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Suggestiv, psychologisch dicht und voller Spannung
Ellen ist siebenunddreißig und schwanger, als sie kurz entschlossen das leer stehende Haus ihrer Eltern kauft. Damit tastet sie sich zum ersten Mal an die Bruchstücke ihrer schmerzhaften Kindheitserinnerungen heran. Anhand eines Fotoalbums versucht sie zu verstehen, wie der so glückliche Familienalltag in einer Tragödie enden konnte. Drei Geschwister und Ellens Eltern wurden dabei getötet. Warum hat gerade sie überlebt? Und kann es hinter der tiefen Trauer und Verzweiflung irgendwann eine Form von Vergebung geben?
Suggestiv, psychologisch dicht und voller Spannung erzählt Renate Dorrestein von einer Frau, die nach langer Zeit die Kraft findet, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen.
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Seitenzahl: 310
Veröffentlichungsjahr: 2013
Für Hilde
Heiß mich, heiß mich, sprich mich an, oh, heiß mich, wie nur ich heißen kann
NEELTJE MARIA MIN »Meine Mutter hat meinen Namen vergessen«
Wir waren schon vier Kinder, als in einer ungewöhnlich kalten Sommernacht Ida geboren wurde. Der fast volle Mond schien so hell, dass wir um zwei Uhr noch die Sommersprossen auf unseren Nasen zählen konnten. Fest entschlossen, wach zu bleiben, bis wir den ersten Schrei des neuen Babys hörten, hatten wir uns im Mansardenzimmer mit Chips und Cola eingedeckt und unsere wärmsten Flanellpyjamas angezogen.
Ich hatte es mir mit einem Stapel Kissen bei Kester auf dem Bett bequem gemacht. Um die Zeit totzuschlagen, lasen er und ich gemeinsam einen Batman-Comic. Wenn ich umblättern sollte, gab er mir einen sanften Rippenstoß. Unsere Schwester Billie saß auf ihrem Stammplatz vor dem Spiegel, der neben dem Kleiderschrank hing, und schnitt mit einer Nagelschere konzentriert die gespaltenen Spitzen aus ihren langen schwarzen Haaren. Und Carlos stand vor Aufregung in seinem Gitterbett und sang, schlaftrunken, mit über der runtergerutschten Schlafwindel vorgewölbtem Bäuchlein. Wir nannten ihn Carlos, weil er als Baby haargenau so ausgesehen hatte wie Prinz Charles, diese Bohnenstange aus England.
Es war gegen Ende der Sommerferien, das weiß ich noch genau. Jeden Abend hatte man dicke, hartnäckige Zecken zwischen den Zehen, die man, wie Billie sagte, gegen den Uhrzeigersinn rausdrehen musste, weil man sonst die Lyme-Krankheit bekam. Wir hatten an dem Tag Heidelbeeren gepflückt, unsere Zähne waren noch ganz blau davon. Nur Kester hatte seine geputzt. Mein Bruder kämpfte nämlich gerade verbissen gegen den Schmutz der Welt. Er wusch sich jeden Tag die Achseln und das Gesicht, hörte aber trotzdem nicht auf zu stinken und sah immer aus wie eine schmuddelige alte Zeitung. Um ihm zu zeigen, dass mir das nichts ausmachte, schmiegte ich mich beim Lesen hin und wieder ein wenig an ihn.
Er saß im Schneidersitz auf seiner roten Tagesdecke, die Füße unter den Beinen versteckt. Seit kurzem hatte er nämlich borstige schwarze Haare auf den Zehen, für die er sich zu Tode schämte. Er wartete nicht ab, wie Batman ausging, sondern schnappte sich Billies Feile vom Fußboden und stocherte damit unter seinen Fingernägeln herum.
Unsere vier Betten standen jeweils an einer Wand. So hatte jeder sein eigenes Hoheitsgebiet. Manchmal, wenn es Streit gab, zogen wir mit Kreide Striche auf dem Holzfußboden, um unser Terrain abzustecken, oder wir legten einander irgendwas Ekliges, Schwabbliges aus dem Teich unter die Bettdecke.
»Ob es noch lange dauert?«, sagte Billie und setzte sich neben mich.
Kester bog die Feile mit dem Daumen zu sich runter und ließ sie mit einem Surren in ihre Richtung hochschnellen. »Müssen wir kein Wasser heiß machen?«
»Wir sind hier doch nicht auf High Chaparral«, entgegnete meine Schwester und kratzte sich gelangweilt an der Wade.
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