Schatten von Utumo - Buch 1 - Kevin Rombold - E-Book

Schatten von Utumo - Buch 1 E-Book

Kevin Rombold

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Beschreibung

Nera, eine junge Nekromantin, hat die sichere Zuflucht ihres Dorfes verlassen, um sich der wachsenden Zahl von Dämonen zu stellen, die die Welt in Angst und Schrecken versetzen. Ihr ehemaliger Lehrmeister ist in Gefahr. Während ihrer Reise findet sie einen schwer verletzten Mann, der auch noch sein Gedächtnis verloren hat. Schon bald stellt sich heraus, dass der Fremde in die jüngsten Ereignisse verwickelt ist. Für Beide beginnt eine abenteuerliche Reise, die sie bis an ihre Grenzen treibt. Können sie die Wahrheit herausfinden und die wachsenden Mächte der Dunkelheit aufhalten?

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Seitenzahl: 454

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Kevin Rombold

Schatten von Utumo - Buch 1

Kinder des Lichts

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

Dramatis Personae:

Noran (Norrec): Mensch; Krieger, der ganz besondere Fähigkeiten besitzt. Hat sein Gedächtnis verloren, nachdem er einer edlen Frau bei einem Problem geholfen hat, die sich als Dämonin herausstellt.

Nera: Nekromantin; Hat starke magische Fähigkeiten und ist auf der Suche nach ihrem ehemaligen Lehrmeister, der sie um Hilfe gebeten hat.

Kalea: Schlangendämon; Generalin Thyzon‘s und ein sehr mächtiger Dämon.

Santo: Kleiner Junge aus der Stadt Ankylon, den Norrec und Nera dort treffen.

Thyzon: Höllenfürst; Der mächtigste aller Dämonen. Will sein Reich mit der Welt der Menschen vereinigen.

Prolog

Schwaches Kerzenlicht flackerte vor den Augen des jungen Mannes und warf dunkle Schatten auf seine Rüstung, die aus schwarzem Metall bestand. Auf der Brust der Rüstung prangte ein rotes Wappen. Ein Drache, dessen Körper sich um eine goldene Sonne schlang.

Er fühlte sich hier nicht wohl. Die Wände erdrückten ihn, rückten immer näher, um ihm die Luft zum Atmen zu nehmen.

Riskanter als der Einbruch in dieses Gebäude war nur noch das, was er im Begriff war zu tun. Er war sich unsicher, ob er seinen Plan wirklich umsetzen sollte, oder ob er überhaupt dazu imstande war. Vor ihm auf dem Steinfußboden lagen Blätter mit alten und machtvollen Symbolen verstreut herum, mit seinen karmesinroten Panzerhandschuhen ordnete er sie nach einem bestimmten Muster an welches er in Gedanken schon unzählige Male durchgegangen war. Es kam auf jedes Detail an, wenn er erfolgreich sein wollte. Er durfte nicht lange zögern, dennoch überkam ihn Zweifel. Sollte er es wirklich tun? Er hatte kaum eine Ahnung von dem, worauf er sich da eingelassen hatte. Mit Magie hatte er nicht viel am Hut.

Wieso hatte er nur auf sie gehört? Diese unheimliche Frau, die vor wenigen Tagen aufgetaucht war und sein Leben für immer durcheinander gebracht hatte.

Das Kerzenlicht um ihn herum flackerte und er begann zu frösteln. Er wusste, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Doch er hatte es versprochen und er hatte noch nie ein Versprechen gebrochen. Mühsam versuchte er sich an die Worte, die ihn während der letzten Tage wie ein Alptraum verfolgt hatten, zu erinnern. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Wenn er nur eine Silbe falsch aussprach, würde er für ewig im Höllenfeuer schmoren. Er konzentrierte sich und die Worte kamen fast schon von selbst über seine Lippen. Die Stimme mit der die Worte gesprochen wurden, war nicht seine Eigene. Was ging hier nur vor sich? Worauf nur hatte er sich hier eingelassen?

Schließlich erkannte er in einer dunklen Ecke des Raumes die Umrisse einer Frau. Er wollte sie rufen, das Ritual unterbrechen. Seine Lippen formten weiterhin die Worte des Zaubers, den sie ihn gelehrt hatte. Was zur Hölle machte sie hier? Wieso schien sie so begierig darauf zu sein, dass er das Ritual zu Ende brachte und das in ihrer Anwesenheit? Hatte sie nicht behauptet sie wäre nicht in der Lage diesen Ort aufzusuchen und das Ritual durchzuführen? Alles war so surreal und er glaubte in den Schatten noch mehr zu erkennen als lediglich die Umrisse der Frau, die ihn dazu gebracht hatte hier her zu kommen. Er wollte das ganze abbrechen, doch er konnte nicht mehr.

„Mach weiter. Lass dich von mir nicht stören.“ Erklangen kalte düstere Worte aus dem Dunkel.Am liebsten hätte er frustriert gelacht. Er blickte wieder zu der Frau, dem Wesen, wie er nun langsam zu begreifen begann. Offensichtlich verstand sie, was er sie fragen wollte.

„Keine Angst. Es ist bald vorbei. Du musst nur diese Formel zu Ende sprechen. Danach hast du deine Aufgabe erfüllt.“ Diese Frau hatte Nerven. Er kannte noch nicht einmal ihren Namen. „Bald mein Herrscher, wirst du wieder auf Erden wandeln. Es dauert nicht mehr lange.“Die Worte der Frau klangen nun barsch und kalt. Nicht mehr so sanft und warm, als er sie kennen gelernt hatte. Zudem lauerte etwas in diesen Worten, was er nicht ganz zu fassen vermochte. Ein Hauch von Gefahr und Intrige. Was führte sie im Schilde? Welchen Herrscher meinte sie?

Plötzlich tat sich vor ihm ein Riss im Boden auf. Glühende Hitze stieg daraus hervor und Flammen züngelten am Rand des Risses auf. Der junge Mann schreckte zurück und versuchte sich zu erheben. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, während er noch immer die Zauberformel aufsagte ohne Kontrolle über sein eigenes Handeln. Er wusste, dass sie bald zu Ende sein würde. Nachdem, was er bisher gesehen hatte, verspürte er nicht das geringste Verlangen danach, zu sehen, was sie bewirkte.

Er musste etwas unternehmen. Er drehte erneut seinen Kopf zu den Schatten. Zum einen um den züngelnden Stichflammen vor ihm zu entgehen und zum anderen um zu sehen, ob er vielleicht im Gesicht seiner Auftraggeberin die Antwort fand, die er suchte.

Die Frau war fort. Ihren Platz hatte etwas Bizarres und Abstoßendes eingenommen. Reiszähne blitzten im gedämpften Fackelschein. Giftig grüne Schuppen bedeckten den Körper der dämonischen Gestalt und verursachten ein unheilvolles Geräusch, als das Ding sich bewegte in den Schatten. Ein langer Schwanz zuckte nervös hin und her.

Die Schatten waren zu etwas geworden, das noch weitaus schrecklicher war, als die Dunkelheit selbst. Haare wanden sich wie lebendige Wesen um den Kopf dieses Schreckens und ihre Augen waren nichts weiter als schwarze seelenlose Abgründe, die keine Gnade kannten. Ein Dämon! Wieso hatte er das nicht geahnt? Hatte sie sich so gut getarnt? Oder war er lediglich zu unaufmerksam gewesen um die Anzeichen zu sehen? Er verfluchte sich innerlich dafür, dass er sich von seinen Gefühlen hatte verleiten lassen.

Er musste ganz dringend handeln. Warum hatte er nur keine Kontrolle über sich? Schließlich fiel ihm etwas ein. Er sah an sich herab und erkannte das Armband, das ihm dieser Dämon gegeben hatte. Es sollte ihm die nötige Ausdauer und Schutz bieten um seine Aufgabe zu erfüllen, waren ihre Worte gewesen. Es leuchtete matt. Verdammt natürlich es war mit einem Zauber belegt. Nun da er die Gefahr erkannt hatte, galt es etwas dagegen zu unternehmen. Er hatte schon zu viel mit Magiern zu tun bekommen, um sich davon beeindrucken zu lassen. Zumindest so viel hatte er während seiner Kindheit bei den Nekromanten gelernt. Zum Glück gab es auch Zauber, die nicht unbedingt einer lauten Aussprache oder gar Gesten oder Machtsymbole bedurften. Er hasste es an seine Kindheit zurückdenken zu müssen. Doch in diesem Moment war es unumgänglich.

<<Vitzjero mortuo>>

Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, löste sich das Armband wie von Geisterhand, fiel klappernd zu seinen Füßen auf den Boden und er war wieder frei. Seine Lippen verstummten augenblicklich und er konnte sich wieder frei bewegen. So weit so gut, nun musste er nur noch so schnell wie möglich von hier verschwinden.

Der Schlangendämon war sichtlich überrascht, dass er sich von dem Bann gelöst hatte und dazu noch ohne wirklich etwas dafür getan zu haben. Die meisten Dämonen trauten Menschen nur wenig zu. Meistens waren es die Unerfahreneren oder Arroganteren unter ihnen, die Menschen lediglich als Vieh ansahen. Es gab noch mehr Magie und Macht, als dieses kleine Bisschen, was sie von ihren widerwertigen Herren zugestanden bekamen.

Lange ließ sich dieser Dämon nicht davon beeindrucken, denn er schüttelte seine Überraschung ebenso schnell ab, wie sie ihn gelähmt hatte. Entweder hatte er sowas schon einmal gesehen oder war gefährlicher als er bisher angenommen hatte.

„Nicht schlecht. Du bissssst alsssso in der Kunssssst der dunklen Magie unterwiessssen. Dassss macht die Sssssache etwasssss sssschwieriger.“

Der junge Mann hatte kaum eine Ahnung von Magie, was er aber nicht gerade jetzt zugeben würde. Diese Zauberformel war eine von den wenigen, die er hatte behalten können und von denen er auch gefahrlos Gebrauch machen konnte, ohne sich selbst groß in Gefahr zu bringen. Ein knirschendes und schabendes Geräusch erklang aus den Schatten, als der Dämon sich darin bewegte. Es war nur schwer auszumachen was dieses Geräusch verursachte, doch er konnte sich vorstellen dass der Dämon seine Krallen an den Steinmauern wetzte und sich bereits darauf freute einen saftigen Leckerbissen zu bekommen.

Er zog sein Schwert, dessen Klinge im Licht der Kerzen kurz aufblitzte und nahm eine abwartende Stellung ein.

„Verschwinde und lass mich für immer in Ruhe!“

Der Dämon lachte süffisant und seine Zunge wand sich immer wieder zwischen seinen schuppigen Lippen hindurch.

„Du bissst ein Narr. Ich habe mein Ziel schon fassst erreicht. Meinssst du ich werde jetzt aufgeben? Mein Herr wird sssich schon bald ausss der Hölle erheben. Bisss dahin sssolltessst du tun, wasss ich dir sssage, wenn du überleben willssst.“ Wieder gab es diesen unheilvollen Unterton in der Stimme des Dämons. Selbst jetzt verbarg er etwas. Er konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Er blieb weiter in einer Erwartungshaltung stehen, den Griff seines Schwertes sicher und fest umklammert. <<Moment mal, hatte sie gerade ihr Herr aus der Hölle gesagt? >>

Egal, er musste sich jetzt auf seine Handlungen konzentrieren und nicht in ablenkende Gedankenspiele versinken.

„Nicht mit mir!“

Er eilte auf die einzige Türe des Raumes zu, doch der Dämon hatte nicht damit gerechnet, dass er sich wieder unter Kontrolle hatte und reagierte viel zu spät auf den Fluchtversuch. Er schaffte es aus dem Türspalt zu entwischen und hörte den Wutschrei des Dämons, als er durch dunkle Gänge eilte, die zuvor einfach nur alt und modrig gewirkt hatten. Doch nun da sich ein Spalt in die Hölle geöffnet hatte, wirkten die Wände düsterer, unheilvoller, als würde die dunkle Geschichte, die sich hier in diesen Mauern abgespielt hatte erneut zum Leben erwachen.

Er konnte nur hoffen, dass er keiner Wache, oder wie das unter Dämonen auch immer genannt wurde, in die Arme lief. Hastig bog er um eine Ecke und seine Geschwindigkeit sorgte dafür, dass er mit Jemandem zusammenstieß. Der Aufprall hatte ihn kurz nach Luft schnappen lassen und ein beißender Schwefelgeruch stieg ihm in die Nase, der ihn beinahe den Rest gegeben hätte. War er blindlings in sein Verderben gestürzt? Hatte er doch eine Wache übersehen? Doch es war keine Wache, wie er zunächst vermutet hatte. Entsetzt musste er feststellen, dass es der Schlangendämon war, den er schon weit hinter sich gelassen zu haben glaubte. Allerdings war es anzunehmen, dass dieser sich in diesen dunklen Gängen besser auskannte als er selbst und ihm den Weg abgeschnitten hatte.

„Ssso leicht entkommssst du mir nicht. Du hassst noch eine Aufgabe zu vollenden.“

Wieder ertönte dieses Schabende Geräusch und dieses Mal sah er die klauen, die Teile der modrigen Wand zerkratzten und kleinere Steinbrocken auf den Boden regnen ließ.

Der junge Mann erholte sich von seinem ersten Schock und lachte leicht hysterisch auf, dennoch versuchte er seine aufsteigende Panik zu verbergen. << Na toll, vom Regen in die Traufe!>>, dachte er sich noch und blickte in die Augen des Dämons.„Ich weiß, dass ich meine Versprechen sonst immer halte. Aber ein Versprechen einem Dämon gegenüber bindet mich nicht unbedingt. Also vergiss es und fahr zur Hölle!“

Er klammerte sich an den Griff seines Schwertes und hob es hoch, bereit alles zu tun, was erforderlich war, um die Freiheit zu erlangen.

„Mit einem Schwert wirssst du dich nicht befreien können.“

„Das werden wir noch sehen.“

Funken stoben davon als die Klauen des Dämons auf die Klinge des Menschen trafen. Der Kampf entbrannte sogleich wild und ohne Gnade, denn er wusste, dass er keine Gnade erwarten konnte. Als er sich umdrehte, um erneut zuzuschlagen, grub sich eine Klaue in einen Arm, den er noch zum Schutz seines Gesichts nach oben gerissen hatte, als er den Angriff kommen sah. Der Dämon war alles andere als unerfahren. Immer wieder gelang es ihm die nur langsam erstarkende Abwehr des Menschen zu durchbrechen und ihm Schaden zuzufügen. Jedoch nie genug um ihn außer Gefecht zu setzen, was ihm sagte, dass der Dämon ihn noch brauchte. Immer wieder wehrte er die Klauen und Zähne des Monsters ab, um am Leben zu bleiben und wartete auf seine Gelegenheit. Diese Bot sich ihm als der Kampf um eine Ecke des Ganges bog und der Dämon gezwungen war seine Köperhaltung den neuen Verhältnissen anzupassen. Entschlossen stieß er sein Schwert nach vorne und traf den Schlangendämon in die Brust. Sie riss die Augen weit auf und man sah ihr deutlich die Überraschung an. Ein qualvoller Schrei erklang und dunkles Blut quoll aus ihrer Brust hervor. Die Klinge seines Schwertes leuchtete leicht, was zeigte dass hier mächtige Zauber wirkten, die den Stahl zusätzlich verstärkten und so selbst Dämonen zu verletzen vermochte.

So sehr er die Nekromanten auch verabscheute, heute war er ihnen sehr dankbar, dass sie ihm dieses magische Schwert überlassen hatten, denn es war eine sehr effektive Waffe gegen Dämonen und andere unheilvolle Kreaturen.

Er zog seine Klinge aus dem Schuppigen Körper, wischte das Blut kurz an einem staubigen Wandteppich und rannte weiter den Gang entlang. Plötzlich erzitterte das gesamte Gebäude und Risse bildeten sich an den Wänden und auf dem Boden. Kurz darauf tat sich der Boden unter ihm auf und er begann zu fallen und Dunkelheit umfing ihn. Hatte dieser Alptraum denn überhaupt kein Ende?

Kapitel 1

Langsam kam der junge Mann wieder zu sich. Er stöhnte laut auf, als er einen unbändigen Schmerz in seinem Kopf und seiner Hüfte spürte. Sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Schmerz und steigerte diesen dadurch nur noch mehr. <<Entspann dich! >>

Langsam öffnete er die Augen, nachdem er sich entspannt und der Schmerz langsam nachgelassen hatte, und sah an sich hinab. Seine Hüfte war mit Bandagen eingewickelt. Ebenso verhielt es sich mit seinem Kopf, als er ihn betastete und seinen Armen. Wo war er hier nur? Wieso war er hier? Verwirrt blickte er sich um. Er befand sich in einer schmalen und nur spärlich beleuchteten Hütte. Das Dach war nur dürftig mit Stroh bedeckt. Immerhin waren die Wände aus solidem Stein. Durch ein schmales Fenster drang Licht herein und blendete den jungen Mann, der gerade versuchte aufzustehen. Leichter Schwindel erfasste ihn und er sank zurück ins Bett. Was war nur passiert? Er versuchte sich zu erinnern. Nach einigen Sekunden musste er feststellen, dass er sich an nichts erinnern konnte. Plötzlich überkam ihn eine neue Frage. Entsetzen erfasste ihn.

<<Wer bin ich? >>

Er konnte sich wirklich an nichts erinnern. So sehr er auch versuchte, er wusste nicht wer er war, woher er kam, was er getan hatte. Erneut begann sein Kopf zu pochen. Was war nur geschehen? Wieso konnte er sich an nichts erinnern? Was ging hier nur vor sich? Als er erneut versuchte aufzustehen, stolperte er über etwas, das auf dem Boden, neben dem Bett lag.

„Aua. Verdammt, was soll das?“

Er blickte nach unten, konnte aber nicht sehr viel erkennen. Plötzlich blinkte etwas kurz auf. Es war ein metallener Gegenstand. Behutsam bückte sich der junge Mann und hob den Gegenstand auf. Er war groß und hatte eine runde Form. Langsam ging er mit dem Gegenstand zu dem schmalen Fenster und hob ihn in den Lichtschein. Schwarzes Metall blinkte auf. Es war eine Rüstung. Er drehte die Rüstung einmal herum. Auf der Brustseite der Rüstung erkannte er ein seltsames Wappen. Ein Drache, dessen Körper sich sonderbar um eine goldene Scheibe wickelte. Es war die Sonne. Was hatte dieses Symbol nur zu bedeuten? War dies etwa seine Rüstung? War er etwa ein Krieger oder Soldat?

Er öffnete die Verschlüsse und legte sich den Brustpanzer vorsichtig an, um die Verletzungen nicht zu strapazieren. Plötzlich fiel ein breiter und heller Lichtstrahl in das Zimmer. Der junge Mann erschrak und die Rüstung, die er nicht mehr hatte verriegeln können fiel laut scheppernd zu Boden.

Jemand hatte den Raum betreten, doch er konnte nicht erkennen, wer es war. Sein Blick fiel instinktiv zurück zum Bett. Auf dem Boden lagen weitere Gegenstände, die zu der Rüstung zu gehören schienen. Karmesinrote Panzerhandschuhe, leichte, aber robuste Lederstiefel, ein schwerer Gürtel und am wichtigsten ein Schwert, das in einer rot schimmernden Scheide steckte. Auch auf der Scheide des Schwertes erkannte er das Symbol, das er schon auf der Rüstung gesehen hatte. Er musste sich verteidigen und wollte nach dem Schwert greifen.

„Was macht ihr da?“, fragte die Stimme der Person, die gerade eingetreten war. Sie klang gereizt und wenig freundlich gesinnt, aber er erkannte, dass diese Stimme zu einer Frau gehörte.

„Ihr solltet noch nicht aufstehen. Eure Verletzungen sind zu groß. Wenigstens zwei weitere Tage solltet ihr noch das Bett hüten, wenn ihr nicht wollt, dass eure Seele zu früh aus eurem Körper flieht.“

Der junge Mann wusste nicht, ob er der Frau vertrauen konnte immerhin war sie eine Fremde für ihn. Doch etwas in ihm sagte, dass sie Recht hatte. Er brauchte noch etwas Ruhe. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen und etwas unsicher wankte er zu seinem Bett zurück. Während er dies tat, wurde ein Vorhang, den er bisher nicht bemerkt hatte, zurückgezogen und der ganze Raum wurde nun in helles Licht getaucht. Er musste sich kurz die Augen abschirmen, um nicht von dem hellen Licht geblendet zu wurden. Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, nahm er den Arm nach unten und betrachtete seine Umgebung. Der Raum war nur spärlich eingerichtet. Mal von dem Bett abgesehen, waren ein kleiner Holztisch mit zwei Stühlen aus abgebeiztem Holz und ein kleinerer Schrank, der seine besten Tage auch schon längere Zeit hinter sich hatte, die einzigen Gegenstände in diesem Raum. Offensichtlich hatte die Person, die hier lebte, nicht genügend Geld für neue Möbel, oder aber sie wollte gar nicht so viel Schnickschnack, der diesen kleinen Raum ohnehin nur noch kleiner gemacht hätte. Schließlich fiel sein Blick auf eine in einfache Kleidung gehüllte Frau. Sie trug einen weiten schwarzen Umhang und nichts deutete darauf hin, dass sie sonst noch etwas bei sich trug. Der Umhang sah neu aus, aber ansonsten sah sie sehr unscheinbar aus. Die Stiefel, die sie trug waren etwas rissig und zeugten davon, dass er es hier mit einer weit herumgekommenen Person zu tun hatte. Der Umhang wurde von einem alten, mit mehreren Beuteln versehen, Ledergürtel gehalten und betonte die Figur der jungen Frau etwas mehr, als es für ihn eigentlich möglich wäre. Ihr Gesicht zeigte eine kleine Narbe über der linken Augenbraue, aber ansonsten war an ihrem Gesicht kaum ein Makel feststellbar. Sie war sehr jung. Vielleicht achtzehn oder etwas älter. Er konnte es nicht genau sagen. Ihre Augen waren strahlend blau. In ihnen funkelte die Entschlossenheit der Jugend, jedoch vermischt mit für ihr Alter undenkbarer Weisheit. Ihre langen schwarzen Haare fielen locker und geschmeidig über ihre Schulter und fanden ihr Ende erst im Hüftbereich der jungen Frau. Ihre Haut war etwas dunkler, als seine eigene, was darauf schließen ließ, dass sie aus einer Region stammte, in der es wärmer war, als hier.

„Wie komme ich hier her?“, wandte er sich nun endlich an die Frau, die ihn bisher mit einem Lächeln angesehen hatte.

„Eins nach dem Anderen. Zuerst solltest du etwas zu dir nehmen. Dann werde ich all deine Fragen beantworten, sofern ich das vermag. Es ist doch in Ordnung, wenn ich du zu dir sage, oder?“

Er überlegte. Doch schließlich fand er keinen triftigen Grund etwas dagegen zu haben.

„Wenn ich es ebenso halten darf.“

„Gerne.“

Sie kam näher heran und erst jetzt erkannte er, dass sie einen Teller mit wohlriechendem Inhalt trug.

„Diese Suppe habe ich gerade erst gemacht. Es könnte noch etwas heiß sein.“

Er nahm den Teller entgegen und musste dabei versuchen ihn nicht gleich gierig an sich zu reißen. Er hatte einen unbändigen Hunger, wie er nun feststellte.

„Danke.“ Er nahm den Holzlöffel und leerte die Schale beinahe in einem Zug. Als der Teller fast leer war, merkte er, dass die Frau ihn amüsiert beobachtete, während sie die Rüstung zurück zum Bett trug und sanft auf den Boden legte. Er verlangsamte sein Tempo und sah sie etwas verstohlen an.

„Tut mir leid.“

Sie lachte leise und sah ihn weiterhin an.

„Nicht doch. Du hast bestimmt eine Menge durchgemacht. Ich an deiner Stelle wäre wohl genau so hungrig. Iss nur zu Ende. Ich bin gleich wieder da.“

Damit verließ die Frau das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er begann damit den Teller zu leeren und stellte ihn anschließend auf den kleinen Tisch. Schließlich tat er, wie es ihm die Fremde geraten hatte und legte sich wieder ins Bett. Seine Hüfte schmerzte immer noch heftig und auch das Pochen in seinem Kopf ließ kaum nach. Immer wieder fiel sein Blick auf die Rüstung, die neben dem Bett ruhte. Dann wanderten seine Gedanken wieder zu der Frage, die ihn seit dem Erwachen beschäftigt hatte. Wer war er? Wieso konnte er sich nicht daran erinnern? Jedes Mal, wenn er versuchte über diese Dinge nachzudenken, um vielleicht doch einen Erinnerungsfetzen zu erhaschen, pochte sein Kopf noch mehr, so als wolle er zerplatzen und er gab es für diesen Moment wieder auf, sich erinnern zu wollen, bis die Zweifel und Fragen erneut an ihm nagten. Offensichtlich war nur, dass es ihm im Moment nicht vergönnt war zu wissen wer er war. Doch warum war das so? Was hatte er getan und wieso erinnerte er sich nicht mehr daran? Hatte er ein so abscheuliches Verbrechen begangen, dass sein verstand ihm die Erinnerung daran versagte um ihn zu schützen? Die Rüstung wies keinerlei Spuren eines kürzlich stattgefundenen Kampfes auf, nur einige Schrammen waren zu erkennen. Ebenso war kein Blut, oder etwas ähnliches, zu sehen, was ihm einen Hinweis hätte geben können.

„Glorreicher Vater, warum nahmst du mir meine Vergangenheit? Habe ich gesündigt?“

Er schluchzte fast.

„Warum nur kann ich mich nicht daran erinnern, wer ich bin?“

Flehentlich hatte er die Hände in die Höhe gestreckt, doch nichts tat sich. Keine Stimme erklang, die ihm sagte was er tun sollte, was passiert war oder warum er sich in dieser Lage befand. Eine Träne rann ihm über die Wange, denn die Unsicherheit war beinahe überwältigend. Er musste wohl oder übel sein Schicksal akzeptieren. Er konnte nichts gegen seine jetzige Situation unternehmen. Es blieb ihm nur eins, ein neues Leben beginnen, bis seine Erinnerungen zurückkehrten, wenn sie es jemals taten.

Eine geraume Zeit später tauchte die Frau wieder auf. Sie trug einen Krug mit etwas Dampfendem in der linken Hand. In ihrer rechten Hand hielt sie einen kleinen Holzbecher. Sie blickte auf den Tisch und sah den leeren Teller.

„Sehr gut. Dieser Trank wird euch etwas stärken. Es ist ein Tee aus verschiedenen Kräutern. Er besitzt heilende Kräfte.“

Sie trat an das Bett heran und schenkte eine grünlich braune Flüssigkeit in den Becher und reichte ihn dem jungen Mann. Er nahm ihn dankend entgegen und setzte den Becher an die Lippen, um einen Schluck zu nehmen. Doch kaum waren die ersten Tropfen über seine Zunge gerollt verzog er angewidert sein Gesicht, denn der Tee schmeckte abscheulich.

„Ich weiß. Er schmeckt scheußlich. Aber er wird dir helfen wieder zu Kräften zu kommen. Du musst Alles trinken, sonst wirkt er nicht.“

Bei diesen Worten schauderte es ihm. Noch den ganzen Krug leeren? Das würde er nicht überstehen. Er nahm einen weiteren kräftigen Schluck. Dieses Mal war er jedoch auf den bitteren Geschmack vorbereitet und sein Gesicht verzog sich dieses Mal nicht mehr, und mit dem dritten Schluck hatte er den Becher geleert. Sofort schenkte die Frau ihm nach. Nach einem weiteren Schluck sah er nun die Zeit gekommen, um seine Frage von vorhin zu wiederholen.

„Wie bin ich hier her gekommen?“

Die Frau seufzte, setzte dabei aber ein amüsiertes Lächeln auf.

„Na gut. Ich habe dich gestern im Wald gefunden. Du bist ziellos umhergeirrt und sahst, Verzeihung, wenn ich es etwas unverblümt sage, einfach miserabel aus. Man hat dich übel zugerichtet. So was habe ich schon seit langem nicht mehr gesehen.“

Der junge Mann verfolgte die Worte der Frau aufmerksam.

„Im Wald? Weißt du, was ich dort gemacht habe?“

Sie wirkte etwas überrascht.

„Das wollte ich eigentlich dich fragen. Schon seit Wochen traut sich keiner mehr alleine in den Wald. Es gehen Gerüchte um, das hier etwas Böses haust. Einige meinen sogar, dass der Fürst der Hölle selbst wieder auferstanden ist und den Wald verflucht hat. Ich schätze du bist einer Horde von Dämonen begegnet, die zurzeit durch den Wald streifen. Du hast Glück, dass du noch am Leben bist.“

Der Mann überlegte kurz.

„Dämonen sagtest du?“

Die Frau nickte.

„Ach ja, mein Name ist übrigens Nera. Ich bin erst seit Kurzem in diesem Dorf und habe auch nicht vor sehr lange zu bleiben. Die Leute hier sind nicht gerade sehr freundlich im Umgang mit Fremden. Du kannst von Glück sagen, dass ich gerade auf der Suche nach neuen Kräutern war und dich rechtzeitig gefunden habe bevor...naja SIE dich gefunden haben.“

Er nickte und war ihr sogar sehr dankbar dafür, dass sie ihn nicht einfach dort zurückgelassen hatte, wo sie ihn gefunden hatte. Es gab durchaus angenehmere Tode, als Dämonen zum Opfer zu fallen. Doch was hatte er in diesem Wald nur getan und wieso war er dort allein gewesen? War er überhaupt allein gewesen? Es war zum verrückt werden, denn je mehr er erfuhr desto wirrer wurde diese Geschichte nur.

„Wie ist eigentlich dein Name?“

Der junge Mann schreckte auf.

„Wie bitte?“

„Na hör mal. Ich habe mich vorgestellt und jetzt bist du an der Reihe, so läuft das normalerweise. Also, wer bist du?“

Das war eine gute Frage. Nervös blickte er sich im Raum um. Was sollte er ihr nur sagen?

„Nun ja. Das ist … schwierig zu erklären.“

„Nur zu. Ich habe Zeit.“

Sie verstand wohl nicht so recht, denn es hatte den Anschein, als richtete sie sich schon auf eine lange Geschichte ein. Er bedauerte es sogar ein wenig sie enttäuschen zu müssen. Es würde nicht sehr lange dauern, die Sache zu erklären, es war einfach nur kompliziert so etwas zu sagen, ohne sich gleich als vollkommener Idiot zu fühlen.

„Ich fürchte, ich kann es dir nicht sagen.“

Die Frau wurde neugieriger.

„Das klingt äußerst interessant. Warum kannst du es mir nicht sagen? Ist es eine geheime Sache?“

Der Mann merkte, dass sie diese Erklärung nicht dulden würde. Er schluckte.

„Nein. Es ist so, dass ich…“

Er kam ins Stocken. Wieso fiel es ihm nur so schwer es auszusprechen? Vielleicht weil er fürchtete mit dem Aussprechen seines Verdachts, das ganze endgültig zu machen oder tatsächlich als Trottel abgestempelt zu werden. Vielleicht war er das ja auch.

<<Reiß dich zusammen. So schlimm wird es schon nicht sein. >>

„…ich kann mich leider an Nichts erinnern. Weder was mich selbst betrifft, noch was ich getan habe. Rein gar nichts.“

Die Frau wirkte nicht überzeugt.

„Wenn du nicht willst, dann eben nicht. Bedauerlich.“

Das letzte Wort kam eher einem Seufzer gleich. Für ihn starb gleichzeitig die Hoffnung mehr zu erfahren, denn nun war sie gelangweilt und abweisend.

Bis zu ihrer Frage hatte er selbst gehofft, dass sie wenigstens seinen Namen kannte. Doch da hatte er sich getäuscht. Mit einem beleidigten Gesichtsausdruck stand Nera wieder auf und wandte sich der Tür zu.

„Wenn du es dir anders überlegen solltest, dann ruf mich. Wir sehen uns heute Abend wieder. Gute Besserung.“

Ihre Stimme, die bisher warm und herzlich geklungen hatte, war nun kühl und distanziert. Er bedauerte es, doch was hätte er tun sollen. Er wollte ihr keine Lüge auftischen. Er hoffte, dass er noch eine Gelegenheit bekam ihr zu erklären, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Doch fürs Erste war er zu erschöpft. Er schloss die Augen und war schon kurz darauf eingeschlafen.

Kapitel 2

Nera wusste nicht, ob sie dem Fremden glauben schenken sollte. Sie hatte ihn gerettet, doch er machte keinen dankbaren Eindruck. Er hielt etwas zurück, sie konnte nur raten, was es war. Er hatte schlimme Verletzungen davongetragen und er war dem Tode näher gewesen, als dem Leben, als sie ihn gefunden hatte. Doch es erschien ihr recht unwahrscheinlich, dass er sich an nichts erinnern konnte. Er verheimlichte ihr Etwas. Aus welchem Grund und was es war, das würde sich noch herausstellen, aber sie hatte es im Gespür. Schließlich war sie eine der besten auf ihrem Gebiet und man hatte ihr immer gesagt, dass sie sich auf ihre Intuition verlassen solle.

Doch ihre Intuition hatte sie nicht auf die Abneigung und hasserfüllten Blicke vorbereiten können, die sie in dieser Welt erwartet hatten. Als sie aus ihrer Heimat aufgebrochen war, um ihren ehemaligen Lehrmeister aufzusuchen, der ihr unerwartet eine Nachricht hatte zukommen lassen, wollten viele, die sie das erste Mal gesehen hatten, nicht glauben, dass sie tatsächlich eine Nekromantin war. Wie sie herausgefunden hatte, existierte bei den Meisten das hartnäckige Gerücht, dass alle Nekromanten häßliche, alte und unangenehme Persönlichkeiten seien, die es hin und wieder liebten die Gewöhnlichen zu quälen.

Aus diesem Grund vermied sie es mittlerweile andere offen auf ihre Herkunft anzusprechen. Doch es ließ sich nicht immer vermeiden. Und die darauffolgenden Unannehmlichkeiten sorgten dafür, dass Nera sich nicht oft in Gesellschaft von gewöhnlichen Menschen aufhielt auch wenn sie in deren Welt unterwegs war.

Ihr Gast zumindest, hatte noch nichts bemerkt. Ansonsten hätte er längst das Weite gesucht, so wie die meisten anderen, die es nicht gewagt hatten ihr offen entgegenzutreten. Vielleicht hätte er aber auch versucht ihr die Kehle aufzuschlitzen. Vielleicht war er eher ein Mann der Tat. Aber Nera hatte keine Lust es darauf ankommen zu lassen. Die Rüstung und das Schwert des Mannes, sowie seine körperliche Verfassung, wenn man von den Blessuren und Verletzungen absah, zeigten Nera, dass dieser Mann ein sehr geschickter Kämpfer sein musste. Aber sie hatte noch andere Dinge zu tun, als sich um diesen Fremden Gedanken zu machen.

Nera hatte also vor geraumer Zeit eine Nachricht von ihrem alten Lehrmeister erhalten. Seit Jahren hatte sie nichts mehr von ihm gehört, daher hatte es sie verwundert, dass er sich ausgerechnet an sie gewandt hatte. Besonders, da sie sich nicht gerade friedlich voneinander getrennt hatten.

Ihr Meister hatte die komische Ansicht gehabt, dass die Nekromanten zu abgeschieden von der Welt leben würden. Diese Zurückgezogenheit, so hatte er immer behauptet, würde irgendwann zum Untergang ihres Volkes führen. Irgendwann hatte er schließlich das Dorf verlassen, um durch die Welt zu reisen, um von den Gewöhnlichen zu Lernen, wie er sich damals ausgedrückt hatte.

Sie hatte seine Ansichten zu dem Zeitpunkt nicht verstanden. Wieso sollte ein Nekromant die Welt der Gewöhnlichen so interessant finden? Was gab es dort schon Besonderes? So hatten alle Nekromanten gedacht, sie eingeschlossen.

Es hatte lange gedauert, bis sie begriffen hatte, was er damals gemeint hatte. Zumindest hatte sie geglaubt seine Beweggründe besser verstanden zu haben. Aber erst nach dem Eintreffen dieser Nachricht hatte sie sich endgültig dazu entschlossen, selbst das Dorf zu verlassen.

Es war nicht das Eintreffen der Nachricht an sich gewesen, was den Ausschlag gegeben hatte. Es war der Inhalt der Nachricht, der sie so beunruhigt hatte, dass sie sich zum Aufbruch gezwungen sah.

Jetzt wusste sie, was ihrem Meister so an dieser Welt gefallen hatte. Doch es war zu subtil und doch zu umfassend zugleich, als dass sie es hätte genau beschreiben können. Zu schade, dass es erst einer solch schrecklichen Nachricht bedurft hatte, um sie davon zu überzeugen, dass es auch andere Wege im Leben gab. In ihren Gedanken klangen erneut die Worte, die sie so beunruhigt hatten.

<<Liebe Nera.

Ich wende mich in einer denkbar dringlichen Angelegenheit an dich. Die Welt schwebt in großer Gefahr. Es stimmt mich zutiefst traurig, dir solche Nachrichten überbringen zu müssen, aber die Welt steht erneut an der Schwelle der Zerstörung.

Das Böse selbst, der Höllenfürst Thyzon, plant aus seinem Reich, in das er einst verbannt wurde, zu entkommen und wieder auf unserer Welt zu wandeln.

Ich habe seine Spuren bis zum Fangrylwald verfolgt, so weit ich es vermochte, doch meine Kräfte neigen sich bereits dem Ende zu. Ich erwarte deine Ankunft in Ankylon ende Februar. Wir müssen etwas unternehmen, bevor es zu spät ist. Bitte komm, wenn dir das Wohl dieser Welt am Herzen liegen sollte. >>

Diese Nachricht, wenn es stimmte und der Fürst der Hölle beabsichtigte auf der Erde wieder frei zu wandeln, dann verhieß dies nichts Gutes. Die zuletzt stark wachsende Anzahl von Dämonen, die im Fangrylwald gesichtet wurden, bestätigte die Geschichte ihres ehemaligen Meisters noch und zeigte auf, dass daran durchaus etwas war, was ihrer Aufmerksamkeit bedurfte.

Eigentlich hatte sie schon längst von hier aufbrechen und weiter nach Ankylon reisen wollen. Doch Gestern war sie während ihrer Suche nach seltenen Kräutern, die sie für einige ihrer mächtigsten Zauber benötigte, auf diesen Fremden gestoßen. Ziellos war er durch die Wälder geirrt. Sein Zustand war mehr als kläglich gewesen und sie hatte gleich vermutet, dass er von Dämonen angegriffen worden war. Es hatte sie gewundert, dass er sich trotz seiner Verletzungen noch auf den Beinen hatte halten können und wahrscheinlich hatte er es nur seiner Rüstung zu verdanken gehabt, dass er noch nicht völlig zerfleischt worden war.

Es waren wirklich düstere Zeiten in denen sie lebten. Zwar war sie groben Umgang ja gewohnt und es lag ihr fern sich zu beschweren, aber von dem jungen Mann hatte sie wenigstens etwas Dankbarkeit für ihre Hilfe erwartet. Seinen Namen zu nennen, wäre doch das Mindeste gewesen, was er hätte tun können. Sie verstand oft das Verhalten von den Gewöhnlichen nicht und doch war irgendetwas an diesem Mann was sie sehr faszinierend fand, oder bildete sie sich das nur ein?

Er war ein stattlicher junger Mann um die achtzehn oder neunzehn Jahre, wenn sie sich nicht irrte, mit kurzem dunkelbraunem Haar und seine Augen zeigten ein tiefes Grün-braun, welches Nera so noch nie gesehen hatte. Nera konnte sich nicht daran erinnern jemals einen so attraktiven Menschen gesehen zu haben zumindest nicht in der Zeit seit sie sich unter die Menschen gewagt hatte.

Sie verscheuchte diesen Gedanken ganz rasch, denn sie hatte keine Zeit für solche Nebensächlichkeiten und wollte Morgen aufbrechen. Bis dahin müssten die Verletzungen des Fremden so weit verheilt sein, dass er sich wieder um sich selbst kümmern konnte. Dann würde sie von hier verschwinden und sich nicht weiter mit einem verschwiegenen Menschen herum schlagen. Sie musste jedoch immer noch einige Kräuter finden, bevor sie gehen konnte. Sie wollte sie noch finden, solange sie Sonne hoch stand. Wenn es erst einmal Abend wurde, dann würden die Dämonen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie griff nach einem leeren Beutel, der auf einem Tisch lag und band ihn sich an ihren Gürtel. Ebenso verfuhr sie mit drei weiteren Beuteln. Damit ausgestattet verließ sie das Haus und machte sich auf den Weg in den Wald, der eine viertel Wegstunde entfernt lag.

Kalea fühlte sich zunehmend unwohl in ihrer menschlichen Haut. Sie hatte schon viel zu lange diese Gestalt angenommen, was ihr nun enorme Schmerzen bereitete, da dieser Wirt nicht die nötige Kraft und Ausdauer besessen hatte um ein so mächtiges Wesen zu beherbergen. Doch dies war nichts gegen die Schmerzen, die ihr derjenige zufügen würde, den sie aufzusuchen gedachte. Ihr Plan war gescheitert und das würde sie zu spüren bekommen.

Schon sehr bald würde sie ihre Haut abstreifen können, dann wären zumindest diese Qualen vorüber.

Es war für sie ungewohnt, aber auch aufregend gewesen als Mensch auf der Erde zu wandeln. Doch nun da ihre wahre Gestalt langsam durchbrach genoss sie es richtig bald wieder ganz sie selbst zu sein.

Der menschliche Wirt, den sie sich genommen hatte, war jung gewesen. Die menschliche Frau hatte nicht einmal gemerkt, was mit ihr geschehen war.

Zu dumm für sie, dass sie nicht sehr geschickt darin gewesen war Dämonen zu beschwören und im Zaum zu halten. Aber für sie war es ein enormer Vorteil gewesen. Sie konnte völlig die menschliche Gestalt ihres Wirtes übernehmen, doch ihre eigentliche Gestalt zog sie dennoch vor. In ihrer wahren Gestalt hätte sie in dieser Welt anfangs jedoch nicht existieren können. Aber sie musste die Tarnung zum Glück nicht weiter aufrechterhalten. Jetzt war ihre Haut mit dicken grünlichen Schuppen bedeckt. Ihre Augen waren gelblich mit zwei roten Schlitzen. Hinter ihr zuckte ein grüner Schwanz hektisch hin und her. Und die Schmerzen würden auch bald vorüber sein.

Im Moment plagten sie andere Sorgen. Vor ihr ragte nun eine in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt auf. Die Öffnung war dunkel, verbarg das Gesicht und ließ das Grauen dahinter nur erahnen. Schwefelgelbe Augen leuchteten darunter hervor und zwischen ihnen, dort wo die Stirn sein musste, schimmerte etwas rötlich und unheilvoll.

„Du hast versagt Kalea. Ich dulde kein Versagen!“, donnerte die tiefe Stimme ihres Gegenübers und Kalea zuckte ängstlich zusammen. Kalea wusste, dass sie nur noch eine Chance hatte, wenn sie am Leben bleiben wollte. Ihren eigentlichen Plan konnte sie nicht mehr umsetzen zumindest nicht ohne das Risiko dabei zu sterben.

Der Mann, der das Tor zur Hölle für sie geöffnet hatte, hätte ihrem Herrn eigentlich als Wirt dienen sollen. Doch etwas war furchtbar schief gelaufen. Irgendwie war es diesem jämmerlichen Menschen gelungen, sich aus ihrem Bann zu befreien und zu entkommen. Ihr Meister war kurz darauf erschienen in Erwartung auf einen Wirt, den er hätte besetzen können. Das wäre ihre Chance gewesen zu handeln.

Doch ohne einen Körper war seine Gestalt nur ein flüchtiger Schatten. Ein Schatten, dessen Macht allerdings immer noch groß genug war, um verheerenden Schaden anzurichten, auch wenn er selbst unantastbar für gewöhnliche Waffen war.

„Ich werde einen Wirt für euch finden, das verspreche ich.“, brachte sie unterwürfig hervor. Kalea konnte die Wut ihres Herrn spüren. Auch ohne einen festen Körper gelang es ihm auf dieser Welt zu wandeln, das allein sprach für seine Macht. Als sie ausgesprochen hatte spürte sie auch schon wie sie eine gestaltlose Hand an der Kehle packte. Sie keuchte und spürte, dass der Griff aus Dunkelheit sich fester um ihren Hals schloss. Sie hatte ihr Leben verwirkt. Sie bekam keine Luft mehr und ihr Leib begann zu zittern. Sie spürte wie ihre Lungen brannten und das Verlangen tief Luft zu holen immer dringlicher wurde. Sie versuchte zu sprechen, doch es kam nur ein klägliches Krächzen über ihre Lippen. Ihr Blickfeld verengte sich, während dunkle Schleier langsam den Blick weiter vernebelten. Einst war sie seine rechte Hand gewesen. Eine enge Vertraute. Zumindest in seinen Augen. Dies war vor seiner Verbannung in die Höllen gewesen. Danach hatte er sie immer wieder für niedere Arbeiten missbraucht, bis sie schließlich in die Welt der Menschen beschworen wurde und sich ihr Plan langsam entwickelt hatte.

Völlig unverhofft löste sich der eiserne Griff wieder und sie konnte wieder atmen. Die Dunkelheit die einen Augenblick zuvor eine Hand gebildet hatte, löste sich in schwarzen Nebeldunst auf, bevor sie sich wieder zu einer Form zusammenfand, die erneut einer Hand ähnelte. Offenbar war ihr Herr und Gebieter noch nicht in der Lage seine momentane Form dauerhaft zu festigen. Sie gab leise keuchende Geräusche von sich, als ihre Lungen sich wieder mit Sauerstoff füllten. Nur um kurz darauf einen anderen brennenden Schmerz zu spüren, der ihre Brust durchzuckte.

„Ich werde mich nach Westen begeben. Ich habe dort noch etwas zu erledigen. Ich hoffe für dich, dass du dein Versagen nicht wiederholen wirst. Sonst wird dein Ende schrecklich sein.“

Thyzon hatte das Interesse an ihrer Pein verloren, aber nicht ohne ihr noch einmal zu demonstrieren wozu er in der Lage war. Eine frische Wunde klaffte auf ihrer Brust und schwarzes Blut tropfte auf den Boden zu ihren Füßen. Sie keuchte noch immer und versuchte sich die Pein nicht anmerken zu lassen. Ihr Gebieter wandte sich wieder seinen Plänen zu. Kalea war erleichtert, dass er es als nicht wichtig genug erachtete sie jetzt zu vernichten.

„Habe verstanden. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um euren Wunsch zu erfüllen.“

„Gut! Du weißt ja, wo du mich dann finden kannst.“

Kalea nickte und hoffte, dass sie bald gehen konnte, da sie die Gegenwart ihres Meisters langsam wirklich nervös machte und die Schmerzen zunahmen. Die Gestalt im Umhang ging mit hallenden Schritten davon und ließ eine erleichterte Kalea zurück, deren Schuppen leicht rasselten.

Wenigstens für den Moment musste sie nicht um ihr Leben fürchten. Sie hatte bereits einen Plan, wie sie den Krieger wieder zurückbekommen konnte. Sie hatte ihre Späher losgeschickt, um nach ihm zu suchen. Anscheinend hatte er Zuflucht in einem nahe gelegenen Dorf gefunden. Sie beschloss ihm einen Besuch abzustatten sobald ihre Wunde geheilt war.

Nera hatte gefunden, was sie gesucht hatte. Ihre Beutel hatte sie so vollgestopft, wie es nur ging. Die Sonne begann sich allmählich nach Westen zu neigen. Es waren nur noch wenige Stunden bis Sonnenuntergang. Sie würde das Dorf in einer halben Stunde erreichen. Während ihrer Suche hatte sie lange über ihren Gast nachgedacht. Sie glaubte, das Wappen auf seiner Rüstung schon einmal gesehen zu haben. Allerdings wusste sie nicht wo und in welchem Zusammenhang das gewesen war. Es war einfach zu lange her. Aber vielleicht würde es ihr noch einfallen.

Als sie schließlich den Wald verlassen hatte, spürte sie etwas Seltsames. Immer wieder blickte sie konzentriert zu Boden, bis sie das entdeckte, was sie seit dem Verlassen des Waldes befürchtet hatte. Schwach aber noch sichtbar zeichneten sich Spuren im Boden ab. Sie stammten nicht von Menschen und waren noch frisch, keine Stunde alt. Die Dämonen hatten den Wald verlassen.

„Verdammt! Ich hätte es wissen müssen.“, tadelte sie sich selbst für ihre Unvorsichtigkeit. Sie hatte noch am Tag zuvor Spuren von Dämonen gefunden und sie genauer untersuchen wollen. Doch dann hatte sie den Fremden gefunden und ihre Gedanken waren abgelenkt gewesen. Sie hätte es wissen müssen, dass eine solche Ansammlung an dämonischer Aktivität nicht lange auf die Wälder begrenzt bleiben würde. Sie hatte zu lange gezögert und sich ablenken lassen von diesem närrischen Menschen. Nun schwebte das Dorf in großer Gefahr, wenn die Dämonen es auf sie oder auch auf ihren Gast abgesehen hätten.

Sie beschleunigte ihren Schritt, um so schnell wie möglich das Dorf zu erreichen.

Die letzte Strecke bis zum Dorf legte sie in weniger als zehn Minuten zurück. Doch es schien bereits alles verloren. Als das Dorf in Sicht kam, sah sie, dass die Häuser in Flammen standen und die Einwohner bereits begannen in Panik zu fliehen, als sie merkten, dass ihre Löschversuche nichts bewirkten. Eine kleine Gruppe von Menschen eilte in ihre Richtung. Sie sahen sie mit Hasserfüllten Augen an. Sie hatte bereits im Gefühl gehabt dass der eine oder andere Dorfbewohner ahnte, was sie war. Es hatte Fragen gegeben zu ihren Heilkräften und ihrer Ausrüstung und einmal hatte sie ein Junge beobachtet wie sie einen harmlosen kleinen Zauber ausgeführt hatte, um einen ihrer Stiefel zu reparieren. Zunächst hatte ihm niemand geglaubt aber mit dem zunehmen der Gerüchte über die Dämonen im Wald und dem Verschwinden der Menschen in den Wäldern hatte auch das Misstrauen Fremden gegenüber zugenommen. Aus diesem Grund hatte sie auch beschlossen so schnell wie möglich aufzubrechen.

„Es ist alles die Schuld dieser Hexe. Sie hat das Böse zu uns ins Dorf gebracht.“, hörte sie die Leute tuscheln, als sie schweigend an ihnen vorbei schritt.

Sie war derlei Reaktionen auf ihre Anwesenheit bereits gewohnt und reagierte nicht darauf. Sie wusste, dass sie mit dem Angriff nichts zu tun hatte. Aber wenn die Menschen sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten, dann war es sehr schwierig sie vom Gegenteil zu überzeugen, daher versuchte sie es auch nicht. Zumindest würde ihr niemand im Weg stehen, wenn sie damit begann ihre Kräfte gegen die Dämonen einzusetzen. Dieser Anblick würde wohl die meisten Dorfbewohner mehr entsetzen, als der Angriff der Dämonen selbst. Es war besser, wenn die Menschen vorher verschwanden. Zumindest konnte sie dann alles unternehmen, um die Dämonen aufzuhalten, ohne Rücksicht nehmen zu müssen.

Sie erreichte ihre Unterkunft. Es war das Einzige, das nicht von den Flammen bedroht wurde weil es etwas abgelegen und am ganz anderen Ende des Dorfes lag.

Schließlich hörte sie einen Schrei. Es war der Schrei des Mannes, den sie im Wald gefunden hatte. Er wurde angegriffen.

Entschlossen eilte sie ins Haus und sah den Fremden, wie er gerade mit einem kleineren, aber kräftigen koboldartigen Dämon kämpfte. Mit bloßen Händen wehrte er dessen Angriffe ab. All seine Reaktionen wirkten auf sie weniger geplant. Sie waren Reflexartig. Seine Wunde an der Hüfte hatte wieder angefangen zu bluten, doch darauf, so wusste Nera, konnte er im Moment kaum Rücksicht nehmen. Sie rannte zum Bett und griff nach dem Schwert, das immer noch daneben lag.

„Hier!“, rief sie und warf das Schwert in die Richtung des Mannes.

In einer fließenden Bewegung fing er das Schwert aus der Luft und zog es aus der Scheide. Mit sicherem Griff hielt er das Heft des Schwertes umklammert und schlug den Dämon gezielt nieder, indem er ihm den Kopf spaltete. Die Kreatur sank in sich zusammen und eine schwarze Blutlache bildete sich auf dem Boden.

„Nicht schlecht! Was ist das eigentlich für ein Kampfstil?“

Doch der Mann gab ihr eine völlig unerwartete Antwort.

„Keine Ahnung. Es kam ganz von selbst. Ich wusste ja noch nicht einmal, dass ich so gut kämpfen kann.“

Nera stutzte. Das war kaum die Antwort eines Mannes, der ihr etwas verheimlichen würde. Dafür wäre die Ausrede wirklich zu unbeholfen. Langsam glaubte sie, dass der Mann die Wahrheit gesprochen hatte. Sie hatte schon beim ersten Mal keine Falschheit oder Täuschung in seinen Worten gefühlt, hatte es aber als gute Täuschung abgetan. Und auch dieses Mal sie keine Falschheit in seinen Worten. Offensichtlich wusste er wirklich nicht, wer er war.

Dieser Gedächtnisverlust wirkte sich aber nur auf die Erinnerungen seine Person und seine Vergangenheit betreffend aus. Seine Kampffähigkeiten hatte er nicht verloren. Außerdem war es offensichtlich, dass er bereits mit Dämonen zu tun gehabt hatte. Nicht jeder Mensch wäre ohne weiteres dazu in der Lage gewesen einen Dämon mit bloßen Händen aufzuhalten.

Dieser Mann erstaunte sie immer wieder aufs Neue. Jetzt war es auch unwahrscheinlich, dass er im Wald von einer Horde Dämonen überfallen worden war. Mit einem solchen Geschick, hätte er sich durchaus gegen mehrere Gegner gleichzeitig wehren können. Wer war er nur? Und was war ihm im Wald nur zugestoßen? Konnte es wirklich sein, dass er sich an Nichts erinnerte? Sie beschloss diese Fragen vorübergehend ruhen zu lassen. Sie begann ihm zu glauben.

Plötzlich brachen mehrere größere Dämonen durch die Tür des Hauses. Nera machte sich bereit einen Angriff abzuwehren. Die Dämonen hatten es gar nicht auf sie abgesehen. Gezielt hielten sie auf den Fremden zu. Dieser setzte sich geschickt zur Wehr. Ebenso erfolgreich, wie beim ersten Mal. Die Dämonen wurden zurückgedrängt. Nera wollte keineswegs nutzlos in der Ecke stehen. Sie überlegte, was sie tun konnte. Einen passenden Zauber hatte sie schnell parat.

„Nom guldor mortui!“

Einer der Dämonen, der ihr am nächsten stand, verwandelte sich in einen kleinen Haufen Asche, als er in einer feurigen Explosion verbrannte. Ebenso erging es drei weiteren der sechs Angreifer. Die letzen drei bekamen die Klinge des Schwertes zu spüren. Einem wurden die Beine unter dem Körper abgetrennt. Einem weiteren der Kopf abgeschlagen und den letzten teilte die Klinge an der Hüfte in zwei Teile.

Der Mann keuchte leicht, doch er wirkte noch gut bei Kräften. Erschrocken blickte er Nera an.

„Was bist du? Auch ein Dämon?“

Nera schüttelte den Kopf. Na ja, was hatte sie eigentlich erwartet? Immerhin war es kaum zu übersehen gewesen, was sie getan hatte. Aber sie fand den Zeitpunkt, den der Fremde gewählt hatte, um sie anzustarren, mehr als unpassend.

„Ich bin eine Nekromantin.“, sagte sie kurz angebunden, als würde das bereits alles erklären.

„Ich bin kein Monster, und ich werde dich auch nicht töten, falls du das befürchtest.“

Der Mann schien tatsächlich erleichtert zu sein. Sie wusste nicht, wieso sie das gesagt hatte, denn immerhin war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. Doch aus einem ihr unbekannten Grund hatte sie das Bedürfnis verspürt sich zu rechtfertigen.

„Was waren das für Dämonen?“

Dankbar für den Themenwechsel ergriff sie wieder das Wort.

„Waldkobolde. Sie leben in den Wäldern und sorgen dafür, dass sie blühen und gedeihen. Eigentlich sind sie eher friedfertig, wenn sie den Menschen auch manchmal gerne Streiche spielen. Doch etwas muss sie verstimmt haben. Vielleicht ist doch etwas an dem Gerücht dran, das ich gehört habe.“

„Was denn für ein Gerücht?“, fragte der Mann neugierig.

Nera war unschlüssig, ob sie es dem Mann erzählen sollte. Aber es konnte schließlich auch kaum schaden.

„Ich habe einen Hinweis darauf erhalten, dass ein sehr mächtiger Dämon aus der Hölle befreit werden soll.“

„Wie mächtig?“, fragte der Mann und wirkte jetzt keineswegs so, als hätte er sein Gedächtnis verloren.

Er wirkte wie ein Krieger, der auf Instruktionen wartete.

„Nun ja. Er ist wohl der mächtigste Dämon überhaupt. Und wenn er befreit würde, dann wäre das das Ende unserer Welt.“

„Du meinst doch nicht etwa den Fürsten der Hölle?“

„Thyzon persönlich, ja den meine ich.“

Niemand sonst hätte die Macht dazu diese Wesen zu kontrollieren und ihre Art so grundlegend zu ändern. Der Mann nicht alles vergessen. Immerhin erinnerte er sich an die Geschichten über Thyzon.

„Was wollten sie eigentlich von dir?“

Der Mann zuckte leicht zusammen.

„Ich weiß es nicht. Du meinst, dass sie es eigentlich auf mich abgesehen haben?“

Nera nickte.

„Zumindest schienen sie nichts anderes zu tun zu haben, als mich links liegen zu lassen und dich anzugreifen. Hast du dich etwa schon einmal mit ihnen angelegt?“

„Ich weiß es nicht. Ich wünschte ich wüsste es, aber ich kann dir nichts sagen.“

Nera verstand. Er hatte also wirklich sein Gedächtnis verloren. Doch er musste etwas mit diesen Dämonen zu tun gehabt haben. Die anderen Dorfbewohner waren ohne Verfolger entkommen.

„Das Dorf! Ich muss das Dorf retten.“

Nera eilte aus dem Haus und sah, wie die Dämonen in die Häuser einbrachen und etwas suchten. Erst als ihr Blick in ihre Richtung viel, ließen sie von ihrem Tun ab und rannten auf sie zu. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Fremde hinter ihr stand und sein Schwert in der Hand hielt.

„Was machst du denn da? Du dürftest wohl kaum in der Verfassung sein gegen diese Horde lange durchzuhalten.“

„Ich werde dir helfen. Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann, nachdem du mir geholfen hast.“

Nera wusste, dass er sich durch Nichts davon abhalten ließ ihr jetzt zu helfen. In Gedanken war sie sogar froh darüber. Sie wusste nicht, ob sie allein eine Chance gehabt hätte. Zusammen konnten sie es wirklich schaffen.

„Na gut. Aber gib auf dich Acht.“

„Ich werd’s versuchen.“

Die ersten Dämonen, die sich näherten, fielen der gleichen Feuerexplosion zum Opfer, wie die drei, die Nera im Haus vernichtet hatte. Fünf weitere fielen durch das Schwert des jungen Mannes. Die letzten verbliebenen Dämonen ergriffen in Panik die Flucht und versuchten zurück in den schützenden Wald zu gelangen. Dunkle Wolken waren herangezogen und es begann zu regnen. Langsam erloschen die Feuer, die in und auf den Häusern loderten. Sie hatten es geschafft.

Das Gesicht des Mannes verzog sich plötzlich vor Schmerzen und er sank auf ein Knie, während er sich die Hüfte hielt. Die Bandage hatte sich rot gefärbt.

„Schnell zurück ins Haus. Ich werde versuchen die Wunde schneller heilen zu lassen. Aber dazu solltest du dich ins Bett legen.“

Der Mann widersprach nicht und ließ sich von Nera stützen, als sie in das Haus zurückkehrten.

„Ach ja. Ich wollte dir noch für deine Hilfe danken.“ Der Mann hatte echt kein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Aber sie freute sich über die Worte.

„Ich muss dir danken. Ohne dich, wäre das Dorf verloren gewesen.“

Kapitel 3

Inzwischen fühlte sich der junge Mann besser. Nera hatte ein wenig von ihrer Magie eingesetzt, um die Wunde zu schließen. Zum Glück war sie nicht wieder ganz aufgegangen, sonst hätte der Zauber keine Chance gehabt. Nachdem sie die Wunde wieder geschlossen hatte, bemerkte er, dass ihr der Schweiß auf der Stirn stand und dass sie leicht zu schwanken begann. Es musste sie viel Kraft gekostet haben, die Wunde zu schließen.

„Ich glaube wir brauchen beide jetzt etwas Ruhe.“

Nera funkelte ihn kurz böse an, doch dann lächelte sie.

„Ich glaube du hast Recht. Ich habe mich heute ziemlich verausgabt. Morgen früh sieht Alles wieder anders aus. Ruhen wir uns aus. Ach ja. Eine Sache bleibt noch, die wir klären müssen.“

Er blickte zu ihr auf und versuchte zu erkennen, was sie meinte.

„Und was wäre das?“

Sie lächelte erneut. Es wirkte beinahe tadelnd, so als hätte er es bereits wissen müssen.

„Wie soll ich dich nennen? Ich kann dich ja nicht immer mit du ansprechen, oder?“

Eigentlich hätte er wirklich selbst darauf kommen können. Dass er sein Gedächtnis verloren hatte, bedeutete nicht, dass er ohne einen Namen auskommen konnte. Doch wie sollte er sich nennen?

„Keine Ahnung. Ich hab bisher noch nicht darüber nachgedacht. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass mir mein richtiger Name noch einfallen würde.“

Nera schien zu überlegen.

„Wie wäre es mit Norrec?“

Er überlegte. Einen solchen Namen hatte er noch nie gehört. Doch was hatte das schon zu bedeuten? Er war so gut wie jeder andere Name. Zudem hörte er sich nicht schlecht an.

„Na gut. Dann heiße ich ab sofort Norrec.“

Nun lächelte auch er.

„Norrec ist ein Wort aus unserer Sprache und bedeutet Niemand. Ich denke das passt im Moment ganz gut zu dir.“

„Danke. Danke für alles, was du für mich getan hast.“

Sie winkte ab.

„Das ist kaum der Rede wert.“, winkte sie ab und musste wieder an die Situation denken, in der sie sich beide befanden. Es betraf nicht nur sie selbst, die ganze Welt war von dieser Sache betroffen. Umso mehr spürte sie, dass ihr diese lockere Art, in der sie mit Norrec sprechen konnte, ein wenig vom Ernst der Lage ablenken konnte. Es war selten, dass sie so unbeschwert Handeln konnte, was ihr den kommenden Abschied schwerer machte.

„Aber nun ruh dich aus Norrec. Morgen dürfte die Wunde so weit verheilt sein, dass sie nicht gleich wieder aufbricht. Kann sein, dass wir uns nicht mehr sehen, deshalb möchte ich mich gleich von dir verabschieden. Ich breche Morgen auf, da ich noch etwas Wichtiges zu erledigen habe. Ich schätze, dass du dann alleine klar kommst.“