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Würdest du dir selbst eine zweite Chance geben? Alexandra Marquardt, Inhaberin einer Werbeagentur in Hamburg, steht mit dem Rücken zur Wand. Weil ihre belastende Vergangenheit sie längst eingeholt hat, droht sie daran zu zerbrechen und damit auch ihre Freundschaft zu ihrer innig Vertrauten Emilia. Auch Marvin, Alexandras langjähriger Mitarbeiter und bester Freund, scheint ihren inneren Konflikt und ihre Tablettensucht nur noch zu verstärken. Und dann taucht auch noch ihre Mutter unerwartet auf. Wird sie diejenige sein, die Marvin das gutgehütete Geheimnis beichtet und alles aufs Spiel setzt?
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Seitenzahl: 263
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Kerstin King
Jahrgang 1978, hat sich 2017 einen Traum erfüllt und ihren Debütroman Sommersprossen im Winter veröffentlicht. Wenn sie nicht schreibt, arbeitet sie in einer großen Leasinggesellschaft in Stuttgart. Sie lebt mit ihrem Mann in einem kleinen Ort in der Vorderpfalz und verbringt ihre Freizeit am liebsten in Wyk auf Föhr. Weitere Informationen zur Autorin finden Sie unter:www.kerstinking.de
ZEIT, sollte man nutzen, denn sie verfliegt und kommt nicht mehr zurück. Verfasser unbekannt
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Emilia
Alexandra
Ich stehe an der Reling zur Elbe, schließe meine Augen, atme die frische Nordseeluft ein und lausche dem Möwengeschrei.
Erst jetzt wird es mir so richtig bewusst, wie sehr ich Hamburg vermisst habe. Meine langen, braunen Haare wehen leicht im Wind, bis ich mich entscheide, sie zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden.
Fast ein Jahr habe ich wegen meines Studiums in München verbracht. Ich bin zwar zwischendurch mal hier gewesen, aber immer nur für ein Wochenende. Vor einigen Jahren hatte ich bereits mit meinem Marketingstudium angefangen, musste aber abbrechen. Mein Freund Tom und meine Lebensumstände hatten mich dazu gezwungen einen Job nach dem anderen anzunehmen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Bis zu dem Tag, an dem Marvin, ein Bekannter meiner Mutter, mich der Inhaberin der Werbeagentur Maxfield vorgestellt hat: Alexandra Marquardt. Heute ist sie meine beste Freundin, meine Seelenverwandte. Trotz des Altersunterschiedes von 17 Jahren. Ihr habe ich zu verdanken, wo ich heute stehe. An der Reling zur Elbe, mit einem fast abgeschlossenen Marketingstudium, ohne Zukunftssorgen. Ja, ich gebe es ehrlich zu. Sie finanziert mein Leben und ich bin ihr so dankbar dafür, dass ich jeden Tag versuche, ihr etwas davon zurückzugeben.
Sie hat mir ihr größtes Geheimnis anvertraut. Die Abtreibung vor einigen Jahren. Ich habe daher immer das Gefühl, dass sie in mir eine Ersatztochter sieht und sie nicht anders kann, als mich zu verwöhnen. Wer Alexandra kennt, weiß, dass sie ein harter Brocken sein kann, aber genau das macht sie aus.
Mein Gedankenkarussell stoppt, als ich die Hinterlassenschaft einer Möwe auf meiner linken Schulter bemerke. Ich schaue gen Himmel und schmunzele. Das kann nur Glück bringen!
Mit meinem Gepäck in der Hand laufe ich an der Elbe entlang, Richtung Werbeagentur. Diesmal bleibe ich die gesamten Semesterferien. Es ist Sommer und ich kann endlich mal wieder Zeit mit Alexandra verbringen und ihr vielleicht auch bei der Arbeit unter die Arme greifen. Vorausgesetzt, sie lässt mich. Darin ist sie nämlich sehr eigen. Marvin, der auch in der Agentur arbeitet und ihr bester Freund ist, macht sich so seine Gedanken, ob Alexandra dieses Pensum noch länger durchhält.
Ich halte kurz inne, weil mein Handy eine SMS erhalten hat:
Anja:
Hey Emilia, bist du schon in HH??
LG Anja
Na klar, was meinst du denn,
warum die Sonne scheint??
Die habe ich von München mitgebracht.
Bin schon kurz vor der Agentur. Bis gleiiiiich
Anja:
O, super, ich freu mich. Dann kannst du auch gleich Frau Marquardt zurückpfeifen. Die ist heute wieder unausstehlich …
LG Anja
Mach ich, bis gleich.
Na, die wird Augen machen, wenn ich plötzlich in ihrem Büro stehe. Alexandra weiß nämlich nicht, dass ich heute schon komme. Sie wollte mich in München abholen. So, wie sie immer alles alleine durchzieht. Aber diesmal überrasche ich sie einfach und nehme mal selbst die Zügel in die Hand. Vermutlich wird sie sowieso in irgendwelchen Mammutbesprechungen festsitzen.
Aber bevor ich in den Käfig des Löwen steige, mache ich noch einen kurzen Abstecher zum Fischbrötchenpavillon.
Das schöne Wetter lockt viele Menschen ans Wasser und zu allem Übel auch an den Pavillon. Auf zwanzig hungrige Mäuler bin ich während des Wartens in der Schlange gekommen. Leider vor mir und nicht hinter mir.
Mein Blick schweift über die Elbe. Das Glitzern des Wassers ist immer eine Augenweide. Alexandra liebt es auch so.
Ich überlege gerade, ob ich mir das wirklich antun soll, abzuwarten, bis ich an der Reihe bin oder nicht doch lieber direkt in die Agentur gehe.
»Emilia! Emilia!«
Neugierig drehe ich mich nach den Rufen um und erstarre. Susan. Susan Hauck. Ihre roten Haare sind auch in der größten Menschenmenge nicht zu übersehen.
Sie ist diejenige, die vor zwei Jahren Alexandra den Mann ausgespannt hat. In der Agentur hat sie vor einiger Zeit gekündigt. Sie konnte mit Alexandra nicht mehr unter einem Dach arbeiten. Naja, wenn man mich fragt, dann ist nicht sie die Leidtragende gewesen. Ich mag sie nicht. Und nachdem auch ich schlechte Erfahrung mit Alexandras Mann gemacht habe, könnte man durchaus nachvollziehen, wenn sich Susan schon wieder getrennt hätte.
»Moin, Emilia! Du wieder in Hamburg? Wie geht es dir? Gut siehst du aus. Irgendwie verändert.« Sie mustert mich von oben bis unten.
»Hey, Susan. Was für eine Überraschung!«, versuche ich so freundlich wie möglich zu reagieren. Dass ich anderes denke, sieht man mir vermutlich kilometerweit an.
Sie steht an ihrer Bluse zupfend vor mir und macht einen etwas nervösen Eindruck. Ihre Klamotten scheinen aus einem Secondhandladen zu sein und das rote Leder ihrer Schuhe sieht auch sehr abgewetzt aus. So gut wie bei Alexandra wird sie vermutlich nicht mehr verdienen. Früher hat sie sich aufgeführt, als wäre sie die Chefin von Maxfield.
»Und? Lass mal hören! Wie schmeckt dir das teure Leben, das du Dank deiner Gönnerin führen kannst?«
Ich runzele die Stirn und mache einen Schmollmund. Warum muss sie immer darauf rumreiten? Sie hinterlässt den Anschein, als wäre sie neidisch auf mich. Aber ich wäre nicht die beste Freundin von Alexandra, wenn ich mich nicht aus so einer Lage befreien könnte. Stolz und mit vorgezogenem Kinn fahre ich meine Krallen aus. »Ja, Susan. Ich kann wirklich nicht klagen. Alexandra finanziert mir mein Marketingstudium und die Wohnung in München. Ich wohne aber nicht in einer WG, sondern habe ein Loft in der Münchener City bezogen, ganz nah an der Uni. So oft ich will, kann ich nach Hamburg kommen und es mir gutgehen lassen. Ich darf Alexandras Lieblingsspielzeug, ihren Audi RS 5, fahren, der richtig Druck kriegt, wenn man Vollgas gibt.« Susan steht mit offenem Mund vor mir, als hätte sie etwas ganz anderes erwartet.
Weil es mir solch einen Spaß macht, weiterhin in ihr blödes Gesicht zu gucken, fahre ich mit meinen Ausführungen fort.
»Und da ist ja auch noch die Penthouse Wohnung in der HafenCity, die ich mit Alexandra bewohne. Frauen-WG. Ist eine tolle Sache. Kann ich dir nur ans Herz legen.« Susan wendet den Blick von mir ab, so als würde sie verzweifelt in der Menschenmenge nach einem neuen Opfer suchen.
»Ist Robert eigentlich immer noch arbeitslos? Vielleicht suchst du dir auch so eine Freundin wie Alexandra. Weißt du, was ich meine?« Ich kann mir ein Grinsen nur schwer verkneifen. Also versuche ich Haltung zu bewahren und harre der Dinge, die da kommen. Oder auch nicht. Susan sagt gar nichts mehr, wendet sich von mir ab und läuft mit großen Schritten davon.
Ich schnaufe aus und merke, wie ich am ganzen Körper zittere. So locker wie Alexandra mit solchen Themen umgeht, geht es bei mir dann doch nicht. Dass ich ausgerechnet Susan über den Weg laufen muss!
Irgendwie verspüre ich nach diesem Zusammentreffen überhaupt keine Lust mehr auf ein Fischbrötchen. Ich trete aus der Warteschlange heraus und gehe ein paar Schritte zur Elbe. Mein Gesicht strecke ich in die Sonne, bis mein Handy mich zurückholt.
Anja:
Hey, wo bleibt du denn? Hast du dich verlaufen???
LG Anja
Ne, ich komm schon.
Keine zehn Minuten später stehe ich vor der Agentur. Es ist ein imposanter Bau. Ganze zwanzig Stufen muss man erklimmen, bis man an der Eingangstür ankommt. Die Drehtür ist mit Gepäck nicht ganz einfach zu betreten. Ich versuche mich ganz dünn zu machen, wenn das überhaupt noch möglich ist und schlängle mich durch. Leider ist von der anderen Seite der Zustellkurier in die Drehtür gelaufen, der solch einen Schwung reingebracht hat, dass ein Ausstieg nicht möglich ist und ich noch einmal im Kreis laufen muss.
Puh, das war ganz schön knapp. Noch mehr Schwung und ich wäre an der Glasscheibe geendet.
Mein Weg führt mich direkt zum Fahrstuhl, am Empfang vorbei und an unzähligen Menschen, die mal wieder durch Maxfield die Werbekampagne des Jahres starten wollen. Ich hasse diesen Trubel. Mehrmals drücke ich die Taste am Fahrstuhl. Nervös und voller Spannung, endlich Alexandra wieder zu sehen, erwarte ich, dass sich jetzt in diesem Augenblick die Fahrstuhltür öffnet. Natürlich passiert nichts. Ich schaue mich etwas um und fange leise an zu pfeifen.
**PLING**
Die Tür öffnet sich und Anja tritt heraus. »Hey, Emilia! Da bist du ja endlich!« Wir umarmen uns und sie streicht mir über den Rücken. Unsere Freundschaft ist während meines Studiums gewachsen. Wir haben regelmäßig Kontakt und einmal hat sie mich sogar in München besucht. Ich mag sie. Leider gibt es nicht mehr allzu viele Menschen, die einen noch beeindrucken können.
»Sag mal, hast du den Eingang verfehlt oder warum hat das jetzt solange gedauert?« Grinsend und mit aufgerissenen Augen steht sie vor mir.
»Ha, ha, natürlich nicht! Ich bin aufgehalten worden. Und du errätst nicht, von wem.«
»Na, von Frau Marquardt bestimmt nicht. Die tobt hier im Haus rum!«, reagiert Anja genervt.
Auf dem Parkplatz stehen unzählige schwarze Limousinen der unterschiedlichsten Marken. Audi, BMW, Mercedes, Jaguar, Porsche. Und einer scheint mir teurer zu sein als der andere. Nicht zu vergessen, Alexandras Audi, der auf seinem angestammten Parkplatz steht. Nach dem Auflauf auf dem Parkplatz zu schließen, stehen heute wieder einige Meetings auf dem Programm und Alexandra wird vermutlich keine Zeit finden mal durchzuschnaufen. Marvin hat ganz recht, wenn er sagt, dass er sich Gedanken um sie macht. Ich habe auch Angst. Angst, dass sie eines Tages unter den Lasten zusammenbricht. Das geht schon viel zu lange gut. Zumindest wenn man sich die Geschichte mit den Schlaftabletten und dem Alkohol schönredet. Da war es Marvin, der sie in letzter Sekunde gerettet hat.
Ich erschrecke, als Anja direkt vor meinen Augen mit ihren Fingern schnippt. »Hey, bist du am Träumen? Wen hast du denn jetzt getroffen?«
»O, entschuldige bitte! Ich habe gerade an Alexandra denken müssen«, gebe ich kleinlaut zu.
»Das ist das Stichwort, aber zuerst möchte ich wissen, wen du so geheimnisvolles getroffen hast. Hm?«
Wir steigen zusammen in den Fahrstuhl und fahren in den vierten Stock. Allein schon der Fahrstuhl hat mich damals schwer beeindruckt. Komplett aus Glas. Ein schwarzer Schriftzug mit dem Namen Maxfield ziert die Glasfronten, ein roter Teppichboden mit goldenen Punkten und ein imposanter Glaslüster. Der pure Wahnsinn.
**PLING**
Im vierten Stock angekommen, schaue ich den Flur entlang. Auch hier findet man feinsten, roten Teppichboden mit Goldpunkten vor. An den Wänden sind kleine Kristallleuchten angebracht. In diesem Licht schimmern die Goldpunkte sogar noch mehr. Vor dem Fahrstuhl steht eine schweineteure schwarze Ledercouch, die zum Verweilen einlädt.
Alles so, wie es war. Bei diesem Anblick erscheinen viele Bilder aus vergangenen Zeiten, schöne und nicht so schöne.
»Hallo?? Erde an Emilia?«, sucht sie meinen Blick. »Muss ich mir Sorgen machen? Du bist so abwesend.«
»Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Bei mir kommen nur gerade ein paar Erinnerungen hoch. Also – ich habe vorhin am Fischpavillon Susan getroffen. Susan Hauck!«
»Nee, ne? Wir geht`s ihr denn? Ist sie noch mit dem Ex von Frau Marquardt zusammen?«
»Weiß ich nicht. Sie sah allerdings nicht sehr berauschend aus. Zumindest nicht so, wie wir sie kennen. Aber du, lass uns später noch quatschen. Ich will jetzt erstmal zu Alexandra. Was ist denn eigentlich vorgefallen, weil du vorhin gesagt hast, dass ich sie zurückpfeifen soll?«
Mittlerweile vor Anjas Bürotür angekommen, hinterlässt sie den Anschein, als wolle sie sich jetzt doch nicht mehr dazu äußern.
Anja versucht mir in schnellen Sätzen zu erklären, dass Alexandra im gestrigen Meeting ausgeflippt ist. Ein festzugesagter Werbeauftrag für Claasen ist nicht rechtzeitig fertiggestellt worden.
»Und da wundert ihr euch, dass sie ausflippt? Das könnt ihr doch nicht machen! Claasen ist einer der wichtigsten Kunden und, soweit ich weiß, auch sehr schwierig.«
Anja hat für meine Reaktion offenbar überhaupt kein Verständnis und zieht die Mundwinkel nach unten.
»Das hätte ich mir ja denken können, dass du wieder auf ihrer Seite stehst. Die ist fünf Arbeitstage vor Abgabe mit diesem Projekt um die Ecke geschossen gekommen. Und es ist ja nicht gerade so, dass wir Langeweile hätten. Der Platz von Susan wurde ja schließlich erst vor kurzem wieder besetzt und diese Person hat so überhaupt keine Ahnung, was sie hier tut.« Anja steht der Ärger ins Gesicht geschrieben. Vermutlich war es tatsächlich wieder so ein Schnellschuss von Alexandra. Viele sind ihrem strammen Pensum nicht gewachsen.
»Ok, ich rede mit ihr. Ich versuch`s. Aber du weißt ja, dass sie bei solchen Themen auch oft bei mir die Tür zuschlägt. Ich sag dir Bescheid. Aber jetzt muss ich wirklich weiter. Bis später, Anja.« Wir lösen uns aus der Umarmung und ich gehe ein paar Türen weiter, zum Vorzimmer. Dort klopfe ich vorsichtig an und trete ein.
Frau Cooper, die treue Seele und Alexandras Sekretärin sitzt vertieft an ihrem Schreibtisch. Sie sieht erschöpft aus und man kann inzwischen deutlich erkennen, dass die vielen Arbeitsjahre nicht spurlos an ihr vorrübergegangen sind. Als ich auf sie zugehe, wandert ihr Blick über die Brille und sie richtet ihren Oberkörper auf. »Emilia! Wie schön! Auch wieder in Hamburg?« Freudestrahlend springt sie von ihrem Stuhl auf und umarmt mich herzlich.
»Ja, ich bin die ganzen Semesterferien hier und versuche mich in der Agentur etwas einzubringen. Soweit ich kann. Ich bin ja schließlich vom Fach«, grinse ich sie an. Sie nickt und schmunzelt etwas verlegen.
Mein Blick wandert nach links zur Tür von Alexandras Büro. »Ist sie da? Kann ich rein?«, frage ich aufgeregt nach. Zwei Monate ist es her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Wir telefonieren zwar täglich, aber das ist ja nicht dasselbe.
»O nein, Emilia. Das ist jetzt ganz schlecht. Frau Marquardt ist seit drei Stunden in einem Meeting und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Herren der Firma Shape Drive aus München sind da. Allerdings hat sie in einer Stunde einen Auswärtstermin. Eventuell muss ich diesen sogar verschieben.« Ich mache ein trauriges Gesicht, als die Tür von Alexandras Büro aufgeht und Marvin herauskommt.
»Emilia! Moin! Ich dachte Alexandra holt dich in München ab? Bist du jetzt doch früher als geplant losgekommen?« Er reicht mir die Hand und ich kann nicht anders, als ihn zu umarmen. Er war es, der mir in diesen vier Wänden einen Arbeitsplatz verschafft hat und auch dank ihm, habe ich Alexandra kennengelernt. Wir lösen uns aus der Umarmung und er bittet Frau Cooper um weitere zwei Kannen Kaffee.
Da die Tür einen Spalt weit offen steht, kann ich Alexandra am Besprechungstisch sehen. Blass und ich würde mal sagen, sie hat schon wieder ganz schön abgenommen. Am linken Arm kann ich ihre teure Rolex-Uhr funkeln sehen und den megaschweren Klunker, der über und über mit Brillanten übersäht ist. Mit der anderen Hand streicht sie sich ihre langen, blonden Haare vorsichtig hinters Ohr. Sie ist angespannt und hochkonzentriert.
Ich kann unmöglich bis heute Abend warten, wenn ich so nah an ihr dran bin. Leise stelle ich mich in den Türspalt und hoffe, dass sie mich erblickt. Leider vergeblich. Sie ist so vertieft, dass sie meine Anwesenheit nicht wahrnimmt.
»Alexandra? Alexandra?«, rufe ich so leise wie irgendwie möglich und räuspere mich ganz vorsichtig.
Plötzlich dreht sie ihren Kopf in meine Richtung, um sofort wieder den Blick auf das ihr vorliegende Papier zu richten. In Sekundenschnelle erblickt sie doch wieder meine Augen und schaut mich mit offenem Mund irritiert an.
»Entschuldigen Sie mich bitte für einen kurzen Moment, meine Herren!«, kommt es leise aus ihr heraus. Die Herren drehen sich zu mir um und Alexandra läuft zielstrebig auf mich zu.
»Emi! Süße! Was machst du hier? Ich dachte, ich soll dich nächste Woche in München abholen!« Vor lauter Freude springe ich ihr an den Hals und drücke sie ganz fest an mich. Sie gibt mir so viel, was ich bei meiner eigenen Mutter so schmerzlich vermisse. Da diese alkoholabhängig ist, habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Und auch so haben sich unsere damaligen Treffen immer als schwierig herausgestellt, so dass ich mich letztendlich dazu entschieden habe, mich ganz von ihr zu distanzieren.
»Ich wollte einmal vor dir ins Ziel kommen und das habe ich jetzt endlich geschafft! YES!!« In Siegerpose stehe ich lachend vor ihr.
»Meine Süße – komm her. Ich bin so froh, dass du da bist - so froh.« Vorsichtig drückt sie mir einen Kuss auf die Stirn und streicht mir über die Arme. Ihre Augen werden feucht und sie versucht meinem Blick auszuweichen.
»Du hast wieder mal Stress, hm?«, frage ich behutsam nach.
Da sie sich mitten in einem enorm, megawichtigen Meeting befindet, kommt Marvin ermahnend auf uns zu.
»Alexandra, kommst du bitte. Die Herren werden ungeduldig!«
Sie nickt nur wie ein gesteuerter Roboter und drückt mich noch mal fest an sich.
»Komm heute Abend bitte nicht so spät nach Hause. Versprichst du mir das?« Erwartungsvoll stehe ich vor ihr.
Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und schaut über mich hinweg. »Ich muss heute Abend um 20 Uhr in der
Handelskammer sein. Es wird spät. Unternimm etwas Schönes und denk an mich.«
Weil ich sie nicht einfach so gehen lassen will, versuche ich sie mit einer weiteren Frage aufzuhalten.
»Hast du heute schon etwas gegessen?« Sie schüttelt nur den Kopf und versucht sich von mir abzuwenden. »Aber die Tabletten nimmst du nicht mehr! Oder?« Ängstlich warte ich auf eine Antwort. »Ich muss rein, Emi. Wir sehen uns später.« Sie streichelt mir über den Kopf und verschwindet in ihrem Büro.
Puh. Kaum hier, schon habe ich wieder das Gefühl, dass mir die Luft zum Atmen fehlt. Ich muss etwas unternehmen, damit Alexandra endlich zur Vernunft kommt und kürzertritt.
Aber jetzt werde ich mir erstmal ein Taxi bestellen und zur Wohnung fahren. Von der Fahrt bin ich jetzt doch ziemlich müde. Ich werde es mir erst mal auf der Couch gemütlich machen. Auf Alexandra brauche ich ja nicht zu warten. Alles beim Alten.
Der gestrige Abend in der Handelskammer hat wieder viel länger gedauert als bereits befürchtet. Da ich Emilia nicht mehr wecken wollte, bin ich direkt ins Schlafzimmer und habe meinen Gedanken freien Lauf gelassen.
Es ist ein schönes Gefühl, dass sie wieder hier ist und zumindest die gesamten Semesterferien in Hamburg verbringt. Ich muss es einfach schaffen, in diesen drei Monaten Zeit freizuschaufeln. Zeit, die ich mit ihr verbringen möchte. Vielleicht schnappe ich sie mir und wir fahren in mein Haus nach Föhr. Einfach mal wieder die Seele baumeln lassen. Das kann ich inzwischen am besten, wenn sie dabei ist. Sie bringt mich auf andere Gedanken. Bei ihr bin ich nicht die Unternehmerin, sondern die Freundin. Eine Freundin, die Hilfe braucht. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Nicht mehr weiter mit meinem Leben, mit meiner Arbeit, mit mir selbst. Aber kann ich von ihr erwarten, dass sie mich auffängt? Sie ist noch so jung, so unerfahren. Ich möchte nicht, dass sie durch mich die schönen Seiten des Lebens verpasst, nur weil ich nicht in der Lage bin, mein eigenes Leben aufzuräumen. Zu viel ist in den letzten Jahren passiert und ich habe nichts geklärt.
Um mich unter Kontrolle zu halten, drücke ich die letzte Tablette aus dem Blister und nehme einen großen Schluck Wasser. Für einen kurzen Moment wird mir schwarz vor Augen und mein Kreislauf schwangt. Der Spuk ist ein paar Sekunden später vorbei. Die Tablette wirkt.
Als ich endlich an meinem Computer die ersten Termine für heute durchgehen möchte, klopft es an der Tür und Marvin kommt herein.
»Guten Morgen, schöne Frau! Hast du einen Moment Zeit?«
Erwartungsvoll nimmt Marvin auf einem der Stühle Platz, die um den Besprechungstisch stehen. Vielleicht sollte ich mich ihm doch anvertrauen. Aber ich kann ihm unmöglich sagen, dass ich vor Jahren von ihm schwanger war. Das wäre das Ende unserer Freundschaft. In Gedanken versunken, starre ich auf meinen Bildschirm.
»Ehrlich gesagt, passt es mir im Moment nicht so. Ich hab´ um halb zehn meine erste Besprechung und muss danach noch nach Elmshorn. Außerdem will ich heute nicht so spät nach Hause – wegen Emilia.«
Marvin steht auf und läuft zu mir um den Schreibtisch. Er ergreift meine Hände und zieht mich hoch. »Du bist so abwesend. Seit Wochen. Nimmst du wieder Tabletten, Alexandra?« Ich fühle mich ertappt und verspüre auf dieses Gespräch so überhaupt keine Lust. »Marvin! Ich sage es dir gerne noch mal. Mir geht es gut. Lass mich einfach in Ruhe! Damit hilfst du mir am meisten.« Zaghaft schaue ich in sein versteinertes Gesicht. »Das beantwortet nicht meine Frage«, flüstert er.
Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich bin froh, dass in diesem Moment mein Telefon klingelt und ich wie in Trance abnehme.
Alles, was ich mir wünsche, ist Zeit. Zeit mit meiner besten Freundin verbringen zu können. Zeit für einen bestimmten Moment, die uns geschenkt wird, für die wir keine zweite Chance erhalten. Mehrmals bin ich in der Nacht wachgeworden und habe über Alexandras aufreibendes Leben nachgedacht und an ihre Worte, die sie mir damals gesagt hat:
Vergiss bitte nie, Emi, dass ich in erster Linie Unternehmerin bin. Mein Leben spielt sich hauptsächlich in diesen vier Wänden ab, aber die Zeit, die ich davor, dazwischen und vielleicht auch noch spät in der Nacht habe, die werde ich ausschließlich mit dir verbringen, weil du die Welt für mich bist. Ich werde dich immer beschützen und dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt.
Leider standen wir in dem Moment in der Agentur und nicht hier zuhause. Ich wusste also, auf was ich mich einlasse. Selbst Marvin hat mich davor gewarnt, nicht zu viel zu erwarten. Und schon dreimal keine Zeit mit Alexandra. Aber jetzt ist es genug. Ich werde das Gespräch mit ihr suchen.
Auf dem Nachttisch ertaste ich mein Handy und setze mein Vorhaben gleich in die Tat um.
*********Guten Morgen *******
Natürlich bist du schon wieder weg. Du hast heute
Morgen noch nicht mal Tschüss gesagt … Wie willst du
das wieder gutmachen? ;-) Hdl Emi
Jetzt heißt es wieder warten. Warten, bis Alexandra die SMS liest. Warten, bis sie zurückschreiben kann. Und wieder vergeht kostbare Zeit, die wir nicht mit Leben füllen. Ich beschließe, mich fertig zu machen und zur Agentur zu laufen. Da sich diese, genauso wie die Wohnung, in der HafenCity befindet, ist das bei schönstem Sonnenschein die beste Idee seit langem. Verträumt schlendere ich an der Elbe entlang, bis sich mein Handy meldet. Alexandra? Schmerzlich muss ich erkennen, dass es Anja ist.
Anja:
Moin, Emilia! Kommst du heute
in der Agentur vorbei? Wir könnten
heute Abend etwas trinken gehen.
Hast du Lust?
Eigentlich schon, denke ich. Ich weiß aber nicht, ob Alexandra früher nach Hause kommt. Da ich das erst klären will, tippe ich eine kurze SMS zurück:
Ich melde mich, bin auf dem Weg zur Agentur. Muss etwas klären … LG Emilia
Anja:
Ich hoffe, du denkst noch daran
mit Frau Marquardt zu sprechen!!!!
Das ist lebenswichtig!! Hörst du??
LG zurück
Mist, das habe ich ja ganz verdrängt. Ich weiß gar nicht, ob es so eine gute Idee ist, Alexandra auf das Claasen-Thema anzusprechen. Mal gucken, ob ich sie überhaupt antreffe.
Um Anja nicht im Unklaren zu lassen, weil ich das selbst nicht schön finde, schreibe ich ihr wenigstens noch kurz zurück.
Ich gebe mein Bestes
Anja:
Von überkommender Müdigkeit geplagt, versuche ich die Besprechung mit Herrn Petersen noch mal Revue passieren zu lassen. Er ist seit vielen Jahren unserem Haus verbunden. Jedes Jahr aufs Neue veranstaltet er ein großes Event, wobei natürlich die dementsprechende Werbung nicht fehlen darf. Auch dieses Jahr werde ich ihm diesen Wunsch erfüllen. Dieser Auftrag gehört zu den eher kleinen Geschäften, die ich aber gerne umsetze aufgrund der langjährigen Geschäftsverbindung, schon damals zu meinem Onkel, als er noch die Agentur geleitet hat und ich sie nach seinem Tod übernommen habe. Herr Petersen gehört sozusagen zum Inventar.
Ich gehe zum Vorzimmer und übergebe Frau Cooper die unterzeichneten Dokumente in der Unterschriftmappe zurück.
»War alles zu Ihrer Zufriedenheit, Frau Marquardt?« Zaghaft lächelt sie mich an und ich nicke zufrieden.
Als ich mich wieder in mein Büro begebe, höre ich Emilia hinter mir. »Du rennst jetzt aber nicht gleich wieder weg, oder?«
»Warum sollte ich denn wegrennen? Guten Morgen, Emi.« Ich will sie in den Arm nehmen, aber sie entzieht sich geschickt dem Versuch und läuft direkt in mein Büro.
Ich schließe leise die Tür und gehe zu meinem Schreibtisch.
»Und, hast du dir schon überlegt, wie du es wieder gutmachen willst?« Mit großen Augen schaut sie mich an. Ehrlich gesagt, weiß ich überhaupt nicht, worauf sie hinauswill. Ich runzele die Stirn und lasse meine Augen hin und her wandern.
Emilia verzieht ihr Gesicht und sieht so aus, als würde gleich ein Donnerwetter hereinbrechen. Sieh mal einer an! Meine Emilia bekommt Chefqualitäten. Ich muss grinsen und presse meine Lippen fest aufeinander.
»Was ist daran bitte so komisch, hmmm?« Verärgert sieht sie mich an. Ich trete auf sie zu und fasse sie links und rechts behutsam an beiden Armen. »Was willst du mir denn sagen, Emi?«
»Kann es sein, dass du meine SMS nicht gelesen hast?« Zornig reist sie sich los und tritt zur Fensterfront. Mit verschränkten Armen guckt sie auf die Elbe hinaus. Genauso stehe ich dort, wenn ich verärgert bin. Sie wird mir immer ähnlicher.
Ich schaue auf das Display meines Handys und kann unter einigen SMS ihre Nachricht entdecken. Gerührt von ihren Worten gehe ich zu ihr ans Fenster, ergreife sie von hinten und drücke ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Du weißt doch, dass ich meistens erst abends die Nachrichten auf meinem Handy lese. Hmmmm? Entschuldige, bitte. Und jetzt muss ich mir etwas überlegen, wie ich es wieder gutmachen kann?«
Sie dreht sich zu mir um und nickt sachte.
Ich könnte versuchen, die Termine für Freitag zu verlegen und Marvin bitten, am Samstag die Abnahme für das Hoffmann-Projekt zu übernehmen. Hoffmann ist ein wichtiger Kunde für uns, mit einer Auftragslage von mehreren Millionen. Aber Marvin ist schließlich nicht nur mein bester Freund, sondern auch stellvertretender Geschäftsführer von Maxfield.
»Was hältst du davon, wenn wir für vier Tage nach Föhr ins Haus fahren?«
Mit offenem Mund schaut Emilia mich entgeistert an. »Bist du sicher?«
Ich nicke und nehme sie in den Arm.
Alexandra hat wirklich ernst gemacht und bereits heute früh sind wir Richtung Dagebüll aufgebrochen. Nach Dagebüll, weil wir von dort aus mit der Fähre nach Föhr übersetzen. Wenn Alexandra nicht ganz so schnell gefahren wäre, hätten wir es unmöglich in gut drei Stunden geschafft. An ihren rasanten Fahrstil werde ich mich wohl nie gewöhnen.
Sie stellt den Audi auf dem eingewiesenen Platz ab und wir gehen auf das obere Deck der Fähre. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf die schöne Nordsee. Das Wasser glitzert mit der Sonne um die Wette. Schöner könnte es kaum sein.
Als ich meine Augen nach links drehe, kann ich Alexandras Blick erkennen. Sie steht völlig gelassen neben mir und schaut mich einfach nur an. Ich drehe mich zu ihr um und lege meinen Kopf schief. »Was denkst du?“, stelle ich neugierig meine Frage. Sie streichelt mir sanft über die Wange, stützt sich auf der Reling ab und schaut aufs Meer hinaus. Ihre langen, blonden Haare wehen im Wind. Sie sieht sehr müde aus und die teure Armbanduhr hängt locker an ihrem Handgelenk. Auch ein Zeichen dafür, dass sie die letzten Monate schon wieder abgenommen haben muss.
Ich entscheide mich dafür, sie erstmal ankommen zu lassen. Daher bohre ich jetzt auch nicht weiter, sondern genieße einfach nur die Zeit mit ihr.
Nach einer dreiviertel Stunde Überfahrt fahren wir direkt in die Gmelinstraße zu Alexandras Haus. Als ich das letzte Mal mit ihr dort gewesen bin, war es Winter. Alles war kahl und die Natur im tiefsten Winterschlaf. Zudem war es bitterkalt. Jetzt im Sommer finde ich eine wahnsinnig tolle Blütenvielfalt vor. Auf dem Grundstück steht ein ganz alter verknöcherter Apfelbaum, dem man bereits ansieht, dass er bald Früchte tragen wird. Die Wiese ist wunderschön grün und dahinter kann man einen Blick auf die Nordsee erhaschen. Es sieht alles märchenhaft aus.
Alexandra ist ungewohnt still. Ich vernehme keinerlei Regung von ihr. Sie stellt den Motor ab und starrt nur geradeaus.
»Komm, lass uns reingehen. Wir ziehen uns schnell um und machen noch einen Abstecher zum Wasser. Hmmm?« Alexandra starrt weiterhin ins Leere. Ich nehme behutsam ihre Hand und drücke sie ganz fest. Sie zuckt förmlich zusammen, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass ich neben ihr sitze.
»Entschuldige, Emi. Was hast du gesagt?“ Mit traurigem Blick sieht sie mich an. »Lass uns reingehen. Wir ziehen uns schnell um und machen noch einen Spaziergang am Wasser. Ok?«
»Ja, das machen wir. Gerne.« Mehr kam nicht aus ihr heraus. Immer mehr habe ich die Befürchtung, dass sie wieder Tabletten nimmt. Ich darf sie die nächsten vier Tage nicht aus den Augen lassen. Auch nicht in der Nacht. Ich muss wissen, ob sie von diesem Teufelszeug abhängig geworden ist.
Wir schlendern eingehakt am Wasser entlang. Die Schuhe haben wir gleich zuhause gelassen und streifen mit unseren Füßen die weißen Schaumkrönchen, die die kleinen Wellen ans Ufer spülen. Ich ergreife Alexandras Hand und schaue sie einfach nur an. Mittlerweile habe ich Hunger bekommen. Da wir bereits am Hafen angekommen sind, versuche ich Alexandra in das Restaurant Zum Walfisch zu bekommen. Ich finde es schon von außen schnuckelig und mit allen nordfriesischen Dingen dekoriert. Alexandra kennt durch ihre unzähligen Geschäftsessen nur Restaurants, die Gault-Millau-Niveau haben. Mir sind solche Läden ein Groll.
Kurz vor der Eingangstür, die bereits einladend offensteht, drücke ich Alexandra ganz dezent in die Richtung.
»Ne, komm, Emi. Lass uns woanders hingehen.« Ich sehe an ihrem Gesicht, dass ihr das überhaupt nicht in den Kram passt. Aber diesmal werde ich mich durchsetzen. Ihr Blick wandert zu den verschiedenen Tischen und dann zur Terrasse. Ihre Augen verkleinern sich und sie blinzelt mehrmals. Es hat den Anschein, als würde sie nicht richtig sehen oder sie würde von irgendetwas geblendet.
»Hallo, ihr Hübschen! Möchtet ihr draußen sitzen? Es ist heute herrliches Wetter. Kommt, ich zeig euch ein schönes Plätzchen«, werden wir herzlich von der weiblichen Bedienung begrüßt. Hungrig laufe ich direkt hinterher, bis Alexandra von hinten ruft.
»Ich geh schnell auf die Toilette. Ich komm dann.«
»Warum?«, frage ich ängstlich nach, weil ich befürchte, dass sie sich etwas einwerfen könnte. Sie läuft auf mich zu und ihr Blick ist ernst. Diesen Augenaufschlag kenne ich. »Emilia! Wenn du nicht sofort damit aufhörst, dann brechen wir das hier ab und wir fahren direkt nach Hamburg zurück.«
Warum verstehst du denn nicht, dass ich Angst um dich habe. Ich will es einfach nur rausschreien, aber ich bekomme keinen Ton heraus. Meine Gedanken fahren Achterbahn. Ich muss an ihr dranbleiben. Sie weicht von ihrem Vorhaben ab und läuft genervt auf die Terrasse.