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Was die Showproduzentin Johanna bestimmt nicht in ihrem Leben braucht, ist ein Playboy! Doch als sie eine Wette mit dem umschwärmten Schauspieler Sam Weaver verliert, muss sie wohl oder übel mit ihm ausgehen. Und Sam bringt sie nicht etwa in ein First Class Restaurant in Beverly Hills – sondern dahin, wo sein Herz wohnt.
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Seitenzahl: 271
Nora Roberts
Herz aus Glas
Roman
Aus dem Amerikanischen von Tatjána Lénárt-Seidnitzer
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
1. KAPITEL
»Marge, das ist Ihre Chance, zehntausend Dollar zu gewinnen. Sind Sie bereit?«
Marge Whittier, achtundvierzigjährige Lehrerin und zweifache Großmutter aus Kansas City, wand sich auf ihrem Stuhl. Die Scheinwerfer strahlten sie an, die Trommeln dröhnten, und ihre Nervosität wuchs.
»Ja, ich bin bereit.«
»Viel Glück, Marge. Die Uhr läuft, sobald Sie gewählt haben. Also los.«
Marge schluckte schwer, erschauerte vor Aufregung und entschied sich für Nummer sechs. Die Spannung wuchs, während sie und ihre Partnerin sich den Kopf nach den richtigen Antworten zerbrachen. Sie nannten den Begründer der Psychoanalyse und die Anzahl der Yards in einer Meile, doch dann gerieten sie ins Stocken. Welches Element ist in allen organischen Verbindungen enthalten?
Marge erblasste. Ihre Lippen zitterten. Sie war Englischlehrerin und wusste einiges über Geschichte und Kinofilme, aber Naturwissenschaft war nicht ihre Stärke. Hilfesuchend blickte sie zu ihrer Partnerin, die eher für ihre Schlagfertigkeit als ihre Weisheit bekannt war. Kostbare Sekunden verstrichen. Schließlich war die Bedenkzeit vorüber. Der Summer ertönte. Zehntausend Dollar glitten Marge durch die feuchten Finger.
Die Zuschauer im Studio seufzten vor Enttäuschung.
»Wirklich schade, Marge.« John Jay Johnson, der geschniegelte Moderator, legte mitfühlend eine Hand auf ihre Schulter. Seine volltönende Stimme drückte genau das richtige Maß an Enttäuschung und Aufmunterung aus. »Sie waren der Lösung so nahe. Aber mit acht richtigen Antworten haben Sie Ihren Gewinn um achthundert Dollar erhöht. Sehr beeindruckend.« Er lächelte in die Kamera und zeigte dabei seine glänzenden Dreitausend-Dollar-Kronen. »Nach einer kurzen Pause verraten wir Ihnen Marges Gesamtgewinn und die korrekte Antwort auf die letzte Frage. Bleiben Sie bei uns.«
Genau im richtigen Augenblick wurde Musik eingespielt. John Jay nutzte die kurze Unterbrechung für einen Annäherungsversuch bei der hübschen Schauspielerin – dem Ehrengast.
»Eingebildeter Fatzke«, murrte Johanna vor sich hin. Doch sie war sich nur allzu bewusst, dass sein gepflegtes Aussehen und sein gewandtes Auftreten für hohe Einschaltquoten sorgten. Als Produzentin der Quizsendung ›Trivia Alert‹ hatte sie gelernt, ihn als wertvollen Mitarbeiter zu schätzen. Mit einem Lächeln trat sie zu den Teilnehmern, um sie zu trösten und auf die Schlußszene vorzubereiten.
»Kamera fünf in Position«, wies sie nach einem Blick auf den Sekundenzeiger ihrer Uhr an. Sie gab das Signal für Applaus und Musik. »Und abfahren!«
John Jay, einen Arm um Marge gelegt, beendete mit strahlender Miene die Show.
Kiki Wilson, der Ehrengast und gegenwärtiger Star einer populären Situationskomödie, plauderte noch eine Weile mit Marge – auf so liebenswürdige Weise, dass sie der Lehrerin noch nach Jahren in bester Erinnerung bleiben würde. Als sie sich schließlich erhob und zu John Jay trat, lächelte sie unvermindert. »Wenn Sie je wieder so etwas abziehen«, sagte sie ruhig, »dann werden Sie einen Knochenflicker brauchen.«
Er wusste natürlich sofort, dass sie sich auf seine rasche und – wie er meinte – geschickte Berührung während der Pause bezog. »Das gehört alles zu unserem Service«, entgegnete er ungerührt. »Was den Drink angeht, Sweetheart …«
»Kiki?« Eilig trat Johanna hinzu und führte die Schauspielerin davon. »Ich möchte Ihnen noch einmal für Ihre Teilnahme danken. Ich kann mir denken, wie beschäftigt Sie sein müssen«, erklärte sie in herzlichem, sanftem Ton.
Kiki entspannte sich ein wenig. »Es hat mir Spaß gemacht.« Sie nahm eine Zigarette aus einem emaillierten Etui und klopfte damit zerstreut auf den Deckel. »Es ist eine nette, unterhaltsame Sendung. Und die Publicity kann weiß der Himmel nicht schaden.«
Johanna rauchte zwar nicht, aber sie besaß ein kleines goldenes Feuerzeug. Sie holte es hervor und entzündete Kikis Zigarette. »Sie waren wundervoll. Ich hoffe, dass Sie uns irgendwann noch einmal beehren werden.«
Kiki blies eine Rauchwolke aus, musterte Johanna und dachte dabei: Die Kleine versteht ihren Job, auch wenn sie wie ein Werbemodell für Shampoo oder Joghurt aussieht. Außerdem hatte ihr Agent ihr erzählt, dass ›Trivia Alert‹ die erfolgversprechendste Quizsendung des Jahres sei. Daher lächelte sie und erwiderte: »Schon möglich. Sie haben ein hervorragendes Team – mit einer beachtlichen Ausnahme.«
Johanna brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, auf wen Kikis abschätziger Blick gefallen war. John Jay wurde entweder Liebe oder Hass entgegengebracht, mit sehr seltenen Zwischenstufen. »Ich möchte mich für jegliche Belästigungen entschuldigen.«
»Schon gut. Es gibt eine Menge Idioten in dieser Branche.« Kiki musterte Johanna erneut. Ein eindrucksvolles Gesicht, entschied sie, sogar mit einem Minimum an Make-up. »Es wundert mich, dass sie gar keine Bissspuren aufweisen.«
Johanna lächelte. »Ich habe ein sehr dickes Fell.«
Jeder, der Johanna Patterson kannte, hätte das bestätigen können. Sie mochte zwar sanft und zart aussehen, aber sie war zäh und energisch wie eine Amazone. Seit achtzehn Monaten schuftete sie unermüdlich dafür, dass ›Trivia Alert‹ ausgestrahlt wurde. Sie war kein Neuling in der Unterhaltungsbranche, und daher wusste sie nur allzu gut, dass es sich hinter den Kulissen noch immer um eine Männerwelt handelte.
Allmählich würde sich das ändern, doch sie war nicht geduldig genug, um abzuwarten, bis sich die Türen für Frauen wie sie öffneten. Wenn sie etwas erreichen wollte, dann setzte sie sich entschlossen dafür ein und war auch zu gewissen Zugeständnissen bereit. Um ihre Sendung ins Leben rufen zu können, hatte sie ihren Stolz begraben und einige Prinzipien opfern müssen. Zum Beispiel war es nicht ihr Name, sondern das Firmenzeichen ihres Vaters, das am Ende jeder Show gewichtig eingeblendet wurde: Carl W. Patterson Productions.
Er war es, dem die hohen Tiere vom Fernsehen vertrauten, und daher benutzte sie widerstrebend seinen Namen – und gestaltete die Sendung dann nach ihren eigenen Vorstellungen.
Die Geschäftsbeziehung befand sich bereits im zweiten Jahr, doch Johanna kannte die Branche – und ihren Vater – gut genug, um sich nicht auf ein Fortbestehen zu verlassen. Daher arbeitete sie bis zur Erschöpfung. Ein Misserfolg der Sendung würde sie nicht ruinieren, weder finanziell noch beruflich, doch für sie stand viel mehr als nur Geld und Ansehen auf dem Spiel. Es ging um ihre Hoffnungen und ihre Selbstachtung.
Die Zuschauer hatten das Fernsehstudio verlassen. Nur ein paar Techniker waren noch anwesend, plauderten miteinander und erledigten die letzten Aufräumungsarbeiten. Es war acht Uhr abends durch, und Johanna befand sich fast zwölf Stunden im Einsatz.
Fünf Sendungen waren im Laufe des Tages produziert und aufgezeichnet worden. Das bedeutete fünf Garderobenwechsel für den Ehrengast – und für John Jay, der darauf bestand, sich für jede Show bis hin zur Unterwäsche umzukleiden. Seine schicken Anzüge mit den passenden Krawatten wurden anschließend zurück zu dem Schneider in Beverly Hills geschickt, der sie umsonst zur Verfügung stellte – als Gegenleistung für die Werbung, die am Ende jeder Sendung ausgestrahlt wurde.
Für John Jay war die Arbeit beendet, doch für Johanna fing sie gerade erst an. Die Aufzeichnungen mussten rezensiert, geschnitten und sorgfältig auf die richtige Länge gebracht werden. Johanna überwachte jeden einzelnen Schritt. Es waren unzählige Briefe von Fernsehzuschauern zu beantworten, die sich als Kandidaten bewarben oder mit gewissen Antworten nicht übereinstimmten. Zusammen mit ihrem wissenschaftlichen Assistenten musste sie Fakten überprüfen und neue Fragen für kommende Sendungen auswählen. Obgleich sie nicht jeden einzelnen Bewerber persönlich interviewen konnte, begutachtete sie stets die Auswahl ihrer Mitarbeiter.
Johanna achtete peinlich genau auf die Einhaltung der strengen Vorschriften für Quizsendungen. Sobald die Kandidaten im Studio eintrafen, wurden sie vom Publikum und ihrem künftigen Partner bis zu ihrem Auftritt abgeschirmt. Die Fragen lagen verschlossen in einem Safe, dessen Kombination nur Johanna und ihre persönliche Assistentin kannten.
Und natürlich mussten die Berühmtheiten versorgt werden. Sie legten Wert auf ihre Lieblingsblumen und bevorzugten Getränke in ihren Garderoben. Einige von ihnen verhielten sich liebenswürdig, doch andere machten Schwierigkeiten, nur um zu zeigen, wie wichtig sie waren. Die meisten nahmen nicht wegen des Geldes oder aus Vergnügen an den morgendlichen Unterhaltungssendungen teil, sondern wegen der Propaganda. Sie betrieben Schleichwerbung für ihre Kinofilme oder Fernsehspiele und nutzten die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Zum Glück bekam ein Teil der Ehrengäste Spaß an dem Quiz, sobald es begonnen hatte. Doch viele mussten verhätschelt, gebeten und umschmeichelt werden. Sie war bereit dazu, solange es ihr half, ihre Show im Programm zu halten.
»Johanna?«
»Ja, Beth, was gibt es denn?« Sie steckte die Filmrollen in ihre große Tasche und hängte sie sich über die Schulter, während sie auf ihre Assistentin wartete. »Mach es bitte kurz. Meine Füße bringen mich um.«
Bethany Landman war jung, intelligent und tatkräftig. Ihre dunklen Locken und ihr überschwängliches Wesen bildeten einen starken Gegensatz zu Johannas kühler rotblonder Erscheinung. Übermütig tänzelte sie herbei und verkündete aufgeregt: »Wir haben ihn!«
»Wen haben wir, und was wollen wir mit ihm anfangen?«
»Sam Weaver.« Bethany lächelte verklärt. »Und ich kann mir viele Dinge vorstellen, die wir mit ihm anfangen könnten.«
Die Tatsache, dass Bethany noch immer so naiv war, um sich von einem harten Körper und einem markanten Gesicht beeindrucken zu lassen, erweckte in Johanna das Gefühl, sehr alt und zynisch zu sein. Sam Weaver war der Traummann fast aller Frauen. Sie leugnete keineswegs sein Talent, aber verführerische Augen und ein charmantes Lächeln ließen ihr Herz schon lange nicht mehr höher schlagen. »Wie wäre es, wenn du mir das Vernünftigste nennst?«
»Ach, Johanna, du hast keine Spur von Romantik in dir.«
»Das stimmt. Können wir weitergehen, während wir reden? Ich möchte wissen, ob der Himmel noch existiert.«
»Hast du gelesen, dass Sam Weaver seine erste Fernsehserie gedreht hat?«
»Eine Miniserie«, entgegnete Johanna, während sie den Korridor hinabgingen.
»Die Werbung bezeichnet es nicht als Miniserie, sondern als vierstündiges Filmerlebnis.«
»Ich liebe Hollywood«, verkündete Johanna mit einem Seufzer.
Bethany schmunzelte. »Jedenfalls habe ich mich daraufhin gleich mit seinem Agenten in Verbindung gesetzt. Der Film wird von unserem Sendenetz ausgestrahlt.«
Johanna öffnete die Studiotür und atmete tief die angenehm frische Luft ein. »Ich glaube, ich beginne zu verstehen.«
»Sein Agent war recht unbestimmt, aber …«
Johanna suchte in ihrer Tasche nach dem Wagenschlüssel. »Mir scheint, dieses ›aber‹ wird mir gefallen.«
»Ich habe gerade einen Anruf von oben erhalten. Sie wollen, dass er teilnimmt. Wir müssen die Sendungen eine Woche vor seinem Film ausstrahlen und ihm jeden Tag Zeit geben, um dafür zu werben. Unter diesen Bedingungen garantieren sie für seine Teilnahme.«
»Sam Weaver«, murmelte Johanna versonnen. Seine Anziehungskraft war nicht zu leugnen. Er war groß, schlank und auf eine markante Art gut aussehend, doch es steckte noch mehr dahinter. Eine Nebenrolle in einem Spielfilm vor fünf oder sechs Jahren hatte ihm als Sprungbrett gedient. Seitdem war er heiß begehrt und hochbezahlt. Höchstwahrscheinlich würde sich die Zusammenarbeit mit ihm als äußerst schwierig erweisen, aber womöglich war es der Mühe wert. Sie dachte an die Millionen von Fernsehgeräten im Land und die Einschaltquoten. Es war gewiss der Mühe wert. »Gute Arbeit, Beth. Sieh zu, dass wir es unter Dach und Fach bringen.«
»Das ist so gut wie erledigt«, versicherte Bethany. »Entlässt du mich, wenn ich ihm schöne Augen mache?«
»Auf jeden Fall.« Lächelnd stieg Johanna in ihren schnittigen kleinen Mercedes und startete den Motor. »Bis morgen früh.« Sie steuerte den Wagen aus der Parklücke. Sam Weaver, dachte sie, während sie das Radio einschaltete und der Wind ihr Haar zerzauste. Kein schlechter Fang, fand sie. Absolut kein schlechter Fang.
Sam fühlte sich wie ein Fisch an der Angel, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er ließ sich in einen der Polstersessel im Büro seines Agenten fallen, streckte die langen Beine aus und starrte auf seine Stiefelspitzen – mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht, das die Frauen so sehr liebten. »Gütiger Himmel, Marv! Eine Quizsendung! Warum sagst du mir nicht gleich, dass ich mich als Banane verkleiden und einen Werbespot drehen soll?«
Marvin Jablonski zerkaute eine kandierte Mandel – sein derzeitiger Ersatz für Zigaretten. Er gestand ein, dreiundvierzig und somit ein Jahrzehnt älter als sein Klient zu sein. Er war gepflegt und kleidete sich mit einem subtilen Flair, das von Wohlstand und Selbstvertrauen zeugte. Er hatte sich bereits genauso gekleidet, als sein Büro noch aus einer Aktentasche und einer Telefonzelle bestanden hatte. Er wusste, wie wichtig Illusionen in dieser Stadt waren. Und er wusste ebenso, dass es wichtig war, einen Klienten bei Laune zu halten, während er ihn manipulierte. »Ich habe doch geahnt, dass es zu viel verlangt ist, Aufgeschlossenheit von dir zu erwarten.«
Sam erkannte den verletzten Unterton in Marvs Stimme – der arme, sich aufopfernde Agent, der nur versuchte, seine Pflicht zu tun. Marv war keineswegs arm, und er hatte noch nie ein persönliches Opfer gebracht. Doch es funktionierte. Mit einem Seufzer stand Sam auf und schritt durch das prachtvolle Büro. »Ich habe meine Aufgeschlossenheit bewiesen, als ich mich zu der Talkshow bereit erklärt habe.«
Sams volltönender Bariton kündete von seiner Herkunft aus dem ländlichen Virginia, doch sein Ruf in Los Angeles entsprach nicht dem eines Landedelmannes. Seine langen Schritte ließen den Betrachter vermuten, dass er ein Mann war, der genau wusste, wohin er wollte.
Und so war es auch. Andernfalls hätte Marv als wählerischer und sehr erfolgreicher Theateragent den am Hungertuch nagenden jungen Schauspieler vor sechs Jahren niemals übernommen. Instinkt, pflegte er zu sagen, ist genauso wichtig wie ein kräftiges Frühstück. »Die Werbung gehört zum Geschäft, Sam.«
»Ja, und ich leiste meinen Beitrag. Aber eine Quizsendung? Wie könnte es die Einschaltquoten für ›Rosen‹ steigern, wenn ich errate, was sich hinter Tür Nummer drei befindet?«
»Bei ›Trivia‹ gibt es keine Türen.«
»Dem Himmel sei Dank.«
Marv ignorierte den Sarkasmus. Er war einer der wenigen in der Branche, der wusste, dass Sam mit Ausdrücken wie ›Verantwortung‹ und ›Pflicht‹ zu beeinflussen war. »Und es wird die Einschaltquoten steigern, weil Millionen von Menschen sich an fünf Tagen in der Woche das halbstündige Quiz ansehen. Die Leute lieben Spiele, Sam. Sie spielen gern, sie sehen gern zu, und sie mögen es, wenn andere etwas gewinnen. Ich könnte dir endlose Fakten und Zahlen vorlegen, aber das Entscheidende ist, dass überwiegend Frauen vor den Fernsehern sitzen.«
Marv lächelte, und sein graumelierter Schnurrbart verzog sich. »Frauen, Sam. Sie sind diejenigen, die den Löwenanteil der Produkte kaufen, für die unsere Sponsoren die Werbetrommel rühren. Und der Limonadenhersteller, der den wichtigsten Sponsor für ›Rosen‹ darstellt, kauft auch Zeit bei ›Trivia‹. Dem Sender gefällt es, wenn sozusagen alles in der Familie bleibt.«
»Nun gut.« Sam hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans. »Aber wir wissen beide, dass ich den Vertrag beim Fernsehen nicht angenommen habe, um Limonade zu verkaufen.«
Marv strich sich lächelnd mit einer Hand über das Haar. Sein neues Toupet war ein Kunstwerk. »Warum hast du den Vertrag angenommen?«
»Du weißt, warum. Das Drehbuch ist hervorragend. Wir brauchen vier Stunden Spielzeit dafür. In einem zweistündigen Kinofilm wäre es zerstückelt worden.«
»Du hast also das Fernsehen benutzt.« Marv legte die Finger aneinander, so als würde er eine Falle schließen. »Jetzt will das Fernsehen dich benutzen. Das ist nur fair, Sam.«
›Fair‹ war ein weiterer Ausdruck, für den Sam eine Schwäche hatte. Schweigend starrte er aus dem Bürofenster hinab auf die Stadt. Er war noch nicht lange genug erfolgreich, um die schlechten Zeiten vergessen zu haben. Marv war ein Risiko mit ihm eingegangen. Ein kalkuliertes Risiko, aber immerhin ein Risiko. Sam legte stets Wert darauf, seine Schulden zu begleichen. Aber er hasste es, sich zum Narren zu machen. »Ich mag keine Spiele«, murrte er. »Es sei denn, ich stelle die Regeln auf.«
»Meinst du damit die Politik beim Sender oder das Quiz?«
»Mir scheint, das eine ist nicht vom anderen zu trennen.«
Marv lächelte erneut. »Du bist ein kluger Junge, Sam.«
Sam wandte sich vom Fenster ab. Seine Augen blitzten. Die Ausdruckskraft dieser Augen hatte Marv unter anderem veranlasst, den völlig unbekannten Schauspieler unter Vertrag zu nehmen. Sie waren groß und blau. Stahlblau und intensiv.
Die kalifornische Sonne hatte Sams Haut tief gebräunt und seinem schmalen, markanten Gesicht feine Linien verliehen. Interessante Linien, die von Erfahrung kündeten. Sein Gesicht hatte etwas Geheimnisvolles an sich, das Frauen gefiel, und etwas Hartes, das Männern Anerkennung entlockte. Es war nicht für ein Poster im Zimmer eines Teenagers geeignet, aber es war ein Gesicht, das Frauen in ihren geheimsten Träumen verfolgte.
»Was für eine Wahl habe ich in der Angelegenheit?«, fragte Sam.
»So gut wie keine. Dein Vertrag mit dem Sender verpflichtet dich zu Arbeit in der Werbung. Wir könnten die Sache vielleicht umgehen, aber es wäre nicht gut für dich, für dieses und für künftige Projekte.«
»Wann?«
»Heute in zwei Wochen. Nimm es gelassen hin, Sam. Es ist nur ein Tag aus deinem Leben.«
»Ja.« Ein Tag, dachte er, kann nicht so viel ausmachen. Und er hatte nicht vergessen, dass er das Angebot für eine Quizsendung noch vor zehn Jahren wie ein Geschenk des Himmels angesehen hätte. Er ging zur Tür, drehte sich dort noch einmal um. »Marv? Wenn ich mich dabei zum Narren mache, dann schütte ich Kontaktkleber auf dein Haarteil.«
Es war seltsam, dass zwei Menschen, die im selben Gebäude zu tun hatten und oft sogar denselben Aufzug benutzten, sich niemals begegneten.
Sam fuhr nicht oft von Malibu zum Büro seines Agenten. Nun, da seine Karriere blühte, war er gewöhnlich mit Proben, Drehbuchbesprechungen oder Aufnahmen beschäftigt.
Und wenn er ein paar Wochen Drehpause hatte, so wie im Augenblick, dann verschwendete er seine Zeit nicht im Verkehrsgewühl von Los Angeles oder in geschlossenen Büroräumen. Er bevorzugte die Abgeschiedenheit seiner Ranch.
Johanna hingegen fuhr täglich in ihr Büro. Seit zwei Jahren hatte sie keinen Urlaub genommen, und sie arbeitete gewöhnlich sechzig Stunden in der Woche an ihrer Sendung. Dennoch hätte sie die Bezeichnung ›arbeitssüchtig‹ von sich gewiesen. Arbeit war für sie nicht eine Krankheit, sondern ein Mittel zum Zweck.
Ihr Erfolg rechtfertigte die langen Stunden und die Aufopferung. Niemand sollte ihr vorwerfen können, dass sie sich an Carl Pattersons Rockschöße hängte.
Die Büros der ›Trivia‹ waren behaglich, aber schlicht eingerichtet. Johanna erschien jeden Morgen pünktlich um halb neun Uhr, legte nur in Verbindung mit einer Geschäftsbesprechung eine Mittagspause ein und arbeitete ansonsten durch bis zum Feierabend. Abgesehen von ›Trivia‹ beschäftigte sie sich noch mit einem neuen Konzept. Es handelte sich um ein Wortspiel, das beinahe genug ausgereift war, um es dem Sender vorzustellen.
Nun hatte sie ihre Jacke über die Stuhllehne gehängt und die Nase in eine lange Aufstellung von Fragen gesteckt, die für künftige Sendungen zur Auswahl standen.
Sie musste den Text dicht vor die Augen halten, da sie sich weigerte, die benötigte Lesebrille zu tragen.
»Johanna?«
»Hm?«
Ohne aufzublicken, las Johanna weiter. »Wusstest du, dass Howdy Doody einen Zwillingsbruder hat?«
»So gut habe ich ihn nie kennengelernt«, entgegnete Bethany in entschuldigendem Ton.
»Der doppelte Doody«, verkündete Johanna mit einem bedächtigen Nicken. »Ich glaube, das ist eine gute Frage für die Geschwindigkeitsrunde. Hast du die heutige Sendung gesehen?«
»Zum größten Teil.«
»Ich finde, wir sollten wirklich versuchen, Hank Loman noch einmal zu bekommen. Helden von Familienserien sind eine große Attraktion.«
»Da wir gerade von Attraktionen reden …« Bethany legte einen Stapel Papiere auf Johannas Schreibtisch. »Hier ist der Vertrag für Sam Weaver. Ich dachte mir, du möchtest ihn dir vielleicht ansehen, bevor ich ihn zu seinem Agenten hinaufbringe.«
»Gut.« Sie zog den Vertrag zu sich heran und überflog ihn. »Wir sollten ihm auch eine Aufzeichnung der Show schicken.«
»Das übliche Obst für die Garderobe?«
»Ja. Ist die Kaffeemaschine repariert?«
»Soeben.«
»Gut.« Johanna warf einen Blick auf ihre schlichte Uhr mit dem schwarzen Lederarmband. Die diamantenbesetzte Uhr, die die Sekretärin ihres Vaters zum letzten Geburtstag für sie ausgesucht hatte, ruhte noch immer in der Schatulle. »Geh du nur zum Essen. Ich bringe den Vertrag selbst hinauf.«
»Johanna, du vergisst schon wieder zu delegieren.«
»Nein, ich delegiere nur mich.« Sie griff zur Fernbedienung auf dem Schreibtisch, schaltete den Fernseher ab und erhob sich. »Triffst du dich immer noch mit dem hungerleidenden Drehbuchautor?«
»Bei jeder Gelegenheit.«
Mit einem Lächeln schlüpfte Johanna in ihr blassrosa Jackett. »Dann beeil dich lieber. Heute Nachmittag müssen wir das Quiz für die Fernsehzuschauer besprechen.« Sie steckte den Vertrag und eine Kassette in eine Ledermappe. »Ach ja, und notiere bitte für mich, dass ich John Jay die Leviten lese. Er hat der Show wieder einmal eine Kiste Sekt in Rechnung gestellt.«
»Sehr gern.« Bethany schrieb es eifrig und in Großbuchstaben auf ihren Notizblock.
Schmunzelnd öffnete Johanna die Tür. »Die Frau von Randy – dem Techniker – liegt übrigens wegen eines kleinen Eingriffs im Krankenhaus – im Cedars of Lebanon. Schick ihr Blumen.« Sie blickte mit einem Grinsen über die Schulter zurück. »Wer sagt, dass ich nicht delegieren kann?«
Auf dem Weg zum Fahrstuhl lächelte sie zufrieden vor sich hin. Sie konnte von Glück sagen, dass sie Beth hatte. Zusammen mit ihren übrigen jungen, dynamischen Mitarbeitern stand sie im Begriff, sich ihren Platz in der konkurrenzreichen Welt des Fernsehens zu erobern.
Sie zweifelte nicht daran, dass sie ihr neues Projekt schon bald verkaufen konnte. Anschließend wollte sie ein Fernsehspiel produzieren, mit viel Herz und ebenso viel Handlung. Das Konzept stand bereits in groben Zügen fest. Außerdem war sie fest entschlossen, eine Abendausgabe von ›Trivia Alert‹ an mehrere unabhängige Sender zu verkaufen.
Sie war auf dem besten Weg, ihr Fünf-Jahres-Ziel zu erreichen und ihre eigene Produktionsgesellschaft zu gründen.
Während sie mit dem Aufzug hinauffuhr, strich Johanna sich automatisch über das Haar und zupfte das Jackett zurecht. Sie wusste, dass die äußere Erscheinung genauso wichtig war wie Talent.
Als sie den Fahrstuhl verließ, sah sie gepflegt und geschäftsmäßig aus. Sie trat durch die breite Glastür in Jablonskis Büro. Er hielt offensichtlich nichts von Schlichtheit. Riesige, leuchtend rote Vasen waren mit bunten Federn und Fächern gefüllt. Die Skulptur eines menschlichen Torsos glänzte in poliertem Messing. Der Teppich war strahlend weiß und musste äußerst schwer zu reinigen sein.
Breite Sessel in schwarzem und rotem Leder gruppierten sich um Glastische, Modemagazine und Tageszeitungen lagen stapelweise herum. Johanna schloss daraus, dass Jablonski sich nicht scheute, seine Kunden warten zu lassen.
Die Schreibtische waren ebenfalls in Rot und Schwarz gehalten. An einem saß eine attraktive Brünette, und auf der Kante hockte Sam Weaver und beugte sich dicht zu ihr vor.
Es überraschte Johanna keineswegs, dass er mit einer der Angestellten flirtete. Sie erwartete nichts anderes von ihm und seinesgleichen. Schließlich hatte ihr Vater eine Affäre mit jeder Sekretärin, Empfangsdame und Assistentin angefangen, die je für ihn gearbeitet hatte. Und auch er war ein großer, dunkler, gut aussehender Typ.
Die einzige Überraschung an Sam Weaver war für sie, dass er in Wirklichkeit noch besser aussah als auf dem Bildschirm. Die engen Jeans standen ihm gut, ebenso wie das schlichte Baumwollhemd. Kein Gold glänzte, keine Diamanten funkelten. Ein Mann, der so ausdrucksvoller Blicke fähig war, wie er sie gerade der Brünetten schenkte, brauchte keine Schmuckstücke, um Aufmerksamkeit zu erregen.
»Sie ist wundervoll, Gloria.« Sam beugte sich näher zu den Schnappschüssen, die die Empfangsdame ihm zeigte. Aus Johannas Blickwinkel sah es so aus, als flüsterte er ihr Liebkosungen zu. »Du kannst dich glücklich schätzen.«
»Sie ist heute sechs Monate alt geworden.« Gloria lächelte das Foto von ihrer Tochter und dann Sam an. »Ich hatte Glück, dass Mr. Jablonski mir einen so großzügigen Mutterschaftsurlaub gegeben hat, und es ist schön, wieder zu arbeiten, aber ich vermisse sie jetzt.«
»Sie sieht genau wie du aus.«
Glorias Gesicht leuchtete vor Stolz und Freude. »Findest du?«
»Natürlich. Sieh dir doch nur einmal das Kinn an.« Sam tippte mit einem Finger an Glorias Kinn. Er gab sich nicht nur freundschaftlich und interessiert. Nein, er mochte Kinder wirklich gern, schon immer. »Ich wette, sie hält dich ganz schön in Atem.«
»Du kannst dir gar nicht vorstellen …« Gloria blickte zufällig auf und gewahrte Johanna. Verlegen schob sie die Fotos zurück in die Schublade. Mr. Jablonski hatte sich sehr großzügig und verständnisvoll gezeigt, aber sie bezweifelte, dass er es gutheißen würde, wenn sie ihren ersten Arbeitstag mit Schwärmereien über ihre Tochter verbrachte. »Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«
Johanna nickte knapp und durchquerte den Raum. Sam drehte sich auf der Schreibtischkante um und blickte ihr entgegen. Ihm stockte zwar nicht der Atem, aber es fehlte nicht viel daran.
Sie war wundervoll. Er war nicht immun gegen Schönheit, obwohl er oft davon umgeben wurde. Auf den ersten Blick wirkte sie wie eines der schlanken, langbeinigen Girls, die überall an den Stränden Kaliforniens und auf glänzenden Postern zu sehen waren. Das zarte Goldbraun ihrer Haut hob sich wirkungsvoll von ihren rotblonden Haaren ab, die in weichen Locken ihr Gesicht umrahmten. Ihr Gesicht war oval, und die klassische Form wurde durch hohe Wangenknochen und volle Lippen unterstrichen. Ihre Augen, zartrosa umschattet, hatten die gleiche Farbe wie ihre Haar. Sie wirkte sexy, auf eine subtile Art. Auch das kannte er an Frauen. Vielleicht lag es an ihrem Gang, an ihrer Haltung in dem langen, losen Jackett und dem engen Rock, dass sie ihm wie etwas Besonderes erschien. Sogar ihre schmalen, kleinen Füße fielen ihm auf, ebenso wie die weißen, halbhohen Schuhe, in denen sie steckten.
Sie würdigte ihn keines Blickes, und er war froh darüber. Es gab ihm Gelegenheit, sie unverhohlen zu mustern und ihren Anblick zu genießen, bevor sie ihn erkannte und den Augenblick verdarb.
»Ich habe etwas für Mr. Jablonski abzugeben.«
Sogar ihre Stimme ist vollkommen, dachte Sam. Sanft, weich, mit einem Anflug von Kühle.
Gloria lächelte hilfsbereit. »Ich nehme es gern entgegen.«
Johanna öffnete ihre Ledermappe und nahm den Vertrag sowie die Kassette heraus. Sie blickte Sam noch immer nicht an, obgleich sie sich seiner Musterung sehr bewusst war. »Das ist der Weaver-Vertrag und eine Aufzeichnung von ›Trivia Alert‹.«
»Tja, also …«
»Warum bringst du es ihm nicht hinein, Gloria?«, unterbrach Sam sie eilig. »Ich warte auf dich.«
Gloria setzte zu einer Entgegnung an, räusperte sich dann und stand auf. »Na gut. Ich bin gleich wieder zurück«, sagte sie zu Johanna und eilte den Korridor entlang.
»Arbeiten Sie für die Show?«, fragte Sam.
»Ja.« Johanna bedachte ihn mit einem vagen, bewusst desinteressierten Lächeln. »Sind Sie ein Fan, Mr. …?«
Anscheinend erkannte sie ihn nicht. Sam war einen Augenblick lang überrascht und betroffen. Doch dann amüsierte es ihn, und er grinste. »Nennen Sie mich Sam.« Er reichte ihr die Hand.
»Johanna«, teilte sie ihm mit, um nicht unhöflich zu wirken, und akzeptierte den Händedruck. Bei seiner gelassenen Reaktion kam sie sich kleinlich vor. Sie stand bereits im Begriff, die Angelegenheit aufzuklären, als ihr bewusst wurde, dass er noch immer ihre Hand hielt. Seine war hart und stark. Wie sein Gesicht. Wie seine Stimme. Es war ihre rasche, heftige Reaktion darauf, die sie veranlasste, sich weiterhin zu verstellen. »Arbeiten Sie für Mr. Jablonski?«
Sam grinste erneut. Es war ein verwegenes Grinsen, das eine Frau warnte, ihm nicht zu vertrauen. »Gewissermaßen. Was tun Sie bei der Show?«
»Ein bisschen dies, ein bisschen das«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Aber ich will Sie nicht aufhalten.«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie es täten.« Er gab ihre Hand frei, weil sie daran zog. »Möchten Sie mit mir zu Mittag essen?«
Johanna zog spöttisch eine Augenbraue hoch. Gerade eben hatte er mit der Brünetten geflirtet, und nun lud er die erstbeste Frau zum Essen ein. Typisch! »Tut mir leid. Ich bin ausgebucht.«
»Für wie lange?«
»Lange genug.« Sie blickte an ihm vorbei zur Rezeptionistin, die gerade zurückkehrte.
»Mr. Jablonski wird den Vertrag bis morgen Nachmittag unterschrieben an Miss Patterson zurückschicken.«
»Danke«, sagte Johanna und wandte sich zum Gehen.
Sam legte eine Hand auf ihren Arm und wartete, bis sie sich zu ihm umdrehte. »Bis bald.«
Sie lächelte ihn an, wiederum betont desinteressiert, und ging davon.
Er blickte ihr nach, bis sie um die Ecke verschwunden war. »Weißt du, Gloria«, sagte er halb zu sich selbst, »ich glaube, mir wird dieses Spiel doch noch gefallen.«
2. KAPITEL
Am Tag der Aufnahmen erschien Johanna stets um neun Uhr im Studio. Das bedeutete nicht, dass sie ihren Mitarbeitern nicht traute. Sie traute sich selbst nur mehr. Außerdem waren in der vergangenen Woche Probleme mit der Drehbühne aufgetreten. Derartige Zwischenfälle konnten die Aufnahmen erheblich verzögern. Indem sie vorher alles überprüfte, verminderte sich das Risiko.
Die Kandidaten sollten erst um ein Uhr eintreffen, doch Johanna wusste aus Erfahrung, dass die meisten wesentlich früher kamen, um dann vor Nervosität an den Nägeln zu kauen. Sie zu beruhigen war eine Aufgabe, die sie gern anderen übertrug.
John Jay traf gewöhnlich um zwei Uhr ein und beschwerte sich sogleich über die Anzüge, die für ihn ausgewählt worden waren. Dann schloss er sich in seiner Garderobe ein und schmollte, bis er zum Maskenbildner gerufen wurde. Johanna hatte gelernt, sein künstlerisches Temperament zu ignorieren. Es bestand kein Zweifel an seiner Beliebtheit, und es war hauptsächlich ihm zu verdanken, dass die Leute vor dem Studio Schlange standen, um Eintrittskarten zu ergattern.
Die Aufnahmen sollten um drei Uhr beginnen, und wenn alles gut ablief, würden sie um acht Uhr beendet sein. Zum Glück hatte der weibliche Ehrengast schon mehrere Male bei ›Trivia Alert‹ sowie anderen Quizsendungen mitgewirkt. Das bedeutete eine Sorge weniger für Johanna.
An Sam Weaver verschwendete sie keinerlei Gedanken. Zumindest redete sie es sich ein. Sie beabsichtigte, ihn und seine Gefolgschaft an Bethany zu übergeben, sobald er eintraf. Damit bereitete sie ihrer Assistentin eine Freude und hielt sich das Geschenk des Himmels an die Frauen vom Halse.
Sie hoffte nur, dass er das Quiz bewältigte. Die Fragen waren überwiegend witzig, aber nicht immer leicht zu beantworten. Sie sorgte prinzipiell für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einfachen, spaßigen und kniffligen Fragen. Es war nicht ihre Schuld, wenn Sam Weaver sich als Hohlkopf erweisen sollte. Und er brauchte nur zu lächeln, damit die Zuschauer ihm mögliche Bildungslücken verziehen.
Johanna erinnerte sich, wie er sie in Jablonskis Büro angelächelt hatte. Ja, mehr brauchte es nicht, um jede Frau zu Hause am Bildschirm und im Studio dahinschmelzen zu lassen – abgesehen von ihr selbst, natürlich.
»Überprüfe die Glocke«, wies sie ihren Tontechniker an. Das helle, fröhliche Klingeln der Gewinnerglocke erklang. »Und jetzt den Summer.« Das dumpfe Dröhnen der Verlierersirene ertönte. »Schalte die Lichter auf der Drehbühne ein.« Sie nickte zufrieden, als die Scheinwerfer aufflammten. »Wie steht es mit den Kandidaten?«
Bethany warf einen Blick auf ihr Klemmbrett. »Der Wirtschaftsprüfer aus Venice von letzter Woche ist wieder da. Er ist dreifacher Gewinner. Die erste Herausforderin ist eine Hausfrau aus Ohio. Sie ist schrecklich nervös.«
»Hilf Dottie bitte, sie zu beruhigen. Ich schaue inzwischen noch einmal in die Garderoben«, erwiderte Johanna und eilte den Korridor entlang.
Der weibliche Ehrengast, Marsha Tuckett, war eine freundliche, mütterliche Frau, die im dritten Jahr in einer Familienserie mitwirkte. Ein netter Kontrast zu Sam Weaver, dachte Johanna. Sie überzeugte sich, dass frische Rosen auf dem Schminktisch standen und genügend Erfrischungsgetränke auf Eis lagen. Zufrieden mit der Ausstattung ging sie über den schmalen Flur zum nächsten Raum.
Da sie Rosen als unangemessen für Sam Weavers Garderobe betrachtete, hatte sie sich für einen üppigen Farn entschieden. Routinemäßig prüfte sie die Lichter, schüttelte die Kissen auf dem Sofa und überzeugte sich, dass ausreichend frische Handtücher vorhanden waren. Ein letzter kritischer Blick bestätigte ihr, dass nichts auszusetzen war. Unbekümmert nahm sie ein Pfefferminz aus der Schale auf dem Tisch, steckte es sich in den Mund und drehte sich um.
Er stand im Türrahmen. »Hallo.« Er hatte längst beschlossen, sie irgendwie wiederzufinden, aber er hatte nicht erwartet, dass es ihm so bald gelingen würde. Er betrat den Raum und legte einen Kleiderbeutel über einen Stuhl.
Johanna schob das Bonbon in einen Mundwinkel. Die Garderobe war klein, aber sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so gefangen darin gefühlt zu haben. »Hallo, Mr. Weaver.« Sie legte ein dienstbeflissenes Lächeln auf und reichte ihm die Hand.
»Sie sollen mich doch Sam nennen. Erinnern Sie sich nicht?« Er nahm ihre Hand und trat gerade nahe genug, dass sie sich unbehaglich fühlte.
»Natürlich, Sam. Wir sind entzückt, dass Sie kommen konnten. Falls Sie etwas brauchen, dann lassen Sie es mich oder einen meiner Mitarbeiter wissen.« Erstaunt blickte sie an ihm vorbei. »Sind Sie allein?«
»Hätte ich jemanden mitbringen sollen?«
»Nein.« Wo war nur seine Sekretärin, seine derzeitige Geliebte?
»Nach meinen Instruktionen brauche ich nur fünf Garderobenwechsel. Zwanglos. Kann ich so anfangen?«
Sie musterte den marineblauen Pullover und die lohfarbene Hose. »Sie sehen gut aus.«