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Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Menschheit die alten Geschichten und Mythen längst vergessen hat. Dunkle Gestalten, die in der Nacht auf ihre unschuldigen Opfer lauern, gibt es nur noch in einigen sehr alten Büchern, von deren Existenz nur wenige Eingeweihte wissen oder in schemenhaften verklärten Geschichten, um die unwissende Menschheit zu unterhalten. Tatsächlich leben diese finsteren Gesellen mitten unter uns. Und sie planen seit Langem ihre Rache an denen, die sie einst gejagt und beinahe vernichtet hätten. Zu diesen wenigen Personen, welche die Wahrheit kennen, gehört auch die letzte lebende Nachfahrin eines Geschlechts, dem es immer wieder gelungen war die dunklen Geheimnisse, die auf unserer Welt existierten, zu bewahren. Ihr Name… Monique Isabelle Jennifer van Helsing.
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Seitenzahl: 735
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Kevin Rombold
Herrin der Finsternis
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
1. Teil – Die Suche
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
2. Teil - Die Kriegerinnen des Lichts
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
3. Teil - Entscheidungen
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92
Kapitel 93
Kapitel 94
Kapitel 95
Kapitel 96
Kapitel 97
Kapitel 98
Kapitel 99
Kapitel 100
Epilog
Danksagungen:
Impressum neobooks
Schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten die van Helsings es sich zur Aufgabe gemacht, die Kämpfer der Dunkelheit zu vertreiben und zu verhindern, dass die Menschen von ihrer Existenz erfuhren, Denn die Menschheit war noch nicht bereit für die Wahrheit. Viele blutige Schlachten wurden ausgetragen zwischen den Fürsten der Finsternis und den Rittern des Lichts, eine Organisation, die Adam van Helsing einst ins Leben gerufen hatte. Dieser Organisation war es gelungen die Bedrohung durch Vampire endgültig einzudämmen und schließlich gelang es Abraham van Helsing den wahren Fürsten der Finsternis zu stellen. Den einen und ersten Vampir.
Nach einer jahrelangen Verfolgung, die ihn schließlich bis nach Rumänien ins tiefste Transsilvanien führte, konnte er endlich Graf Dracula stellen.
Graf Vladimir Dracul war der Name, den er im 15. Jahrhundert getragen hatte. Aber auch Vlad der Pfähler war einer seiner unzähligen Namen, da er seine besiegten Gegner zu Köpfen und deren Schädel auf Pfählen entlang dem Schlachtfeld aufzuspießen pflegte. Der erste aller Vampire wie ihn die Menschheit später kennenlernen sollte.
Damals war es Abraham van Helsing gelungen Dracula zu töten. Das Oberhaupt der Vampire war fort und lange hörte man nichts mehr von ihnen. Schrecken wurde zu Legende und die Legende wurde schließlich zum Mythos, bis die Erinnerung der Menschen an Vampire völlig verblasste und eher zu einem Schatten seiner selbst wurde, pervertiert durch Kleingeister und Filmemacher.
Fast hundert Jahre lang hatten wir geglaubt die Bedrohung der Untoten endgültig gestoppt zu haben, doch im Jahre des Herrn 2025 sollten wir erfahren, dass wir uns geirrt hatten.
Es lag nun schon beinahe ein Jahrhundert zurück. Damals hatte Mina gerade erst ihre wahre Bestimmung erkannt. Es war eine unglaubliche Erfahrung gewesen. Dem Tode hatte sie so nahe gestanden und hatte doch nicht weiter davon entfernt sein können. Der Kuss ihres Meisters hatte sie in die Welt der Schatten geholt und dafür war sie ihm mehr als dankbar. Sie erinnerte sich nur noch blass an ihr Leben vor der Dunkelheit. Doch das, woran sie sich erinnern konnte ließ Übelkeit in ihr entstehen. Sie konnte es kaum fassen, dass sie einst so nett und naiv gewesen sein sollte. Ein Zuckerpüppchen, welches zu allem brav ja und amen gesagt hatte. Sie war so abscheulich menschlich gewesen. Doch ihr Meister hatte sie davor gerettet. Sie hatte ihn verehrt. Doch dann war dieser abscheuliche Doktor, Abraham van Helsing war sein Name gewesen, aufgetaucht und hatte ihren Meister hinterhältig und feige getötet. Mina war damals noch jung und unerfahren gewesen. Ihre Kräfte waren noch nicht vollständig entwickelt gewesen, außerdem hätte sie van Helsing ebenso ins Nichts befördert wie ihren Meister. Seit diesem Tag schürte Mina einen unglaublichen Hass gegen die van Helsings. Innerhalb von zwei Jahrhunderten war es ihnen gelungen die Vampire nahezu auszurotten. Nur wenige hatten dieses Massaker überlebt und sich in fast unbewohnte und unzugängliche Orte zurückgezogen. Viele sind in dieser Zeit verhungert. Andere hatten gelernt unerkannt unter den Menschen zu leben. Denn im Gegensatz zu den Geschichten, die sich einige Autoren der Menschen ausgedacht hatten, waren Vampire keineswegs so Lichtempfindlich, dass sie in der Sonne zu Staub zerfielen. Auch die Kreuze der Kirche waren kein Schutz. Selbst die Geschichten mit dem fehlenden Spiegelbild waren nur den Köpfen einiger Schriftsteller entsprungen. All diese Gerüchte wurden von der Kirche in die Welt gesetzt, um die Menschen zum Glauben zu bewegen. Doch dieser van Helsing hatte die einzige Methode entdeckt, mit der Vampire geschwächt werden konnten. Es waren nicht die Kreuze an sich, was die Vampire verachteten und fürchteten. Es war die Tatsache, dass die Kreuze des Mittelalters aus Silber hergestellt wurden. Die Haut der Vampire reagierte auf Silber sehr stark. Van Helsing hatte dies irgendwie herausgefunden. Er fertigte spezielle Pfeile und Gewehrkugeln, die einen Silbermantel hatten. Selbst wenn er das Herz eines Vampirs verfehlte, so konnte er ihn doch zumindest so schwächen, dass er keine Chance mehr hatte zu fliehen. Nur mit Hilfe dieses Wissens war es ihm gelungen ihren Meister zu enttarnen. Es war ihm beim Händeschütteln aufgefallen, da er immer einen Ring aus Silber trug, und ebendieser Ring eine Spur auf der Hand ihres Meisters hinterlassen hatte. Mina war zu dieser Zeit gerade aus Mitteleuropa unterwegs zurück nach Rumänien. Ihrem Meister hatte es in Europa immer besonders gut gefallen. Daher hatte sie beschlossen selbst eine Reise zu machen. Als sie das Schloss schließlich erreichte, sah sie, dass jemand Fremdes anwesend war. Sie beschloss vorsichtig zu sein und betrat einen der Geheimgänge, die in das finstere Gemäuer führten. Aus einem der Schlafzimmer hörte sie schließlich ein Gespräch. Sie lauschte vorsichtig.
„Ich weiß wer sie sind, Graf. Und ich werde ihrem Treiben ein Ende machen.“ Kurz darauf hörte sie den Schrei ihres Meisters. Van Helsing hatte ihn getötet. Mina hatte großes Glück gehabt, dass sie nicht entdeckt wurde. So war es ihr gelungen Rumänien zu verlassen und sich einen anderen Unterschlupf zu suchen. In dieser Nacht hatte sie sich geschworen eines Tages an van Helsing Rache zu nehmen. Und wenn schon nicht an ihm selbst, dann an einem seiner Nachkommen. Und sie würde es genießen ihm jeden Tropfen seines feigen Blutes aus dem Körper zu saugen.
Monique wusste nicht mehr weiter. Wie sollte sie ihre Aufgabe erfüllen? Wie sollte sie in dem Gedränge der Straßen Tokios jemals die eine Person finden, die sie suchte? Sie blickte aus dem Fenster des Flugzeugs. Dunkle Wolken waren herangezogen und es begann zu regnen. In diesem Moment erinnerte sich Monique daran, welche Ereignisse vor neun Jahren dazu geführt hatten, dass sie nun hier war, auf einer fast hoffnungslosen Suche nach jemandem, den es vielleicht gar nicht gab. Sie seufzte, als die Erinnerungen sich vor ihrem geistigen Auge abspielten. Damals war es ihr noch wie ein Traum erschienen.
Es war im Jahr 2016. Monique war gerade erst siebzehn als es passierte. Es war an einem grauen Regentag. Monique stöberte auf dem Dachboden ihres Onkels Abraham van Helsing. Es war jedes Mal so aufregend und etwas anderes konnte sie an so einem Tag ohnehin nicht machen. Außerdem fühlte sie sich hier oben ohnehin am wohlsten. Hier konnte sie die Vergangenheit beinahe hautnah erleben. Relikte aus vielen Epochen der Familiengeschichte warteten nur darauf von ihr wieder entdeckt zu werden. Vor allem interessierten sie die Tagebücher ihres Ur-Ur-Großvaters. Es war beinahe ein Wunder, dass die Familie im Besitz solcher Relikte war. Monique liebte es in diesen Büchern zu lesen. Sie gaben ihr eine ungefähre Vorstellung von dem, was damals wirklich geschehen war. Ihr Onkel musste nicht die geringste Ahnung davon haben, welche Schätze hier oben verborgen waren. Andernfalls hätte er ihr bestimmt nicht erlaubt hier oben herumzustöbern. Dieses Haus war schon seit Generationen im Besitz der Helsings und der Dachboden hatte sich im Laufe der Jahre immer mehr gefüllt. Für einen Historiker müsste dies das Paradies sein.
Seit dem Tod ihrer Eltern, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, lebte Monique bei ihrem Onkel in London. Er sorgte gut für sie und Monique hatte eine schöne Kindheit. Vor etwa einem Jahr hatte sie zum ersten Mal den Dachboden betreten. Nun suchte sie ihn so oft auf, wie sie konnte. Auch ihre Freunde hatten sie schon oft hier her begleitet, doch ihnen war der Dachboden stets unheimlich gewesen. Monique hingegen wurde immer wieder von diesem Ort angezogen. Es war fast so, als würde sie etwas rufen. Doch sie wusste, dass das natürlich nicht sein konnte.
An diesem Tag jedoch sollte sich Einiges ändern. An diesem Tag fiel Monique etwas auf, was sie bisher noch nicht gesehen hatte. Eine uralte hölzerne Truhe stand mitten auf dem Dachboden zwischen dem Gerümpel und dem alten Schreibtisch, auf dem die Tagebücher des Vampirjägers Abraham van Helsing lagen. Es war kein Zufall, dass ihr Onkel denselben Namen trug. Der Name Abraham wurde von Generation zu Generation an den ältesten Sohn weitergegeben. Langsam näherte sich Monique der unbekannten Truhe. Sie war nicht verschlossen, doch es hing ein altes verrostetes Schloss am Scharnier. Sie löste das Schloss ganz und begann die Truhe zu öffnen. Ein Luftzug strich ihr übers Gesicht, als sie den Deckel der Truhe quietschend aufschwang. Doch was sie dann sah ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Zunächst starrte sie auf ein leeres vergilbtes Pergament. Doch aus einem unerfindlichen Grund konnte sie den Blick nicht mehr abwenden. Nach wenigen Sekunden, die Monique wie eine Ewigkeit vorkamen, begann das Pergament zu leuchten. Für einen Moment sah Monique ihr eigenes Gesicht wie in einem Spiegel. Als das Bild verblasste erschienen rote Schriftzeichen. Monique erschrak und wich einige Schritte zurück. Was war das nur gewesen? Eigentlich wollte sie es im Moment gar nicht wissen. Beinahe wäre sie rückwärts die Dachbodenluke hinuntergestürzt. So schnell sie konnte rannte sie die Holztreppe hinunter in den dritten Stock des Familienanwesens. Doch damit fühlte sie sich noch nicht in Sicherheit. „Abraham! Onkel!“, rief sie und beeilte sich so schnell wie möglich ins Erdgeschoss zu gelangen. Doch auf der Treppe zum zweiten Stock rannte sie ihrem Onkel direkt in die Arme. Monique war verängstig und den Tränen nahe. Die warmen Hände und die Nähe ihres Onkels spendete ihr Trost.
Ihr Onkel sah sie besorgt an. „Kleines, was ist denn passiert?“, fragte er und seine Augen hatten einen beruhigenden Einfluss auf sie. Monique versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch es fiel ihr immer noch schwer. „Auf…dem Dachboden…Pergament…leer, dann rote Schrift…leuchten.“ Mehr brachte Monique zwischen ihrem Schluchzen nicht hervor. Erneut brach sie in Tränen aus und krallte ihre Finger tiefer in den Pullover ihres Onkels. Abraham strich ihr sorgsam durchs Haar und sprach leise auf sie ein. „Beruhige dich Monique. Ich werde mal nachsehen, was los ist.“ Moniques Griff wurde fester. „Nein, geh nicht da rauf! Lass mich nicht allein.“ Doch Abraham drückte sie sanft von sich und blickte ihr tief in die Augen. „Ich bin gleich wieder da. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Doch Monique hielt ihn noch immer fest. Sie wollte nicht alleine sein. Sie hatte Angst. Ein freundliches Lächeln erschien auf dem Gesicht ihres Onkels. „Ich weiß, dass du ein tapferes Mädchen bist. Und tapfere Mädchen haben keine Angst.“ Monique hasste es, wenn ihr Onkel das tat. Er wusste, dass er mit diesen Worten einen wunden Punkt in ihr traf. Sie konnte nicht anders, lockerte ihren Griff und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Versprich aber, dass du gleich wieder da bist.“ Erneut lächelte ihr Onkel ihr aufmunternd zu. „Ich verspreche es.“ Damit ließ er Monique auf dem Gang stehen und stieg die knarrenden Stufen zum Dachboden hinauf. Nervös beobachtete Monique, wie er im dunklen Verschwand.
Es dauerte einige Minuten, bis Abraham wieder erschien. Monique war es vorgekommen, als wäre sie Jahre von ihrem Onkel getrennt gewesen. Aber inzwischen hatte sie sich einigermaßen beruhigt. Sie zitterte nur noch ein wenig, hatte aber aufgehört zu schluchzen. Doch etwas an ihrem Onkel hatte sich verändert. Sein Gesichtsausdruck, der noch wenige Minuten zuvor so freundlich und zuversichtlich gewesen war, war nun ernst und alles Weiche war daraus verschwunden. Mit leicht zitternden Händen hielt er das Pergament fest. Ein Pergament mit blutroten Schriftzeichen. Das Pergament, das Monique vor kurzem gesehen hatte. „Abraham, was ist los? Sag es mir.“ Doch er schien sie nicht einmal zu hören. Ohne seinen Blick von dem Pergament zu lösen eilte er die Stufen hinunter und ließ sie einfach auf dem Gang stehen. „Was ist los?“, fragte sie noch einmal. Wieder keine Reaktion. „Sag mir endlich was hier los ist!“ Moniques Stimme war nun fester und ihre Angst war verschwunden. Erst jetzt bemerkte Abraham sie und sah sie verdutzt an. Schließlich wandte er sich wieder um. Monique wollte gerade protestieren, als er ihr im Gehen noch etwas zurief. „Monique, schnapp dir deine Jacke, wir gehen zur Bibliothek!“ Nun stand Monique völlig verdutzt da und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. „SOFORT!“ Abrahams Stimme holte sie aus ihrer Starre und setzte sich in Bewegung.
Noch nie hatte ihr Onkel es so eilig gehabt. Doch Monique wagte es in diesem Moment nicht zu widersprechen. Sie sprang die Stufen hinunter, bis sie in die große Eingangshalle im Erdgeschoss gelangte. Sie packte ihre Jacke und beeilte sich ihren Onkel, der schon am Wagen stand, einzuholen. Was hatte ihn nur so zur Eile gedrängt? Wieso hatte er ihr immer noch nicht gesagt, worum es ging? Auf der Fahrt zur Bibliothek, die etwa zehn Minuten dauerte, sprachen Monique und ihr Onkel kein Wort miteinander. Eine Spannungsgeladene Stimmung herrschte. Sie spürte, dass ihren Onkel etwas beschäftigte, doch sie fragte nicht danach. Monique hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass sie keine Ahnung hatte, was hier eigentlich vor sich ging. Ihr Onkel würde schon seine Gründe haben, warum er sich in Schweigen hüllte. Allerdings ärgerte sie sich immer noch darüber, dass er ihr nichts sagte.
Mauris, ein alter Freund Abrahams, wartete etwas verschlafen vor der Toren der Stadtbücherei. Doch als er einen Blick auf das Pergament warf, schien er auf einmal hellwach zu sein. „Und Mauris, weißt du, was das ist?“, fragte Monique zögerlich. Sie hatte noch nicht aufgegeben und hoffte nun endlich eine Antwort zu erhalten. Mauris schien ihre Anwesenheit erst jetzt zu bemerken. Jedoch ging er nicht auf ihre Frage ein, sondern wandte sich zu Abraham. „Hat etwa die Kleine das Pergament gefunden?“ Abraham nickte ernst. Monique beobachtete, wie sich Mauris Augen weiteten. „Dann ist sie vielleicht…“, begann er ehrfürchtig. Er sah sich nervös um. Darauf schüttelte er heftig den Kopf. „Aber lass uns doch erst hineingehen. Hier draußen sollten wir nicht über diese Dinge sprechen.“ Monique war endgültig sauer. Warum ignorierte sie heute nur jeder? Was war mit diesen Erwachsenen los? Sie folgte den beiden in der Hoffnung etwas aus ihrem Gespräch zu erfahren. Sie wollte endlich herausfinden, was es mit diesem alten Fetzen auf sich hatte. Es war spät am Sonntagabend. Daher konnte die drei in der Bibliothek niemand stören. Mauris hatte das Pergament auf einen der massiven Holztische gelegt, die ein wenig abseits der gefüllten Regale standen. Noch immer sagte niemand ein Wort. Monique konnte diese Spannung nicht mehr ertragen. „Was hat es denn mit dem Pergament nun auf sich?“, platze es laut aus ihr heraus. Endlich sahen ihr Onkel und Mauris sie an. Sie errötete und hob ihre Hände vor den Mund. „Entschuldigung.“, gab sie kleinlaut von sich. Mauris zögerte, so als müsse er erst die richtigen Worte finden. „Was ist passiert, als du das Pergament gefunden hast, Monique?“ Sie dachte nach. „Ich fand das Pergament in einer alten Truhe. Doch zunächst war es leer. Kurz darauf begann es zu leuchten und die roten Schriftzeichen erschienen. Schließlich bin ich davongelaufen und meinem Onkel in die Arme gelaufen.“ Im Nachhinein erschien es Monique unglaublich albern, dass sie sich so gefürchtet hatte. Vermutlich war das Pergament mit unsichtbarer Tinte beschrieben worden und diese ist dann Schließlich nach dem Kontakt mit der Luft wieder erschienen. Doch noch immer wusste sie nicht, was es mit dem Pergament auf sich hatte. Warum nur beantwortete ihr keiner ihre Fragen? „Dann ist es also doch wahr.“, brachte Mauris hervor. „Monique muss es sein. Es besteht gar kein Zweifel.“ „Woran besteht kein Zweifel? Was bin ich? Kann mir endlich mal jemand sagen was hier vor sich geht?“ Moniques Ärger war deutlich wahrnehmbar. Sie wollte endlich Antworten. Abraham sah ihr erneut tief in die Augen, dann wieder zu Mauris. „Sie ist es. Sie muss es sein.“ Mauris nickte und sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Eine lange Pause entstand, bis Monique schließlich wieder das Wort ergriff. Inzwischen verstand sie überhaupt nichts mehr. „Ich warte noch immer auf Antworten. Könntet ihr mal bitte nicht so tun, als wäre ich überhaupt nicht da. Ich will jetzt wissen, was los ist.“ Mauris wandte sich jetzt endlich dem Mädchen zu. „Willst du wirklich wissen, was auf dem Pergament steht? Das, was ich dir jetzt erzähle, könnte dein Leben für immer von Grund auf verändern. Es könnte durchaus sein, dass schon sehr bald harte Zeiten auf dich zukommen könnten. Bist du dir absolut sicher, dass du bereit dafür bist?“ Monique nickte entschlossen. Zudem konnte sie es vor Neugier nicht mehr aushalten. „Also gut, ich werde es dir vorlesen. Pass gut auf, denn ich werde es nicht wiederholen.“
Wenn Blutrot sich die Schrift erhellt,
sich unser aller Schicksal neu einstellt,
wird der Kampf nicht mehr fern sich weilen.
Die Welt in Dunkelheit gehüllt
Vier Krieger des Black Dragon
Sich neu vereinen und erscheinen
um der Welt die Apokalypse zu bringen
Die letzte Hoffnung unser werden ruhen
gegen das Böse,
auf 3 Kämpfer mit elementarischen Kräften
verschollen im Strom der Zeit.
Doch nicht allein sein wird der Feind,
lang vergessene dunkle Wesen werden wieder
erwachen mit altem Groll.
Gegen diese mit vereinter kraft
sich die Welt stellen muss zur höheren macht.
Bestimmt sein wird nur ein Mensch dazu,
das zu finden was verloren, mit Wissen der
Jahrhunderte
Und mit Kraft des Lichtes
Wird neue Hoffnung in die Welt geboren.
Monique stand da, wie vor den Kopf geschlagen. „Das ist doch wohl ein Witz, oder?“ Monique wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte. Ihr Onkel und Mauris blickte sie beide ernst aber auch besorgt an. Monique wusste, dass diese Sache kein Scherz war. Aber was genau sollte diese Botschaft bedeuten? Sollte sie etwa diese drei Kämpfer finden? Aber wie? Es gab mehr als sechs Milliarden Menschen auf der Erde. Wie sollte sie da drei auserwählte Kämpfer finden? Monique war überrascht und verwirrt zugleich. Wieso sollte ausgerechnet sie die Auserwählte sein? Sie war doch gerade erst siebzehn. Wie sollte sie denn die Welt retten? Sie setzte sich an den Tisch und blickte ihren Onkel lange an. „Wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte sie der Verzweiflung nahe. Abraham begann erneut zu lächeln. „Egal, was auch passiert. Ich werde immer an deiner Seite sein und dir helfen, wo ich kann.“ Nun begann auch Monique zu lächeln. Doch noch immer fragte sie sich, wie sich die Zukunft nun entwickeln würde. Würde die Prophezeiung wirklich eintreten? Könnte sie ihre Aufgabe überhaupt erfüllen? Monique sah auf das Pergament, das nur wenige Zentimeter von ihr entfernt lag. Als sich ihre Hand dem Pergament näherte begann es erneut zu leuchten. „Anscheinend reagiert es auf deine Nähe, Monique.“, bemerkte Mauris. „Nimm es mal in die Hand.“ „Was?!“, brachte Monique fassungslos hervor. Abraham nickte zustimmend. Zögernd schloss Monique ihre Finger um das Pergament. Zunächst geschah nichts. Sie fühlte nur das raue Papier zwischen ihren Fingern. Doch schließlich nahm das Glühen weiter zu. Plötzlich begann Monique sich zu verkrampfen. Ihre Finger schlossen sich noch fester um das Pergament. Dann war ihr gesamter Körper von einem gleißenden Licht umgeben. Sie spürte, wie etwas versuchte sich einen Weg in ihr Innerstes zu bahnen. Ein unglaublicher Schmerz peinigte ihren Körper. Doch gleichzeitig war diese Kraft ebenso unglaublich sanft. In ihrem Geist sah sie viele Bilder. Vergangenheit Gegenwart und Zukunft vermischten sich für einen Augenblick und wurden Eins. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Monique schwebte in einem Kosmos aus Wissen und Erinnerungen. Innerhalb weniger Sekunden durchströmte eine unglaubliche Vielfalt von Wissen ihren Körper und manifestierte sich in ihrem Geist. Zugleich fühlte sie eine unglaubliche magische Kraft, die alles durchdrang und ihre Glieder mit wohliger Wärme einhüllte. Dann war es vorbei und Dunkelheit umgab sie.
Als Monique wieder zu sich kam, lag sie in ihrem großen Bett in ihrem eigenen Zimmer des Familienanwesens der Helsings. Das Letzte woran sich Monique deutlich erinnerte, war das gleißende Licht, das sie umhüllt hatte. Doch was danach geschehen war, entzog sich ihrem Wissen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Abraham mit einer Tasse Tee in der Hand erschien und sich zu Monique ans Bett setzte. Er lächelte erleichtert. „Trink. Er wird dir gut tun.“ Der Tee schmeckte scheußlich und Monique verzog angewidert das Gesicht. Doch dann nahm sie einen weiteren kräftigen Schluck. Sie genoss die wohltuende Wärme, die sich in ihrem Hals und in ihrem Bauch ausbreitete und ignorierte den bitteren Geschmack in ihrem Mund so gut sie konnte. „Fühlst du dich besser?“ Monique nickte. Doch sie spürte, dass sich etwas verändert hatte. Sie spürte etwas in ihr, das sie bis zu dem Zeitpunkt, als sie das Pergament berührt hatte, nicht gespürt hatte. „Was ist passiert? Wo ist das Pergament?“ Abrahams Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Nachdem du das Pergament berührt hast, gab es einen hellen Lichtblitz. Als ich wieder einigermaßen gut sehen konnte, war das Pergament verschwunden und du warst ohnmächtig. Allerdings war dein Körper noch einige Minuten von einem seltsamen Leuchten umgeben. Schließlich haben wir dich hier her gebracht.“ Monique begann sich wieder an einige Dinge zu erinnern, die geschehen waren, nachdem sie das Pergament berührt hatte. „Ich habe…Bilder gesehen. Einige könnten Erinnerungen gewesen sein, doch andere sahen aus, als würden sie mir Dinge zeigen, die geschehen werden.“ Ihr Onkel nickte nachdenklich. „Es ist immer nur eine mögliche Zukunft, die du siehst. Dann ist es also wahr. Du hast die Gaben aller Helsings früherer Generationen in dir vereint. Du bist die Auserwählte.“ Diese Worte brannten sich in Moniques Gedächtnis. Diese Worte und das anschließende Gespräch mit ihrem Onkel würden ihr restliches Leben von nun an bestimmen.
Erschöpft von dem langen Flug und durch ihre Erinnerungen in ihrer Hoffnung bestärkt stieg Monique aus dem Flugzeug. Der Flughafen war, wie sie bereits erwartet hatte, hoffnungslos überfüllt. Hunderte von Touristen und Einheimischen tummelten sich auf den Gängen und der Lärm war beinahe unerträglich. Das Unwetter, das den ohnehin schon langen Flug unnötig verlängert hatte, war vorüber und die Luft war schwül, als die Sonne den Regen auf den Straßen wieder verdampfen ließ.
Als sie den Flughafen verließ lag vor ihr die japanische Hauptstadt Tokio. Auf dem Parkplatz wartete bereits eine Limousine auf sie. Der Fahrer winkte Monique zu sich heran. „Hallo junge Frau. Sie müssen Miss van Helsing sein.“ Monique nickte und lächelte dem jungen japanischen Fahrer freundlich zu. Er schien nervös zu sein und sich in seiner Uniform nicht so recht wohl zu fühlen. „Ist dies ihr erster Tag als Fahrer für unsere Organisation?“ Der Mann nickte und seine Anspannung schien zuzunehmen. „Hat man ihnen die Regeln ausgehändigt?“ Wieder nickte der Fahrer und spielte nervös mit seiner Mütze. Seine Haare waren dunkel und kurz geschnitten. Inzwischen wurde Moniques Lächeln noch breiter. „Wie heißen sie?“ Der Fahrer erschrak, so als hätte man ihn bei einem Verbrechen ertappt. „Ich…ich heiße Jake Matsuo.“ Seine Aussprache war beinahe Akzentfrei. „Kommen sie aus Japan?“ Der Fahrer schien sichtlich verwirrt über diese Frage. „Nein. Meine Familie hat bis vor fünf Jahren in New York gelebt. Mein Vater hat eine Stelle bei einer neuen Computerfirma hier in Tokio angenommen.“ „Also Jake. Ich habe Regeln noch nie besonders gemocht. Am besten nehmen sie das Regelbuch und kicken es sofort in die nächste Tonne. Seien sie einfach sie selbst.“
Die Anspannung des jungen Mannes schien wie verflogen. Jake lächelte erfreut. „Steigen sie ein Miss.“ Monique ging an der geöffneten Tür vorbei, die Jake ihr offen hielt. „Ich sitze gerne vorne.“ Damit setzte sie sich auf den Beifahrersitz der schwarzen Limousine. Jake lachte. „Hätte ich mir denken können. Sie sind der Boss.“ Er schloss die Hintertür und setzte sich auf den Fahrersitz. „Eine Frage hätte ich noch.“, wandte sich Jake an Monique. „Ja?“ „Kann ich diese alberne Mütze abnehmen?“
Monique streckte ihre Hand aus und nahm Jake die Mütze ab und warf sie auf den Rücksitz. „So sehen sie ohnehin viel besser aus.“ Monique lächelte. „Danke Miss.“ Damit startete Jake den Wagen und fuhr los. „Zum Hioshito Hotel. Nehmen sie die Jokuostraße. Dort ist um diese Zeit am wenigsten Verkehr.“ Jake sah sie verwirrt an. „Waren sie schon öfters in Tokio Miss Helsing?“, fragte er verblüfft. Monique versuchte ein Lachen zu unterdrücken und lächelte stattdessen nur. „Nein. Dies ist meine erste Reise nach Japan.“ Jake war nun deutlich verwirrt. „Woher wussten sie dann…?“ Er brachte den Satz nicht zu Ende. „Sagen wir mal, ich habe mich gut informiert.“ Natürlich war Monique sehr überstürzt aufgebrochen und hatte sich vorher kaum mit ihrem Reiseziel beschäftigt. Manchmal machte es ihr heute noch Angst, dass sie solche Dinge einfach wusste und den Menschen in ihrem Umfeld ging es ebenso. Daher versuchte sie die Wahrheit ein wenig abzuändern, um so niemanden unnötig zu beunruhigen. Seit den Ereignissen vor neun Jahren hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Sie wusste Dinge, von denen bisher noch nie jemand gehört hatte. Zudem konnte sie Ereignisse sehen, bevor sie stattfanden. Diese Gabe hatte es ihr ermöglicht ein Vermögen mit Aktien zu machen. Der Helsing Konzern war einer der bekanntesten Konzerne der Welt geworden und hatte großen Einfluss gewonnen. Doch Monique ging es nicht um das Geschäft. Ein Großteil des Einkommens wurde für die Suche nach den prophezeiten Kämpfern eingesetzt, von denen sie vor neun Jahren zum ersten Mal gehört hatte. Bisher jedoch ohne großen Erfolg. Doch vor zwei Tagen hatte Abraham endlich einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des ersten Kämpfers entdeckt. Er sollte irgendwo in Japan sein, dem Land der aufgehenden Sonne. Monique hatte ihre Kräfte eingesetzt, um die Suche etwas einzugrenzen. Schließlich hatten ihre Fähigkeiten sie nach Tokio geführt. Schon als sie auf dem Flughafen gelandet war hatte sie gespürt, dass sie auf dem richtigen Weg war. Sie fühlte, dass sie hier fündig werden würde. Allerdings wusste sie noch nicht genau, wonach sie genau Ausschau halten sollte.
Die Fahrt zum Hotel hatte nicht lange gedauert. „Wir sind da Miss Helsing. Soll ich auf sie warten?“ Monique schüttelte den Kopf. „Ich werde sie anrufen, wenn ich sie brauche.“ „Wie sie meinen, Miss.“ Monique stieg aus dem Wagen und schloss die Beifahrertür. Als Jake losgefahren war, stieg sie die Stufen zum Haupteingang hinauf. Sie freute sich schon auf ein gemütliches Bett und etwas Erholung nach den unbequemen Sitzen des Flugzeugs. Als sie die Halle betreten hatte, klingelte ihr Handy. Es war ein unaufdringlicher Ton, der keinem sofort aufgefallen wäre. Mit einem sicheren Griff holte sie ihr Handy aus der Halterung an ihrem Gürtel. Sie drückte die Annahmetaste. „Abraham, hast du noch irgendwelche Informationen für mich? Diese Stadt ist ganz schön überfüllt, wenn du mich fragst.“ Am anderen Ende der Leitung hörte sie ein unterdrücktes Lachen. „Wenn ich nur wüsste, wie du das immer nur machst.“ „Was denn?“ „Ist auch egal. Ich habe tatsächlich Neuigkeiten. Anscheinend handelt es sich beim ersten Krieger um einen Schüler.“ „Gut das grenzt die Sache schon erheblich ein. Sonst noch was?“ „Ich habe außerdem herausgefunden, dass dieser Kämpfer die Elemente Erde und Luft beherrscht. Halte nach ungewöhnlichen Anzeichen Ausschau. Und, Kleines, pass auf dich auf. Bye.“ Damit war die Verbindung unterbrochen. Monique musste lachen. Inzwischen war sie 25 Jahre alt, doch ihr Onkel nannte sie noch immer Kleines. Für ihn würde sie wohl immer seine Kleine bleiben. Gut gelaunt steckte sie das Handy zurück in die Halterung und hielt direkt auf den Empfangsschalter zu. Zum Glück befand sich keine Schlange vor dem Schalter. Monique trat an den langen hölzernen Tisch heran und drückte auf die Klingel. Eine junge japanische Frau trat an den Schalter heran. „Herzlich willkommen im Hioshito Hotel. Was kann ich für sie tun?“ „Ich habe ein Zimmer reserviert.“ „Wie ist der Name?“ „Monique van Helsing.“ Die junge Frau schien aufgeregter zu werden. „Oh, wir haben sie bereits erwartet. Ihr Zimmer steht bereit. Hier ist ihre Schlüsselkarte. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“ Schließlich beugte sie sich ein wenig vor und hob ihre linke Hand vor den Mund, damit man nicht sehen konnte, was sie sagte. „Es ist mir eine Ehre sie kennen zu lernen. Ich bewundere sie schon seit Jahren. Ich würde gern so sein wie sie.“, sie schien ein wenig verlegen zu werden. „Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig albern.“ „Nicht doch. Aber sie brauchen mir nicht nachzueifern. Ich weiß, dass sie eine große Zukunft vor sich haben. Sie werden schon bald Erfolg haben.“ „Im Ernst? Glauben sie?“ Monique nickte und lächelte freundlich. „Ich weiß es.“ Damit ließ sie den Empfang hinter sich und suchte nach dem nächsten Fahrstuhl.
Das Zimmer war luxuriös eingerichtet und umfasste etwa die Hälfte der gesamten Etage. Es kostete ein halbes Vermögen. Doch Monique hatte nicht vor sehr lange zu bleiben. Sie musste sich unbedingt auf die Suche machen. Schon seit geraumer Zeit fühlte sie, dass sich etwas zusammenbraute. Es war ein schwaches und sehr schwer zu erfassendes Gefühl, aber Monique war sich sicher, dass ihr die Zeit allmählich davon lief. Rasch schlüpfte sie aus ihren vom Schweiß feuchten Klamotten. Eine Dusche war jetzt genau das Richtige. Mit umgewickeltem Handtuch betrat sie das Bad und stellte die Dusche an. Elegant ließ sie das Handtuch auf einen Hocker gleiten und betrat die geräumige Duschkabine. Das warme Wasser war eine Wohltat für ihre Haut. Der ganze Stress schien zusammen mit dem Wasser im Abfluss zu verschwinden.
Nach einer kleinen Stärkung und in frischen Klamotten verließ Monique das Hotel. Jake wartete bereits vor dem Ausgang. „Sie sehen reizend aus, Miss.“ Doch Monique hatte gerade nicht den Kopf, um sich auf ein solches Gespräch einzulassen. „Fahren sie mich zu den Schulen in Tokio.“ „Zu welcher denn?“ „Zu allen.“ Jake sah sie mit großen Augen an. „Es gibt über dreißig Schulen in Tokio. Es wird Tage dauern, bis wir alle aufgesucht haben.“ „Fahren sie. Ich weiß, was ich tue.“ „Sicher Miss. Wie sie wünschen.“ Damit bog Jake in den fließenden Verkehr ein. Es dauerte nicht lange, bis sie die erste Schule erreicht hatten. Es war eine kleine Grundschule, gegenüber einem Sportplatz. „Darf ich eigentlich fragen, wonach sie genau suchen Miss?“ „Wenn sie es wirklich wissen wollen…ich bin auf der Suche nach der Zukunft.“ Nach diesen Worten schwieg Jake. Er versuchte zu verstehen, was Monique mit ihren Worten meinte. „Fahren sie weiter.“ Damit setzte sich die Limousine wieder in Bewegung. Monique spürte die Gegenwart von etwas Mächtigem. Es musste einer der legendären Kämpfer sein. Doch wo konnte er sich nur aufhalten? Die Emissionen der Kraft schwankten ständig. Monique konnte nicht genau ausmachen, wo sich die Quelle befand. In diesem Moment klingelte wieder ihr Handy. „Ja, Abraham?“ „Hi Monique. Ich habe Neuigkeiten, eine Gute und eine Schlechte.“ Monique seufzte. Sie ahnte schon, worum es sich bei der schlechten Nachricht handelte. „Zuerst die Schlechte.“ „Ok. In Tokio wirst du leider keinen der legendären Kämpfer finden. Es handelte sich um einen Übersetzungsfehler, der wohl schon Hunderte von Jahren zurückliegt. Ich habe mir das Original noch einmal angesehen.“ „Hab ich mir bereits gedacht. Was ist die gute Nachricht?“ „Das Gute daran ist, dass du nicht umsonst nach Tokio gefahren bist. Ich habe den Urtext neu übersetzt und seine wahre Bedeutung herausgefunden. Es war kein Hinweis auf den Aufenthaltsort des Kämpfers, sondern ein Hinweis auf ein Buch, das uns weiterhelfen könnte. Es ist ein sehr altes Buch, etwa aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Es ist ein Buch mit Weissagungen und Legenden. Ein japanischer Mönch hat es einst geschrieben, als er von einer Reise aus dem Westen zurückkam. Dieses Buch ist der Schlüssel. Dort werden wir endlich ein paar Antworten finden.“ Monique musste lächeln. Es war nicht das erste Mal, dass Abraham Fehler an Übersetzungen aufgefallen waren. So hatte er sich seinen unverkennbaren Ruf als pedantischer Nörgler verdient. Jeder Sprachwissenschaftler fürchtete ihn, da sie fürchteten, er würde ihnen ihre Fehler vorhalten. Aber niemand missgönnte ihm seine Leistungen. Ohne ihn wären immer noch viele Texte verfälscht überliefert. Und wenn er sagte, dass dieses Buch wichtig sei, dann glaubte Monique auch daran. „Hast du einen Hinweis auf den Verbleib des Buches?“ „Aber sicher. Der Mönch hatte all seine Schriften in einem alten Tempel im altertümlichen Tokio gelagert. Doch dieser Tempel existiert heute nicht mehr. Im mittelalterlichen Japan, ist er bei einem Brand vernichtet worden.“ „Und was hilft uns das jetzt?“ „Lass mich doch mal ausreden. Viele der Bücher konnten damals vor dem Feuer gerettet werden. Die sichergestellten Bücher wurden in Verwahrung genommen und in die Kaiserliche Bibliothek gebracht.“ „Na wunderbar. Wo wir dann mal wieder bei den Mythen und Sagen wären. Die Kaiserliche Bibliothek hat niemand mehr seit über tausend Jahren gesehen. Keiner weiß, ob sie jemals existiert hat.“ Doch noch bevor sie ihren Vortrag fortsetzen konnte, überkam sie ein neues unklares Gefühl. Ohne Vorwarnung verfinsterte sich der Himmel und Blitze zuckten vom Himmel. Doch etwas war merkwürdig. Die Blitze schienen alle an ein- und demselben Ort einzuschlagen. Dies war ein unverkennbares Zeichen. „Jake folgen sie den Blitzen.“ „WAS?!“, brachte er entsetzt hervor. „Keine Fragen. Tun sie es einfach.“ „Wie sie meinen. Aber ich halte es nicht für sehr klug.“ Damit gab Jake Gas und folgte der Straße in Richtung der Blitze. „Ich muss Schluss machen Abraham. Bis später.“
Das Zentrum der Blitzeinschläge befand sich am anderen Ende der Stadt, etwas Außerhalb der Wohnsiedlungen. Es war eine weite mit Gras bedeckte Ebene, aus der mehrere große Felsen ragten. Im Hintergrund ragten der Fuji-san und das Mikuni-sammyaku Gebirge empor. Doch sonst war nichts zu erkennen. „Warten sie hier. Ich bin gleich wieder da.“ Damit verließ Monique den Wagen. Mit ihrem Blick suchte sie die Gegend nach einem Zeichen ab. Schließlich hatte sie es gefunden. Dicht neben einem Felsen war deutlich eine verbrannte Stelle zu sehen. Hier mussten die Blitze eingeschlagen haben. Vorsichtig näherte sie sich der Stelle. Hier musste sie richtig sein. Die mystischen Schwingungen waren hier am stärksten. Sie musste ganz in der Nähe des gesuchten Buches sein. Doch wo genau war es? Etwa unter einem der Felsen begraben? Doch als sie genau auf der Stelle stand, an welcher der Blitz eingeschlagen hatte, wusste sie, was sie tun musste. Wie immer spürte sie den Strom des Wissens in sich. Es war eine unerschöpfliche Quelle der Weisheit. Sie starrte auf den Felsen und erkannte die schwachen Umrisse einer uralten Gravur. Es war das mittelalterliche Kaiserliche Siegel. Hier musste der Eingang liegen. Zielstrebig schritt sie auf den Stein zu. Mit der Hand wischte sie das Moos von der Oberfläche und legte so ein weiteres Symbol frei. Doch es handelte sich dabei nicht um ein buddhistisches oder schintoistisches Symbol. Es war eine keltische Rune. Monique drückte auf die Rune, so fest sie konnte. Schließlich gab die Rune nach und sie versank im Felsen. Ein schleifendes Geräusch entstand, als Felsen übereinander schabten und so einen dunklen und modrigen Gang freigaben. Was würde Monique wohl dort Unten erwarten?
Trübes Licht fiel in das alte Lagerhaus, welches direkt am verlassenen Pier in Cardiff lag. Seit Jahren hatte hier kein Schiff mehr angelegt. Langsam versank die Sonne am Horizont und tauchte das Land in ein tiefes Rot. Eine leichte Brise wehte vom Meer her und brachte kühle Luft mit sich. Die ersten Lichter in den entfernten Hochhäusern begannen zu leuchten. Die Nacht brach herein. Ein Leuchtturm warf seinen Lichtkegel aufs Meer hinaus, um den Schiffen, die in der Nacht die Bucht erreichten einen sicheren Weg zu leuchten. Ab und zu streifte der Lichtkegel das Dach, des alten Lagerhauses und enthüllte unzählige Stellen, an denen die Farbe und sogar der Putz von den Wänden abbröckelte, um sie kurz darauf wieder im Schleier der Dunkelheit zu verbergen. Die gewaltigen Rolltore waren verrostet und Stellenweise durchlöchert. Neben dem großen Gebäude lag das alte Trockendock, in dem früher Schiffe gewartet und gebaut worden waren. Doch nun war die Vertiefung mit Schrott und Unrat angefüllt. Ein dunkler Wagen näherte sich dem alten Lagerhaus. Die Scheinwerfer waren abgestellt. Langsam rollte der Wagen vor den Toren aus und wartete, bis die alten Tore quietschend nach oben gezogen wurden. Schließlich verschwand es in der Finsternis, die im Inneren noch stärker zu sein schien. Als kurz darauf de Lichtkegel des Leuchtturms erneut das Gebäude streifte, war das Tor wieder geschlossen und nichts deutete mehr darauf hin, dass hier vor wenigen Augenblicken etwas geschehen war, was eigentlich nicht hätte sein können.
Geduldig wartete Ashara darauf, dass ihre Begleitung die Wagentür öffnete und ihr beim Aussteigen behilflich war. Warum mussten Männer immer nur so kompliziert sein? Anstand und Sitte waren doch ohnehin nur Fassade. Wenn Männer eine Frau verführen wollten, so konnten sie zu sehr guten Schauspielern werden. Doch wenn sie erreicht hatten, was sie wollten, dann kam ihre wahre Natur zum Vorschein. Aber Ashara kam es nicht auf so etwas an. Sie fühlte sich dadurch auch nicht gekränkt. Im Gegenteil, diese Eigenschaft der Männer, machte es ihr unglaublich leicht an ihre Beute zu kommen. Heute Abend hatte sie sich einen jungen und gut gebauten Mann geangelt. Ein Immobilienmakler, wie er ihr erzählt hatte. Er hatte kurzes dunkelbraunes Haar und grüne Augen. Er hatte sofort auf Asharas Anwesenheit reagiert. Manchmal war es einfach zu leicht. Langsam führte sie ihren Begleiter in einen der Nebenräume. Doch noch bevor sie die Türe öffnen konnte kam ihr schon ein in schwarz gekleideter Mann entgegen. „Na süße. Warst mal wieder auf Beutezug. Wie ich sehe hast du einen guten Fang gemacht. Wie wäre es, wenn wir zwei uns dieses Muttersöhnchen teilen würden. Ich bin sicher, dass wir zwei viel Spaß haben werden.“ Ashara sah ihrem Begleiter kurz in die Augen und ließ ihn stehen. Sein Blick war trüb und er rührte sich nicht von der Stelle. Es schien, als wäre er in Trance. Ashara trat auf den in schwarz gekleideten Mann zu und lächelte mit ihren schwarzen Lippen. Ihre Blicke trafen sich. „Mardock. Du wirst es wohl nie lernen, oder?“ Mit einem schnellen Schlag beförderte sie Mardock in einen Haufen alter Kartons, die in einer Ecke des Lagerhauses standen. „Lieber würde ich verdursten, als mit dir meine Beute zu teilen. Hast du das endlich verstanden?“ Mardock rappelte sich wieder auf, stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab und lächelte Ashara verschmitzt zu. „Na komm schon Kleine. Ich weiß, dass du auf mich stehst. Ich sehe es in deinen Augen.“ Erneut wandte sich Ashara an Mardock, der gerade aus dem Kistenhaufen heraus kletterte. „Das hättest du wohl gerne. Du verwechselst da etwas. Es ist nicht Begierde, die du siehst, sondern Hass. Ich weiß nicht, warum du eigentlich noch bei uns bist. Unsere Gebieterin muss, was dich angeht etwas falsch gemacht haben, oder du bist einfach ein hoffnungsloser Fall. Und jetzt lass mich in Ruhe.“ Doch Mardock wollte nicht so schnell aufgeben. Da packte ihn jemand an der Schulter und schleuderte ihn gegen die Wand. „Hast du nicht gehört, Casanova? Ashara möchte nicht gestört werden.“ Cero sah Ashara kurz an und wandte sich dann ab. Rasch verschwand er wieder im Schatten. Seine dunkel blaue Jacke flackerte im Wind und verbarg sein Gesicht, als er sich noch einmal kurz umwandte. Ashara nickte ihm hinterher und kümmerte sich nun endlich wieder um ihren Begleiter. Sie führte ihn in den Nebenraum. Als sie die Türe hinter sich geschlossen hatte, umschlang sie seinen Hals und fühlte seinen Puls. Sanft glitten seine Finger über ihren Körper. Nun legte Ashara ihren Kopf auf seine Brust und arbeitete sich langsam zu seinem Hals hoch. Als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, begann sie sich zu verändern. Als sie den Mund öffnete, zeigten sich lange Fangzähne, die sie genüsslich in den Hals ihres Opfers schlug. Der Mann riss entsetzt seine Augen auf, als er endlich merkte, in welcher Situation er sich befand. Doch es war zu spät. Ashara hatte bereits den letzten Tropfen Blut aus seinem Körper gesaugt. Achtlos warf sie den Leichnam zur Seite, während sie noch den Geschmack des Blutes auf ihren Lippen genoss. Doch in diesem Moment sagte ihr Instinkt, dass etwas passierte. Nervös blickte sie sich um. Es war Niemand zu sehen. Dann spürte sie es erneut. Es war viel intensiver, als beim ersten Mal. Jemand rief sie, doch diesen Ruf hatte sie schon lange nicht mehr vernommen. Ihre Gebieterin rief nach ihr. Sie musste zur Kristallkugel. Ohne großen Kraftaufwand öffnete sie eine Bodenplatte des Raumes. Unter der Platte befand sich eine Öffnung. Ashara griff hinein und holte eine schwarze Kugel heraus. Sie glühte schwach. Mina rief nach ihren Dienern. Konnte es sein, dass endlich der Tag gekommen war, auf den sie so sehnsüchtig gewartet hatte? Mit der Kugel in der Hand lief sie in ihr Zimmer, wo sich der Halter für die Kugel befand. Sanft ließ sie die Kugel in die Fassung gleiten. Sofort verstärkte sich das Leuchten und tauchte den Raum in ein unheimliches Zwielicht. Eine dunkle Gestalt erschien im Inneren der Kugel. Doch das Gesicht konnte Ashara nicht erkennen. „Meisterin Mina, sind sie es?“ „Ja. Meine Treue Dienerin. Ich habe einen Auftrag für dich und die Anderen.“ Ashara verbeugte sich knapp. „Ich verstehe, worum geht es?“ Die dunkle Gestalt in der Kristallkugel schien sich zu Bewegen. „Ich spüre, dass der entscheidende Tag kurz bevorsteht. Wir müssen uns darauf vorbereiten. Die Welt wird erneut unter unserer Macht erzittern. Doch vorher müssen wir die drei magischen Amulette finden. Mit ihnen wird unsere Macht unendlich sein.“ „Aber Meisterin. Die magischen Amulette sind seit mehr als zweitausend Jahren verschollen. Niemand weiß, ob sie überhaupt noch existieren. Wie sollen wir sie überhaupt finden?“ „Ich spüre, dass die Kräfte der Amulette erwacht sind. Sie suchen nach ihren Trägern, den legendären Kämpfern. Ich spüre deutlich ihre Kräfte. Wir müssen sie vorher finden. Wenn sie den legendären Kämpfern in die Hände fallen, sind sie nutzlos für uns. Macht euch auf den Weg nach Australien, dort werdet ihr das erste Amulett finden. Macht schnell. Meine Visionen zeigen mir, dass unsere Widersacher auch schon auf der Suche nach den Amuletten sind. Verliert keine Zeit.“ „Ja Gebieterin. Wir werden das nächste Flugzeug nehmen. Wir werden nicht versagen.“ „Ich melde mich bald wieder bei euch. Enttäuscht mich nicht.“ Damit verschwand Minas Gestalt und die Kugel war wieder schwarz. Endlich war die Zeit der Rache gekommen. Seit dem Tod von Minas altem Meister, warteten sie auf den Tag, an dem die alte Prophezeiung endlich erfüllt würde. Der Kampf zwischen Dunkelheit und Licht. Mehrere hundert Jahre waren die Mächte der Dunkelheit zerschlagen und über die ganze Welt verstreut gewesen. Mit dem Erwachen der Amulette hatte der Countdown zur letzten Schlacht begonnen. Nun konnten sie endlich aus ihren Verstecken hervor. Die Zeit der Schwäche war vorbei und Ashara spürte, wie ihre alten Kräfte wiederkehrten. Sie hatten endlich ein neues Ziel. Doch nun mussten sie unverzüglich aufbrechen. Sie durften keine Zeit verlieren.
Monique wanderte langsam durch die finsteren Gänge. Die Luft war modrig und ein Hauch von Geschichte lag in diesem Geruch. Sie hatte etwas gefunden, das für mehr als tausend Jahre als verschollen gegolten hatte, ja in manchen Fachkreisen sogar als Legende abgetan worden war. Dabei war es so einfach gewesen, den Eingang zu finden. Als sie endlich das Ende des Ganges erreichte, erstreckte sich vor ihr eine weite Halle. Das hintere Ende konnte sie von ihrer Position aus nicht ausmachen. Die Decke befand sich etwa hundert Meter über ihr und durch Spalten und Risse drangen Lichtstrahlen herein, die die Halle in ein spärliches Licht tauchten und so eine düstere und bedrückende Stimmung der Einsamkeit vermittelten. Doch es genügte um Einzelheiten zu erkennen. Die ganze Halle war mit mehreren Meterhohen Bücherregalen gefüllt. Insgesamt erstreckten sich zehn Reihen dieser Bücherregale bis in die entfernte Dunkelheit, die Monique beinahe endlos erschien. Jeweils eine der Regalreihen erstreckte sich an den Seitenwänden entlang und die restlichen acht in Abständen von jeweils zwei bis drei Metern. Monique trat an eines der Regale näher heran. Alle Ablagen waren mit Büchern und Schriftrollen bis zum Bersten gefüllt. Langsam ging sie durch die erste Reihe hindurch. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis sie schließlich das andere Ende erreichte. Diese Bibliothek war gewaltig. Sie musste weit über hunderttausend Bücher und Schriftrollen enthalten. Selbst mit einem großen wissenschaftlichen Team würde es Jahre dauern, um all diese Schätze zu identifizieren und katalogisieren. Wie sollte sie da nur das finden, was sie suchte? Es wäre wirklich einfacher gewesen alle Schulen in Tokio abzuklappern, als sich hier durch Tausende von Büchern zu wühlen. Sie fühlte die Magie, die von dem Gegenstand ausging, den sie so angestrengt suchte. Doch dieses Gefühl schien sich auf die gesamte Halle auszubreiten. Irgendetwas hier drin musste ihre Kräfte schwächen. Doch in diesem Moment fiel ihr etwas an der hinteren Wand auf, die sie erst jetzt sehen konnte. Direkt über den Bücherregalen, die dort standen, befand sich ein Relief. Bilder waren dort in den Stein gehauen worden und zeigten in unglaublichen Details eine gewaltige Schlacht. Doch es handelte sich nicht um eine gewöhnliche Schlacht. In der Mitte eines gewaltigen Heeres zeigte sich eine dunkle Gestalt. Sie war vollkommen von Dunkelheit umgeben. Das wahre Böse. Um das Böse herum standen drei Krieger in heiligen Rüstungen. Auf jeder Rüstung waren Symbole eingraviert. Es waren die Symbole der Elemente. Feuer, Wasser, Luft und Erde. Jeder dieser Krieger trug eines dieser Symbole. Die linke Figur trug das Zeichen des Feuers, die rechte das Zeichen des Wassers. Nur die mittlere Figur, die dem Bösen direkt gegenüberstand trug zwei der Symbole. Auf ihrer Rüstung trug sie das Symbol für die Erde und auf ihrer Waffe prangte das Symbol der Luft. Monique kannte diese Szene irgendwoher. Es war die Schlacht, die auf der Schriftrolle erwähnt wurde. Ohne ihren Blick von dem Wandbild abzuwenden griff sie nach ihrer Digitalkamera, die sie immer bei sich zu tragen pflegte. Sie ging einige Schritte zurück, damit sie das gesamte Relief aufs Bild bekam. Dann drückte sie mehrmals den Auslöser. Das Blitzlicht der Digitalkamera flackerte mehrmals auf. Doch schließlich war es wieder so dunkel wie vorher. Abraham würde dieses Foto bestimmt sehr interessant finden. Doch als sie sich gerade abwenden wollte, fiel ihr etwas im Bücherregal direkt unter dem Relief auf. Sie näherte sich langsam. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf dem Holz und den Büchern abgelagert. Doch einige der Bücher in diesem Regal standen merkwürdig schief. Sie schienen nur auf einer Kannte zu stehen. Dennoch fielen sie nicht aus dem Regal heraus. Vorsichtig drückte Monique auf die Buchrücken, um sie richtig hinzustellen. Schließlich hatte Monique alle Bücher wieder richtig ins Regal gedrückt. Doch als sie das letzte gerade in die richtige Position gebracht hatte, gab es ein seltsames Geräusch. Ein mechanisches Klicken schallte durch die gesamte Halle und plötzlich schwang Monique das ganze Regal entgegen. Sie konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, bevor es sie erschlagen konnte. Moniques Herz raste, als sie sich langsam erhob und in den Hohlraum blickte, der sich hinter dem Bücherregal auftat. Es war ein kleiner Raum. Fast genauso hoch wie die Halle doch wesentlich schmaler. Die Wände waren frei von den sonst alles beherrschenden Bücherregalen, nur am Ende des kleinen Raumes befand sich ein alter Holzschrank, der mit Eisenketten gesichert wurde. Ein einziger Sonnenstrahl drang durch die Decke und beleuchtete die alten Holztüren des Schrankes. Vorsichtig näherte sich Monique dieser Antiquität, die so wirkte, als würde sie schon bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfallen. Schritt für Schritt ging sie weiter auf den Schrank zu. Jeder Schritt war sorgfältig gewählt. Schließlich hatte sie keine Lust in eine Falle zu tappen. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die Magie war hier deutlich am stärksten. Hier musste das Buch sein, von dem Abraham gesprochen hatte. An allen Wänden befanden sich weitere Reliefs. Monique sah sich jedes einzelne davon an und fotografierte sie. Mal zeigten die Bilder ein großes Fest, welches nach dem Sieg über die Dunkelheit veranstaltet wurde. Das nächste Bild zeigte, dass ein Wanderer vorbeikam und das Fest störte. In seiner Hand hielt er eine Schriftrolle, die drohendes Unheil verkündete. Das musste die Schriftrolle sein, die sie auf dem Dachboden gefunden hatte. Irgendwann musste sie in den Besitz einer ihrer Vorfahren gelangt sein. Erneut blickte sie zu den Bildern an der Wand. Das Nächste zeigte drei Amulette, die von den Siegern verehrt wurden. In der Hoffnung, dass sie diejenigen beschützen würden, die sie trugen. Auf den Amuletten selbst waren wieder die Symbole der Elemente eingraviert. Vermutlich waren diese Amulette ein wichtiger Teil, wenn man die legendären Kämpfer finden wollte. Schließlich öffnete Monique den alten Holzschrank. Knarrend schwangen die Türen auf, als das alte verrostete Schloss nachgab. Staub wurde aufgewirbelt und vernebelte für einige Sekunden die Sicht. Monique hustete und wedelte mit ihrer Hand. Langsam legte sich der Staub wieder und Monique konnte ihre Augen wieder öffnen. Der Holzschrank war bis auf vier Bücher völlig leer. Monique nahm das erste Buch in die Hand. Das Emblem auf dem roten Buchdeckel begann zu schimmern. Es war das erste Elementsymbol. Feuer. Das zweite Buch, mit einem blauen Einband, trug das Wassersymbol, das dritte, welches einen gelb-grünen Einband hatte, die Symbole der Erde und der Luft. Das vierte Buch war schneeweiß und die Seiten waren vollkommen leer. Doch Monique fühlte, dass auch dieses Buch einen wichtigen Zweck hatte. Sie nahm alle vier Bücher an sich und wollte sie gerade in ihrem Beutel verstauen. Plötzlich zuckte ein leichter Schmerz durch ihre Finger. Jeweils an einer Ecke der Buchumschläge erschien ein kleines Symbol. Monique kannte dieses Zeichen. Ein kleiner schwarzer Schmetterling. Das Symbol, das sie schon in ihrer Kindheit auf vielen alten Büchern im Haus ihres Onkels gesehen hatte. Es war ein altes Familienwappen. Also hatte ein Helsing dieses Buch verfasst? Das war unmöglich. Oder vielleicht doch nicht? Der Stammbaum der Helsings ließ sich nur bis ins erste Jahrhundert nach Christus zurückverfolgen. Schon damals hatte sich die Familie der Bekämpfung der Geschöpfe der Dunkelheit verschrieben. Zumindest berichtete es so die Legende, die ihr Onkel ihr erzählt hatte. Diese Jagd dauerte so lange an, bis es endlich Abraham van Helsing, ihrem Vorfahren, gelang den Fürsten der Finsternis zu besiegen. Dracula, der erste aller Vampire. Seit dieser Zeit hatte man weder von Vampiren gehört noch hatte man welche gesehen. Heute glaubte niemand mehr an Vampire. Viele hatten noch nicht mal von ihnen gehört. Sie waren völlig in Vergessenheit geraten. Zu einem Mythos abgestempelt. Doch Monique glaubte an ihre Existenz. Ebenso wie ihr Onkel. Es konnte gut sein, dass diese Bücher einst einem Helsing gehört hatten. Monique fröstelte. Sie packte die Bücher endlich in ihre Tasche und beeilte sich die Bibliothek zu verlassen. Allerdings würde sie den japanischen Behörden von ihrer Entdeckung schon bald erzählen müssen. Diese Bibliothek durfte nicht ein zweites Mal in Vergessenheit geraten. Doch nun wollte sie nur noch zurück ins Hotel und ein Bad nehmen.
Jake hatte sie rasch zurück ins Hotel gebracht und nach einer entspannenden Dusche lag Monique ausgestreckt auf dem Bett. Mehrmals hatte sie inzwischen versucht ihren Onkel zu erreichen. Doch niemand ging ans Telefon. Nach dem siebten Versuch gab sie schließlich auf. Vielleicht war Abraham in der Bibliothek und hatte sein Handy zu Hause vergessen. Er würde bestimmt zurückrufen, wenn er nach Hause kam. Doch nun wollte Monique sich die Bücher vornehmen, die sie vor nicht einmal einer Stunde gefunden hatte. Als sie die erste Seite aufschlug und die alten japanischen Symbole betrachtete, fluteten erneut Bilder in ihren Geist. Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit, als Japan noch in viele kriegerische Staaten aufgeteilt war und Herrscher um die Vormacht in Japan kämpften. In einer Zeit vor der Vereinigung des Volkes. Schließlich begann das Buch mit dem weißen Umschlag zu glühen. Monique griff beinahe schon unbewusst danach und schlug es auf. Erstaunt sah Monique, wie sich die leeren Seiten langsam mit Schriftzeichen und Zeichnungen füllten. Es war so eine Art Tagebuch. Doch diese Schrift war anders. Es waren Runen, wie auf dem Stein, der den Eingang zur kaiserlichen Bibliothek verschlossen hatte. Das Buch berichtete davon, wie ein junger japanischer Mönch von seinem Herren beauftragt wurde die legendären Amulette zu finden, die überall auf der Welt verstreut sein sollten. Der Mönch berichtete von seiner Reise, und was er alles über die Geschichte der Amulette herausgefunden hatte. Doch während seiner Reise war ihm klar geworden, dass sein Herr keine guten Absichten hatte. Immer mehr Hinweise deuteten darauf hin, dass er danach strebte die Kräfte der Amulette für seine finsteren Machenschaften zu missbrauchen. Der junge Mönch floh und versuchte die Amulette, die er gefunden hatte, wieder zu verstecken und vor seinem Herren zu schützen. Jahre lang wurde er von den Schergen seines Auftraggebers verfolgt. Doch es war ihm gelungen alle Amulette so zu verstecken, dass nur diejenigen, die dazu bestimmt waren sie zu tragen, sie auch finden würden. Im Alter von neunzig Jahren kehrte er schließlich nach Japan zurück. Sein Verfolger war verstorben und damit war er wieder ein freier Mann. Außerdem brachte er vier geheimnisvolle Bücher mit. Es war das gesammelte Wissen über die Amulette und die legendären Krieger, das er auf seiner siebzigjährigen Reise gesammelt hatte.
Die Zeit verflog und als Monique endlich mit dem Buch fertig war, hatte der neue Morgen bereits zu dämmern begonnen. Doch Monique fühlte sich weder müde noch ausgepowert. Es war unglaublich, was sie alles in nur einer Nacht herausgefunden hatte. Der junge Mönch trug den Namen Chang Hél Sing. Als er in Europa gewesen war, hatte er sich unsterblich in eine einheimische Frau verliebt und war etwa zehn Jahre lang mit ihr zusammen gewesen, bevor er erneut vor seinen Verfolgern fliehen musste. Er hatte ihr einen Sohn geschenkt und sie geheiratet. Und im Laufe der Zeit musste der Name Hél Sing zu Helsing abgeändert worden sein. Endlich wusste Monique, warum ihr diese Bücher so vertraut waren. Sie waren ein Teil ihrer Geschichte. Und nun hatte sie endlich das fehlende Glied in ihrem Familienstammbaum gefunden. Also stammten die Helsings ursprünglich aus Japan. Von den japanischen Mönchen wusste Monique, dass man ihnen oft mystische und geheimnisvolle Kräfte zuschrieb. Nun war ihr klar, woher sie ihre Gaben hatte. Die Fähigkeiten dieser Mönche wurden von Generation zu Generation weitervererbt. Abraham würde bestimmt große Augen machen, wenn er erfahren würde, was Monique alles herausgefunden hatte. Doch das musste noch etwas warten. Sie musste zunächst noch einige andere Dinge herausfinden, bevor sie nach Hause zurückkehren konnte. Erneut nahm sie das erste Buch in die Hand. Das Buch mit dem Feuersymbol.
Monique blätterte aufmerksam durch die ersten Seiten des Buches. Bisher hatte sie noch Nichts gefunden, was sie nicht bereits gewusst oder was ihr auch nur im Ansatz weitergeholfen hätte. Die alten japanischen Symbole waren für Monique sehr einfach zu lesen, auch wenn heute kaum noch jemand diese Sprache beherrschte. Das Buch war zudem nicht sehr dick, daher würde sie es sehr schnell durchgelesen haben. Doch in dem Moment, als sie sich gerade in das Buch vertieft hatte, klopfte es an der Tür zu ihrem Zimmer. Wer konnte das nur so früh sein? Es wusste doch fast niemand, dass sie hier war. Hastig verstaute Monique die Bücher in ihrer Reisetasche und ließ die Schlösser an den Riemen einrasten. Das Klopfen dauerte an und wirkte beinahe schon aufdringlich. „Ja, ich komme gleich. Ich muss mir nur etwas anziehen.“ Es war gelogen, doch es gab ihr genug Zeit sich ihren Besucher durch den Türspion genauer zu betrachten. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Doch zum ersten Mal seit neun Jahren konnte sie nicht genau sagen, was es war. Und genau dieser Umstand war es, der ihr solche Angst machte. Vorsichtig spähte sie durch die Linse. Erstaunt wich sie zurück. Das konnte doch nicht sein. Was machte Mauris hier? War etwas in London passiert? Hatte ihr Onkel ihn geschickt? Mauris schien sehr aufgeregt zu sein und sah sich mehrmals nervös um, so als hätte er Angst, dass ihm jemand folgen könnte. Monique hatte ihn noch nie so außer sich gesehen. Er musste sehr überstürzt aufgebrochen sein. Er hatte sich nicht einmal Rasiert. Er trug eine dunkle Jake in Kombination mit einer ziemlich verschlissenen und ausgebleichten Jeans. Erneut klopfte er an die Tür, wobei er sich wiederum nervös umsah. Monique war beunruhigt. Sie entriegelte die Türe und öffnete sie vorsichtig. Mauris zögerte keinen Augenblick und betrat ohne weiteres das Zimmer. „Schnell, Kind. Mach die Tür zu.“
Hatte er sie gerade wirklich Kind