Herr Biedermann und die Brandstifter. Rip van Winkle - Max Frisch - E-Book

Herr Biedermann und die Brandstifter. Rip van Winkle E-Book

Max Frisch

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Beschreibung

Das Hörspiel Herr Biedermann und die Brandstifter inszeniert die Geschichte eines Kleinbürgers, der die Brandstifter in sein Haus läßt, um von ihnen – verzweifelte Hoffnung opportunistischer Bonhomie – verschont zu werden. In der verwickelten Konspiration von Spießern und Gangstern wird eine Geisteshaltung entlarvt, die zur Urgeschichte des Totalitären gehört.

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Max Frisch

Herr Biedermann und die Brandstifter Rip van Winkle

Zwei Hörspiele

Suhrkamp

Inhalt

Herr Biedermann und die Brandstifter

Hörspiel

Rip van Winkle

Hörspiel

Anmerkungen

Herr Biedermann und die BrandstifterHörspiel

(1952)

Personen: Verfasser • Biedermann • Frau Biedermann • Schmitz Eisenring • Anna

VERFASSER Liebe Hörerinnen und Hörer! Herr Biedermann, der Held unsrer unwahrscheinlichen Geschichte, wartet bereits im Nebenraum, ich sehe ihn hier durch die große Scheibe, aber er kann mich nicht hören… Sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer, kennen Herrn Biedermann, wenn auch vielleicht unter anderen Namen. Was ihn außer einem freundlichen Verzicht auf besondere Merkmale auszeichnet, ist eine rosige Gesundheit, die ihn dazu bestimmt, stets und nach jeder Katastrophe zu den Überlebenden zu gehören. Seine Art, sich zu kleiden, erinnert mich an die Puppen in den Schaufenstern, korrekt vom Scheitel bis zur Sohle. Außer den rosigen Backen, die es übrigens schwer machen, sein Alter zu schätzen, trägt Herr Biedermann eine weithin sichtbare, in der üblichen Blässe spiegelnde Glatze, was er weiß; doch möchte Herr Biedermann nicht, daß man seine Glatze öffentlich erwähnt. Das hängt mit seinem Geschäft zusammen. Nämlich Herr Biedermann handelt, wie Sie hören werden, mit Haarwasser. Wahrscheinlich wird Herr Biedermann, sobald ich ihn vor dieses Mikro bitte, Ihnen seine Unschuld versichern. Ich möchte aber Ihrem persönlichen Urteil über Herrn Biedermann in keiner Weise vorgreifen, sondern (solange wir unter vier Augen sind) nur noch beifügen: Ich habe mit bewußter Absicht eine erfundene Katastrophe gewählt, nämlich den Brand von Seldwyla, um in den geschätzten Hörern keinerlei Erschütterung auszulösen, keinerlei persönliche Leidenschaft, die uns nur das Vergnügen einer gelassenen und sachlichen Betrachtung verdirbt, das Vergnügen zu erkennen, daß es auch Katastrophen gibt, die nicht hätten stattfinden müssen.

Er klopft an die Scheibe

Herr Biedermann?!

Er tritt zum Mikrophon zurück

Er kommt sogleich. – Seldwyla, das Sie vermutlich aus der Literatur kennen, dürfen Sie sich natürlich nicht vorstellen, wie Gottfried Keller es geschildert hat. Seldwyla ist eine heutige Stadt geworden mit allem, was dazu gehört: mit Kinos, Trolleybus, Stadion, Verkehrspolizei, Kanalisation, Theater-Festspielen, Mangel an Parkplätzen usw.

Biedermann tritt in den Senderaum

VERFASSER Herr Biedermann! Ich habe die Ehre, Herr Biedermann, mich Ihnen vorzustellen: Ich bin Ihr Verfasser –

BIEDERMANN Guten Abend.

VERFASSER Vorderhand wissen unsere Hörer nur, daß es sich um den Brand von Seldwyla handelt, noch habe ich nicht gesagt, daß Sie, Gottlieb Biedermann, die Persönlichkeit sind, die unsere Katastrophe ermöglicht hat.

BIEDERMANN Mein Herr, ich bitte Sie –!

VERFASSER Ich sage keineswegs, Herr Biedermann, daß Sie die Katastrophe verschuldet haben. Keineswegs! Ich sage nur, Sie haben sie (wenn ich so sagen darf) ermöglicht.

BIEDERMANN Was will man von mir?

VERFASSER Wir möchten Sie kennenlernen, Herr Biedermann.

BIEDERMANN Warum?

VERFASSER Sie sind ein wichtiger Zeitgenosse, Herr Biedermann, weil ohne Sie, glaube ich, die Weltgeschichte zuweilen ganz anders verlaufen würde.

BIEDERMANN Ich bin unschuldig.

VERFASSER Sicher, Herr Biedermann, sicher.

BIEDERMANN Also.

VERFASSER Sie sind völlig frei, Herr Biedermann, zu sagen, was Sie denken.

BIEDERMANN Ich lasse mich nicht zur Verantwortung ziehen – –

VERFASSER Wer will das denn? Sie irren sich, Herr Biedermann, kein Überlebender zieht Sie zur Verantwortung, und die Toten sind tot. Wir sind bereit, nicht bloß den Urhebern unsrer Katastrophe eine volle Amnestie zu gewähren, sondern sogar uns selbst, indem wir alle historischen Katastrophen, die gewesenen wie die kommenden, als ein schlichtes Schicksal betrachten, als unvermeidlich. Was wollen Sie mehr, Herr Biedermann? Eben dazu stehen wir ja vor diesem Mikro, um unsern Hörer dahin zu bringen, daß er Sie, Gottlieb Biedermann, versteht und achtet. Wie sollen wir ein neues Seldwyla erbauen ohne Sie? Noch an jenem letzten Abend vor dem großen Brand, Sie erinnern sich, noch bei jenem gemütlichen Gans-Essen, wie Sie den beiden Brandstiftern das freundschaftliche Du antragen und ihnen endlich sogar die Streichhölzer schenken, soll unser Hörer einfach das Gefühl haben: Ein guter und anständiger Mensch, dieser Biedermann, eine Seele von Mensch. Also das Gefühl: Hand aufs Herz, so hätte auch ich gehandelt! Nur dann werden wir finden, Herr Biedermann ist unschuldig; er tut ja nur, was wir alle tun. Und nur dann, wenn von Verantwortung nicht die Rede sein kann, sind wir bereit, zu vergessen, wie es zu dieser Katastrophe (in Seldwyla) gekommen ist – und bereit für die nächste.

Ein Gong ertönt

VERFASSER Herr Biedermann sitzt vor seinem Kamin und liest die Zeitung, die von neuen Brandstiftereien melden; er raucht seine feierabendliche Zigarre, Bajanos, und Anna, das Dienstmädchen, tritt ein, um zu stören.

Szene I

ANNA Herr Biedermann?

BIEDERMANN Was denn schon wieder?

ANNA Da ist jemand, der Sie sprechen möchte.

BIEDERMANN Um diese Zeit?

ANNA Ich habe ihm schon gesagt, er soll morgen ins Geschäft kommen. Aber das nütze ihm nichts, sagt er, er brauche kein Haarwasser.

BIEDERMANN Was denn?

ANNA Er fragt mich, ob Sie an Gott glauben.

BIEDERMANN Sie sehen doch, Anna, daß ich das Abendblatt lese –

ANNA Es sei dringend, sagt er.

BIEDERMANN Wenn er ein Traktat verkauft, Herrgott im Himmel, dann kaufen Sie eins, ich habe nichts gegen Jesus Christus, das wissen Sie doch, Anna, aber ich möchte nicht immer gestört sein –

ANNA Ich weiß, Herr Biedermann.

BIEDERMANN Ich bin nicht zu Hause.

ANNA Sie dürfen es mir nicht verargen, Herr Biedermann, ich bin ja so erschrocken, wie ich mit dem Wein aus dem Keller komme, und plötzlich steht da dieser Kerl mitten im Flur. Mich hat fast der Schlag getroffen. Ich wagte halt nicht zu sagen: Herr Biedermann ist nicht zu Hause.

BIEDERMANN Was will er denn eigentlich?

ANNA Er suche nicht den Haarwasser-Biedermann, sagt er, sondern den Menschen-Biedermann.

BIEDERMANN Hm.

ANNA Er kenne Sie, sagt er.

Biedermann entkorkt die Flasche

ANNA Es tut mir wirklich leid, Herr Biedermann, aber ich kann doch diesen Menschen nicht einfach vor die Tür stellen.

BIEDERMANN Wieso nicht?

ANNA Er ist sehr groß, Herr Biedermann, und sehr kräftig. Sie werden schon sehen –

Das Telefon klingelt

BIEDERMANN Sagen Sie ihm, er soll im Flur draußen warten.

Anna geht hinaus, Biedermann nimmt das Telefon ab

BIEDERMANN Biedermann. / Ich weiß, Herr Knechtling. / Wie bitte? Sie haben meinen Brief erhalten, Herr Knechtling, was gibt es darüber noch zu reden? Ich habe Ihnen gekündigt, was mein gutes Recht ist. / Daß Sie eine Frau und drei Kinder haben, Herr Knechtling, das ist ja wohl Ihre Sache. Was sagen Sie? / Unrecht. Ich? / Weil ich mir diesen Ton nicht gefallen lasse, Herr, ein für allemal: Ich begehe kein Unrecht! / Bitte sehr –.

Biedermann hängt auf

BIEDERMANN Ich habe dem Mädchen gesagt, Sie sollen im Flur draußen warten!

DER FREMDE Ach so!

BIEDERMANN Wieso kommen Sie einfach herein?

DER FREMDE Entschuldigung, Herr Biedermann –

BIEDERMANN Ohne zu klopfen!

DER FREMDE Mein Name ist Schmitz.

BIEDERMANN Sehr erfreut – aber –

SCHMITZ Entschuldigung, Herr Biedermann, ich kann nicht dazu, daß ich so groß bin. Die Herrschaften erschrecken immer, wenn ich so zum erstenmal in ihrer Stube stehe. Ich bin halt so gewachsen.

BIEDERMANN Jaja, ich sehe –

SCHMITZ Sie brauchen keine Angst zu haben, Herr Biedermann, ich bin nämlich kein Landstreicher oder so. Ich bin Ringer von Beruf.

BIEDERMANN Ringer?

SCHMITZ Gewesen.

BIEDERMANN Und jetzt?

SCHMITZ Ich suche keine Arbeit bei Ihnen, Herr Biedermann. Nur weil es draußen regnet, ich dachte, und wenn man kein Geld hat– nämlich ich bin zum erstenmal in Seldwyla. So sauber wo man steht und geht, keine Spur von Unrat, das gibt es kein zweites Mal in der Welt, eine Stadt wie dieses Seldwyla – Ehrenwort!

BIEDERMANN Jaja, schon…

SCHMITZ Mit dem Zirkus, wissen Sie, bin ich viel in dieser Welt herumgekommen. Eine unmenschliche Welt, Herr Biedermann! Daß Sie unsereinen überhaupt anhören, und nicht einfach am Kragen packen, um unsereinen vor die Tür zu stellen, sehen Sie, das ist es, Herr Biedermann, was unsereiner sucht: Menschlichkeit!

BIEDERMANN Jaja, natürlich…

SCHMITZ Nämlich ich habe es auch schon anders getroffen! Kaum tritt unsereiner über die Schwelle, ein Kerl ohne Krawatte: Bitte sehr! Schon rufen sie hinterrücks die Polizei, als wäre man ein Brandstifter! Ich könnte Ihnen ja Geschichten erzählen. Die alten Weiblein zum Beispiel! So verlottert und durchnäßt, denken sie, das kann nur der liebe Gott persönlich sein, und schon zittern sie ihre Sparbüchsen auf den Tisch, was mir nicht recht ist, sehen Sie; aber ich sage mir: wozu soll man ihren Glauben enttäuschen? Es gibt schon genug Unglauben in dieser Welt –

BIEDERMANN Sicher –

SCHMITZ Genug Mißtrauen!…

BIEDERMANN Kurz und gut, mein Herr, was wollen Sie?

SCHMITZ Mein Name ist Schmitz.

BIEDERMANN Sie sagten es, ja, sehr erfreut. – Wollen Sie ein Stück Brot?

SCHMITZ Wenn Sie nichts anderes haben –

BIEDERMANN Oder ein Glas Wein?

SCHMITZ Warum nicht.

BIEDERMANN Anna!

SCHMITZ Aber nur wenn ich nicht störe, Herr Biedermann. Ich möchte nicht aufdringlich sein –

Anna kommt herein

ANNA Herr Biedermann!

BIEDERMANN Bringen Sie noch ein Glas, Anna.

ANNA Ein Glas –?

SCHMITZ Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, Fräulein: ein Stück Brot. Oder was Sie gerade haben. Etwas Butter, etwas kaltes Fleisch oder so, ein paar Gurken. Nur keine Umstände! Was Sie gerade haben.

ANNA Sehr wohl.

Anna geht hinaus

SCHMITZ Nämlich ich habe Hunger.

BIEDERMANN Setzen Sie sich.

SCHMITZ Wovon haben wir gesprochen?

BIEDERMANN Von dem Mißtrauen heutzutage. Mich wundert es ja nicht, offen gesprochen. Keine Zeitung kann man lesen – heute schon wieder: eine halbe Stadt in Flammen. Bitte! Nichts als Brandstifterei. Bitte! Sehen Sie sich bloß diese Bilder wieder an – –!

SCHMITZ Hat Seldwyla denn eine gute Feuerwehr?

BIEDERMANN Das will ich hoffen, mein Herr.

SCHMITZ Mit roten Autos und Sirenen, daß einem das Mark gefriert, alles aus Messing, wie es sich gehört, blitz und blank, ich verstehe, eine kostspielige Sache, aber es muß ja sein – heutzutage… Kein Glaube an Gott, das ist es.

BIEDERMANN Nehmen Sie doch Platz!

SCHMITZ Danke bestens.

Sie setzen sich, Biedermann füllt die Gläser

SCHMITZ Glauben Sie an Gott?

BIEDERMANN Warum?

SCHMITZ Haben Sie keine Sorge, Herr Biedermann, ich bitte Sie nicht um ein Bett. Ich schlafe nie in einem Bett. Kommt nicht in Frage. Ein Unterschlupf auf dem Boden, sehen Sie, das genügt mir vollständig.

BIEDERMANN Prost!

SCHMITZ Prost!

Schmitz läßt hören, wie sehr der Wein ihm mundet

BIEDERMANN Beaujolais.

SCHMITZ Und dazu so ein Feuer im Kamin, nicht übel! Da kann ich stundenlang zusehen, wenn es so knistert und um die Scheiter züngelt. Was gibt es gemütlicheres! Und wie dann das Ganze plötzlich zusammenrutscht, tsch, wie die Funken sprühen…

BIEDERMANN Der Beaujolais dürfte noch etwas wärmer sein.

SCHMITZ Nämlich mein Vater ist Köhler gewesen, müssen Sie wissen. Drum mag ich das Feuer so – Kindheitserinnerungenkann mich nicht sattsehen an so einem Feuer.

BIEDERMANN Glauben Sie an Gott?

SCHMITZ Ich?

BIEDERMANN Ja.

SCHMITZ Wenn Sie es mir nicht krumm nehmen, Herr Biedermann: – ich habe Mühe.

BIEDERMANN Wieso?

SCHMITZ Nun ja – ich weiß nicht… Die Sintflut, zum Beispiel, wie lange so etwas auf sich warten läßt, langsam macht es einen schon unsicher. Weltkriege sind ja auch kein Trost, finde ich. Wenn man sich so die Überlebenden anschaut! Eine ganze Arbeit, finde ich, so die Arbeit von einem Herrgott ist es nicht – oder finden Sie?

BIEDERMANN Ich muß schon sagen –

SCHMITZ Sie lachen!

BIEDERMANN Sie haben schon eine Art, mein Herr, sich auszudrücken –

SCHMITZ Nichts für ungut, Herr Biedermann. Meinetwegen müssen Sie nicht an Gott glauben. Ich fragte nur so. Die meisten Leute glauben heutzutage an die Feuerwehr.

Anna kommt zurück

SCHMITZ Ah!

ANNA Kaltes Fleisch haben wir leider keins.

SCHMITZ Das genügt, Fräulein, das genügt. Wurst und Käse! – bloß den Senf haben Sie vergessen.

ANNA Verzeihung.

SCHMITZ Aber nur wenn Sie haben, Fräulein –.

Anna geht wieder

BIEDERMANN Sie kennen mich, sagten Sie?

SCHMITZ Sozusagen.

BIEDERMANN Woher?

SCHMITZ Von Ihrer besten Seite, Herr Biedermann, nur von Ihrer besten Seite. Gestern abend an Ihrem gemütlichen Stammtisch. Sie haben mich nicht bemerkt, ich weiß, Sie haben sich so ereifert. Mit Recht! Eine unmenschliche Welt, das kann man wohl sagen. Aufhängen, sagten Sie, sollte man alle diese Brandstifter! Sie sind ein Mensch, der das Unrecht in der Welt nicht leiden kann, das habe ich schon gemerkt, Herr Biedermann. Sie haben noch Ideale. Die ganze Wirtschaft hat Ihnen zugehört, Herr Biedermann, und genickt, jedesmal wenn Sie in Ihrer Ecke drüben sagten: Freiheit! Oder: Aufhängen sollte man sie! – da habe ich mir im stillen gedacht: Menschen wie Sie, das ist es, was wir brauchen.

BIEDERMANN Jaja, gewiß, aber –

SCHMITZ Kein Aber, Herr Biedermann, Sie haben Ideale. Sie glauben noch an das Gute in sich selbst – nicht wahr?

BIEDERMANN Schon –

SCHMITZ Sonst würden Sie mich nicht bewirten mit Brot und Wein, Herr Biedermann, sogar mit Butter und Gurken und Käse! Gurken sind doch meine Leibspeise!

BIEDERMANN Dann lassen Sie es sich schmecken.

SCHMITZ Sie wissen halt noch, was Gerechtigkeit ist. Ich habe mich nicht getäuscht, Herr Biedermann. Sie sind noch ein Mensch, der sich ein Gewissen leistet…

Das Telefon klingelt

BIEDERMANN Sie entschuldigen.

SCHMITZ Aber bitte.

Biedermann am Telefon

BIEDERMANN Biedermann. / Meine Frau ist nicht zu Hause, nein. Wer ist denn am Apparat? / Wenn Sie schluchzen, Frau Knechtling, verstehe ich kein Wort. / Darauf kann ich Ihnen nicht antworten, Frau Knechtling, ich habe hier einen Gast, den ich nicht mit geschäftlichen Gesprächen belästigen möchte.

SCHMITZ Soll ich…

BIEDERMANN Nein, bleiben Sie ruhig. / Das habe ich zu meinem Gast gesagt. Daß Sie nicht ruhig bleiben, Frau Knechtling, verstehe ich, wenn Ihr Mann vom Gashahn redet, ich verstehe Sie vollkommen, Frau Knechtling. / Wozu wollen Sie denn mit meiner Frau sprechen? / Weil meine Frau in den Ferien ist, ganz einfach. / Mindestens bis Mittwoch. / Bitte sehr, Frau Knechtling, bitte sehr.

BIEDERMANN Wovon sprachen wir?

SCHMITZ Vom Dachboden, glaube ich.

BIEDERMANN Sie nehmen noch ein Glas?

SCHMITZ Ich dachte nur, es macht am wenigsten Umstände, wenn ich droben im Estrich schlafe. Aber ich will mich ja nicht aufdrängen, Herr Biedermann, ich will Ihre Güte nicht mißbrauchen. Ich dachte bloß, weil es draußen so in Strömen regnet –.

Biedermann, ohne darauf einzugehen, füllt die Gläser

BIEDERMANN Ihr Vater, sagen Sie, ist Köhler gewesen?

SCHMITZ Ja.

BIEDERMANN Eine harte Kindheit, denke ich, so eine Kindheit in den Wäldern.

SCHMITZ Kann man wohl sagen.

BIEDERMANN Jetzt ist der Beaujolais richtig. Anna kommt herein

SCHMITZ Ah, der Senf. Danke sehr, Fräulein.

ANNA Bitte sehr.

Anna geht wieder

SCHMITZ Tja, Herr Biedermann, wenn ich so an meine Kindheit denke…

Ansage 2

VERFASSER Hier, liebe Hörer, überspringen wir ein Stück. Eine Kindheit in den Wäldern, die harte Jugend eines Köhlerbuben, der ein Ringer wird und mit dem Zirkus durch die halbe Welt und endlich nach Seldwyla kommt, es wäre die einzige poetische Stelle unserer Sendung, aber erstens dauert diese Geschichte allein eine Stunde und zweitens ist sie, was nur Herr Biedermann nicht merkt, nichts als ein schmitziger Schwindel– Sie hören die beiden Herren, nachdem sie eine zweite Flasche geleert haben, droben auf dem Dachboden, wo sie einander Gutenacht flüstern; leise, damit Anna nicht erwache.

Szene 2

Alles wird geflüstert

BIEDERMANN Das wäre alles, glaube ich.

SCHMITZ Sie wollten mich noch etwas fragen?

BIEDERMANN Hoffentlich haben Sie nicht kalt!

SCHMITZ Keine Sorge.

BIEDERMANN Irgendwo gibt es noch ein Ziegenfell, glaube ich, sogar ein altes Sofa. Sie nehmen sich einfach, was sie brauchen.

SCHMITZ Keine Sorge.

BIEDERMANN