Heißer Atem - Nora Roberts - E-Book

Heißer Atem E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Muss dieser Mann eigentlich alles mit so viel Tempo machen? Erst stürmt er Foxys Herz, dann beginnt er mit ihr eine atemlose Affäre - und schließlich macht er ihr einen Heiratsantrag rasanter, als sie "Ich will!" sagen kann! Aber wen wundert' s? Bei einem Rennfahrer wie Lance Matthews zählt nun mal die Geschwindigkeit. Das weiß Foxy, das kennt sie nicht anders von ihm. Aber was ist, wenn sie ihn auf der Rennstrecke für immer verliert? Denn wenn er durchstartet, geht ihr banges Herz jedes Mal mit an den Start ...

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Nora Roberts

Heißer Atem

Roman

Aus dem Amerikanischen von Sonja Sajlo-Lucich

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe The Heart’s Victory ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 1982 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Covergestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/Studio10Arthur Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN: 978-3-641-12121-1 V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

Eingehüllt in den Geruch von Motoröl, starrte Foxy auf den Unterboden ihres MG. »Weißt du, Kirk«, sagte sie, während sie die Schrauben und Muttern anzog, »du ahnst gar nicht, wie dankbar ich dir bin, dass du mir diesen Overall geliehen hast. Ehrlich.« Die Ironie in ihrer weichen Altstimme war nicht zu überhören.

»Tja … Wofür hat man einen Bruder, nicht wahr?« Foxy konnte das Grinsen auf seinem Gesicht förmlich vor sich sehen, auch wenn sie aus ihrer jetzigen Position nur den zerfransten Saum seiner Jeans und abgewetzte Turnschuhe erblickte.

»Ich finde es toll, dass du so großzügig bist!« Sie biss die Zähne zusammen, während sie mit der Schraubknarre arbeitete. »Andere Brüder hätten darauf bestanden, die Kupplung selbst zu reparieren.«

»Ich bin eben kein Chauvi«, erwiderte Kirk lässig. Die Turnschuhe entfernten sich aus Foxys Blickfeld, weil Kirk über den Betonboden zur Werkbank ging. Sie hörte das Klappern und Scheppern von Werkzeugen, die einsortiert wurden. »Hättest du nicht so unbedingt Fotografin werden wollen, hätte ich dich in meiner Boxencrew untergebracht.«

»Ich arbeite nun mal lieber mit Entwickler als mit Motoröl!« Foxy wischte sich mit dem Handrücken über die Wange. »Man stelle sich vor … Hätte ich nicht den Auftrag bekommen, die Fotos für Pam Andersons Buch zu schießen, wäre es mir glatt entgangen, hier zu liegen und bis zu den Ellbogen in Motoröl zu stecken.«

In dem Moment, in dem sie sein warmes Auflachen hörte, wurde ihr klar, wie sehr sie Kirk vermisst hatte. Er hatte sich in den letzten beiden Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten, überhaupt nicht verändert. Er war genau der Gleiche geblieben – gerade so, als wäre sie nur kurz weggegangen und Minuten später wieder zurückgekommen. Sein Gesicht war immer noch gebräunt und durchzogen von Lachfältchen und Grübchen, die versprachen, mit zunehmendem Alter immer attraktiver zu werden. Sein Lockenschopf war noch immer genauso dicht wie ihrer; allerdings erinnerte sein Haar an dunkles Gold, während ihre Mähne in einem kräftigen dunklen Rot schimmerte. Wenn er lächelte, lächelte der vertraute Schnäuzer gleich mit. Foxy konnte sich nicht daran erinnern, Kirk je ohne den Schnauzbart gesehen zu haben. Sie war sechs gewesen und er sechzehn, als er sich den Bart hatte wachsen lassen, und er gehörte seit nunmehr siebzehn Jahren zu Kirks Gesicht dazu. Und ihr großer Bruder war immer noch so sorglos und draufgängerisch wie früher, das erkannte Foxy an seinem Lächeln, an seinen Augen, an seiner gesamten Ausstrahlung.

Als Kind hatte Foxy ihn vergöttert. Für sie war Kirk der große strahlende Held gewesen, der ihr zudem gnädig erlaubt hatte, sich in seiner Nähe aufzuhalten und ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen. Es war Kirk, der sie salopp Foxy genannt hatte, und die zehnjährige Cynthia Fox hatte an dem Spitznamen festgehalten, als wäre er das kostbarste Geschenk überhaupt. Als Kirk auszog, um seine Karriere im professionellen Rennsport anzutreten, hatte Foxy allein für seine kurzen Besuche und knappen Postkarten gelebt. Seine Abwesenheit hatte sein Bild noch strahlender, ja unsterblich gemacht. Er war dreiundzwanzig, als er sein erstes Rennen gewann, Foxy dreizehn.

Ausgerechnet dieses zarte, erprobende und erfahrungsreiche Lebensjahr war für Foxy angefüllt mit unbeschreiblichem Kummer. Es war schon spät gewesen, als Foxy damals zusammen mit ihren Eltern aus der Stadt zurück nach Hause gefahren war. Es hatte den ganzen Tag geschneit. Jetzt hatte Schneegestöber eingesetzt, und Foxy sah zu, wie die dicken Flocken gegen die Scheiben flogen. Im Radio spielten sie Gershwin, aber Foxy war zu jung, um seine Musik zu kennen oder zu schätzen. Also streckte sie sich auf der Rückbank aus und summte leise eines von ihren Lieblingsliedern, den neuesten Hit in ihrer Clique. Sie wünschte, sie wären schon zu Hause, um in ihrem Zimmer die Schallplatte aufzulegen und dann ihre beste Freundin anzurufen, um mit ihr über die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu reden – Jungs.

Es gab keine Vorwarnung. Plötzlich begann das Auto zu schlingern und drehte sich mehrmals um die eigene Achse. Die Reifen fanden keinen Halt im rutschigen Schneematsch; der Wagen drehte sich immer schneller. Draußen vor den Fensterscheiben wirbelte es weiß, und Foxy hörte ihren Vater fluchen, während er sich mit aller Kraft bemühte, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatte nicht einmal Zeit, um wirklich Angst zu empfinden. Sie hörte nur noch das Knirschen von Metall, als der Wagen frontal gegen den Telefonmast fuhr, spürte den Aufprall und den ziehenden Schmerz. Sie fühlte die Kälte, als sie aus dem Auto geschleudert wurde, dann den nassen Schnee an ihren Wangen … und dann fühlte sie nichts mehr.

Es war Kirks Gesicht, das sie als Erstes sah, als sie nach zwei Tagen aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Ihre spontane Freude erstarb jäh, als die Erinnerung an den Unfall auf sie einstürzte. Sie konnte es in seinen Augen sehen – den Kummer, die Trauer, die Akzeptanz des Unabänderlichen. Sie schüttelte den Kopf, wollte nicht glauben, was er ihr noch gar nicht gesagt hatte. Er beugte sich zu ihr und legte sanft seine Wange an ihre. »Wir haben jetzt nur noch uns, Foxy. Ich werde mich um dich kümmern.«

Und das tat er auch. Auf seine Art. In den nächsten vier Jahren zog Foxy zusammen mit ihm von einem Rennen zum nächsten. Die verschiedensten Privatlehrer kümmerten sich um ihre Ausbildung – mit ebenso wechselndem Erfolg. Während ihrer Teenagerzeit lernte Cynthia Fox mehr als nur amerikanische Geschichte oder Algebra. Sie lernte, wie man Kolben auswechselt, wie man einen Motor auseinanderbaut und wieder zusammensetzt, und sie verinnerlichte die Regeln der Boxengasse. Sie wuchs in einer vornehmlich von Männern beherrschten Welt auf, inmitten von Benzingestank und dem Röhren der Turbomotoren. Ihre Beaufsichtigung als solche war meist lässig gewesen, manchmal auch nicht existent.

Kirk Fox war ein Mann, der von einer alles verzehrenden Leidenschaft angetrieben wurde: dem Rennsport. Foxy wusste, dass er ihre Existenz manchmal komplett vergaß, und sie akzeptierte das. Für die kleinen Makel in seiner Perfektion liebte sie ihn umso mehr. Sie wuchs frei und ohne Zwang auf und – meistens zumindest – beschützt.

Das College war dann ein Schock. In den nächsten vier Jahren erweiterte sich ihr Horizont erheblich. Foxy erfuhr, welch exzentrische Kapriolen das Leben in einem Studentinnenwohnheim schlug, und sie lernte mehr über Cynthia Fox. Da sie ein ausgesprochen gutes Auge für Details, für Farbe, Schnitt und Gesamtbild hatte, entwickelte sie sehr bald einen eigenen unverkennbaren Geschmack. Clubs und Studentenvereinigungen auf dem Campus waren nichts für sie. Ihre Kindheit war zu frei gewesen, als dass sie jetzt Regeln und Vorschriften akzeptieren konnte. Den männlichen Studenten zu widerstehen war extrem einfach für Foxy; für sie waren das alles nur alberne, unreife Jungs. Aufs College gekommen war sie als schlaksiges Mädchen, den Abschluss machte sie als gertenschlanke, grazile junge Frau mit der Leidenschaft für die Fotografie. In den folgenden zwei Jahren richtete Foxy ihre gesamten Anstrengungen auf den Aufbau ihrer Karriere. Mit dem neuen Auftrag schlug sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens ermöglichte ihr das Engagement, Zeit mit ihrem Bruder zu verbringen, und zweitens war es eine großartige Gelegenheit, den Spalt in der Tür zur Bekanntheit weiter aufzustoßen. Allerdings war Foxy Ersteres eigentlich wichtiger.

»Du bist wahrscheinlich entsetzt, dass ich seit über zwei Jahren nicht mehr unter einem Auto gelegen habe, oder?« Foxy zog die letzte Schraube an.

»Und was tust du, wenn das Getriebe nicht richtig funktioniert?« Kirk warf einen letzten prüfenden Blick unter die Motorhaube des MG.

»Dann bringe ich den Wagen in die Werkstatt«, murmelte Foxy.

»Bei deiner Ausbildung?« Jetzt war Kirk tatsächlich entsetzt, so entsetzt, dass er sich hinunterbeugte und sie böse anfunkelte. »Das ist ein Verbrechen! Dafür gehörst du hinter Gitter, zwanzig Jahre bis lebenslänglich.«

»Ich hab einfach nicht die Zeit.« Foxy seufzte, und wie um sich zu rechtfertigen, fügte sie hinzu: »Ich habe letzten Monat erst die Kerzen gewechselt und die Kontakte gereinigt.«

»Dieses Auto ist ein Klassiker.« Behutsam ließ Kirk die Motorhaube einschnappen, dann polierte er mit einem sauberen weichen Tuch die Fingerabdrücke vom Lack. »Du bist verrückt, wenn du ihn einfach irgendeinem Mechaniker in irgendeiner Werkstatt überlässt.«

»Nun, ich kann den Wagen schließlich nicht bei jedem kleinen Stottern zu Charlie bringen, oder? Und außerdem …« Sie brach ihre Rechtfertigung ab, als sie draußen einen Wagen vorfahren hörte.

»Hey! Das ist wohl kaum der richtige Ort für einen Geschäftsmann«, hörte Foxy ihren Bruder sagen, und sie hörte auch das Grinsen in seinen Worten. Sie legte die Knarre ab.

»Wollte nur kurz meine Investition überprüfen.«

Lance Matthews! Foxy erkannte die tiefe Stimme mit dem schleppenden Singsang sofort. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, und ihr wurde plötzlich ganz heiß. Sie zwang sich dazu, sich zu entspannen. Lächerlich!, dachte sie und lockerte ihre Finger. Ressentiments sollten keine sechs Jahre überleben.

Von ihrer Position aus konnte sie sehen, dass er ebenfalls Jeans und Turnschuhe trug. Die Jeans waren ausgewaschen, allerdings weder zerrissen noch ölverschmiert. Er lungert rum, dachte sie und unterdrückte ein pikiertes Schnauben. Sechs Jahre waren eine lange Zeit. Vielleicht war er ja inzwischen sogar erträglich geworden. Obwohl sie das ernsthaft bezweifelte.

»Ich hab’s heute Morgen nicht zum Proberennen geschafft. Wie hat sie sich gehalten?«

»Sehr gut.« Foxy hörte das typische Klicken eines Bierdosenverschlusses, dann das Zischen des Schaums. »Charlie will sie sich noch ein letztes Mal ansehen. Aber sie ist perfekt in Schuss, wirklich absolut perfekt.« An der Begeisterung ihres Bruders erkannte Foxy, dass er sie völlig vergessen hatte.

»Er ist fest entschlossen, am Sonntag einen neuen Boxenrekord aufzustellen.« Ein anderes Klicken, dann wehte ein aromatischer Duft an Foxys Nase. Es ärgerte sie, dass sie selbst nach all dieser Zeit sofort den typischen Geruch der schlanken Zigarren erkannte, die Lance rauchte. Mit dem Handrücken rieb sie sich die Nase, so als könne sie damit den Duft vertreiben.

»Neu?« Lance kam auf den kleinen Sportwagen zu. Foxy hörte, wie die Motorhaube angehoben wurde. »Erinnert mich an das Spielzeug, das du deiner Schwester zur Führerscheinprüfung geschenkt hast. Turnt sie eigentlich noch immer mit ihrer Kamera herum?«

Empört stieß Foxy sich ab und rollte unter dem Wagen hervor. Vom Rollbrett aus konnte sie für einen Moment die Verblüffung über Lance’ Miene schießen sehen. »Ja, es ist besagtes Spielzeug«, bestätigte sie kühl, während sie sich aufrappelte. »Und ich turne nicht mit der Kamera herum, ich arbeite mit ihr.«

Das Haar trug sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ihr Gesicht war ölverschmiert. Der Overall war ihr viel zu groß, und in der schmutzigen Hand hielt sie die Schraubknarre. Und trotz ihrer Empörung fiel ihr auf, dass Lance Matthews attraktiver denn je aussah. Sechs Jahre hatten sein Gesicht markanter gemacht, hatten die Züge vertieft und reifen lassen. Seltsam, aber als »gut aussehend« würde ihn wohl niemand beschreiben. Die Bezeichnung war zu zahm für Lance Matthews. Sein schwarzes Haar umspielte sein Gesicht und fiel ihm in den Nacken, seine Augen wechselten ihre Farbe von Stein- zu Rauchgrau, je nach Stimmung. Seine klassischen aristokratischen Züge wurden nur von einer kleinen weißen Narbe über der linken Augenbraue durchbrochen. Lance war größer als Kirk und schlanker gebaut, außerdem lag da eine geschmeidige Lässigkeit in seinen Bewegungen, die Kirk fehlte. Foxy jedoch wusste, dass sich unter dem nonchalanten Äußeren eine eiserne Entschlossenheit und ein messerscharfer Verstand verbargen. In seinen Zwanzigern hatte er zu den besten Rennfahrern der Welt gehört. Man sagte ihm nach, er habe die sichere Hand eines Chirurgen, den Instinkt eines Wolfs und die Nerven eines Teufels. Mit dreißig hatte er die Weltmeisterschaft gewonnen und sich aus dem aktiven Rennbetrieb zurückgezogen. Aus den immer nur kurzen Briefen ihres Bruders wusste Foxy nur, dass Lance in den letzten drei Jahren Fahrer und Rennwagen sponserte.

Jetzt verfolgte sie mit, wie seine Mundwinkel sich zu dem leicht süffisanten Lächeln verzogen, das schon immer sein Markenzeichen gewesen war.

»Na, wenn das nicht unser Fox ist!« Musternd ließ er den Blick über sie wandern, von Kopf bis Fuß, um dann wieder zu ihrem Gesicht zurückzukehren. »Sechs Jahre, und du hast dich keinen Deut verändert.«

»Du auch nicht«, erwiderte sie. Ihr Aufzug bei dem ersten Wiedersehen mit ihm wurmte sie. Sie kam sich wieder wie ein naiver, ungelenker Teenager vor. »Leider.«

»Und die Zunge ist auch noch so spitz wie früher.« Seine Zähne blitzten auf, als er grinste. Anscheinend gefiel es ihm, dass sie noch immer eine unhöfliche freche Göre war. »Hast du mich vermisst?«

»So lange es mir möglich war.« Sie streckte den Arm aus und hielt ihrem Bruder die Schraubknarre hin.

»Sie hat noch immer keinen Respekt vor Älteren«, sagte Lance zu Kirk, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu nehmen. »Ich würde dir ja einen Begrüßungskuss geben, aber ich hatte noch nie etwas für den Geschmack von Motoröl übrig.«

Er neckte sie, wie er es immer getan hatte, und ihr Kinn schoss vor, wie es immer vorgeschossen war. »Glücklicherweise hat Kirk einen unerschöpflichen Vorrat an Motoröl.«

»Wenn du die ganze Saison so rumlaufen willst«, meinte Kirk und legte den Schraubenschlüssel zu den anderen Werkzeugen, »kannst du genauso gut in der Boxengasse arbeiten.«

»Die Saison?« Mit zusammengekniffenen Augen nahm Lance einen Zug von seiner Zigarre. »Du bleibst für die ganze Saison? Das nenne ich Urlaub.«

»Nein, kein Urlaub.« Foxy rieb sich die Handflächen an dem Overall ab und versuchte, würdevoll auszusehen. »Ich bin nicht als Zuschauerin hier, sondern als Fotografin.«

»Foxy arbeitet für Pam Anderson, diese Reporterin«, warf Kirk ein und nahm sein Bier wieder auf. »Hatte ich dir das nicht gesagt?«

»Du hast irgendwas von einer Reporterin erwähnt«, murmelte Lance. Er studierte Foxys Gesicht, als wolle er unter den Schmutz und das Öl sehen. »Also sieht man dich demnächst wieder öfter auf dem Ring?«

Foxy erinnerte sich noch gut an diesen intensiven Blick. Es gab Momente, da konnten seine Augen einem den Atem rauben. Selbst als Heranwachsende war Foxy sich Lance’ sinnlicher Ausstrahlung bewusst gewesen. Damals war sie fasziniert gewesen, heute kannte sie die Gefahren. Pure Willenskraft ließ sie seinem Blick standhalten. »Richtig. Schade, dass du nicht so lange bleiben kannst.«

»Im Gegenteil«, konterte er. »Kirk fährt meinen Wagen. Ich gedenke zu bleiben und ihn gewinnen zu sehen.« Er erhaschte noch ihr Stirnrunzeln, bevor er sich zu Kirk drehte. »Vermutlich werde ich diese Pam Anderson ja heute Abend auf deiner Party kennenlernen. Wasch dir die Schmiere nicht ab, Foxy.« Er tätschelte den Teil ihrer Wange, der sauber geblieben war, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging. »Sonst erkenne ich dich vielleicht nicht. Wir sollten heute Abend ein Tänzchen wagen … um der alten Zeiten willen.«

»Das kannst du gleich vergessen!«, rief sie ihm nach und verfluchte sich prompt im Stillen, weil sie erwachsene Würde für kindischen Trotz hatte fahren lassen. Mit einem bösen Blick auf Kirk stieg sie aus dem Overall. »Was du an diesem Mann als Freund findest, ist mir völlig unbegreiflich.«

Mit einem Achselzucken sah Kirk Lance nach, wie er abfuhr. »Du solltest besser noch eine Probefahrt mit dem Wagen machen, bevor du nach Hause fährst«, wandte er sich dann zu Foxy um. »Vielleicht muss er noch eingestellt werden.«

Mit einem Seufzer schüttelte sie den Kopf. »Na schön.«

Für die Party am Abend wählte Foxy ein Kleid aus feinstem Crêpe de Chine. Es war ein sehr romantisches Kleid in zartem Lavendel und dezentem Grün, und es schmiegte sich um ihre schlanke Figur. Zu dem schulterfreien Oberteil mit den dünnen Trägern und dem schwingenden Rock gehörte ein knapper Bolero – nicht verträumt, sondern auch verführerisch.Foxy dachte mit einem grimmigen Lächeln an Lance Matthews. Der konnte sich auf eine Überraschung gefasst machen! Cynthia Fox war nämlich kein Teenager mehr. Noch die kleinen Goldkreolen an die Ohren gesteckt, dann trat sie zurück und musterte ihr Spiegelbild.

Das Haar hatte sie offen gelassen, die dichte rotbraune Lockenmähne fiel ihr sanft über die Schultern. Da ihr Gesicht jetzt nicht mehr ölverschmiert war, kamen ihre hohen Wangenknochen zur Geltung, die ihrem herzförmigen Gesicht sowohl Eleganz wie auch Feinheit verliehen. Ihre mandelförmigen Augen waren nicht wirklich grün, aber auch nicht grau, ihre Nase war aristokratisch gerade, und ihre Lippen waren voll und großzügig. In ihren Augen lag der Anflug der gleichen Verwegenheit wie bei ihrem Bruder, nur sie hielt sie im Zaum, sodass man die Kühnheit nur unterschwellig ahnen konnte. Viel auffälliger als ihre Schönheit war ihre erdige, natürliche Sinnlichkeit. Viele Gegensätze vereinten sich in Cynthia Fox. Ihre schlanke Statur und die helle Haut ließen sie zerbrechlich erscheinen, doch ihr Haar brannte wie Feuer, und ihre Augen blitzten verwegen. Die Zeit war reif für eine Herausforderung, das spürte Foxy.

Als sie in ihre Sandaletten schlüpfte, klopfte es an ihrer Tür.

»Darf ich hereinkommen, Foxy?« Pam Anderson steckte den Kopf zur Tür herein, um sie dann weiter aufzustoßen. »Oh, du siehst bezaubernd aus!«

Lächelnd drehte Foxy sich zu ihr um. »Du aber auch.«

Das verträumte hellblaue Chiffonkleid passte bestens zu Pams puppenhafter Schönheit. Nicht zum ersten Mal fragte Foxy sich, wo die zierliche Blondine das enorme Durchsetzungsvermögen und die Durchhaltekraft fand, um als freie Journalistin zu arbeiten. Wie schaffte sie es, knallharte Interviews zu führen, wenn ihre Stimme wie eine sanfte Sommerbrise klang und sie aussah wie eine empfindliche Magnolienblüte? Sie kannten sich jetzt seit sechs Monaten, und obwohl Pam fünf Jahre älter war als Foxy, hatte die Jüngere eindeutig einen mütterlichen Beschützerinstinkt für die Ältere entwickelt.

»Ist es nicht toll, einen Auftrag mit einer Party zu beginnen?« Pam kam ins Zimmer und setzte sich auf die Bettkante, während Foxy die Bürste noch einmal durch ihr Haar zog. »Das Haus deines Bruders gefällt mir! Mein Zimmer ist perfekt.«

»Hier haben wir gelebt, als wir noch Kinder waren.« Foxy nahm ihr Parfüm auf und runzelte die Stirn. »Kirk hat es behalten, als eine Art Basiscamp, weil es so nah an Indianapolis liegt.« Aus dem Stirnrunzeln wurde ein Lächeln, als sie aufsah. »Kirk hat schon immer gern ein Camp nahe der Rennstrecke gehabt.«

»Er ist wirklich nett.« Pam strich sich über den kurzen Bob. »Es ist auch sehr großzügig von ihm, dass er mich hier aufnimmt, bis wir auf dem Ring anfangen können.«

»Nett ist er, stimmt.« Foxy lachte. Sie lehnte sich näher an den Spiegel und trug Lippenstift auf. »Solange er nicht mit der Strategieplanung für das Rennen beschäftigt ist. Du wirst feststellen, dass er dann nicht mehr von dieser Welt ist.« Sorgfältig verschloss Foxy den Lippenstift. »Pam …« Sie atmete tief durch und suchte Pams Blick im Spiegel. »Da wir in nächster Zeit zusammen unterwegs sind, denke ich, du solltest etwas über Kirk wissen, um ihn zu verstehen. Er …« Mit einem Seufzer lockerte sie ihre Schultern. »Er ist nicht immer nett. Manchmal ist er kurz angebunden und reizbar und regelrecht schroff. Er ist rastlos und sehr ehrgeizig. Die Autorennen sind sein Leben, und manchmal vergisst er eben, dass Menschen im Gegensatz zu Autos auch Gefühle haben.«

»Du liebst ihn sehr, nicht wahr?« Pams stille blaue Augen und das Verständnis, das in ihnen lag, machten sicherlich einen Teil ihres Erfolgs aus. Sie verstand die Menschen nicht nur, sie fühlte auch mit ihnen.

»Ja, mehr als jeden anderen.« Foxy drehte sich um, damit sie Pam ansehen konnte, nicht nur ihr Spiegelbild. »Und noch mehr, seit ich erwachsen geworden bin und herausgefunden habe, dass er auch nur ein Mensch ist. Kirk hätte die Verantwortung, mich aufzuziehen, nicht übernehmen müssen. Ich glaube, das ist mir erst auf dem College klar geworden. Er hatte eine Wahl. Er hätte mich auch zu einer Pflegefamilie geben können, und niemand hätte ihm deshalb Vorwürfe gemacht. Ich glaube sogar«, sie schüttelte ihr Haar zurück und lehnte sich an die Spiegelkommode, »er hat sich mehr Vorwürfe anhören müssen, weil er es nicht getan hat. Er hat mich zu sich genommen, und das war genau das, was ich gebraucht habe. Das werde ich ihm nie vergessen. Eines Tages werde ich mich irgendwie dafür bei ihm bedanken.« Lächelnd richtete sie sich auf. »Jetzt gehe ich wohl besser nach unten und sehe nach, ob der Caterer schon alles arrangiert hat. Die Gäste werden bald eintreffen.«

»Ich komme mit.« Pam stand auf und ging zur Tür. »Was ist mit diesem Lance Matthews, über den du dich vorhin so beschwert hast? Wenn ich meine Hausaufgaben gründlich gemacht habe, dann ist er ein ehemaliger Fahrer – einer aus der Weltspitze – und inzwischen Eigner der Matthews Corporation, die unter anderem auch Rennwagen entwickelt und baut. Er besitzt die Patente auf verschiedene Designs, darunter auch auf den Wagen, den dein Bruder in dieser Formel-1-Saison fahren wird. Und für das Indy Car auch, richtig? Stammt er nicht …« Sie schnalzte frustriert mit der Zunge, weil sie nicht alle Fakten auf Anhieb parat hatte. »Stammt er nicht aus einer alten Familie … Bostoner Geldadel? Oder war es New Haven? Frachtgeschäft oder Im- und Export, meine ich. Auf jeden Fall widerwärtig reich.«

»Boston, Fracht und widerwärtig, richtig«, bestätigte Foxy auf dem Weg nach unten. »Frag mich heute Abend nur nicht nach ihm, sonst bekommst du noch Albträume.«

»Höre ich da etwa den Anflug von Antipathie in deinen Worten?«

»Kein Anflug, sondern ganz konkrete Antipathie«, bekräftigte Foxy herzhaft. »Ich müsste eine Lagerhalle anmieten, um meine Antipathie für Lance Matthews unterzubringen.«

»Aha. Und dabei schießen die Mieten heutzutage unaufhörlich in die Höhe.«

»Was ihn mir nur noch unsympathischer macht.« Foxy ging ins Esszimmer und inspizierte das angerichtete Büfett.

Auf einem königsblauen Tischtuch stand lackiertes Holzgeschirr; in der Mitte prangte eine bauchige Tonvase mit blühenden Hartriegelzweigen und Narzissen. Ein Blick auf den gedeckten Tisch und die dicken gelben Kerzen in hölzernen Haltern bestätigte Foxy, dass der Caterer etwas von seinem Geschäft verstand. »Entspannt und lässig« war die Vorgabe gewesen.

»Sieht gut aus.« Foxy widerstand der Versuchung, den Finger in die Schüssel mit dem Kaviar zu stecken, vor allem auch, weil der Caterer aus der Küche hereingerauscht kam.

Er war ein hektischer kleiner Mann, kahl bis auf den schmalen Haarkranz, den er tiefschwarz gefärbt hatte. Er bewegte sich energisch und mit ruckartigen, kurzen Schritten. »Sie sind zu früh!« Vorsichtshalber stellte er sich zwischen Foxy und den Kaviar. »Die Gäste kommen erst in fünfzehn Minuten.«

»Ich bin Cynthia Fox, Mr. Fox’ Schwester.« Foxy lächelte, sozusagen als Friedensangebot. »Ich dachte, ich könnte vielleicht helfen.«

»Helfen? Großer Gott, nein!« Er wedelte mit der Hand, als wollte er eine lästige Fliege von seiner Pâté verscheuchen. »Fassen Sie nur nichts an! Es ist alles genauestens ausbalanciert.«

»Und es sieht großartig aus!« Pam drückte warnend Foxys Arm. »Holen wir uns schon mal einen Drink, Foxy, solange wir auf die Gäste warten.«

»Aufgeblasener Wichtigtuer«, murmelte Foxy, ließ sich aber von Pam ins Wohnzimmer schieben.

»Sag, kannst du die Zügel auch mal aus der Hand geben?« Ehrliche Neugier stand in Pams Gesicht, als sie sich auf einen Sessel setzte.

»Erwischt!« Foxy lachte und ließ den Blick über die aufgestockte Bar wandern. »Na, hier gibt’s genug Alkohol, um eine ganze Armee in gute Laune zu versetzen. Das Problem ist nur … etwas Komplizierteres als den Gin Tonic, den ich manchmal für Kirk zusammenschütte, bekomme ich gar nicht hin.«

»Wenn darunter auch eine Flasche trockener Sherry steht … schütte etwas davon in ein kleines Glas. Das sollte deine begrenzten Fähigkeiten nicht überfordern, oder? Trinkst du einen Sherry mit?«

»Nein, danke.« Foxy sah die Flaschen durch. »Alkohol macht mich etwas zu ehrlich. Und dann vergesse ich die grundlegenden Regeln des Überlebens – Takt und Diplomatie. Kennst du die Chefredakteurin von Wedding Day, Joyce Canfield?« Pam nickte. Inzwischen hatte Foxy den Sherry gefunden. »Vor ein paar Monaten traf ich sie zufällig auf einer Cocktailparty. Vorher hatte ich schon mehrere Fotostrecken für Wedding Day gemacht. Auf jeden Fall … Sie fragte mich, wie mir ihr Kleid gefiele, und ich schaute über den Rand meiner zweiten Weinschorle und riet ihr prompt, niemals Gelb zu tragen, weil ihr Teint dann so fahl aussieht.« Foxy ging durch den Raum und reichte Pam ein Glas Sherry. »Ehrlich, aber dumm. Seit dem Abend habe ich nicht einmal mehr einen verblühten Hochzeitsstrauß für die Zeitschrift fotografiert.«

Pam lachte ihr leises, perlendes Lachen und nippte an ihrem Glas. »Ich werde mir merken, dir keine heiklen Fragen zu stellen, wenn ich dich mit einem Glas in der Hand sehe.« Sie bemerkte, wie Foxy mit einer Fingerspitze über einen hohen Chippendale-Tisch strich. »Ist schon ein komisches Gefühl, wieder zu Hause zu sein, nicht wahr?«

Foxys Augen verdunkelten sich, das Grün verlor sich fast ganz im Grau. »Es bringt Erinnerungen zurück. Seltsam ist, dass ich an mein Leben hier kaum noch gedacht habe, aber jetzt …« Sie ging zum Fenster und zog den Vorhang beiseite. Die Sonne stand tief am Himmel, schickte ihre letzten rot-goldenen Strahlen. »Weißt du, das hier ist der einzige Ort, den ich als Zuhause bezeichnen kann. New York zählt nicht. Seit dem Tod meiner Eltern war ich immer unterwegs, erst mit Kirk, dann durch meinen Beruf. Erst jetzt, da ich wieder hier bin, kommt mir überhaupt der Gedanke, wie entwurzelt mein Leben war.«

»Wünschst du dir Wurzeln, Foxy?«

»Ich weiß es nicht.« Unschlüssigkeit stand in Foxys Gesicht, als sie sich zu Pam umdrehte. »Ich weiß es wirklich nicht«, wiederholte sie. »Möglich. Aber irgendetwas wünsche ich mir. Und irgendwo da draußen ist es.« Sie kniff leicht die Augen zusammen.

»Was ist da draußen?«

Foxy zuckte erschrocken zusammen, als sie die Stimme hörte. Kirk stand im Türrahmen und sah sie lächelnd an, die Hände in die Taschen seiner dunklen Hose gesteckt. Wie immer strahlte er Energie und Dynamik aus.

»Nun …« Mit einem kritischen Blick ging Foxy auf ihn zu und befühlte mit schwesterlicher Neugier seinen Hemdkragen. »Seide, was? Vermutlich hast du das nicht oft an, wenn du mal wieder einen Motor austauschst, oder?« Kirk zog sie an den Haaren und drückte ihr gleichzeitig einen Kuss auf die Wange.

Mit den hohen Absätzen war Foxy fast ebenso groß wie er, stand mit ihm fast auf Augenhöhe. Als Pam die beiden betrachtete, fiel ihr auf, wie wenig Ähnlichkeit sie eigentlich miteinander hatten – eigentlich nur ihre Locken. Kirk hatte dunkelgrüne Augen und ein langes schmales Gesicht; die feine Eleganz der Statur seiner Schwester fehlte ihm völlig. Und als sie sein Profil studierte, lief Pam ein kleines Prickeln über den Rücken. Hastig senkte sie den Blick auf ihr Glas. Langfristige Aufträge und prickelnde Haut waren grundsätzlich nicht zu vereinen!

»Ich mache dir einen Drink.« Foxy ließ von ihrem Bruder ab und ging zur Bar. »Es wurde uns verboten, ins Esszimmer zu gehen, für … noch genau zweieinhalb Minuten. Hoppla, kein Eis!« Sie setzte den Deckel auf den Eiswürfelcontainer zurück und zuckte mit einer Schulter. »Todesmutig werde ich mich also auf die Mission begeben und unseren Caterer um Eis bitten. Pam trinkt Sherry«, rief sie noch über die Schulter zurück.

»Soll ich nachschenken?« Erst jetzt wandte Kirk seine Aufmerksamkeit Pam zu.

»Nein, danke.« Lächelnd hob sie das Glas an ihre Lippen. »Ich hab mich noch gar nicht bedankt, dass Sie mich bei sich untergebracht haben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie angenehm es ist, nicht in einem Hotel schlafen zu müssen.«

»Ich weiß, wie das ist in den Hotels.« Kirk grinste und setzte sich ihr gegenüber. Zum ersten Mal, seit man sie gestern vorgestellt hatte, waren sie allein. Pam spürte wieder dieses Prickeln, aber sie ignorierte es. Kirk nahm sich eine Zigarette aus dem Spender auf dem Tisch und zündete sie an. Für diese wenigen Sekunden musterte er Pam.

Klasse, dachte er, und intelligent. Diese Frau war kein Formel-1-Groupie. Einen Sekundenbruchteil ließ er den Blick auf ihren weichen Lippen haften. Sie sieht aus wie etwas, das im Schaufenster steht. Schön, wertvoll und abgeschirmt hinter Glas.

»Foxy hat so oft von Ihnen gesprochen, dass ich das Gefühl habe, Sie zu kennen.« Kaum waren die Worte heraus, verfluchte Pam sich für die wenig geistreiche Bemerkung. Sie nippte an ihrem Sherry. »Ich freue mich schon auf das Rennen.«

»Ja, ich auch.« Kirk lehnte sich in den Sessel zurück und musterte sie unverhohlen. »Sie sehen nicht unbedingt wie der Typ aus, der sich für Boxengassen und Rundenzeiten interessiert.«

»Nicht?« Pam wartete gespannt ab. »Wonach sehe ich denn aus?«

Kirk nahm einen tiefen Zug von der Zigarette. »Nach dem Typ, der Chopin und Champagner bevorzugt.«

Pam sah ihm geradewegs in die Augen und schwenkte den Sherry in ihrem Glas. »Sie haben recht«, erwiderte sie und lehnte sich wieder entspannt in die Polster zurück. »Aber als Journalistin interessieren mich alle möglichen Dinge. Daher hoffe ich auch, dass Sie großzügig mit Ihren Informationen, Ihren Gedanken und Gefühlen und Ihrem Wissen umgehen.«

Das Lächeln hob die Enden seines Schnauzbarts. »Man sagt mir nach, dass ich generell großzügig bin.« Er fragte sich, ob ihre Haut so samten war, wie sie wirkte. Das Klingeln an der Haustür durchschnitt die Stille. Kirk erhob sich, nahm Pam das Glas aus der Hand und zog sie hoch. Auch wenn sie sich sagte, dass es eine alberne Reaktion war … ihr Puls begann zu rasen.

»Sind Sie verheiratet?«, fragte er.

»Nein, wieso?« Verblüfft runzelte sie die Stirn.

»Gut. Ich schlafe nämlich nicht mit verheirateten Frauen.«

Er sagte es so nüchtern, dass Pam einen Moment lang brauchte, bevor sie reagieren konnte. Ärgerliche Röte zog in ihre hellen Wangen. »Also, von allen Unverschämtheiten ist das wohl …«

»Hören Sie«, unterbrach Kirk sie. »Es ist unvermeidlich. Bevor die Saison zu Ende ist, werden wir miteinander schlafen. Ich halte nicht viel von Spielchen, also spiele ich auch keine.«

»Würde es Sie sehr beleidigen«, erwiderte Pam mit der schneidenden Kälte, die nur eine Südstaatenerziehung hervorbringen kann, »wenn ich Ihre großzügige Einladung ausschlage?«

»Scheint mir reine Zeitverschwendung.« Kirk zuckte ungerührt mit einer Schulter. Er fasste Pams Hand, als es zum zweiten Mal klingelte. »Wir sollten besser aufmachen gehen.«

2. KAPITEL

Innerhalb der nächsten Stunde füllte sich das Haus mit Menschen und Stimmengewirr und fröhlichem Lachen. Die Terrassentüren wurden aufgestoßen, als es enger wurde, sodass die Gäste auch in die milde Abendluft hinaustreten konnten.

Foxy erkannte alte Freunde und begrüßte neue Gesichter. Automatisch übernahm sie die Rolle der Gastgeberin und ging von Gruppe zu Gruppe. Die »Balance«, auf die der Caterer so viel Wert gelegt hatte, hatte sich längst in Wohlgefallen aufgelöst. Die Platten und Schüsseln standen jetzt überall im Haus in Reichweite der Gäste, wo immer sie Platz gefunden hatten. In der lockeren Atmosphäre gab es ein Band, das hier alle Anwesenden zusammenhielt – Autorennen. Hier waren Fahrer, Ehefrauen, Freundinnen und besonders geschätzte Fans zusammengekommen.

Übermütig lachend ging Foxy zur Haustür, als noch späte Gäste ankamen. Ihr Lächeln erstarb allerdings sofort. Immerhin verspürte sie eine gewisse Genugtuung über das Erstaunen in Lance Matthews’ grauen Augen. Der Ausdruck kam und ging wieder, gleichzeitig mit dem Anheben und Senken der Augenbrauen. Dann ließ er den Blick von Kopf bis Fuß über Foxy wandern, als wäre sie eine Skulptur, die er für seine Sammlung kaufen wollte. Foxys Ausgelassenheit verflog prompt, sie hob das Kinn an und reckte die Schultern. Verärgert taxierte sie ihn ganz bewusst mit dem gleichen abschätzenden Blick.

Zu einer schwarzen Hose trug er einen schwarzen Rollkragenpullover. Dieser dunkle Aufzug ließ ihn mysteriös und irgendwie gefährlich aussehen, ein Eindruck, der durch seine schlanke Statur und sein verwegenes Aussehen noch verstärkt wurde. Foxy fiel jäh seine Fähigkeit ein, absolut regungslos zu verharren und dabei gleichzeitig jedes Detail in sich aufzunehmen. Eine Fähigkeit, die nur ein echter Jäger besaß und ohne die ein Torero nicht überlebte. In diesem Augenblick registrierte er jedes Detail von ihr, und auch wenn ihr Herz wild pochte, forderte Foxy ihn mit ihrem Blick heraus. Ärger. Er macht mich immer so wütend.

»Sieh einer an.« Er sprach leise, vor dem Hintergrund des vergnügten Partylärms schien seine Stimme eigenartig intim. Er hielt ihren Blick fest, dann lächelte er, als er die Augen zu ihrem Schmollmund wandern ließ. »Scheint, als hätte ich mich geirrt.«

»Inwiefern?« Nahezu unwillig schloss sie die Haustür hinter ihm. Viel lieber hätte sie sie ihm vor der Nase zugeschlagen.

»Du hast dich verändert.« Er fasste nach ihren Händen, ignorierte, dass sie zurückzuckte, hielt sie vor sich fest. Noch einmal ließ er den Blick von oben bis unten über sie wandern. »Du bist zwar immer noch sehr dünn, aber immerhin sind die Stellen ein wenig aufgefüllt, auf die es ankommt.«

Ihre Haut prickelte, als wäre ein kühler Wind darübergefahren. Verärgert über ihre Reaktion, versuchte Foxy, ihm ihre Hände zu entziehen, leider ohne Erfolg. »Wenn das ein Kompliment sein sollte, kannst du es dir sparen. Und jetzt hätte ich gern meine Hände wieder zurück, Lance.«

»Sicher, gleich.« Ihre Empörung perlte ohne jegliche Wirkung an ihm ab, während er sie weiterstudierte. »Weißt du«, hob er im Plauderton an, »ich habe mich immer gefragt, was wohl aus diesem vorwitzigen kleinen Gesicht werden würde, das du immer hattest. Es besaß einen gewissen Reiz, selbst wenn es immer mit Öl verschmiert war.«

»Wundert mich, dass du dich überhaupt erinnerst.« Da er sie wohl nicht loslassen würde, konnte sie genauso gut aufhören, sich zu wehren. Sie sah ihn scharf an, suchte nach Mängeln und Fehlern in seinem Gesicht, die in den letzten sechs Jahren vielleicht aufgetaucht sein könnten. Sie fand keine. »Du dagegen hast dich gar nicht verändert.«

»Danke.« Er grinste, ließ ihre Hände los, schlang den Arm um ihre Taille und führte sie zurück zur Party.

»Das war nicht als Kompliment gedacht.« Ihre Reaktion auf sein Grinsen und seine Berührung war seltsam. Obwohl sie immer noch auf der Hut war, schlich sich Heiterkeit in ihre Empfindungen. Sie trat entschieden einen Schritt zurück. »Ich nehme an, du kennst alle hier.« Mit einer ausholenden Geste umfasste sie die anwesenden Gäste. »Und den Weg zur Bar findest du sicher allein.«

»Höflich bis zuletzt«, murmelte Lance und musterte sie nachdenklich. »Wenn ich mich recht entsinne, warst du mir gegenüber nicht immer so feindselig eingestellt.«

»Ich bin eben lernfähig, wenn es auch manchmal länger dauert.«

»Lance, Darling!« Honey Blackwell kam auf sie zugerauscht. Das silberblonde Haar trug sie kurz, ihr Gesicht war hübsch und perfekt geschminkt, ihre Figur ausgestattet mit mustergültigen Kurven. Sie hatte Geld im Überfluss und einen unersättlichen Hunger auf Abenteuer. Foxys Ansicht nach war Honey der Archetyp des Boxen-Groupies. Jetzt schlang sie die Arme um Lance’ Nacken, und er legte seine Hände auf ihre üppigen Hüften. Sie küsste Lance begeistert, während er über ihre Schulter direkt in Foxys süffisantes Grinsen blickte.

»Ihr beide kennt euch offensichtlich bereits.« Foxy nickte kurz, um sich dann abzuwenden und zur Party zurückzukehren. Und offensichtlich, fügte sie in Gedanken hinzu, amüsiert ihr euch auch ohne mich.

Als sie eine Hand an ihrem Arm spürte, schaute sie auf.

»Hi. Ich wusste, irgendwann würden Sie lange genug an einem Platz stehen bleiben, damit ich mich vorstellen kann. Ich bin Scott Newman.«

»Hallo. Cynthia Fox.« Ihre Hand wurde mit einem kräftigen Händedruck geschüttelt.

»Ich weiß. Sie sind Kirks Schwester.«

Sie lächelte und studierte Scott Newman genauer. Er besaß ansprechende Gesichtszüge, seine Augen waren dunkelbraun, seine Nase war gerade, sein Mund breit und geschwungen. Das braune Haar trug er weder zu lang noch zu kurz. Sie standen sich fast auf Augenhöhe gegenüber, war er doch nur knapp eins achtzig. Er war gebräunt und durchtrainiert, der Anzug, den er trug, saß perfekt. Das Jackett hatte er lässig offen stehen lassen. Foxy schoss der Gedanke durch den Kopf, dass Scott Newman das Paradebeispiel für den jungen, aufstrebenden Manager war. Schade, dass er den hellen Leinenanzug nicht mit einem dunklen Hemd kombiniert hatte.

»Wir werden uns in den nächsten Monaten wohl häufiger sehen«, fuhr er fort, ohne zu ahnen, welche Richtung ihre Gedanken eingeschlagen hatten.

»So?« Sie wich jemandem aus, der sich mit einer vollen Käseplatte und einer Schüssel Cracker seinen Weg bahnte, um dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf Scott zu richten.

»Ich bin Kirks Tourmanager. Ich regle alle Reisearrangements, Unterbringung für ihn und die Crew und alles, was sonst noch dazugehört.«

»Ah, ich verstehe.« Foxy schüttelte ihr Haar zurück, neigte dann leicht den Kopf zur Seite. »Ich war ein paar Jahre nicht mehr dabei.« Aus den Augenwinkeln erhaschte sie ihren Bruder. Foxy drehte sich zu ihm um und lächelte. Er glich einem Ritter auf einem Kreuzzug, während eine hübsche Brünette an seinem Arm hing und eine Gruppe Umstehender andächtig seinen Worten lauschte. »Als ich noch zum Team gehörte, gab es so etwas wie einen Tourmanager nicht«, murmelte sie. Foxy erinnerte sich noch gut daran, dass sie mehr als eine Nacht auf dem Rücksitz eines Wagens verbracht hatte, in einer Garage, eingehüllt in den Geruch von Benzin und Zigarettenrauch. Oder in einem Zelt auf dem Gelände auf den Morgen und den Start des Rennens gewartet hatte. Er ist ein Komet, dachte sie, während sie ihren Bruder betrachtete, ein heller, strahlender Komet.

»Ja, in den letzten Jahren hat sich einiges geändert«, meinte Scott. »Kirk hat ja auch immer wichtigere Rennen gewonnen. Und mit Lance Matthews’ Sponsoring hat sich seine Karriere natürlich enorm weiterentwickelt.«

»Ja, natürlich.« Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Geld hilft enorm, nicht wahr?«

»Sie haben gar keinen Drink.« Scott bemerkte zwar, dass sie kein Glas in der Hand hielt, nicht aber den leichten Sarkasmus in ihrer Stimme. »Das sollten wir schnellstens ändern.«

»Einverstanden.« Foxy hakte sich bei ihm ein und ließ sich von ihm zur Bar führen. Lance Matthews’ Geld ist mir völlig egal,dachte sie.

»Was trinken Sie?«, erkundigte sich Scott.

Foxy sah erst ihn an, dann den schon ergrauenden professionellen Barmann. »Eine Weinschorle«, sagte sie dann.

Das Mondlicht schimmerte durch die Blätter. Die Blumen im Garten waren gerade erst aufgeblüht, die Farben der Frühlingsblüten blass in der Nacht. Ihr leichter Duft verströmte das Versprechen auf den kommenden Sommer.

Mit einem herzhaften Seufzer ließ Foxy sich auf die Hollywoodschaukel fallen und legte die Füße auf die Fußbank davor. Vom Haus her drangen leise das Lachen und die Musik der Party zu ihr herüber. Sie hatte sich in der Küche zur Hintertür hinausgestohlen, um ein paar Momente Ruhe und Frieden zu ergattern. Drinnen im Haus stand die Luft schwer und drückend, angefüllt mit Zigarettenrauch und Parfüm. Tief atmete Foxy die frische Frühlingsluft ein und stieß sich mit dem Fuß ab, um die Schaukel in Bewegung zu setzen.

Scott Newman, so hatte sie entschieden, war attraktiv, höflich, intelligent und engagiert. Und zugegebenermaßen leider auch fad. Sie stieß noch einen Seufzer aus und schaute in den Himmel auf. Wolkenfetzen zogen träge dahin, verdunkelten den Mond, gaben ihn wieder frei. Ich bin es schon wieder, dachte sie. Überkritisch. Muss ein Mann auf einem Bein stehend jonglieren, damit ich ihn unterhaltsam finde? Wonach suche ich überhaupt? Nach einem hehren Ritter? Mit gerunzelter Stirn verwarf Foxy den Ausdruck. Ritter waren vornehm und strahlend und edel. Sie zog ein wenig Patina und ein paar Kratzer vor. Es musste jemand sein, der sie zum Lachen und zum Weinen bringen konnte, der sie wütend machen konnte und ihre Knie weich.

Sie lachte leise und fragte sich, mit wie vielen Männern sie sich eigentlich gleichzeitig einlassen wollte. Sie lehnte den Kopf in den Nacken und schlug die Knöchel übereinander. Der Saum ihres Kleides rutschte über ihre Knie und kitzelte sie leicht. Sie streckte die Arme aus und fasste die Stangen der Schaukel zu beiden Seiten. Ich wünsche mir jemanden, der ungezähmt und zärtlich und stark und intelligent und herrlich albern ist. Sie musste über sich selbst lachen und schaute zu den Sternen empor. Hell und manche von einem bläulichen Kranz umgeben, glitzerten sie da oben am Himmelszelt durch die vorbeischwebenden Wolken.

»Welchem Stern sollte ich wohl meinen Wunsch anvertrauen?«

»Der hellste ist immer am besten.«

Erschrocken schnappte Foxy nach Luft. Sie ließ die Stangen los und schaute in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er war nur ein Schatten, groß und schlank. Dieser Schatten bewegte sich jetzt mit der Geschmeidigkeit eines Panthers auf sie zu. Die schwarze Kleidung ließ Lance nahtlos mit der Nacht verschmelzen, doch seine Augen fingen schimmernd das Mondlicht ein. Einen Moment lang verspürte Foxy das Gefühl von Bedrohung, so als hätte der stille Garten am Stadtrand sich plötzlich in einen gefährlichen, unberührten Dschungel verwandelt. Als hätte er die glühenden Augen einer Raubkatze, die das Dunkel der Nacht durchbrachen, sah Lance zu ihr hin. Schatten fielen auf sein Gesicht. So muss Luzifer ausgesehen haben, als er aus dem Himmel in die Flammen fiel, dunkel und unwiderstehlich, dachte sie.

»Was wünschst du dir denn?«, fragte er leise.

Foxy wurde sich bewusst, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Unauffällig atmete sie aus. Es sind der Schreck, sagte sie sich, und die Überraschung, dass ich Gänsehaut habe. »Was tust du hier draußen? Ich dachte, die Blondinen hätten dich längst in Beschlag genommen.«

Lance stand vor Foxy an der Hollywoodschaukel und schaute auf sie herunter. »Ich brauchte frische Luft. Und etwas Ruhe.«

Es wurmte sie, dass seine Motive den ihren so sehr ähnelten. Foxy zuckte mit den Achseln und schloss die Augen. »Wie ist es dir gelungen, dich von Miss Oberweite loszueisen?«

Die Geräusche der Party wehten durch die Nacht. Foxy spürte Lance’ Blick auf ihrem Gesicht, dennoch hielt sie ihre Augen trotzig geschlossen.

»Du hast also Krallen bekommen«, murmelte er. »Du solltest sie nicht am Rücken eines anderen wetzen, Foxy. Das Gesicht ist fairer.«

Sie hob die Lider und begegnete seinem Blick. Unwillig gestand sie sich ein, dass sie vom ersten Augenblick ihres Wiedersehens an boshaft und gehässig zu ihm gewesen war. Bösartigkeit war eigentlich völlig untypisch für sie. Sie stieß einen Seufzer aus und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid. Eigentlich ist es nicht meine Art, ständig zu fauchen und zu kratzen. Setz dich, Lance. Ich werde versuchen, mich zu benehmen.« Ein kleines Lächeln begleitete die Einladung. Jedoch setzte er sich nicht ihr gegenüber, wie sie erwartet hatte, sondern ließ sich neben ihr auf der Schaukel nieder. Foxy verspannte sich. Entweder hatte Lance ihre Reaktion nicht bemerkt, oder aber er ignorierte sie. Er streckte die Beine aus und hob seine Füße auf die Bank.

»Ich habe nichts gegen einen kleinen Ringkampf einzuwenden, Fox, aber eine Pause zwischen den Runden ist auch angenehm.« Er zog sein Feuerzeug hervor und zündete eine von seinen langen schlanken Zigarren an. Die Flamme flackerte auf und erlosch wieder. Seltsam, dachte Foxy und entspannte sich, wie genau ich mich an dieses Aroma erinnern kann.

»Dann lass uns sehen, ob wir uns nicht für ein paar Minuten zivilisiert benehmen können«, schlug Foxy vor und drehte sich zu ihm, um ihn anzusehen. Sie war jetzt erwachsen, ermahnte sie sich, konnte also mit ihm mithalten. »Sollen wir uns über das Wetter unterhalten oder über die neuesten Bücher auf der Bestsellerliste? Oder vielleicht über die politische Situation in Rumänien? Oh, ich weiß …«, sie stützte das Kinn in die Hand, »… das Rennen. Nun, was für ein Gefühl ist es, Autos zu entwerfen, anstatt sie zu fahren? Erhoffst du dir mehr von dem Indy Car, das du entworfen hast, oder von dem Formel-1-Wagen bei den Grand-Prix-Rennen? Kirk fährt gute Zeiten im freien Training, seit die Saison eröffnet ist. Der Wagen soll ja sehr schnell und sehr zuverlässig sein.«

Lance blickte in ihre vorwitzigen Augen und hob eine Braue. »Liest du noch immer alle Rennsportmagazine, Foxy?«

»Kirk würde es mir niemals verzeihen, wenn ich nicht auf dem Laufenden wäre.« Sie lachte, ein kehliger, samtiger Laut.

»Das hat sich also nicht verändert«, kommentierte Lance. Foxy lächelte leicht verständnislos. »Schon mit fünfzehn hattest du das verführerischste Lachen, das ich je gehört habe. Es klingt wie etwas, das aus dem Nebel auftaucht.«

Er stieß den Rauch aus, und sie setzte sich auf. Mondlicht ergoss sich über ihr Haar und ließ tausend kleine Funken aufsprühen. Foxy spürte seine Macht, und sie spürte die Versuchung.

»Deine Firmenzentrale sitzt also in Boston«, navigierte sie sich auf sicheres Gebiet. »Ich vermute, du lebst auch dort?«

Lance lächelte über ihr geschicktes Manöver und tippte die Asche von der Zigarre. »Meistens. Warst du schon mal dort?« Er legte den Arm auf die Rücklehne. Es war eine so lässige Geste, dass Foxy sie kaum wirklich wahrnahm.

»Nein.« Die langsamen Schaukelbewegungen wirkten beruhigend. »Aber ich würde gern mal hinfahren. Die Kontraste müssen großartig sein – Ziegelstein und Efeu und direkt daneben Stahl und Glas. Ich habe ein paar sehr beeindruckende Fotos gesehen.«

»Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich eines von deinen Fotos gesehen.«

»So?« Neugierig drehte sie den Kopf zu ihm und stellte erstaunt fest, wie nah ihre Gesichter einander waren. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihren Lippen. Die Macht wurde stärker, die Versuchung größer. Vorsichtig rückte sie von ihm ab, ohne dass sein Blick sich auch nur einen Millimeter von ihrem Gesicht bewegt hätte.

»Es wurde im Winter aufgenommen, allerdings sieht man keinen Schnee, sondern nur den Raureif an den kahlen Bäumen. Es zeigt eine Parkbank, auf der ein alter Mann schläft, eingewickelt in seinen dunkelgrauen Mantel. Die Sonne steht tief hinter den Bäumen und scheint auf ihn herab. Es war ein unglaublich trauriges Foto und gleichzeitig schön.«

Foxy war verdattert. Nie hätte sie von Lance Matthews ein Gespür für ihr Handwerk vermutet, nie hätte sie gedacht, dass er verstehen würde. Während sie hier schweigend zusammensaßen, geschah etwas zwischen ihnen, doch Foxy wusste weder, wie sie dem widerstehen, noch wusste sie, wie sie es bestärken sollte. Es war so vielschichtig wie Mann und Frau. Unablässig schaute er sie an, während seine Finger mit ihrem Haar spielten.

»Ich war sehr beeindruckt«, fuhr er fort, als sie verwirrt schwieg. »Und dann sah ich deinen Namen darunter stehen. Erst konnte ich nicht glauben, dass du das sein solltest. Die Cynthia Fox, die ich kannte, konnte unmöglich die Fähigkeit besitzen, einem Foto eine solche Intensität zu verleihen. Ich sah noch immer die heranwachsende Göre mit den großen Augen und dem wahrhaft üblen Temperament.« Als Lance sich abwandte, um den Zigarrenstummel wegzuschnippen, ließ Foxy unhörbar bebend die Luft aus ihren Lungen entweichen.

Entspann dich!,befahl sie sich still. Benimm dich nicht wie ein Idiot.

»Auf jeden Fall bin ich neugierig genug geworden, um mich genauer zu erkundigen. Als ich dann herausfand, dass es tatsächlich dein Foto war, war ich doppelt beeindruckt.« Er wandte sich zu ihr zurück und hob eine Augenbraue an, die unter den Strähnen auf seiner Stirn verschwand. »Du bist ganz offensichtlich gut in dem, was du tust.«

»In was? Mit Kameras spielen?« Doch sie lächelte bei der Frage. Die laue Abendluft hatte auch ihre Stimmung milde werden lassen.

Ein Grinsen zog auf sein Gesicht. »Ich war immer der Überzeugung, man sollte seine Arbeit gern tun. Schließlich spiele ich schon seit Jahren mit Autos.«

»Du kannst es dir auch erlauben zu spielen.« Ihr Ton war kühler geworden, ohne dass sie es bemerkte.

»Du hast mir noch immer nicht vergeben, dass ich reich bin, oder?« Die Amüsiertheit, die sie in seiner Stimme hörte, ließ sie sich albern vorkommen.