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Als Milliardär Alexi Galanti die schöne Belle in Monaco wiedertrifft, macht sie ihm ein schockierendes Geständnis: Ihre einzige Liebesnacht vor fünf Jahren hatte süße Folgen! Aber so sehr er Belle insgeheim noch begehrt, befürchtet Alexi, dass sie es auf sein Geld abgesehen hat!
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Seitenzahl: 179
IMPRESSUM
Heiße Nacht, süße Folgen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2020 by Heidi Rice Originaltitel: „My Shocking Monte Carlo Confession“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 495 - 2021 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Juliane Zaubitzer
Umschlagsmotive: inarik / Shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 5/2024
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751529563
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Belle
Die Riviera-Sonne brannte heiß auf mich nieder, als ich auf das Grab meines besten Freundes Remy Galanti starrte. Doch ihre Wärme half nicht gegen das Frösteln, das mir seit über einer Woche in den Knochen saß – seit jenem Tag, als Remys Wagen auf der Teststrecke in Nizza in die Leitplanke gerast und in Flammen aufgegangen war. Erneut sah ich diese schrecklichen Augenblicke in quälender Zeitlupe vor mir, doch ich konnte nicht weinen – weder um Remy noch um mich oder seinen Bruder Alexi. Meine Gefühle fühlten sich ebenso betäubt an wie mein Körper.
Während der Priester irgendetwas auf Französisch herunterleierte, sah ich zu Alexi auf der anderen Seite des Grabes hin.
Er trug einen dunklen Leinenanzug und war von Würdenträgern, Promis und hohen Tieren umgeben, die gekommen waren, um einer der berühmtesten Familien Monacos – und des Rennsports – Respekt zu zollen, die ihren Zweitgeborenen verloren hatte. Doch mit seinem gesenkten Kopf und der steifen Körperhaltung wirkte Alexi wie immer einsam. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte, und sein dunkles Haar war zerzaust, als wäre er seit dem Tag, als wir beide mit ansehen mussten, wie Remy starb, tausend Mal mit den Fingern hindurchgefahren.
Seine Augen jedoch waren trocken, so wie meine eigenen.
Fühlte er sich auch so betäubt wie ich? Remy war mein bester Freund gewesen, seit ich zehn war und meine Mutter den Job der neuen Haushälterin auf dem Anwesen der Galantis an der Côte d’Azur angenommen hatte, nachdem die Mutter von Alexi und Remy mit einem ihrer Liebhaber über alle Berge war. Es fühlte sich an, als hätte man mir einen Teil meiner Seele aus dem Leib gerissen.
Doch Alexi hatte einen Bruder verloren – den einzigen Mensch, der ihm nach dem Verschwinden seiner Mutter nahegestanden hatte. Er musste mindestens so aufgewühlt sein wie ich. Oder mehr als ich.
Doch betäubt wirkte er nicht. Seine schönen Augen funkelten verächtlich, als er den Priester ansah.
Meine Haut prickelte bei der Erinnerung an die Nacht vor Remys Tod. Die Nacht, in der ich gedacht hatte, all meine Träume würden wahr. Die Nacht, in der ich zum ersten Mal mit Alexi geschlafen hatte. Ich erinnerte mich an den Geruch von Salz und Schweiß und Chlor, den Gefühlstaumel, Alexis starke Arme, so vertraut, so aufregend.
Die ganze Wucht der Demütigung erfasste mich, als ich zu Alexi hinübersah. Seit jener Nacht ignorierte er mich. Ich hatte versucht, mit ihm zu reden, doch er war immer beschäftigt. Und jetzt meldete sich mein schlechtes Gewissen, weil mich sein Anblick selbst jetzt ins Schwitzen brachte, bei Remys Beerdigung.
Remy war immer für mich da gewesen, und jetzt wollte ich für Alexi da sein, denn ich wusste, Remy hätte es so gewollt. Als der Priester seine Grabrede beendete und die letzten Worte in der leichten, nach Meer und Bougainvillea duftenden Brise verklangen, fielen mir seine letzte Worte wieder ein.
„Mein Bruder braucht dich, bellissima. Alexi ist einsam. Immer gewesen. Du musst mir etwas versprechen, bellissima. Lass dich nicht von ihm abwimmeln. Okay?“
Das Versprechen, das ich Remy gegeben hatte, klang in mir nach, während Alexi eine Handvoll Erde auf den Sarg warf – seine Bewegungen steif und lethargisch, als lastete ihm ein schweres Gewicht auf den Schultern.
Während die anderen Trauergäste – von denen viele Remy kaum gekannt hatten – noch Schlange standen, um ebenfalls noch eine Handvoll auf den Sarg zu werfen, drehte Alexi sich um, ging zu der Reihe wartender Limousinen und ignorierte jeden, der ihm sein Beileid aussprechen wollte.
Mit einem letzten Blick auf den Sarg schickte ich Remy ein stilles Gebet und folgte Alexi zur Straße. Zum ersten Mal seit Remys Tod begann sich der Nebel der Betroffenheit und Bestürzung zu lichten, und das Adrenalin vertrieb die Kälte aus meinen Knochen.
Atemlos rief ich ihm nach, als er den ersten Wagen erreichte. „Alexi, warte, bitte. Können wir reden?“
Er drehte sich um und wartete, doch seine Haltung blieb steif. Und als ich näher kam, sah ich seinen kalten Blick.
„Belle, was willst du?“ Sein schneidender Tonfall erschreckte mich.
War er sauer auf mich? Ging er mir deshalb seit Remys Tod aus dem Weg? Doch ich verwarf den Gedanken gleich wieder. Sicher bildete ich mir das nur ein, und hier ging es schließlich nicht um mich oder darum, was wir getan hatten. Alexi war wütend über den sinnlosen Tod seines Bruders – und wahrscheinlich auf seinen Vater, der betrunken auf der Beerdigung aufgetaucht war.
Er machte sich einfach nichts aus mir. Er begehrte mich nicht. Das hatte er mehr als deutlich gemacht, nachdem wir vor einer Woche miteinander geschlafen hatten. Es war ein Fehler gewesen.
Doch das bedeutete ja nicht, dass wir nicht Freunde sein konnten. Ich konnte ihm in seiner Trauer beistehen, schließlich war ich die Einzige, die Remy ähnlich nahe gestanden hatte.
„Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht“, sagte ich.
„Natürlich nicht. Ich habe meinen Bruder umgebracht.“
„W…? Was?“ Die Kälte in seiner Stimme, in seinem Blick jagte mir trotz der Hitze einen Schauer über den Rücken. War das sein Ernst? Wie konnte er auch nur für einen Moment glauben, er wäre schuld an Remys Tod?
„Du hast mich sehr gut verstanden“, sagte er aufgebracht.
„Aber er wollte Rennfahrer sein, Alexi. Es war sein Traum, seine Leidenschaft. Du darfst dir nicht die Schuld geben.“
Alexi managte das Galanti-Team jetzt seit zwei Jahren – seit sein Vater Gustavo so schwer trank, dass sich das Ausmaß seiner Alkoholsucht nicht länger verbergen ließ. Alexi hatte Remy eine Chance als Testfahrer gegeben und ihn in dieser Saison zum ersten Mal Rennen fahren lassen. Gab er sich deshalb die Schuld an Remys Tod?
Er starrte mich ausdruckslos an, dann presste er die Lippen aufeinander. „Spiel nicht die Unschuldige. Ein zweites Mal funktioniert das nicht.“
„Ich … Ich verstehe nicht …“, stammelte ich, und der Zynismus in seinem Blick ließ mich frösteln.
Ich hatte nicht geblutet, als ich mit Alexi geschlafen hatte, obwohl er mein Erster gewesen war. Ich hatte den stechenden Schmerz gespürt, das leichte Ziehen, als er tief in mich eindrang, aber der Schmerz war so flüchtig gewesen und das Gefühl der Lust gleich darauf so überwältigend, dass er wahrscheinlich nicht mitbekommen hatte, dass ich noch Jungfrau gewesen war. Zu dem Zeitpunkt war ich ganz froh darüber gewesen, weil ich nicht wollte, dass er mich für ein Kind hielt. Doch als er jetzt fortfuhr, war ich nicht mehr froh.
„Hör auf, die Unschuldige zu spielen. Remy wusste, was wir getan haben. Er hat so getan, als würde es ihm nichts ausmachen, hat einen Witz darüber gemacht, bevor er rausging. Aber du warst immer sein Mädchen. Ich hätte dich nie anrühren dürfen. Deshalb war er abgelenkt und hat die Kurve zu schnell genommen.“
„Aber ich … Ich war nie Remys Mädchen, nicht so. Wir waren nur Freunde“, sagte ich und verstand auf einmal, woher sein schlechtes Gewissen rührte.
Der Muskel in seinem Kinn zuckte wieder, und er verzog spöttisch den Mund.
„Warst du das?“, zischte er. „Hast du ihm gesagt, dass wir Sex hatten, obwohl ich dich gebeten hatte, es nicht zu tun?“
„Ja“, gestand ich.
Ich hätte lügen können, um Alexi zu besänftigen, doch ich schämte mich nicht für das, was wir getan hatten. Und Remy war erfreut über die Möglichkeit gewesen, dass aus uns ein Paar werden könnte, nicht verärgert.
Doch Alexi verstand meine Freundschaft mit Remy nicht, weil er nicht wusste, dass sein kleiner Bruder schwul gewesen war.
Hätte ich ihm das doch nur sagen können. Die Wahrheit lag mir auf der Zunge, doch ich brachte es nicht fertig, weil ich den Schmerz hinter dem Zorn in seinen Augen sah.
Es hätte ihn nur noch mehr geschmerzt zu erfahren, dass Remy sich ihm nicht anvertraut hatte. Und wenn Remy gewollt hätte, dass Alexi es wusste: Hätte er es ihm dann nicht selbst gesagt? Ich durfte Remys Vertrauen nicht missbrauchen, nur um mich vor dem Zorn seines Bruders zu schützen.
„Warum hast du es ihm gesagt?“, fragte er anklagend.
„Weil …“ Ich verstummte.
Weil Remy schwul war, weil wir Freunde waren, weil er wusste, dass ich dich schon immer geliebt habe. Und er sich gewünscht hat, dass wir ein Paar werden.
Doch die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich den Ekel auf Alexis Gesicht sah.
„Spar dir die Antwort“, sagte er, bevor ich etwas herausbekam. „Ich glaube, wir wissen beide, warum du es ihm gesagt hast. Weil du dachtest, ich bin die bessere Partie, stimmt’s?“
Ich war so bestürzt über seine Anschuldigungen, dass ich nicht einmal versuchte, mich zu verteidigen.
„Du kleine Nutte. Ich wusste, ich hätte die Finger von dir lassen sollen.“
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Wie hatte ich je glauben können, dass er sich etwas aus mir machte, dass er mich überhaupt kannte, wenn er mir so etwas zutraute?
„Ich will, dass du verschwindest“, sagte er knapp. „Dass du aus dem Haus meines Vaters verschwindest. Noch heute.“
„Aber …“ Ich konnte nicht sprechen, konnte mich nicht wehren, und die Ruhe in seiner Stimme war fast so schlimm wie sein ausdrucksloser Blick.
„Meine Anwälte zahlen dir eine Abfindung. Ich will dich nie wiedersehen.“ Er wollte in den Wagen steigen, doch ich packte ihn am Arm.
„Bitte, Alexi, tu das nicht“, flehte ich. „Du bist aufgebracht, du trauerst, das verstehe ich, mir geht es genauso. Wir haben Remy beide sehr geliebt. Keiner von uns trägt Schuld an seinem Tod. Es war ein Unfall. Wir stehen das zusammen durch.“
Sein bitteres Lachen traf mich bis ins Mark.
„Wir haben ihn nicht geliebt. Wir haben ihn umgebracht. Jetzt müssen wir beide mit diesem Verrat leben. Wenn du bei meiner Rückkehr noch da bist, rufe ich die Polizei. Du hast zwei Stunden, um deine Sachen zu packen und zu verschwinden.“
Er riss sich los. Dann musterte er mich von oben bis unten, und zu meiner Beschämung prickelte meine Haut selbst jetzt unter seinem Blick.
„Keine Sorge, du bekommst eine großzügige Abfindung. Dein kleiner Auftritt Freitagabend war locker ein paar tausend Euro wert.“
Ich blieb zitternd zurück, als er einstieg und die lange, schwarze Limousine davonfuhr. Er schaute sich kein einziges Mal um.
Die Taubheit kehrte zurück, und das dumpfe Gefühl in meinem Innern wurde zu einem schwarzen Loch. Die Trauer um Remy vermischte sich mit der Erkenntnis, dass alles, was ich seit meiner Pubertät in Alexi gesehen hatte, nur Wunschdenken war.
Er war nicht der Mann, für den ich ihn gehalten hatte. Der Mann, den ich aus der Ferne angehimmelt hatte.
Und er war auch nicht der Mann, für den Remy ihn gehalten hatte.
Alexi war nicht einfach nur zurückhaltend oder einsam oder misstrauisch. Er war innerlich tot. Toter, als Remy es je sein würde.
Ich verließ den Friedhof und nahm mir ein Taxi zum Anwesen der Galantis, wo ich fast meine ganze Kindheit verbracht hatte.
Doch ich war kein Kind mehr. Ich fühlte mich uralt, als ich meine Sachen packte. Keine Stunde später saß ich im Bus nach Nizza. Ich hatte ein paar Ersparnisse, genug, um Monaco zu verlassen. Ich wollte Alexis Geld nicht, und ich wollte auch nicht, dass er wusste, wo ich bin.
Ich würde nach London zurückkehren, beschloss ich, erstaunlich gefasst. Dort hatte ich eine entfernte Cousine, bei der ich unterkommen konnte. Seit dem Tod meiner Mutter vor zwei Jahren war sie meine einzige lebende Verwandte.
Ich musste weg von Alexi, weg von den quälenden Erinnerungen an meinen besten Freund Remy, dem Loch, das er für immer in meinem Leben hinterlassen hatte. Ich musste meine Kindheit hinter mir lassen – und den Traum, der sich als Hirngespinst entpuppt hatte.
Ich war so lange in Alexi verliebt gewesen, dass ich ihn auf ein Podest gestellt hatte. Und als ich endlich mit ihm geschlafen hatte, schien es wie die Erfüllung all meiner Träume.
Eigentlich hatte ich ihn gar nicht richtig gekannt. Nicht einmal, als ich in seinen starken Armen lag, Haut an Haut, und das Gefühl genoss, ihn tief in mir zu spüren.
Doch jetzt kannte ich ihn. Ich kannte seinen Zynismus, seine Bitterkeit, seine Wut, denn ich hatte alles drei abbekommen.
„Es tut mir so leid, Remy“, flüsterte ich, als der Bus Monaco verließ und die Küste entlang Richtung Nizza fuhr. „Ich konnte mein Versprechen nicht halten.“
Die Tränen, die vorher nicht hatten kommen wollen, strömten jetzt über meine Wangen, während die glitzernden Lichter von Monaco hinter den Klippen verschwanden.
Ich wischte die Tränen mit der Faust ab, bevor einer der anderen Passagiere sie sehen würde, unterdrückte die Schluchzer, von denen meinen Rippen schmerzten, und hielt den Blick auf die Straße gerichtet.
Endlich kehrte die Taubheit zurück. Diesmal war ich dankbar dafür, weil sie mich vor der Trauer schützte, die mich zu überwältigen drohte.
Die Taubheit gab mir Kraft. Kraft, die ich brauchte, um mit Remys Tod fertigzuwerden – und mit Alexis brutaler Zurückweisung. Und ein neues Zuhause zu finden, einen neuen Job und ein neues Leben, weit weg von den Galantis.
Fünf Jahre später
Alexi
„Also, wen sehe ich da, und wie hoch ist sein Preis?“ Ich blinzelte durch meine Sonnenbrille auf die Rennbahn und richtete meine Mütze – mit dem Logo meines Rivalen Renzo Camaro –, um sicherzugehen, dass der Schirm mein Gesicht versteckte, während ich mit Freddie Graham sprach.
Freddie war Mechaniker und ein alter Freund. Vor zwanzig Minuten hatte er mir Bescheid gegeben, dass er ein junges Talent entdeckt hatte, das auf der Rennstrecke in Barcelona Camaros Prototyp für die nächste Saison testete.
Ich suchte händeringend Ersatz, seit Galantis Reservefahrer Carlo Poncelli mit Krebs diagnostiziert worden war. Es war uns gelungen, die Neuigkeit ein paar Tage unter Verschluss zu halten, doch sobald sich rumsprach, dass Carlo sich einer Chemotherapie unterziehen musste, würden die Agenten die Preise in die Höhe treiben. Ich brauchte also jemanden, und zwar schnell. Jemanden, der ebenso talentiert wie unbekannt war und sich darum reißen würde, als Reservefahrer einzuspringen. Das war ein bisschen viel verlangt, aber wenn jemand ein Auge für neue Talente hatte, dann Freddie.
„Nicht so laut“, zischte Graham. „Wenn Camaro spitzkriegt, dass du hier bist, bin ich meinen Job los.“
In diesem Moment kam Camaros neuestes Modell um die Kurve geschossen, und der Motorenlärm übertönte die letzten Worte. Der Wagen beschleunigte auf dreihundertzwanzig Stundenkilometer, und die Hinterräder drehten durch, doch der Fahrer brachte ihn mühelos wieder unter Kontrolle. Ein neues großes Talent zu entdecken verschaffte mir immer einen Adrenalinkick.
Ich musste mir erst die Statistiken ansehen und mich über den Fahrer informieren, bevor ich ihm ein Angebot machte, aber ich wusste sofort, dass er unser Mann war. Ich hatte einen sechsten Sinn für so etwas. Dafür war ich in der Branche berühmt. Beziehungsweise berüchtigt. Und dafür, bei jedem Rennen ein neues Model oder Starlet an meiner Seite zu haben.
„Wer ist das? Ist er überhaupt schon bei Camaro unter Vertrag? Und warum habe ich noch nichts von ihm gehört?“ Ich bombardierte Freddie mit Fragen, als der Wagen in die Boxen zurückkehrte.
Wenn er bei einem anderen Teams unter Vertrag war, musste ich ihn auslösen. Das konnte teuer werden, doch ich wollte ihn unbedingt.
Camaro würde wahrscheinlich ausrasten. Der Typ war für seine knallharten Geschäftspraktiken bekannt, und sein Destiny-Team war Galantis schärfster Konkurrent. Doch wenn Renzo diesen Jungen nur als Testfahrer einsetzte, war er selbst schuld. Ich musste schnell handeln. Wir mussten den neuen Fahrer noch vor Beginn der Wintersaison mit unserem Wagen vertraut machen.
„Immer mit der Ruhe, Junge“, sagte Freddie mit seinem schweren Brooklyner Akzent. „Es heißt, dass sie zu Camaros Entwicklungsteam gehört. Sie ist eigentlich gar keine Fahrerin. Angeblich ist sie Renzos Geliebte, und er hat sie aus London mitgebracht, weil sein Reservefahrer Grippe hat. Er brauchte jemanden, um den Wagen zu testen, und er weiß, dass sie Talent hat, aber als ich sie fahren sah …“
Freddies Stimme verstummte. Doch ich hatte ihm sowieso nicht mehr zugehört, weil mein Gehirn an einem seiner Worte hängen geblieben war.
Sie.
Der Fahrer war eine Frau? Dio!
Das war ja …
Meine Gedanken überschlugen sich.
Was für eine unglaubliche PR-Chance! Selbst wenn ich nicht so verzweifelt und sie nicht so gut gewesen wäre, hätte ich sie unter Vertrag nehmen wollen.
Zwar gab es ein paar Frauen im Rennsport, aber eine Frau, die so gut war und zudem keinem Team angehörte?
Allerdings … Meine Begeisterung legte sich wieder.
Allerdings stand sie in einem persönlichen Verhältnis zu Renzo.
„Du sagst, sie ist Renzos Geliebte?“, fragte ich Freddie, der immer noch schuldbewusst dreinschaute.
„Das hat mir einer der Mechaniker erzählt. Jedenfalls hab ich sie zusammen gesehen, und Renzo kann die Finger nicht von ihr lassen. Obwohl sie eigentlich gar nicht seinem Typ entspricht. Sie ist eher burschikos.“
Ich runzelte die Stirn. Wer hätte gedacht, dass Freddie so ein Tratschmaul ist? Doch in diesem Fall profitierte ich davon. Ich wollte mehr über das Mädchen erfahren, bevor ich sie ansprach. Wenn sie mit Renzo zusammen war, musste ich eine aggressivere Taktik anwenden, um sie in mein Team zu holen.
Ich lächelte zynisch.
„Egal, in welchem Verhältnis sie zu Camaro steht, ich bin sicher, ich kann ihr ein besseres Angebot machen“, sagte ich, und davon war ich überzeugt. Sie war eine Frau, und meiner Erfahrung nach waren alle Frauen käuflich, entweder mit Geld oder Orgasmen oder beidem. Wenn ich sie verführen musste, würde ich das tun. Ich war Single und hatte kein Problem damit, Arbeit und Vergnügen zu vermischen. Als Workaholic war das von Vorteil.
„Immer mit der Ruhe, Casanova“, sagte Freddie. „Renzo ist nicht dein einziges Problem. Derselbe Mechaniker hat mir auch erzählt, dass sie keinen Rennen fahren will. Offenbar wollte Renzo sie für sein Nachwuchsteam unter Vertrag nehmen, und sie ist nicht interessiert.“
„Was? Warum?“ Ich konnte mein Entsetzen nicht verbergen, dass so ein Naturtalent sich gegen eine Karriere als Profi entschied. Zumal niemand so gut werden konnte, wenn er nicht für den Rennsport brannte.
„Keine Ahnung, aber sie wird wohl ihre Gründe haben.“
Meine Zuversicht kehrte zurück. Egal, was ihre Gründe waren, ich würde einen Weg finden. Ich wusste, wie man Frauen manipulierte, und ebenso meine Rivalen.
Charme und Verführung fielen mir leicht, und ich hatte gelernt, beides zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich pflegte mein Playboy-Image, um die Unbarmherzigkeit zu kaschieren, die mich seit Remys Tod antrieb.
Bei dem Gedanken an ihn erstarb das Lächeln auf meinen Lippen, denn es erinnert mich nicht nur an meinen unbesonnenen, vertrauensseligen Bruder und seinen sinnlosen Tod, sondern auch an das Mädchen – sein Mädchen –, das mir immer noch durch den Kopf spukte.
Belle Simpson war nach Remys Beerdigung spurlos verschwunden, und ich hatte so getan, als würde mir das nichts ausmachen. Dabei dachte ich ständig an sie – so rein, so unschuldig, so verführerisch – und unsere eine gemeinsame Nacht. Sie war eine Illusion gewesen, nicht reiner oder unschuldiger als ich. Nur weil sie sich nie gemeldet hatte, um die Abfindung zu kassieren, die ich ihr angeboten hatte, war sie nicht unschuldig.
Ich verdrängte meine Schuldgefühle. Remy war tot. Ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen und jene Nacht nicht ungeschehen machen, in der Belle mich mit ihren smaragdgrünen Augen verzaubert hatte. Der ganze Abend war verkorkst gewesen. Meine Wange hatte noch von der Ohrfeige meines Vaters gebrannt, mein Kopf sich vom Tequila gedreht. Ich musste aufhören, mir Vorwürfe zu machen, dass ich der Anziehung zwischen uns nachgegeben hatte.
Ich hasste es, dass ich jedes Mal, wenn ich an Remy dachte, automatisch auch an sie dachte. An die Verzweiflung, die Tränen in ihren tiefgrünen Augen.
Ich schob den Gedanken an meinen toten Bruder und jene verhängnisvolle Nacht beiseite und verabschiedete mich von Freddie, nicht ohne ihm eine saftige Belohnung zu versprechen, falls es mir gelang, das Mädchen unter Vertrag zu nehmen.
Ich ging zur Fahrerlounge hinter den Fahrzeughallen. Rennen fahren war ein Knochenjob, vor allem in Barcelona im Frühling. Das Mädchen würde duschen und sich umziehen müssen. Die Camaro-Mütze tief ins Gesicht gezogen, erkannte mich niemand, als ich am Mechaniker-Team vorbeischlenderte, das damit beschäftigt war, die neuen Reifen des Wagens zu überprüfen.
Ich entdeckte Camaro, der mit seinem Chefmechaniker redete, doch das Mädchen war nirgends zu sehen.
Meine Vermutung war also richtig. Sie musste direkt in die Lounge gegangen sein. Ich konnte nur hoffen, dass mein Glück anhielt und ich sie alleine antraf, nachdem sie sich umgezogen hatte – um ihr ein Angebot zu machen, das sie nicht ausschlagen konnte.