Hexenfieber im Regenbogenland - Cristina von Brandes - E-Book
SONDERANGEBOT

Hexenfieber im Regenbogenland E-Book

Cristina von Brandes

0,0
10,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 10,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieses Buch ist die poetische Umsetzung einer wahren Geschichte. Es geht um Maria, ein heranwachsendes Mädchen, das nach und nach mit dem Leben konfrontiert wird. Dabei helfen ihr allerlei Geister, weise Hexen und Fabelwesen. Ist es Fantasie oder Wirklichkeit? Das mag der Leser entscheiden. So oder so reift Maria in eine Welt voller Mystik und Geheimnisse hinein, die sie mit ihren Begleitern erkundet. Es ist eine farbige Welt, in welcher sich Maria bewegt. Ihr Verstand und Gefühl wird erprobt. Sie ist nicht nur Teil der Menschheit, sondern auch der Natur und lernt, dass alles eines ist, nämlich die Welt und all das, was darüber und darunter ist, auch wenn man es nicht sieht, sondern nur spürt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Impressum

Die Autorin

VORWORT DES VERLEGERS

Betrachtungen über das Hexenfieber im Regenbogenland

Prolog

Traum oder Wirklichkeit

Theorie und Praxis

Traumflug

Der Stuhl

Nächtliches Picknick

Der Brief

Die Verwandlung

Die Erklärung

Ich liebe dich

Die Zeit

Schulbesuch

Maria wird selbstsicher

13 Komma irgendetwas

Schwesternliebe

Häusliche Besuche

Mondkunde

Gemeinsamkeiten

Wilde Gedanken

Willkommen daheim

Mutterliebe?

Gehütetes Geheimnis

Cristina von Brandes

Hexenfieber im Regenbogenland Band I Maria

Impressum

Bibliografische Information: Die schweizerische Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation im Katalog Helvetica: Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar überSchweizerische Nationalbibliothek Hallwylstrasse 15 CH3003 Bernhttps://www.nb.admin.ch/snl/de/home/ueberuns/kontakt.html

© 2024

AbisZett Verlag Genossenschaft

Balderstrasse 13

CH 3007 Bern

[email protected]

https://www.abiszett.de

© BilderJerry HelblingLektorat

Sven Hinz, Freiburg im Breisgau.

Walo C. Ilg Fürsprecher a.D., Bern

KorrekturPeter Gruhser, MünchenAufbereitungMont Jacques UG, MünchenHerstellungTolino media GmbH & Co.KG, München

ISBN 978-3-907192-14-6

Dieses Buch widme ich: meiner geliebten Tochter Vanessa und meinem ebenso geliebten Enkel Shaun. Beide waren mir wie Co-Autoren, die mich begleiteten und inspirierten durch ihr Zuhören und ihre Kommentare. Jerry Helbling war ein langjähriger Freund, leider verstorben, der als Kunstmaler das Buchcover gestaltete. Das Bild habe ich durch die kleine Hexe und den Besen ergänzt. Ohne die liebevolle Aufmunterung und das gelebte Beispiel meiner geliebten Grossmutter, hätte ich mein von ihr ererbtes Talent nie umgesetzt. Ich danke ihr! Cristina von Brandes

Die Autorin

Ich wurde 1953 in Zürich geboren. Als ungewolltes Kind habe ich früh lernen müssen, mich durchzusetzen. Gerne hätte ich Medizin studiert, was mir leider verwehrt blieb, auch Sprachauslandaufenthalte, was ich auf später verschieben musste. In meiner Jugend erfuhr ich schmerzlich, was es bedeutet, nicht geliebt zu werden. Früh entdeckte ich das Schreiben, das mir die Möglichkeit gab, aus meiner tristen Welt in eine bessere zu flüchten, meine Gefühle, Ängste und Träume auszuleben und aufzuarbeiten. Das Schreiben wurde mir zur befreienden Leidenschaft, die mich immer noch beseelt und aus meinem Leben schöpft. Denn die schönsten und spannendsten Geschichten schreibt das Leben selbst, dem geht nämlich der Stoff nie aus. Anfangs schrieb ich Kurzgeschichten, dann Gedichte und Schnitzelbänke. Die Mutterschaft im Jahre 1982 veränderte mein ganzes Leben. Ich hatte jetzt Verantwortung für meine Tochter, die nun meine Träume belebte und mir zur Quelle der Inspiration wurde.

VORWORT DES VERLEGERS

Wer Mutter oder Vater ist, kennt diese Situation sehr gut. Da kommt die Tochter oder der Sohn und konfrontiert ganz unschuldig die Eltern mit einer naiven Frage, später und in der Pubertät mitunter herausfordernd, wenn nicht sogar anmassend und verlangt von den Eltern irgendeinen „Stuss“.» Meine Gattin und Mutter unserer hoffnungsvollen Kinder pflegte, als diese noch klein waren, mit einem kindgerechten Gleichnis zu reagieren, später entschieden, um die liebe Tochter oder den lieben Sohn „In den Senkel" zu stellen. Das durchaus vernünftig und emotional adäquat. Sehr oft hörte ich einfach zu, manchmal traf ich eine besänftigende Erwägung, um dann, wenn die Situation sich entspannt hatte, ein ausführliches Gespräch zu beginnen. Aber fast immer musste ich in solchen Situationen lachen, weil es mich an meine Jugend erinnerte. Da stiegen in mir diese jugendlichen Nöte wieder auf und ich erinnerte mich, wie hilflos ich war, weil in einem emotionalen Durcheinander steckend und daran fast verzweifelnd, gleichzeitig voller Ungeduld. Aufgewühlt suchte ich meine Orientierung und fand diese nicht, weil mir ein Koordinatennetz fehlte, das mir erlaubt hätte, mich auf ein Gesamtes hin auszurichten und nicht nur das Einzelereignis zu sehen. Das kompensierte ich mit Überheblichkeit. Cristina von Brandes versteht es vorzüglich, diese kindliche Befindlichkeit aufzuspüren und zu verorten, was ihren Protagonisten erlaubt, sich an imaginierten Wesen zu orientieren, die eine Brücke zwischen der kindlichen und der Welt der Erwachsenen schlagen, um so den Weg in diese tastend und erfühlend zu finden. Meine Eltern waren für ihre Zeit sehr aufgeschlossen und versuchten, mir Orientierungshilfen zu stellen, was mir tatsächlich half, Kindernöte, später Pubertätskrisen, zu überwinden. Aber ein Märchen, wie Cristina von Brandes es entwickelt, das fehlte mir. Es hätte mir sehr geholfen, mich zurecht zu finden dort, wo die Eltern es nicht zu tun vermochten, noch konnten, denn es gibt Herausforderungen, besonders in der Pubertät, die man nicht mit den Eltern lösen kann, sondern nur mit Dritten, zu denen man eine gewisse Distanz hat oder eben mit einer intuitiven Erzählung. Das Buch von Cristina von Brandes ist ein solches. Es hätte damals auch mir gutgetan. So wünsche ich allen jugendlichen Lesern, dass ihnen dieses schöne Buch Orientierungshilfe sein möge in einer Zeit, die ich rückblickend und als alter Mann als eine der lebendigsten, aber auch schwierigsten meines Lebens einschätze. Ich wünsche viel Vergnügen mit diesem Buch, das nicht nur Mädchen erfreuen wird, sondern auch Buben zu fesseln vermag. Für die Eltern mag die Geschichte nicht nur instruktiv sein, sondern auch berührend, denn es erinnert sie an eine Zeit, die sie ebenso unsicher bewältigt haben wie Maria und ihre Freunde. Walo C. Ilg - Präsident AbisZett Verlag , Fürsprecher a. D.

Betrachtungen über das Hexenfieber im Regenbogenland

Mit filigranen Sätzen erzählt die Autorin eine aufregende Geschichte, die von der kleinen Marie handelt. Der Leser nimmt Teil an ihren lebensprägenden Erlebnissen, mit welchen die Autorin in produktiver Neugierde das wiedergibt, was uns alle bewegen sollte. So schafft sie der Kindheit einen kreativ-reifenden Raum, der auch wahrnimmt, was sich an den zerfasernden Rändern unseres modernen Lebens vollzieht. Die Dramaturgie des Buches ist lebensnah und gleichzeitig lyrisch inspiriert, und trägt die Autorin zu gestalterischer Märchendimension, ohne in deren Clichés zu fallen. Cristina von Brandes wertet nicht, sie erkennt das Wesentliche, darin liegt die moralische Essenz ihres Erzählens. Dabei schafft sie den Spagat zwischen Mystik und Realität. Sie spürt und hebt behutsam und unaufdringlich, aber umso einnehmender, wo in unserem Leben ein verborgener Schatz liegt und ein Rätsel zu lösen ist. Cristina von Brandes hält mit dem vorliegenden Werk der modernen Gesellschaft einen Spiegel vor und gibt den menschlichen Tugenden eine aktuelle und aktualisierte Dimension. Die moralischen Grundbegriffe, die Prinzipien und Normen der Moral erhalten einen prägenden Stellenwert, ohne moralisierend zu sein. Lehnen Sie sich zurück, geniessen Sie das Buch und schweifen Sie nachdenklich zurück in ihr Leben. Maria, aus der die Autorin zu Ihnen spricht, vermag Sie mit humorvollen und besinnlichen Worten zu entführen ins Regenbogenland, welches viel näher ist, als Sie es vermuten. Uli Borsch Psychologe Fontignano/PG/Italien 2008

Prolog

Welches Kind, welcher Erwachsener hat sich nicht schon einmal gewünscht, fliegen oder gar hexen zu können? Hexen, ist das nicht gleich Zauberei? Oh nein, weit gefehlt. Bloss aufgepasst, es gibt, wie überall unter uns Menschen, gute oder eben auch schlechte Hexen. Nun zur Geschichte: Lass dich in eine sternenklare Nacht, bei hellem Mondschein auf meinem Hexenbesen reitend, ins Land der Träume entführen! Ich bin eine ganz kleine Hexe und habe noch sehr viel zu lernen. Glaube nur nicht, du könntest als Hexe ganz von selbst auf einem Besen durch die Nacht fliegen. Schon oft habe ich gedacht, nun eine grosse, erfahrene Hexe zu sein, und bin dabei fürchterlich auf die Nase gefallen. Für mich war es sehr schlimm, von den anderen ausgelacht zu werden und sie sagen zu hören: «Du bist eben zu dumm! Du wirst nie eine richtige Hexe sein.» Da war ich jedes Mal sehr traurig und verzweifelt. Doch eine alte, weise Hexe mit langen grauen Haaren und gütigen Augen gab mir schliesslich den Rat, eine Flugschule zu besuchen. «So etwas gibt es?», fragte ich ungläubig. «Aber natürlich, was hast du denn gedacht? Glaubtest du allen Ernstes, diese Besserwisser hätten alles auf Anhieb gekonnt?»Da war ich sehr erleichtert. Ich war also gar nicht dumm und konnte das Fliegen in der Schule lernen. Ich weiss noch, wie ich mich bei der Vorstellung fürchtete, da allein hingehen zu müssen. Natürlich hatte die alte, weise Hexe dies schon lange vorher gewusst und beruhigte mich: «Sei unbesorgt. Ich werde dich begleiten, bis du lernst, allein zu fliegen.>» Es war herrlich, als ich bemerkte, dass ich allmählich Fortschritte machte. Ich war zwar nur eine kleine Hexe, aber fest entschlossen zu lernen. «Es wird auch immer welche geben, die besser sind als du. Aber das spielt keine Rolle», machte die alte, weise Hexe mir Mut. «Gib dein Bestes, so dass du immer an dich selbst glauben kannst.» Die alte, weise Hexe hat mich vieles gelehrt, auch hat sie mir die Kunst des Kochens beigebracht. Stell dir diese Hexenküche einmal vor. Unglaublich! Grosse schwarze Kessel, Pfannen aus Kupfer, Hunderte, nein Tausende von getrockneten Kräutern hingen von der Decke und den Wänden herunter. Immer brannte ein Feuer in dem riesigen schwarzen Herd, und Tag und Nacht brodelte etwas in einem der Töpfe. Ich war so begeistert, dass ich unbedingt alles wissen wollte. Soll ich versuchen, dir dieses Gefühl zu beschreiben? Dazu müsstest du schon eine kleine Hexe sein, denn nur diese haben die Gabe, den Geschmack und die Wirkung dieser Kräuter richtig zu verstehen. Sei mir nicht böse, nicht alle haben diese Begabung, doch vielleicht kannst du sie ja lernen. Nicht alle können Hexen sein. Geduldig erklärte und zeigte mir die gute, alte, weise Hexe, wie und wann man welchen Topf und welches Kraut benützt. Ohne dass ich es bemerkte, wurde sie zu meiner Lehrmeisterin, die ich bewunderte und liebte. Dabei verlor ich aber nie die Achtung und den Respekt vor ihr. Doch eines Tages geschah etwas, das ich damals als sehr schlimm empfand. Meine gute, alte, weise Hexe hatte ihre Reise ins Regenbogenland angetreten. Und dorthin konnte ich sie nicht begleiten. Das war sehr traurig für mich. Der Besen stand einige Zeit nur in der Ecke, und selbst an die Wirkung der Kräuter glaubte ich nicht mehr. Es war alles so grau, so leer, so einsam, und irgendwann wäre ich doch am liebsten auf meinem Besen davongeflogen, um sie zu suchen. Fliegen konnte ich mittlerweile zwar ein wenig, doch hatte ich noch nicht begriffen, dass es keinen Weg gab, meiner geliebten Hexe zu folgen. Leider müssen auch Hexen einmal sterben. Gute kommen ins Regenbogenland, und diese Geschichte werde ich dir auch noch erzählen, wenn du möchtest. Ja, nun stand ich da. Ohne meine geliebte Hexe. Doch es schien mir, als habe sie mir sagen wollen: «Bleib immer du selbst und lass dich nicht unterkriegen! All mein Wissen, meine Liebe zu dir werden dich begleiten, immer werde ich bei dir sein.» Und als ich diese Worte vernahm, juckte meine Nase ein bisschen. Aber das wollte ich nicht recht glauben. «So ein Quatsch! Wie soll das denn funktionieren?» Ich hatte einfach vergessen, dass bei guten Hexen alles möglich ist. Wenn ich zweifelte und in der Hexenküche irgendetwas zubereiten wollte, spielten alle Töpfe verrückt. Das Feuer wollte nicht brennen, und die Kräuter bekamen alle den gleichen Geschmack. «Jetzt sagt mir zum Donnerwetter, wie ich noch etwas Anständiges kochen soll, wenn ihr alle ausser Rand und Band seid!» Kaum hatte ich das ausgesprochen, krachte es ganz fürchterlich. Es donnerte und blitzte, und ich hatte furchtbare Angst. Wo war sie jetzt, meine alte, weise, graue Hexe? «Hilf mir doch bitte! Ach, könntest du mich jetzt sehen, wie ungeschickt ich mich anstelle ohne deine Hilfe!» Da juckte wieder meine Nase, und ich sagte entschlossen: «So, jetzt reicht es mir. Ihr habt gezeigt, dass ich zu wenig glaubte. Jetzt marsch an eure Plätze! Und du, Feuer, wirst jetzt gefälligst so brennen, als wäre die alte, weise Hexe hier. Ich, die kleine Hexe, möchte es so!» Noch ein gewaltiges Donnern, und mir war, als spürte ich die Nähe meiner Lehrmeisterin. Der Himmel klarte sich plötzlich auf, die Sonne schien herrlich warm und so angenehm in die Hexenküche, dass ich kaum bemerkte, wie die Zeit verging. Kochtöpfe, Löffel, Messer, Schöpfkellen und alles, was dazugehörte, mussten anschliessend gespült und weggeräumt werden. Ich versuchte nicht daran zu denken, dass ich noch recht klein war, aber dennoch meine Pflichten hatte. Allein und ohne fremde Hilfe - dachte ich - räumte ich alles wieder weg. Dann sank ich todmüde neben meinem Besen auf den Küchenboden und schlief sofort ein. Nicht schlecht habe ich gestaunt, als ich am Morgen in meinem Bett aufwachte und mein Besen friedlich schlafend in der Ecke stand. Meine Kleider lagen ordentlich gefaltet auf dem Stuhl. Dieses Bild war so schön, wie ich ihn dastehen sah, seine grossen Augen geschlossen. Ich hatte das Gefühl, mein Besen habe die ganze Nacht über mich gewacht. Doch wo war die Zeit geblieben? Hatte ich in der Küche ein Durcheinander hinterlassen? In Windeseile zog ich mich an, um zu sehen, ob Töpfe und Pfannen noch neben dem Spülbecken standen und ich meine Pflichten alle vergessen hatte. Ich konnte es nicht fassen: Die Küche war so perfekt aufgeräumt, wie es die alte, weise Hexe immer getan hatte. Wiederum juckte meine Nase. Ich hatte ein vages Gefühl, dass sie etwas damit zu tun haben musste. Doch verstand ich es noch nicht ganz. Wie auch immer, jetzt hatte ich Freizeit. Toll! Was würde ich jetzt anstellen? Das Fliegen auf meinem Besen beherrschte ich noch nicht perfekt, aber es gab ja noch den Schirm. Genau, das war die Idee! Also nahm ich meinen Schirm, der genauso aussah wie der von Mary Poppins, und begab mich mutig und voller Tatendrang nach draussen, zum kleinen Gartenhaus. Nun, kleine Hexe, dachte ich bei mir, kein Baum ist dir zu hoch, also wirst du wohl auf dieses Häuschen klettern können. Da juckte meine Nase, doch das ignorierte ich. Ich kletterte ohne Schwierigkeit aufs Dach, spannte voller Erwartung den Schirm auf und war felsenfest davon überzeugt, damit auch fliegen zu können. Schon wieder meldete sich meine Nase! Was hatte die bloss immer, dachte ich, hüpfte vom Dach – und flog! Und zwar fürchterlich auf die Nase. Mein Schirm war kaputt, alles tat mir weh, und etliche Schrammen hatte ich auch noch abbekommen. Traurig sass ich nun auf meinem Hintern und betrachtete meine zerschundenen Knie und meinen kaputten Schirm. Als ich so dasass und mich selbst bedauerte, erschien meine alte, grauhaarige, weise Hexe. Es war wie ein Traum und doch Realität. Gütig und liebevoll nahm sie mich in ihre Arme. «Na, du kleine Hexe, sagte ich dir nicht, dass ich immer bei dir sein werde? Pass mal auf. Deine Wunden werden heilen, deinen Schirm kann ich dir ersetzen. Doch eines Tages vielleicht eine kluge, weise Hexe zu werden, das braucht Zeit, Geduld und Erfahrung. Höre auf deine Gefühle, glaube an deine Nase, und dir werden die fantastischsten Reisen auf deinem Besen gelingen.» Ehe ich mich versah, war sie weg, so schnell, wie sie gekommen war. Doch ich wusste nun, dass ich nie allein sein würde und vor allem auf meine Nase achten sollte. Dies ist die Geschichte einer kleinen Hexe, die fliegen lernt – und vieles mehr.

Traum oder Wirklichkeit

Ich konnte das, was eben geschehen war, nicht recht verstehen. Wie war das nur möglich? Meine weise, alte Hexe war doch im Regenbogenland! Träumte oder wachte ich? Nun, es half alles nichts, die „Pause“ war vorbei, und ich sollte mich eigentlich wieder an die Arbeit machen. Etwas missmutig ging ich zurück ins Haus, um nach dem Rechten zu sehen. Doch wo war mein Besen? Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Bevor ich das Haus verlassen hatte, war er doch in meinem Zimmer. Da ich meinem Besen noch keinen Namen gegeben hatte, konnte ich ihn nicht rufen. Also musste ich ihn suchen. Mein Besen und ich waren ja immer zusammen. Dass er Gefühle haben könnte, daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich lief durch das ganze Haus, rein in die Küche, runter in den Keller, rauf auf den Dachboden, aber er war einfach weg. Jetzt hatte ich ein ernstes Problem. Die Flugschule fing schon bald an, und ohne meinen Besen konnte ich gleich zu Hause bleiben. Traurig verliess ich das Haus und schlich mit Tränen in den Augen Richtung Schule. Das würde wieder ein Hohngelächter geben. Mir wurde schon ganz übel bei dem Gedanken, die anderen vom Verschwinden meines Besens zu informieren. Sicherlich würde ich jetzt von der Schule verwiesen. Wie blöd muss eine kleine Hexe sein, ihren Besen zu verlieren? Vor allem meine ewig klügere und bessere Mitschülerin Koya würde gewiss vor Schadenfreude in die Luft springen. Meine Nase fing an zu jucken, doch erst beachtete ich es nicht. Da war es wieder, das komische und doch schöne Gefühl, nicht allein zu sein. Es fühlte sich warm an, und mir war, als hörte ich meinen Namen rufen. «Maria!» – ja, so heisse ich – hörte ich ganz leise aus der Richtung kommen, in der mein Lieblingsbaum stand, eine grosse Linde. Diesen Platz kannten aber nur die weise Hexe und mein Besen. Wer sollte mich rufen, und dann noch von diesem Ort aus? Nun, da ich sowieso keine Lust hatte, in die Schule zu gehen, machte ich mich auf den Weg zu meinem Lieblingsbaum. Langsam und zögerlich ging ich den kleinen Hügel hinauf. Welch eine Überraschung erwartete mich! Da stand doch tatsächlich mein Besen unter der Linde. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie erleichtert ich war. Schliesslich war er ein Geschenk von der weisen Hexe. Aber wie kam es, dass er meinen Namen rufen konnte? Oder hatte ich mir das nur eingebildet? Glücklich lief ich auf ihn zu und nahm ihn in meine Arme. «Ach, mein Besen, wenn du wüsstest, wie froh ich bin, dass ich dich wieder habe!» Die Tränen liefen mir über die Wangen, und da hörte ich es wieder. «Maria, du sollst nicht weinen. Es ist ja alles wieder gut.» «Wer spricht mit mir?», fragte ich erstaunt. Hatte ich etwa Halluzinationen? «Ich, dein Besen.» «Du kannst sprechen?», hörte ich mich fragen. «Natürlich kann ich sprechen! Doch ich musste eine Gelegenheit finden, dir das schonend beizubringen. Nicht alle Besen können sprechen, und dies muss ein Geheimnis sein zwischen dir und mir!» «Ja, aber wieso sagst du es mir gerade jetzt?» «Schau, kleine Hexe, du hast mich völlig vergessen und wolltest mit dem Schirm fliegen. Aber fürs Fliegen hast du doch mich! Also musste ich herausfinden, wie viel ich dir bedeute.» «Ah, jetzt verstehe ich! Hätte ich nicht nach dir gesucht und wäre es mir egal gewesen, hätte ich es nie erfahren.» «Nicht nur das, kleine Maria. Ich wäre für immer weg gewesen.» «Wieso das denn?» «Nun, da ich eine ganz bestimmte Aufgabe habe, die du zu gegebener Zeit erfahren wirst. Bis dahin sind wir ein Team, oder vielmehr Freunde, die besten Freunde. Und die lässt man nicht einfach links liegen.» Lektion verstanden, dachte ich bei mir. Was für einen klugen Besen ich doch hatte! «So, Maria, jetzt aber ab in die Schule!», ermahnte mich der Besen. «Entschuldige bitte! Ich verspreche dir, es kommt nie mehr vor.» «Alles vergeben. Aber nun los!» Ach du liebe Güte, es war wirklich schon spät! Wie sollte ich denn noch rechtzeitig zur Schule kommen? Aber mein Besen konnte nicht nur reden, er konnte offensichtlich auch Gedanken lesen. «Kleine Hexe, komm, setz dich auf mich. Wir fliegen!» «Nein, das kann ich noch nicht so richtig gut! So weit bin ich noch gar nicht!» «Doch! Wir sind doch Freunde, und Freunden vertraut man. Also tu, was ich dir sage. Komm schon, du kleiner Angsthase.» Von wegen Angsthase! Schliesslich war ich es doch gewesen, die vom Dach des Gartenhäuschens gesprungen war. «Also – wenn du meinst. Dann los!» Mutig setzte ich mich auf den Stiel meines Besens, und huiii – ging es auch schon in die Höhe. Das war vielleicht ein tolles Gefühl! «Halt dich gut fest, kleine Maria, wir müssen uns beeilen.» Wir sausten durch die Lüfte. Kurz vor der Schule glitt mein Besen sanft zu Boden, damit ich nicht ins Trudeln kam, und setzte mich behutsam ab. Entschlossen nahm ich ihn in die Hand und ging die letzten paar Meter zu Fuss. Bevor wir das Schulhaus betraten, blinzelte er mir zu und flüsterte: «Du hast noch eine Aufgabe, kleine Maria. Bis zum nächsten Vollmond musst du mir einen Namen gegeben haben, sonst verliere ich die Sprache, und wir können uns nie mehr unterhalten.» Das war ja furchtbar! Was hatte sich die weise Hexe nur dabei gedacht, als sie mir diesen Besen schenkte? Aber ich hatte keine Zeit mehr, über all das, was eben geschehen war, nachzudenken, denn genau in diesem Augenblick ertönte die Schulglocke.

Theorie und Praxis

Wir sassen brav in unseren Bankreihen. Die Direktorin, Madame Kathrin, war auch schon da, um zu überprüfen, ob keiner fehle. Natürlich war Koya wieder die Erste, die sich bemerkbar machte. «Guten Tag, Frau Direktor», sagte sie und machte einen Knicks. Dabei sah sie ziemlich bescheuert aus, aber auf die Direktorin machte dies offensichtlich Eindruck. Schleimerin, dachte ich so für mich, aber gleichzeitig schämte ich mich auch ein wenig. Meine weise Hexe hatte mich nämlich gelehrt, nicht schlecht über andere Menschen zu denken. Aber das war sooo schwer! Heute fand ich Madame Kathrins Unterricht einfach nur langweilig. Kein Wunder, denn ich hatte ja so viele aufregende Dinge erlebt. Und prompt hatte sie mich erwischt, dass ich nicht bei der Sache war. Als sie mich fragte, was sie gerade über die vier Himmelsrichtungen erklärt habe, wusste ich natürlich keine Antwort. Gelächter im ganzen Saal, und ich war mal wieder die Doofe. «Nun, Maria, komm doch mal an die Tafel und erkläre uns, was du machst, wenn du dich verflogen hast und woran du das erkennst!» Ertappt. Wieso konnte ich nicht wie die anderen einfach aufpassen und zuhören? «Bis du deine Erlaubnis bekommst zu fliegen, musst du gewiss noch viel lernen. Das wird bei deinem Lerneifer natürlich noch lange nicht der Fall sein.» Autsch, das tat weh! Doch ich hatte ja ein tolles Geheimnis, und das liess mir Flügel wachsen. Mir war, als schwebte ich in Richtung Tafel und stünde gar nicht mit meinen zwei Beinen auf dem Boden. Was war das doch für ein erhabenes Gefühl! Auf dem Weg nach vorn überlegte ich, ob mein Besen wirklich Gedanken lesen konnte. Würde er mir auch aus dieser Patsche helfen? Plötzlich konnte ich in meinem Kopf seine Stimme hören, aber mir fiel auf, dass es die Stimme einer Frau war. «Maria, ich kann deine Gedanken lesen. Ich könnte dir auch helfen, doch du musst an dich selbst glauben. Wenn du etwas ausgefressen hast, musst du das auch ausbaden.» Na toll! Da hatte ich nun so einen Superbesen, und jetzt liess er mich im Stich! «Nun, Maria, schon wieder woanders?», drang die Stimme der Direktorin an mein Ohr. «Verzeihung, Madame Kathrin, Sie haben natürlich Recht. Ich war tatsächlich in Gedanken. Es wäre sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie die Frage wiederholen könnten.» Hatte ich wirklich das eben gesagt? Zu blöd, dass ich das nicht auf Band aufnehmen konnte! Das war nämlich gar nicht meine Art, denn ich war sonst eher ein kleiner Trotzkopf. Alle meine Mitschüler verstummten, denn die kannten mich auch nicht so. Und tatsächlich, die Lehrerin wiederholte ihre Frage. «Wie heissen die vier Himmelsrichtungen? Und wie heisst der Fixstern?» Mir lag die Bemerkung auf der Zunge, das seien aber zwei Fragen und nicht bloss eine, aber ich konnte mich gerade noch zurückhalten. «Madame Kathrin (sie liebte es, wenn man sie mit Namen ansprach), das sind Norden, Osten, Süden und Westen. Den Fixstern nennt man auch Polarstern. Er scheint immer sehr hell, und man kann sich an ihm orientieren.» Jetzt war sie aber erstaunt. Mit diesen Antworten hatte sie offensichtlich nicht gerechnet. «Sehr gut, Maria, du kannst dich wieder hinsetzen. Pass aber in Zukunft besser auf!» Uff, noch mal gut gegangen, dachte ich und lief zurück an meinen Platz zu meinem Besen, der mir verschmitzt zublinzelte. «Hast du mir nun geholfen, ohne dass ich es merkte? Oder war ich das wirklich allein?», wollte ich von ihm wissen. «Maria, du sollst doch aufpassen, was Madame Kathrin sagt, und mir nicht in Gedanken solche Fragen stellen. Nein, ich habe dir nicht geholfen, ich habe dich nur ein wenig unterstützt.» «Wie unterstützt?» «Pass jetzt besser auf, was die Lehrerin erzählt! Wir reden später weiter!» Ich konnte das Ende der Schule kaum erwarten und hatte selbst während der Flugstunden das Gefühl, die Zeit bliebe stehen. Koya war mal wieder als Erste an der Reihe und natürlich Madame Kathrins Liebling: «Gut machst du das! Und nun noch eine Runde nach links, und anschliessend machst du eine Drehung nach rechts. Jetzt langsam sinken und landen. Sehr gut.» Blablabla! Wenn die gewusst hätten, dass ich den ganzen Weg in die Schule geflogen war, wären die alle grün im Gesicht vor Neid, wie Laubfrösche! Ich musste lachen. «Wieso lachst du, Maria? Kannst du es besser?», argwöhnte Koya. Ich konnte ihr nun schlecht sagen, dass ich sie mir eben grün wie einen Laubfrosch vorgestellt hatte. «Nein, mir kam nur gerade etwas in den Sinn.» «Ach so! Was denn?» Jetzt hatte ich ungewollt die ganze Aufmerksamkeit der Mitschülerinnen (es gab keine Jungen in unserer Schule) und natürlich auch Madame Kathrins auf mich gezogen. Wie sollte ich da wieder rauskommen? «Erzähl ihnen doch einfach, du seiest heute über deine eigenen Schnürsenkel gestolpert, weil du zu faul warst, sie richtig zu binden, und deshalb auf die Knie gefallen.» Das musste mein Besen mir zugeraunt haben. Eine tolle Idee! Hätte von mir sein können. Klar, wie hätte ich sonst in der Turnstunde meine Verletzungen an den Knien erklären sollen? Also flunkerte ich ihnen etwas vor. Alle mussten über meine Tollpatschigkeit lachen, doch mein Besen und ich wussten es ja besser. Deshalb ärgerte ich mich erst gar nicht und lachte mit. So, nun war ich an der Reihe mit Fliegen. Was nun? Bis vor kurzem hatte ich mich sehr ungeschickt und ängstlich angestellt. Durfte ich mir denn jetzt überhaupt anmerken lassen, dass ich keine Angst mehr hatte? «Maria, träumst du schon wieder?» «Ja, vom Fliegen», hörte ich mich sagen. Wieso konnte ich nicht einfach den Mund halten? Vorlaute Kinder mochte Madame Kathrin gar nicht. «Na, dann zeig uns doch mal, wie man einen Looping fliegt.» «Wie?» Entsetzt schaute ich in die Runde. Alle sahen mich erwartungsvoll an! Jetzt hatte ich tatsächlich die Hosen voll. Mein Besen wusste das natürlich schon lange, doch in dieser Schrecksekunde hatte ich das völlig vergessen. «Maria, wir warten nicht ewig! Also flieg!» Zögernd setzte ich mich auf meinen Besen und flog los. Ich wusste noch nicht einmal, was ein Looping war. «Lieber Besen, bitte hilf mir! Ich habe solche Angst! Was ist, wenn ich runterfalle?» «Kleine Maria, lass das mal meine Sorge sein. Ich weiss schon, was ich tue!» «Du sprichst ja mit mir! Was, wenn dich jemand hört?» «In dieser Höhe kann mich keiner hören!» Höhe? Ich schaute hinunter. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass wir noch nie so hoch geflogen waren. «Wieso so hoch, mein Besen? Ich fürchte mich vor der Höhe!» «Nicht doch, kleiner Angsthase. Du hast doch mich! Wir brauchen eine gewisse Höhe, damit wir einen Looping drehen können. Jetzt halt dich gut fest, gleich wirst du dir vorkommen wie auf der Achterbahn.» «Ich hasse die Achterbahn!» «Festhalten, habe ich gesagt! Das meine ich sehr ernst!» Ich klammerte mich mit aller Kraft an den Stiel meines Besens, hielt die Luft an und wartete auf mein Ende. Alle klatschten vor Begeisterung. Ich war völlig fertig. Kaum, dass ich mich versah, war ich schon wieder sicher gelandet. Wie war das nur möglich? Ich hatte wohl alles nur geträumt. Aber nein, sofort umringten mich die Schüler und wollten wissen, wo ich denn heimlich trainierte. «Ich, ich ..., äh ..., na ja.» Jetzt stotterte ich auch noch. «Ich habe viel darüber gelesen und zu Hause Trockenübungen gemacht!» «Wieso das denn? Du konntest doch gar nicht wissen, dass Madame Kathrin dich zu einem Looping auffordern würde!» Hörte das nie auf mit den Fettnäpfchen? Wie kam ich jetzt bloss da wieder raus? «Ja, ihr habt natürlich Recht. Aber besser früh anfangen zu lernen, da man ja nie wissen kann, was auf einen zukommt in der nächsten Stunde.» Hatte ich das gerade gesagt? Woher hatte ich plötzlich diese Antworten? Madame Kathrin war nun auch sehr erstaunt, denn eine Streberin konnte man mich wirklich nicht nennen. Glücklicherweise war für heute Schluss, und ich machte mich zufrieden auf den Heimweg. Zu Fuss natürlich. Zu Hause angekommen, hätte ich so gern mit meinem Besen noch etwas unternommen. Aber die öden Hausaufgaben mussten gemacht werden, und aufräumen musste ich auch. Bestimmt fragt ihr euch, ob ich denn keine Geschwister habe oder eine Mutter. Doch, schon, aber die waren mit sich selbst so sehr beschäftigt, dass die mich kaum wahrnahmen. Ich glaube, denen wäre erst aufgefallen, dass ich nicht mehr da bin, wenn nicht alles erledigt gewesen wäre am anderen Tag. Nein, ihr braucht mich nicht zu bedauern. Ich hatte ja meinen Besen, das tolle Geheimnis und das Wissen, dass die weise Hexe immer bei mir sein würde. Liebevoll stellte ich meinen Besen in mein Zimmer und begab mich in die Küche. «Bist du auch endlich zu Hause?», hörte ich die Stimme meiner Mutter. «Wir haben Hunger!» «Ja, gleich, Mama, ich beeil mich ja schon.» Meine Nase juckte! Was sollte das denn jetzt? Ach so, ich konnte ja hexen, und davon wusste weder meine Mutter noch meine Schwester etwas. Wie das kam, wollt ihr wissen? Na, ganz einfach. Das alles hatte meine weise Hexe organisiert: Meine Familie glaubte, ich würde eine normale Schule besuchen. Ich griff also an meine Nase, überlegte, was ich denn „Kochen“ könnte, und schon fing das Feuer an zu lodern, wunderbare Düfte der verschiedensten Kräuter stiegen auf, und in den Töpfen brodelte es vor sich hin. «Essen ist fertig!», rief ich nach einer Weile und deckte den Tisch. Hexen konnte ich da nicht, weil es sonst aufgefallen wäre. Wir setzten uns alle an den Tisch und assen schweigsam. Das heisst, ich schwieg, die anderen hatten sich immer etwas zu erzählen. Ich war ganz froh darüber, denn so konnte ich anfangen, mir Gedanken zu machen, wie ich einen Namen für meinen Besen finden konnte. Eile war geboten, denn der nächste Vollmond war schon in fünf Tagen. Nach dem Essen kam das Übliche: Tisch abräumen, Küche aufräumen und anschliessend Hausaufgaben erledigen. Wir hatten natürlich auch Mathe, Deutsch, Turnen und so weiter, einfach alles, was andere Schulen auch haben. Nur dass wir noch Hexen waren und mit unseren Besen fliegen lernen mussten. Das unterschied uns von den anderen Schulen. Die Zeit verging, und ich merkte, wie müde ich war. «Ach, mein Besen, wie soll ich bloss in so kurzer Zeit einen Namen finden, der zu dir passt?» «Maria, du zweifelst ja schon wieder. Dir wird schon etwas einfallen, sei unbesorgt. Bist du schon fertig mit deinen Aufgaben?», fragte mich mein Besen. «Ja, bin ich, wieso fragst du?» «Nun, dann geh dich waschen, leg dich ins Bett, und wir beide träumen was Tolles, hatten wir doch einen sehr erfolgreichen Tag.» «Wie Recht du doch hast und wie froh ich bin, dich als meinen Besen und meinen besten Freund zu haben. Danke!» «Ich bin auch froh, dich zu haben, liebe Maria. Jetzt mach schon, sonst kommen wir nicht mehr dazu, unseren Traum zu träumen.» «Unseren Traum?» «Ja, aber das wirst du erst morgen wissen.» Jetzt beeilte ich mich, ins Bett zu kommen, denn wenn mein Besen so etwas sagte, würde es sicher spannend werden. Leise ging ich ins Bad, erledigte alles, was man so macht, rief: «Gute Nacht, Mutter, gute Nacht, Schwester», und begab mich sofort ins Bett. «Gute Nacht, mein Besen», sagte ich, «Und träum was Schönes.» Ich gab ihm noch einen Gutenachtkuss und schlief sofort ein.

Traumflug

I ch weiss nicht, wie lange es dauerte, bis ich anfing zu träumen, doch was ich träumte, war wunderschön. Ich flog mit der weisen Hexe durch eine sternenklare Nacht. Unter uns lag das Meer, und alles war in silbernes Mondlicht gehüllt. Auch hatte ich überhaupt keine Angst, so hoch auf meinem Besen zu fliegen. Wir machten die verrücktesten Kunststücke und flogen um die Wette. Ich erwachte, als ich vor lauter Vergnügen jauchzte und mich fragen hörte: «Was meinst du zu dem Namen ‚Silberhaar’ für meinen Besen?» «Bist du wach?», fragte mich mein Besen. «Ja. Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.» «Das hast du nicht. Ich war ja mit in deinem Traum und finde diesen Namen wunderschön.» «Dann bist du also damit einverstanden?» «Womit einverstanden?» «Na, mit deinem Namen!» Mein Besen lachte und sagte: «Aber natürlich, ich habe es ja mitgeträumt.» «Nicht einmal mehr allein träumen kann ich, ohne dass du schon alles weisst!» Wir alberten ein wenig zusammen und spekulierten um die Wette, wie es wohl weitergehen würde mit uns zweien, obwohl ich mir damals schon sicher war, dass Silberhaar das schon lange wusste. «Jetzt sollten wir aber noch etwas schlafen, der Morgen dämmert schon.» «Ja, du hast Recht. Aber es ist so schön, mit dir zu reden. Ich habe immer das Gefühl, die alte, weise Hexe wäre hier.» «Das ist sie auch», meinte Silberhaar, schloss seine Augen, und um seinen Mund spielte ein verschmitztes Lächeln. Was Silberhaar wohl denkt, dachte ich – und so schlief ich auch wieder ein. Gnadenlos wie jeden Morgen klingelte um halb sieben mein Wecker. Doch dieses Mal fühlte ich mich nicht wie an jedem anderen Morgen, nein, ich hatte einfach ein tolles Gefühl. Ich hatte nämlich so kurz vor Vollmond einen Namen für meinen Besen gefunden! Wir beide schauten uns an und lachten. Ich glaube, mein Besen hatte auch etwas Angst davor, ich würde nicht rechtzeitig den richtigen Namen für ihn finden. Deshalb fragte ihn noch mal: «Kannst du dich denn an den Namen erinnern, den ich dir heute Nacht gegeben habe?» «Natürlich kann ich mich daran erinnern. Silberhaar war es doch, oder?» «Ja klar, stimmt!» «Was denkst du denn? Sicher weiss ich es noch! Und ich finde den Namen wunderschön. Bitte, Maria, verrate mir, was dich auf den Namen Silberhaar gebracht hat>» Ich lachte und erklärte ihm, wie ich darauf gekommen war: «Weisst du, als wir um die Wette geflogen sind in der wunderschönen Nacht und der Mond über dem Meer schien, da glänzten die Haare der weisen Hexe so silbern, und plötzlich hatte ich die Eingebung. So kam ich auf deinen Namen.» Wie wichtig es für den Besen war, dass ich ihm diesen Namen gegeben hatte, konnte ich damals nicht erahnen! «Schön, gut hast du das gemacht, Maria!» Er zwinkerte mir zu. «So, Silberhaar, jetzt muss ich dich leider für eine kurze Zeit allein lassen. Ich muss in die Küche, sonst bekomme ich wieder Schelte von meiner Familie.» «Mach dir nichts draus. Du wirst grösser und älter und mit mir gewiss noch viele, viele schöne Stunden verbringen.» «Ja, da bin ich auch ganz sicher! Und das lässt mich auch immer wieder fröhlich sein. Also, bis nachher.» Ich hüpfte fröhlich pfeifend in die Küche. Dann fing ich an, ohne zu hexen das Frühstück zuzubereiten. Ich deckte den Tisch und merkte gar nicht, dass ich immer noch ein Lied vor mich hin summte. Wie lange meine Mutter schon in der Ecke stand und mich beobachtete, wusste ich nicht. Ich erschrak fast zu Tode, als sie plötzlich in ihrem komischen Morgenmantel vor mir stand, dicht hinter ihr meine Schwester. «Na, Kleine, was bist du denn so gut gelaunt? Was Schönes geträumt?», lachten beide. Wenn die wüssten, wie Recht sie damit hatten. «Wir haben dir etwas mitzuteilen.» «Ja, ich höre.» Das musste etwas ganz Besonderes sein, wenn die zwei am Tisch mit mir in so offiziellem Ton redeten. Ich merkte, wie mein Puls schneller wurde und meine Hände anfingen zu zittern. Damit das keiner sehen konnte, legte ich sie in meinen Schoss. «Nun, Maria», sagte meine Mutter, «deine Schwester und ich werden auf Reisen gehen, geschäftlich natürlich. Und da du noch nicht erwachsen genug bist, allein in diesem grossen Haus zu sein, haben wir dir eine Kinderschwester gesucht.» «Was? Eine Kinderschwester? Ich bin doch kein kleines Mädchen mehr! Immerhin werde ich bald dreizehn Jahre alt.» «Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten. Du hast die Wahl. Kinderschwester oder ein Internat. Na, was sagst du? Wir warten.» Blitzschnell wurde mir klar: Wenn ich die Kinderschwester ablehnte, war alles aus. «Ihr habt sicher Recht. Was immer ihr wollt, aber lasst mich in diesem Haus bleiben und in meiner Schule.» «Gut, damit wäre alles geklärt. Wir müssen noch heute abreisen. Sieh zu, dass du sofort nach dem Unterricht nach Hause kommst, damit wir dir deine Kinderschwester noch vorstellen und die Abmachungen gemeinsam durchgehen können.» «So bald schon», sagte ich und bemerkte, wie sich ein Kloss in meinem Hals bildete. Ich werde doch nicht weinen, dachte ich für mich. Es war schon komisch: Auch wenn ich nie so etwas wie Liebe bekommen hatte, waren sie doch meine Mutter und meine Schwester. Seltsam. «Nun geh schon! Wir haben noch viel zu erledigen, und du solltest zur Schule.» In etwas gedrückterer Stimmung kam ich in mein Zimmer zurück. «Maria, alles in Ordnung?», erkundigte sich mein Besen. «Nein, natürlich nicht! Wieso fragst du überhaupt? Du weisst doch sonst auch immer alles.» Silberhaar war nun ganz verwirrt, denn in diesem Ton sprach ich nie mit ihm. «Sauer?», hakte er nach. «Nein, ich bin nicht sauer, ich bin wütend.» «Auf mich?» «Silberhaar, die wollen mir eine Kinderschwester vor die Nase setzen und einfach ins Ausland verreisen!» «Ach so. Wenn es nur das ist.» Jetzt war ich wirklich wütend. «Wie kannst du nur so etwas sagen? Schliesslich bin ich doch auch ihr Kind, und sein Kind verlässt man nicht einfach so von heute auf morgen!» Silberhaar kam auf mich zu und legte behutsam seinen Stiel um meine Schulter. «Sei unbesorgt, es wird alles gut werden. Dass dir deine Familie trotz allem fehlen wird, kann ich gut verstehen. Aber du wirst sehen, es gibt noch so viel, was du nicht weisst, und die Zeit wird vorübergehen wie im Fluge.» «Wie Recht du doch hast!» Jetzt lachten wir beide, denn das war ja das, was wir gemeinsam taten: Fliegen. «Wir müssen los, komm schnell.» Artig ging ich mit Silberhaar in der Hand zur Schule. Doch ich versuchte nicht, mit meinem Besen zu sprechen, denn auf der Strasse wäre das viel zu gefährlich gewesen. Es hätten mich ja Leute hören können, besser gesagt: Uns. Aber da ich wusste, dass mein Besen Gedanken lesen konnte, hatten wir auch so die Möglichkeit, miteinander zu reden. Ich hatte dabei noch etwas Mühe, denn ich konnte nicht immer alles verstehen. Nun, wenn wir später allein waren, konnte ich ihn ja fragen. Gerade heute wäre ich so gerne nach der Schule hoch zur Linde gelaufen, geflogen, ach egal, einfach dahin, nur nicht sofort nach Hause. «Kindermädchen, nein, Kinderschwester», korrigierte Silberhaar. So ein Schwachsinn, dachte ich. Wieso hatte ich bloss das Gefühl, dass Silberhaar das alles gar nicht so schlimm fand? Heute war es besonders schwer, mich zu konzentrieren, und in Mathe war ich sowieso nicht die Beste. Ich bemühte mich, so gut es ging, nicht auch noch Madame Kathrins Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Das konnte ich nun gar nicht brauchen. Da heute keine Flugstunde war, ging die Zeit einfach nicht vorbei. Ich konnte nur hoffen, diesen Tag mit Ach und Krach zu überstehen, und dass der Abend zu Hause nicht allzu heftig ausfallen würde. Also kämpfte ich mich durch die endlosen Schulstunden. Es war Pflicht für jede Hexe, ihren Besen immer bei sich zu haben, auch wenn keine Flugstunden stattfanden. Dadurch sollte die Bindung zwischen dem Besen und der Hexe immer enger werden. Ich konnte mir allerdings kaum vorstellen, eine noch engere Beziehung zu meinem Besen zu bekommen. Wenn keine Flugstunde war, hatten wir Theorie. Die Theorie in Hexenkunde war sehr spannend. Da musste ich mich schon gewaltig anstrengen, um alles mitzubekommen, denn es faszinierte und versetzte mich in eine andere Welt. Hier wurde auch ganz genau der Unterschied zwischen Hexerei und Zauberei erklärt. Vielleicht könnt ihr euch noch daran erinnern, wie ich angefangen habe zu erzählen, dass das beileibe nicht dasselbe sei. Zaubern kann man zwar lernen – jetzt werdet ihr sicher denken, hexen doch auch! In gewisser Weise schon, aber eben nur, wenn man als Hexe geboren wurde. Sonst ist es eben nur Zauberei. Zauberei ist eine Illusion, Hexerei aber nicht, denn das sind Tatsachen. Aber Vorsicht, es gibt auch bei uns solche, welche dies missbrauchen und nicht zum Wohle anderer, sondern ausschliesslich zu ihrem eigenen Nutzen einsetzen. Und das wiederum ist schlecht! Alles, was eine Hexe aus purem Egoismus zaubert, bekommt sie auf irgendeine Weise zu spüren. Sei es, dass ihr Besen nicht mehr fliegt, alle Kräuter gleich riechen, das Feuer in der Küche nicht mehr brennt: alles solche Dinge, die einem zeigen, dass, wenn man es aus reinem Eigennutz und Bequemlichkeit macht, man dafür eben büssen muss. Hexen ist schon etwas Feines, aber wie für vieles im Leben, benötigte man dazu sehr viel Disziplin. Es war schon verlockend, eben fix zu hexen, wenn man mal gar keine Lust zum Arbeiten hatte. Aber das durfte man nicht. Es sollte immer wohl überlegt sein, wann und wie man das Hexen einsetzte. Schon komisch, dass meine Mutter nicht merkte oder wusste, dass sie eine kleine Hexe geboren hatte. Doch das war jetzt nicht mehr wichtig, da sie es sowieso vorzog, mit meiner Schwester ins Ausland zu reisen. «Silberhaar, wieso ist eigentlich meine Schwester keine Hexe?» «Pssst, du sollst doch aufpassen während des Unterrichts!» Am schlimmsten war für mich meine Ungeduld. Gute Hexen mussten geduldig sein, denn nur eine geduldige Hexe konnte später eine wirklich weise Hexe sein. Dass ich den Unterschied zwischen einer weisen, gütigen und geduldigen Hexe und einer ungeduldigen, dummen, brummigen Hexe eines Tages spüren würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Glücklicherweise. Hätte ich damals schon alles gewusst, wer weiss, vielleicht hätte ich dann einen anderen Weg gewählt. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass ich keine Hexe mehr sein wollte, denn wenn man als Hexe geboren wurde, blieb man eine Hexe bis zum Lebensende und darüber hinaus. Da ich nicht als durchschnittliche Hexe enden wollte, wusste ich, dass ich mich anstrengen musste in der Schule. Ich hatte das beste Vorbild, nämlich meine weise, alte Hexe, und ihr eiferte ich nach. Silberhaar spürte offensichtlich meine Anspannung und teilte mir gedanklich mit, dass gleich die Schulglocke ertönen würde. Tatsächlich, die Glocke schrillte misstönend wie immer, doch heute empfand ich es das erste Mal als äusserst angenehm. Bloss raus hier! Aber als ich draussen war, bremsten mich meine trüben Gedanken. «Was ist mit dir, Maria?», erkundigte sich mein Besen. «Du hast es heute aber gar nicht eilig.» «Nö, wirklich nicht. Schliesslich erwartet man mich ja nicht gerade sehnsüchtig zu Hause», entgegnete ich missmutig. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Silberhaar das ganz anders sah. Aber er schwieg. Zu Hause angekommen, erwartete mich eine niederschmetternde Überraschung. Die Kinderschwester, die man mir ausgesucht hatte, sah aus wie eine Nonne, denn sie trug eine schwarzweisse Kluft. Ich fasste mir an die Nase, kniff mich in den Arm und klammerte mich an Silberhaar fest, weil ich nicht glauben konnte, was ich da sah. War ich schon im Kloster? «Ähem, guten Abend», sagte ich und schaute verstohlen zu Silberhaar. Der aber schien mir ganz vergnügt. Die „Nonne“ hielt mir ihre Hand hin, die sehr warm und angenehm war. «Nani heisse ich.» «Bitte, wie war Ihr Name?» Also doch von einem anderen Planeten. «Nani», wiederholte sie geduldig. Komischer Name, dachte ich. «Wir werden uns mit Sicherheit sehr gut verstehen», sagte Nani. Das bezweifle ich, entgegnete ich in Gedanken. Wer wollte schon eine Nonne als Kindermädchen? Meine Mutter und meine Schwester waren schon sehr aufgeregt. Sie konnten es offensichtlich nicht erwarten, ihre Koffer zu nehmen und endlich abzuhauen. Ja, abhauen, etwas anderes war das nicht für mich. Gut, dann waren sie mich ja los, keine lästige Pflicht mehr, auf eine junge Hexe (ach, das wussten die ja gar nicht), vielmehr auf einen Teenager Acht zu geben. Es blieb mir nichts weiter übrig, als mich in mein Schicksal zu fügen. Ich verabschiedete mich von meiner Mutter und meiner Schwester. Dabei merkte ich, dass mich das Ganze doch ziemlich berührte. Ich hätte die zwei gerne umarmt, aber die hatten ganz andere Pläne. «Also tschüss, man hört und sieht sich! Macht’s gut, ihr zwei!» Weg waren sie. Verwirrt stand ich am Strassenrand und sah der Limousine hinterher. «Einen schönen Besen hast du da», sagte die Kinderschwester. Wie hiess sie noch mal? Ach ja, Nani. «Danke.» In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass mich weder meine Mutter noch meine Schwester je auf meinen Besen angesprochen hatten. Wieso eigentlich nicht? Ich hatte Silberhaar doch immer bei mir! Der stiess mich fast unmerklich von der Seite an: «Die konnten mich auch gar nicht sehen.» «Aber Nani kann dich sehen?» «Ja, natürlich!» Die Verwirrung war nun perfekt. Ich wollte mich umdrehen, um in die Küche zu gehen und das Essen vorzubereiten. Doch hoppla, jetzt war ich aber total durcheinander. Der Tisch war gedeckt, und es duftete herrlich aus der Küche. «Mach deinen Mund wieder zu», lachte Nani. «Wer hat denn hier gekocht?», fragte ich verdattert. «Na, ich natürlich», kam Nanis prompte Antwort. «Sie können kochen?» «Sicher, sonst wäre ich doch ein ganz schlechtes Kindermädchen oder Kinderschwester. Wieso bist du darüber so erstaunt, Maria? Das ist doch normal, dass du Hunger hast, wenn du von der Schule kommst und essen musst!» Ich senkte meinen Kopf und schwieg. Silberhaar schaute mir direkt in die Augen, und ich wusste nicht, ob ich reden sollte. Ich wusste immer noch nicht, war Nani nun Freund oder Feind? Nani und ich setzten uns an den Tisch. Für mich ein völlig neues Gefühl, denn das war ich ja nun gar nicht gewohnt. Es hatte sich tatsächlich jemand um mich gesorgt und auch noch gekocht. Seit die weise Hexe im Regenbogenland war, gab es das nicht mehr. Schön war es. «Das Essen hat ganz toll geschmeckt! Vielen Dank, Nani.» Langsam gewöhnte ich mich auch an diesen etwas seltsam klingenden Namen. Als wir fertig waren mit Essen, fragte ich höflich, ob ich aufstehen dürfe. «Ja, natürlich.» Ich trug das Geschirr in die Küche, wie ich es gewohnt war. Nani folgte mir. «Komm, lass uns gemeinsam den Abwasch erledigen.» Jetzt verstand ich die Welt nicht mehr. Das nun auch noch, dachte ich argwöhnisch. Wollte die sich bei mir einschmeicheln? Was wollte die von mir? «Eine wirklich tolle Küche hast du da, kleine Maria», lobte Nani. «So klein bin ich aber gar nicht mehr», erwiderte ich trotzig. «Nein, nein. Ich wollte dir mit dieser Bemerkung auch nicht zu nahetreten.» «Wieso finden Sie diese Küche so etwas Besonderes?» «Ach, nur so», sie schmunzelte. Nun fingen wir mit dem Abwasch an. Plötzlich spritzte sie mich nass und lachte. Das liess ich mir natürlich nicht einfach so gefallen und spritzte zurück. Sie wurde nicht einmal böse, sondern wir machten fröhlich weiter. Zum Schluss waren wir beide pudelnass, und die Küche stand unter Wasser. Doch ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spass in der Küche gehabt, ausser mit der alten, weisen Hexe. Aber jetzt mit Nani, das war schon cool. «Hast du noch Hausaufgaben, Maria?» «Nein, heute nicht.» «Das ist ja toll, dann kann ich dir ja heute Abend, wenn du möchtest, etwas vorlesen.» Vorlesen, dazu war ich nun wirklich schon zu gross, fand ich. «Wie meinen Sie das, Nani? Vorlesen, so Gutenachtgeschichten? Wie Sandmännchen oder so?» «Nein, so etwas nicht. Warte es doch einfach ab und lass dich überraschen.» Als ob ich heute nicht schon genug Überraschungen gehabt hätte! «Tja, wenn Sie meinen.» «Du kannst mich ruhig duzen, du brauchst zu mir nicht Sie zu sagen.» Jetzt war ich aber wirklich baff. Da ich eher misstrauisch gegenüber Fremden war, fragte ich Nani: «Kann ich Sie, Verzeihung, dich nicht um etwas anderes bitten, als Geschichten zu erzählen?» «Ja, gern. Was wäre denn dein Vorschlag?» «Ja, also …» «Nur nicht so zögerlich! Sag schon, Maria, woran hast du gedacht?» «Etwas aus unserem Leben! Wäre das nicht spannender?» «Da habe ich ja eine ganz neugierige Maria», lachte Nani. «Ist das denn schlecht?», begehrte ich auf. «Aber nein! Du musst nicht alles, was ich dir antworte, so auf die Goldwaage legen. Die Idee ist grossartig. Wir kennen uns ja auch erst seit ein paar Stunden. Komm, wir setzen uns ins Wohnzimmer, machen es uns gemütlich und trinken einen feinen Tee!» «Tee? Gut, wenn du meinst, dann trinken wir eben Tee.» Ich wollte gerade aufstehen, um den Tee zuzubereiten, da sagte Nani: «Lass nur, ich mach das schon.» Auch gut, dachte ich. Es dauerte nicht lange, da zog ein seltsamer Geruch aus der Küche herüber, und es krachte vernehmlich. Was war denn jetzt los? Zuerst wollte ich artig sitzen bleiben und warten, aber meine Neugier siegte. Ich schlich in Richtung Küche und lugte um die Ecke. Es qualmte ganz fürchterlich und roch gar nicht nach Tee. Was Nani da wohl machte? So schnell, wie alles angefangen hatte, hörte es aber auch wieder auf. Ich eilte zurück ins Wohnzimmer. Nani sollte es nicht bemerken. Mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen und ein Teekrug standen, kam sie schliesslich zurück. Sie schien ganz zufrieden zu sein mit dem, was sie fabriziert hatte. Sie stellte das Tablett ab, gab mir eine Tasse Tee und goss sich selbst einen ein. «Nun, ich hoffe, mein Tee schmeckt dir.» Ich kam mir vor wie bei Schneewittchen, nur bei mir war es Tee und kein Apfel. «Keine Angst, Maria, ich vergifte dich schon nicht.» Nein, die nicht auch noch! Es reichte mir schon, dass Silberhaar Gedanken lesen konnte. Ich beobachtete sie ganz genau, und erst als sie den ersten Schluck nahm, tat ich es auch. «Pfui», rief ich laut und spuckte. Es schmeckte schrecklich! Was war ich doch unhöflich! Ich wollte mich schon entschuldigen, als Nani mir zuvorkam: «Ja, da hast du vollkommen Recht. Es schmeckt scheusslich.» Sie machte eine Handbewegung, und alles war verschwunden. Kein Tablett mehr, kein Tee, einfach gar nichts mehr. Na, was glaubt ihr, habe ich in diesem Augenblick gedacht?

Der Stuhl

Ich versuche mal das Gefühl zu beschreiben, das mich in diesem Augenblick überfiel. Der Stuhl, auf dem ich sass, hatte urplötzlich einen riesigen Mund bekommen. Es kam mir vor, als verschlänge er mich mit Haut und Haar. Auch glaubte ich zu hören, wie er genüsslich mit der Zunge schnalzte bei der Vorstellung, mich jetzt als Mahlzeit zu verspeisen. Ich rutschte immer tiefer und beobachtete aus dem Augenwinkel meinen Besen. Doch der schlief. Dachte ich wenigstens. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ging ruhig und regelmässig. Hatte sich jetzt alles gegen mich verschworen? In Gedanken rief ich Silberhaar: «Was soll ich jetzt tun?» Doch ich bekam keine Antwort. Nani sah mich mit einem verstohlenen Grinsen an und sagte: «Ja, mein Kind, ich weiss, was du jetzt denkst. Hexen soll man niemals aus Bequemlichkeit. Das war nur ein Test!» Ha, das hätte ich auch gesagt, wäre ich ertappt worden, dachte ich. Ich fühlte mich so unbehaglich, dass ich am liebsten laut geschrien hätte. Doch es kam kein Ton aus meinem Mund, und dieser war auch komplett ausgetrocknet. «Maria, was ist mit dir?» Was für eine dämliche Frage! Ich hatte noch immer das Gefühl, bei lebendigem Leib gefressen zu werden, und das von einem Stuhl. Ich überlegte krampfhaft, wie ich aus dieser misslichen Lage herauskommen konnte. Da ich von der weisen Hexe gelernt hatte, anständig zu sein, behauptete ich, ich müsse noch Hausaufgaben machen. «Du sagtest mir doch, dass du keine hättest», erwiderte Nani. Das hatte sie also behalten . Nun sass ich tiefer in der Tinte, als mir lieb war. «Ach ja, stimmt», hörte ich mich sagen. «Nun, dann lass uns doch reden, wie vereinbart.» Was sollte ich mit einer trockenen Kehle reden? «Ich habe ziemlichen Durst, ich würde mir gerne etwas holen.» «Ach lass nur, ich muss sowieso in die Küche. Was möchtest du denn gern?» «Limonade bitte.» Wie kam ich bloss aus diesem gefrässigen Stuhl heraus, ohne dass sie Verdacht schöpfte? Da hatte ich die zündende Idee: «Nani, du weisst ja nicht, wo die steht. Ich zeige es dir.» «Das ist nicht nötig, ich kenne mich in diesem Haus relativ gut aus.» Schon entschwand sie. «Silberhaar, nun wach doch endlich auf, bitte.» «Maria, ich bin wach.» «Wie bitte?» «Ja natürlich, ich habe mich sehr gut erholt.» «Wenigstens du!» «Was hast du denn auf dem Herzen?» «Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder?» «Doch!» «Nun, hast du denn nicht mitbekommen, was Nani gemacht hat?» «Doch!» «Wie, du findest das nicht seltsam?» «Nein, sie hat dir doch gesagt, wieso.» «Und das glaubst du?» «Ja, klar. Nun beruhige dich, Maria, und steh auf.» Na endlich, das erlösende Wort. Ich glaube, hätte Silberhaar das nicht gesagt, dann sässe ich jetzt noch in diesem fressenden Stuhl. Erleichtert erhob ich mich. Dann schlich ich in Richtung Küche. «Na, Maria, traust du mir nicht?» »Doch, doch, ich wollte nur sehen, ob du zurechtkommst.» «Natürlich. Du magst doch am liebsten Zitronenlimonade, oder?» «Woher weisst du das?» Nani lachte: «Ich sagte dir doch, ich kenne dich und das Haus besser, als du denkst. So, hier deine Limo, ich hoffe, sie schmeckt dir annähernd so gut wie die deiner weisen Hexe.

---ENDE DER LESEPROBE---