruhigen, hob er seine Mundwinkel zu einem Lächeln. »Das andere Projekt wird viel spannender werden. Ich darf eine Hauptrolle übernehmen und werde einen Cowboy spielen. Einen schwulen Cowboy in einer Zeit, in der man als homosexueller Mann nicht zu seiner Liebe stehen durfte. Der Regisseur scheint eine humorvolle Note einfließen lassen zu wollen. Ich hoffe, er macht keine Komödie daraus.«

»Ein schwuler Cowboy?« Alondra beugte sich neugierig näher. »Wenn seine sexuelle Orientierung von Wichtigkeit ist, handelt es sich wohl um einen Liebesfilm.«

»Ja, man wird mich wieder leicht bekleidet und einen anderen Kerl küssend auf der Leinwand bewundern können.« Er versuchte, sich seine mangelnde Begeisterung nicht anmerken zu lassen.

»Wie toll! Einige meiner Freundinnen schwärmen von dir. Du weißt, dass ich dir gegenüber nicht neutral sein kann. Für mich bist du immer großartig.«

»Ist es nicht seltsam, dass ich als schwuler Mann hauptsächlich weibliche Fans habe?«, fragte er. »Sie müssen doch wissen, dass sie mich niemals kriegen würden.«

Kapitel 3

Marcus sah sich nervös um. Len quatschte ihn voll. Irgendetwas über die göttliche Denise und ein Make-up Malheur, das ihn momentan so gar nicht interessierte. Die Villa, vor der sie gehalten hatten, war riesig und weckte einen ungesunden Neid. Manche Menschen besaßen alles, während andere nichts hatten. Manchmal nicht einmal ein Dach über dem Kopf oder etwas zu essen auf dem Teller. Er versuchte das Gefühl – und die Erinnerung – abzuschütteln, aber so einfach war es in der Regel nicht.

Sie stiegen Seite an Seite die glänzenden Marmorstufen empor, wo Len anklopfte, ohne das geringste Anzeichen zu machen, dass er von der Umgebung ähnlich beeindruckt war wie Marcus.

»Wenn du mich fragst!« Len stieß ihn an und grinste mit dieser Note an Spott, die er gewöhnlich an seinem Freund schätzte.

»Wenn du meinst«, murmelte er abgelenkt, als die Tür aufschwang. Ein Mann in strengem Anzug sah an seiner großen Hakennase entlang an ihm herab, bevor er Len ähnlich verächtlich musterte.

»Ja, bitte?«

Len grinste. »Len Myers.« Seine Hand schwang zu ihm. »Marcus Lovett. Wir haben einen Termin mit Mr Demme.«

Die buschigen Brauen hoben sich in dem hageren, faltigen Gesicht. »Einen Moment.« Die Tür schloss sich und Len drehte ihr gutgelaunt den Rücken zu.

»Das wird sicher lustig.«

»Demme?«, griff Marcus auf. Seine Stimme schwankte vor Aufregung. »Doch nicht dem Regisseur von …«

»Riding the Bull«, übernahm Len begeistert. »Ich dachte, wir machen gleich Nägel mit Köpfen.«

Und er war absolut nicht vorbereitet. Das Blut floss ihm nun erst recht aus dem Gesicht und eine Eisenkette legte sich um seine Brust. Hätte er damit rechnen müssen?

»Du siehst aus, als wäre dir ein Geist begegnet. Doch nicht schon wieder Lampenfieber, oder?« Len stieß ihn an und lachte. »Komm schon. Es ist ein schnelles Beschnuppern, Mr Demme weiß doch, dass du das Skript nicht kennst und noch nicht wirklich vorsprechen kannst.«

»Ich bin absolut nicht vorbereitet«, zischte Marcus, wobei er sich eilig umsah. »Ich weiß kaum etwas über Demmes andere Arbeiten, ich habe keine Ahnung, worum es bei dem Projekt eigentlich geht und …« Er unterbrach sich, als die Tür in Lens Rücken wieder geöffnet wurde, und hob den Blick. Es war nicht der alte Kauz von zuvor, sondern eine jüngere, fülligere Gestalt. Interessant waren seine Augenbrauen, die über der Nasenwurzel bis hin zur Mitte der Augen voll und tiefschwarz waren und sich dann lichteten. Es machte seinen Blick intensiver, machte ihn zu einem Adlerblick: intensiv und gefährlich, auch wenn die Lider bereits hingen. Das Alter war nun mal unbarmherzig.

»Sie wollen zu mir?« Sein Blick huschte ebenso kritisch über Marcus und seinen Freund wie zuvor jener des anderen Mannes.

Len drehte sich und streckte die Hand aus, noch bevor er einen Schritt auf den Herrn des Hauses zumachte. »Mr Demme, Len Myers, ich bin Make-up-Artist für Ihre neue Produktion.« Er griff nach der Hand des Regisseurs, die dieser nicht ausgestreckt hatte, und schüttelte sie fest. »Ich habe einen begnadeten Schauspieler dabei, der sich für die Rolle des Everett Steele interessiert.«

Demme runzelte die Stirn.

Marcus stöhnte innerlich. Auf die Rolle brauchte er nun wohl nicht mehr zu setzen. Trotzdem streckte er die Hand aus, um den Regisseur zu begrüßen. »Guten Tag, ich bin Marcus Lovett. Es tut mir leid, wenn wir Sie überfallen haben. Len sprach von einem Termin.«

»Mr Lovett, guten Tag. Tatsächlich habe ich Vorschläge zum Make-up erwartet und keine zur Besetzung.« Er zog die Hand zurück und sah zwischen ihnen hin und her. »Also gut, kommen Sie herein.« Er behielt den Vortritt und führte sie so durch das Haus und durch die Terrassentür wieder hinaus. Vor ihnen lag eine gepflasterte Ebene, die von einem Geländer begrenzt wurde. Dahinter schimmerte Wasser im morgendlichen Sonnenschein. Ein Pool.

»Setzen wir uns.« Mr Demme deutete auf Rattanmöbel und machte sich bereits auf den Weg, um sich auf einen bequem aussehenden Sessel zu setzen. Er seufzte dabei. »Also, Mr Lovett, richtig? Kenne ich Sie?«

Marcus stockte beim Hinsetzen und kam eher unelegant auf den Sitzkissen auf. Er räusperte sich. »Ich habe einige kleinere Rollen gespielt.« Er zählte die letzten fünf auf. »Wenn ich gewusst hätte, wohin Len mich bringt, hätte ich mein Portfolio dabei.«

»Hm.« Demme runzelte die Stirn und musterte ihn erneut. »Wir haben die Rolle des Everett Steele bereits einige Male umbesetzt.«

»Ja, davon hörte ich.« Er konnte sein Grinsen nicht beibehalten. »Es ist kontrovers, zumindest, wenn man meinem Agenten Glauben schenken möchte.«

Demme rieb die Hände aneinander, ohne seinen Blick von ihm zu nehmen. »Darf ich fragen, wer Sie vertritt?«

»Don Derringer.« Das war kein Geheimnis.

Demme schnaubte. »Don.« Und verdrehte die Augen. »Es wundert mich, dass er Ihnen von dem Projekt erzählte. Er war deutlich mit seiner Ablehnung. Ich hatte Hal Davidoff für die Rolle im Kopf, seit ich das Drehbuch gelesen hatte.«

Einen blonden Adonis. Marcus schluckte unangenehm berührt, schließlich war er von seinem Aussehen her das genaue Gegenteil zu seinem Kollegen Hal. »Mr Derringer war tatsächlich deutlich. Er weigerte sich, ein Vorsprechen für die Rolle für mich zu arrangieren.«

»Aha.« Die Augen seines Gegenübers verengten sich. »Und doch sind Sie hier.«

Marcus nickte. »Obwohl ich nicht viel über das Projekt weiß, fasziniert es mich«, räumte er ein. Er räusperte sich erneut. Er hatte das Gefühl, zu weit zu gehen, wie ein Schleimer zu wirken und jeden Moment entlarvt zu werden. Demme betrachtete ihn weiterhin eingehend. »Cowboys, wer liebt nicht einen guten Western?«, setzte er nach, um die Situation aufzulockern, und fühlte sich dabei noch dämlicher. Er machte sich hier noch alles kaputt! »Und dann dieses außergewöhnliche Thema.«

Demmes Brauen wanderten in die Höhe.

»Homosexualität. Brandaktuell und doch …« Wie sollte er es bezeichnen, ohne wie ein Idiot zu wirken? »Verrucht?«

»So?«

Marcus rutschte auf seinem Rattansessel herum. Verdammt, er hätte besser Mr Demme den Anfang machen lassen sollen. »Randgruppen zu thematisieren ist mutig.«

»Aber dumm, schließlich zieht es kein Massenpublikum in die Lichtspielhäuser.« Demme schlug ein Bein über und faltete die Hände vor dem Bauch. »Also, warum wollen Sie bei so etwas dabei sein? Sind Sie schwul?«

Marcus klappte der Mund zu. War das etwa Voraussetzung? Konnte er punkten, indem er nun dreist log und sich als etwas outete, was er schlicht und ergreifend nicht war?

Len lachte schallend. »Nein. Er ist der Hahn ihm Hühnerstall, wo immer er hingeht, und genießt es.«

Marcus warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, aber da seine Gesinnung schon herausposaunt war, konnte er dem auch nicht mehr widersprechen. »Tatsächlich kenne ich mich mit der Materie nicht aus. Hätte ich einen Termin für ein Vorsprechen bekommen, hätte ich mich zuvor schlaugemacht. So bleibt mir nur, meine eingeschränkte Weltsicht einzugestehen.«

»Hm. Wie gedenken Sie sich schlauzumachen?«

Marcus stockte. Das war eine gute Frage, schließlich kannte er niemanden, der … nun, auf das eigene Geschlecht fixiert wäre. Er warf Len einen Blick zu, der deutlich um Hilfe bat, aber der Freund zuckte auch nur die Achseln. »Bars«, murmelte er schnell. »Einschlägige Lokalitäten. Es sollte nicht schwer sein, herauszufinden, wo sich … Männer treffen, die Männer … lieben.« Das wurde nun wirklich schwierig.

»Hm«, machte der Regisseur.

Demme brachte ihn mit diesem Brummen noch einmal um den Verstand und sein durchdringender Blick war sicher auch nicht behilflich dabei, Ruhe zu bewahren. »Haben Sie einen hilfreichen Vorschlag?« War es ein Eingeständnis seines Scheiterns, wenn er um Hilfe bat? Nun war es ohnehin zu spät. Demme brummte und legte den Kopf zur Seite.

»Vielleicht.«

Sie starrten einander an, dann seufzte Demme. »Ich möchte aufrichtig mit Ihnen sein, Mr Lovett. Sie sind optisch nicht das, was ich mir unter Everett Steele vorstelle.«

»Oh, Sie sollten ihn nackt sehen«, mischte Len sich ein und rutschte dabei auf seinem Stuhl nach vorn. »Glauben Sie mir, Mr Demme, die Frauen werden scharenweise die Kinos stürmen.« Er lachte gackernd. »Geben Sie ihm doch die Chance, sich zu beweisen.«

Demme durchbohrte seinen Freund mit seinem scharfen Blick. »Unterstellen Sie der Damenwelt da nicht etwas, Mr Myers? Ein ansprechender Körper wird sicher keine Frau …«

»Nanu.« Die Unterbrechung kam unerwartet und in Form einer kurvenreichen Schönheit: Denise. Demme setzte sich grade auf und zog den Bauch ein.

»Denise, meine Liebe, du kennst Mr Myers und Mr Lovett bereits?«

Denise ignorierte Len, der auf die Füße gesprungen war und ihr die Hand hinhielt, wobei er sie bereits daran erinnerte, dass er ihr Maskenbildner bei ihrem Horrorstreifen war. Ihre kornblumenblauen Augen lagen auf Marcus. Er rappelte sich langsam auf und reichte ihr die Hand.

»Miss …?«

»Holland«, gurrte sie. »Denise.« Ihr Blick wurde schwül, als sich ihre Lider senkten und ihr Lächeln diese wissende Note bekam. »Lov-ett. Ist der Name Programm?«

Marcus kopierte ihre Haltung und drückte ihre Finger sanft, während er sie an die Lippen zog. »Miss Holland, ich bin ein begeisterter Fan von Ihnen und … natürlich.«

Sie lachte gurrend auf. »Wie wäre es, wenn Sie mir im Pool Gesellschaft leisten?« Sie zog ihre Hand zurück, um an ihrem fließenden Kleid zu zupfen, das sich augenblicklich von ihrer Gestalt löste und zu einer Pfütze zu ihren Füßen wurde.

»Zu gern, aber ich bin nicht zum Planschen da.« Er zwinkerte ihr zu. Ihr knapper Bikini ließ keine Fragen offen. Kein Wunder, dass sie den Take am Vortag einige Male wiederholen musste, er hätte sie auch den ganzen Tag in sexy Badebekleidung herumlaufen lassen, wenn er der Regisseur des Horrorstreifens gewesen wäre.

»Denise, Mr Lovett spricht für die Rolle des Everett Steele vor«, mischte Mr Demme sich belustigt ein. »Würdest du zuschauen wollen, wie Mr Lovett einen anderen Mann küsst? Auszieht? Mit ihm schläft?«

Denise Augen wurden groß und ihr Blick glitt an ihm herab. Marcus brauchte einen Moment, um die Informationen aufzunehmen, und wäre dann beinahe auf seinem Stuhl zusammengesunken. Auch so musste er sich das bitte was verkneifen.

»Walker ist die Besetzung für den anderen Part, nicht wahr?« Ihr Mundwinkel hob sich belustigt und ein Glitzern ließ ihre Augen funkeln. »Oh ja, Onkel Jon, ich würde es mit angehaltenem Atem verfolgen.«

»Hm.«

»Aber …« Denise Grinsen wurde spöttisch. »Noch weiß ich gar nicht, ob er nicht nur heiße Luft unter seinem Shirt versteckt. Bevor du ihm die Rolle anbietest, solltest du dich von … seinen Qualitäten überzeugen.« Sie trat auf ihn zu und griff nach seinem Shirt auf Höhe seines Bauches. Sie war verteufelt direkt!

»Das habe ich vor, Denise.«

»Ziehen Sie sich aus, Mr Lovett«, forderte sie, ohne auf ihren Onkel einzugehen. »Lassen Sie uns sehen …« Sie zog an seinem Shirt und lüftete es, sodass man zumindest einen schnellen Blick auf seinen Sixpack werfen konnte, bevor sie den festen Griff um den Stoff verlor und es wieder herabfiel.

»Denise, geh in den Pool und lass mich mit Mr Lovett allein. Mr Myers kann dir gerne noch einen Moment Gesellschaft leisten.«

Len trat auf die Schauspielerin zu, die ihn wenig begeistert musterte. »Mr Lovett wäre mir lieber.« Sie bückte sich nach ihrem Kleid, um es aufzuheben, wobei Marcus einen Blick in ihr Dekolleté werfen konnte. Sie hatte eine umwerfende Figur und es juckte ihn fast in den Fingern, ihr weiches Fleisch zu berühren. Allerdings war es sicher keine gute Idee, die Nichte des Regisseurs zu betatschen, bei dem er um einen Job bettelte. Er räusperte sich also und wendete den Blick ab. Seine Gedanken musste er jedoch auf das vorherige Thema lenken, um Denise völlig aus dem Kopf zu bekommen. In der Rolle musste er nicht nur einen Mann küssen, sondern noch weitere, deutlich sexuelle Tätigkeiten mimen?

Denise berührte ihn, als sie an ihm vorbeiging, und warf ihm noch so einen Schlafzimmerblick zu, der nun aber seine Wirkung verfehlte. Er war zu nervös und, ja geschockt von der Aussicht, was er zu tun gezwungen wäre, sollte er diese Rolle bekommen. Froh, sich wieder setzen zu können, lenkte er den Blick auf seine leicht bebenden Finger. Er verschränkte sie und spielte mit ihnen, um seine Nervosität einzudämmen.

»Können Sie reiten?«, fragte Mr Demme und riss ihn damit aus seinen Grübeleien.

»Ja«, sagte er eilig, obwohl es eine bodenlose Lüge war.

»Haben Sie Erfahrung mit dem Bullenreiten?«

Marcus stockte, als er die Frage ebenfalls bejahen wollte. Wäre es glaubhaft?

»Nein. Aber das lässt sich ändern.«

Demme nickte bedächtig. »Haben Sie schon einmal einen Mann geküsst? Natürlich vor der Kamera?«

Er schüttelte den Kopf, nicht sicher, ob er eine Antwort deutlich formuliert bekäme. Das war echt der Punkt, der ihm die größte Sorge bereitete. Das Pferd und der Bulle konnten ihn abwerfen. Na und? Dann stieg er einfach wieder auf! Aber so ein Kuss?

»Ich küsse jedoch leidenschaftlich gern und viel.« Gut, jetzt hörte er sich wie ein Vollidiot an. Demme lachte schallend.

»Na, wenn es hilft!«

Das würde sich dann zeigen. Marcus schlug nun auch das Bein über und lehnte sich zurück. Er wollte damit seine Unruhe vertreiben, denn bei einem Vorsprechen galt es, Sicherheit zu demonstrieren.

»Sie kommen aus dem Süden?«

»Ja.«

»Man hört es Ihnen nicht an.« Demme veränderte seine Sitzposition, die Marcus gleich aufgriff.