Hexengeschichten - Ludwig Bechstein - E-Book

Hexengeschichten E-Book

Ludwig Bechstein

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Beschreibung

Hexerei und Hexenverfolgung ist etwas, von dem wir alle auf die eine oder andere Weise gehört haben, aber vielleicht nie kritisch betrachtet haben. Ludwig Bechstein gibt uns mit diesem Buch einen Einblick in eine groteske und sehr unmenschliche Zeit mit Katastrophalen Gesetzen und Regeln. Gesetze, die tödliche Folgen hatten, für Frauen, die ein wenig von der Norm abwichen. Frauen, die tatsächlich in der Lage waren, Menschen zu heilen, Frauen, die etwas über Kräuter, Bäume und die Natur wussten oder Frauen, die einfach ein bisschen anders waren. Ein faszinierendes Buch über eine spannende Zeit. -

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Ludwig Bechstein

Hexengeschichten

 

Saga

Hexengeschichten

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1854, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728010365

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Teufelsbuhlschaft

Nach einer ausführlichen gleichzeitigen handschriftlichen Berichterstattung im Hennebergischen Gesamtarchiv zu Meiningen

Es war am Vorabend des Festes Mariä Verkündigung im Jahre des Herrn 1533, als sich allgemach die Schankstube des Rat- und Schlundhauses zu Schildach im Schwabenlande von Zechgästen leerte und der wohlbeleibte Schankwirt, zugleich Schultheiß des Städtleins, jedem scheidenden Gast eine ebenso geruhsame Nacht wünschte, als er für sich selbst eine hoffte.

Das Städtchen Schildach liegt im Großherzogtum Baden, aber der württembergischen Grenze ganz nahe, im Landgericht Hornberg; ein gleichnamiges Bergwasser rollt munter hindurch und seine Wellen der Kinzig zu.

Ehrn Vollrad, der Ratswirt, war seit kurzem Witwer und führte seine Wirtschaft mit Hilfe einer Dienstmagd, die hübsch, tüchtig und fleißig war; bei dieser schlief, drüben über der Flur, das einzige Kind, ein Töchterchen von vier Jahren, welches des Wirtes verstorbene Frau diesem hinterlassen; sein eigenes Schlafgemach stieß dicht an die Wohn- und Schankstube.

Das Kind schlief bereits; die junge Magd war noch auf, doch ziemlich schläfrig – draußen vor dem Rathaus stieß der Nachtwächter mächtiglich in das Horn, tutete die elfte Stunde an und sang mit grölzender Stimme:

Christ, der du bist das Licht und Tag,

Die Finsternuß der Nacht verjag!

Wir glauben dich des Lichtes Schein,

Das du verkündet hast zu sein.

Wir bitten, Herr, dein heilig’ Güt’,

Daß sie uns diese Nacht behüt.

Sei uns Ruh in deiner Macht,

Verleih uns ein’ ruhige Nacht!

’S hat eilf geschlagen!

Lobet Gott den Herrn! –

Durch die Nacht brauste der Frühlingswind; es war um die Zeit des Äquinoktiums, ein Montagabend, der 24. März. Große Tropfen schlugen an die Fenster, und durch rasch ziehende schwarze Wolken warf der Mond oft einen gespenstigen Schein auf Häuser und Straßen, bald hüllte sich alles wieder in tiefes Dunkel, schier unheimlich.

Vollrad nahm eine Ampel in die Hand und trat aus dem Zimmer, in die geräumige Hausflur leuchtend, die voll Tonnen stand, in der die Ratswaage hing, in der mehrere Säcke standen, eine Tracht Felle lag, darin sich auch einige Tische befanden nebst Bänken, an denen an Markttagen die Bauern zechten. Oben am dunkelbraun geräucherten, mit den zartesten Vorhängen von Spinnen gewebt, verzierten Deckengetäfel, hingen die neu vom Stadtrat angeschafften Feuereimer, an jedem das Wappen des Städtleins, drei rote Schildlein im silbernen Felde, sauber angemalt, eine wahre Pracht. Vollrad warf einen Blick hinauf zu diesen Eimern und murmelte: »Gott behüte uns, daß wir euch nicht brauchen!« – Dann sprach er zu der Magd: »Schließe das Haus, Kathrin, und lege dich schlafen!«

In diesem Augenblick erscholl eine Stimme: »Ja Maid, lege dich, ich komme auch gleich und lege mich!«

Das Mädchen kreischte erschrocken laut auf – den Schultheiß durchfuhr ein Schauer – doch dachte er, es möge sich etwa ein loser Gesell hinter ein Faß versteckt haben und Possen treiben wollen oder Schlimmeres; er leuchtete daher sorglich umher im ganzen Flur und fand und erblickte nichts, worauf er zornig ausrief: »Lieg am Galgen, wer du auch bist!« und der Köchin gebot: »Schließe deine Kammer wohl zu und lege dich nieder!«

Die Dienerin gehorchte diesem Befehl ohne Säumen, aber in demselben Augenblick rief dieselbe Stimme, die vorhin sich hatte hören lassen: »Ich werde schon den Riegel halten!«

Vollrad hörte indes, wie jene ihr Türschloß zuschnappte und von innen die Türe verriegelte. Er ging nun selbst zur Haustüre und tat an dieser das nämliche; er schnappte das mächtige, mit vieler Kunst gearbeitete Schloß ab und warf die zwei großen Riegel vor, dann ging er mit raschen Schritten nach seiner Bettkammer, denn es kam ihn ein Grausen und ein Gruseln an. Mit ungewohnter Schnelle entledigte er sich der Kleider, warf sich in das Bett, zog die Decke über sich, nachdem er sich gekreuzigt und gesegnet, und betete sein Ave Maria und sein Vaterunser, in Hoffnung, durch diese geistlichen Waffen geschützt zu sein und unangefochten zu bleiben.

Der Ratsherr, Stadtschultheiß und Ratswirt zu Schildach, Ehrn Vollrad, sollte in dieser Nacht keine geruhsame Nacht haben. Zuerst konnte er nicht einschlafen, das war schon schlimm und ganz gegen seine Gewohnheit. Sodann ging die Türe, welche von der Flur in die Wohnstube führte und welche Vollrad seines Wissens verriegelt hatte, auf und wieder zu; hierauf ging auch die Kammertüre, die ebenfalls in gleicher Weise verriegelt worden war, auf und wieder zu; und zwar nicht etwa nur einmal, sondern fortwährend, klipp – klapp – auf und zu – klipp – klapp – auf und zu, so daß es dem tapfern Schultheißen im Bette unerträglich und zumal auch unerträglich heiß vor Angst wurde, und fuhr heraus, rasch in die Kleider, schlug Funken in den Zunderkasten und entzündete eilig die Lampe, riß den über dem Bette hängenden Stoßdegen von der Wand und eröffnete gegen den unsichtbaren Feind einen Feldzug wie weiland seine Ahnen, die sieben Schwaben, abenteuerlichen Andenkens, gegen den Seehasen, ungeheuerlichen Andenkens. Aber der Feind, gegen den der tapfere Stadtschultheiß seinen mitternächtlichen Feldzug begann, war leider ein viel schlimmerer als der Seehas, es war der böse Feind in höchsteigener Person, oder mindestens ein Abgesandter desselben, der sein Kreditiv bald genug abgab. Der Stadtschultheiß führte einige Lufthiebe die Kreuz und die Quere, erst in der Bettkammer, dann in der Wohnstube.

Da plötzlich – trommelte es, und zum Trommelschlag scholl die Pickelpfeife, hell und deutlich, als nahe eine Söldnerschar – aber nicht draußen, sondern auf dem Ofen, der einen nicht geringen Teil der Stube einnahm und mit gar schönem Bildwerk auf den braunglasierten Kacheln verziert war. Kaiser Karl der Große mit dem Reichsapfel, König Saul mit dem Spieß, König David mit der Harfe, Frau Justitia mit Waage, Schwert und Binde waren an diesem Prachtexemplar eines Ofens zu erblicken. Ft! zischte ein Schwerthieb Vollrads hinauf nach dem Gesims des Ofens, das aus aneinandergereihten, geflügelten, pausbäckigen Engelköpfen gebildet war, und schlug einen Engelkopf entzwei.

Da rasselt es wie von zehn Trommelfellen unter dem Tisch: bidi bum, bidi bum, bidi bumbumbum. Ft! ein Hieb unter den Tisch, daß sich die Klinge um das Bein bog, welches sie hart und tief getroffen! Rrrrrr! Tumderumdumdum, tumderumdumdum – rasaunte es zu hellem Querpfeifenklang mit dem alten Fünfschlag der Trommler draußen in der Küche.

Zornvoll rannte der Stadtschultheiß hinaus, stellte die Lampe auf ein Faß in der Flur und wütete in die Küche hinein, wo er Krügen, Tellern, Kannen und Töpfen eine schreckliche Niederlage beibrachte. Das krachte und prasselte wie ein Platzregen von Scherben, aber zu gleicher Zeit erhob sich ein noch ärgeres Rasseln und Prasseln, mit dem lärmendsten Trommeln und Pfeifen gemischt, in der Esse; es war gerade, als wenn das wütige Heer hindurchziehe, und dann war es draußen auf dem Dache, das Kriegsgetümmel, und schreckte die Nachbarschaft aus dem Schlafe, und das währte so lange, bis die zwölfte Stunde sich schloß und der heilige Jungfrauentag anfing, da verstummte plötzlich der Lärm, und der Nachtwächter trat wiederum auf den Markt und stieß ins Horn und sang, daß alle Hunde in der Nachbarschaft dazu laut aufheulten:

»Daß nit ein schwerer Traum zufall’

Noch uns begreif’ des Feindes Schall!

Daß nit das Fleisch verwillig ihm

Und uns Schuldigen schaff dein’n Grimm!

Unser Augen der Schlaf begreif’,

Das Herz wach’ zu dir allzeit steif,

Dein recht’ Hand wöll beschirmen Herr,

Dein’ Diener, die dich lieben sehr!

’S hat zwölfe geschlagen!

Lobet Gott den Herrn!« –

Mit Zittern und Zagen kroch der Stadtschultheiß wieder in seine Kissen, nachdem er nochmals die Türen zu Stube und Schlafkammer sorglich verriegelt, und blieb in dieser Nacht ferner unangefochten.

Spät und in Schweiß gebadet erwachte Ehrn Vollrad; er hielt das gestern zur Nacht erlebte für einen bösen Traum, dieweil er vielleicht ein Trünklein übern Durst getan von dem vorjährigen nachbarlichen Seewein, der noch halb Most war und der sich sehr schön zu bauen verhieß; der Kopf war ihm wüst, und es lag ihm bleischwer in den Gliedern. Er enthob sich ächzend der Lagerstatt, stieß den Fensterladen auf, das Glöcklein, das zur Frühmette des Marientages rief, bimmelte schon, und als er die Stube geöffnet, erblickte er die junge Magd bereits im schmucken Anzug, und nur auf das Öffnen seiner Türe harrend, ihm das Morgensüpplein zu bringen, doch sah auch Kathrin etwas verstört aus und sprach gleich nach dem Morgengruß: »Schaut, Herr, in der Küchen, da hat einer schöne Arbeit gemacht. Vier Apostelkrüge, auch der mit dem heiligen Gotteslamm – sind zerschlagen; zwei Schüsseln und fünf Teller, und noch dazu die schönsten mit den bunten Bildern aus Welschland, die Ihr erst vor kurzem gekauft – dort liegen sie in Scherben. In meiner kupfernen Wasserbutte ist mitten durch das Bild der Verkündigung Mariä eine Scharte gehauen – was soll das sein und bedeuten, Herr?«

»Maid! Der böse Feind, dein Buhle – mag das wissen, ich nicht!« entgegnete im Unmut der Ratswirt. »Hast du nichts gehört von gestern nacht?«

»Ich hab’ meinen Psalm gesprochen und meinen Segen und hab’ nichts gehört – und Ihr dürft mich kein Teufelsbuhle schelten, Herr, daß Ihr es wißt!«

Ein leises Klopfen an der Rathaustüre unterbrach dieses Gespräch, zugleich rief aus der Schlafstube Kathrines drüben über der Flur das erwachte Töchterlein des Wirtes nach der Pflegerin, und Kathrine eilte hinüber zum Kinde, während Ehrn Vollrad die Haustüre öffnete. Der Einlaß Begehrende war der Ratsdiener Ulrich, eine alte Spießbürgergestalt, kurz, stämmig, ausgedient, bewehrt mit rostiger Wehr, welcher kam, nach Befehlen zum Wohle des Städtleins zu fragen.

»Ulrich, gehe doch sogleich zu den sämtlichen Beisitzern eines hochedlen Magistrates allhier zu Schildach. Ich lasse die hochweisen Herren bitten, nach der Frühmette sich zu einer Sitzung bei mir einzufinden, es ist eine Sach’ von Wichtigkeit, es darf keiner fehlen.«

Der Bote humpelte schlürfenden Ganges von dannen. »Ulrich!« rief ihn die Stimme des Stadtschultheißen zurück. »Sobald du die Herren entboten hast und sobald die Morgenkirch’ aus ist, gangest du hin zum Pfarrherrn Decius, ich lass’ ihn auch entbieten. Die Sach’ ist gar zu wichtig.«

Wieder wandte der Stadtbote den Schritt so eilend, als ihm sein Alter und seine Säbelbeine erlaubten.

»Ulrich!« scholl es abermals hinter ihm drein. Etwas mürrisch kehrte der Gerufene sich um und blieb stehen.

»Hierher!« gebot Ehrn Vollrad. »Soll ich etwa, was ich zu befehlen habe, über den ganzen Markt schreien?« Ulrich kam. »Wenn du den Pfarrherrn entboten, so gehst du hinauf nach Schenkenzell, zum Pfarrherrn Pater Ericus, meinem Gevattersmann, und richtest meinen schönsten Gruß aus, und er möcht’ seine Predigt heint kurz fassen und gleich nach der Kirch’ herunter zu mir ins Rathaus kommen, ich hätt’ ihm gar was Wichtiges mitzuteilen – bei einem Schöpplein vom Besten, das vergiß nicht, Ulrich, sag’ ihm ja: bei einem Schöpplein vom Besten, sonst kommt er nit, denn selbiger Pfaff ist ein Schlemmer.«

Ulrich enthumpelte abermals und murmelte etwas Unwirsches durch den Überrest seiner Zähne, worauf er sich in die Gassen des Städtleins verlor, die Siebener zu bescheiden, welche als Stadtälteste den Gemeinderat zu Schildach bildeten.

Indessen waltete Ehrn Vollrad in seinem Hause mehr als Wirt denn als Oberhaupt, und doch auch wieder als solches vorsorgend und vorbereitend; er schnitt in der Speisekammer einen Schinken und eine große Wurst ab, nahm gleich einen großen Laib Brot mit, trug alles in die Wohnstube, legte Messer und Gabeln auf den blankgescheuerten Eichentisch, stellte Salz und Pfeffer auf und rief der Maid, sie möge zehn Becher bringen, worauf er sich mit einem Licht versah und aus der Tiefe des Ratskellers einen großen Steinkrug duftigen Weines an das Tageslicht beförderte.

Nach dieser Arbeit putzte sich der wackere Stadtschultheiß feiertäglich und empfing die Aufwartung seines lieblichen Töchterleins, das schon zum Kirchgange bereit und von Kathrine geschmückt war.

Jetzt kamen nacheinander die Geladenen, wurden begrüßt, und jeder wollte ernsthaft die breite Treppe hinan zur Sitzungsstube des hochedlen Rates schreiten, allein jedem ward in die Wohnstube gewinkt, und jeder gewahrte nicht ohne einige Freude, daß es auf eine Frühstückssitzung, nicht auf eine trockene Stadtratssitzung für heute gemünzt war.

Da saßen sie nun, die edlen Herren im Festtagsstaat, stattlich reichsbürgerlich angetan, jeder mit Barett und Pelzschaube, gepufftem Wams, gesticktem Koller, mancher um den Hals eine schwere goldene Kette oder doch ein Goldstück an schlichter Schnur, jeder die stattliche Wehr an der Seite, und jeder mit so wichtiger Amtsmiene, als gelte es, des heiligen römischen Reichs Wohlfahrt zu entscheiden oder mindestens einen Kaiser zu küren. Zumal ihrer sieben waren, die beliebte Schwabenzahl, kamen sie sich vor wie Kurfürsten.

Der stattlichste, auch klügste, war Klas Mollner, Besitzer der Mühle an der Schildach, ein Mann, nicht minder klug wie der Allgäuer männlichen Andenkens und absonderlich herzhaft. Er war der reichste und galt daher als Vorsitzender des Siebenerrates. Nach ihm folgte Märten Bäck, der erste Bäcker des Städtleins, berühmt durch die Güte seiner Ware und seines Weines, denn er hielt eine Schankstube, durch die er dem Ratswirt manchen Abbruch tat. Es folgte Ehrn Asmann, Kauf- und Handelsherr, welcher in langen und kurzen Waren machte, was irgendeiner brauchte, vom Lebkuchen bis zur Zwiebel, vom Rechen bis zum Quirl, von der Zitrone bis zum Senfkorn, vom Hampelmann bis zum Stehaufchen aus Holundermark, vom Stockfisch bis zur Sardelle, vom Schleier bis zum Fazinettlein, von der Sense bis zum Federmesser, von der Ofengabel bis zur Stecknadel. War gar ein gewichtiger Mann, dabei fein und schlau. Groß und breit erschien der dritte, Johann Rink, ein Brauherr und Schankwirt, Ehrn Vollrads, des Ratsbrauers und Ratsschankwirts ärgster Rival im Geschäft, ernsthaft und gravitätisch. Ihm auf dem Fuße folgte Meister Cyrillus Birkhahn, des Städtleins wohlhabendster und kunstreicher Huf- und Waffenschmied. Nach diesem stolzierte Ehrn Hippenpfeifer, Obermeister der ehrsamen Metzgerzunft des Städtleins, in das Rathaus, ein Mann von stolzer und vornehmer Haltung, der sich in der Welt umgesehen und als Wandergesell bis nach München und Innsbruck gekommen war.

Den Beschluß machte ein Studierter, Doktor Praxedes Apollinaris Staubwedel, die größte Geistessonne von Schildach, erster Arzt und zugleich Apotheker, Ratsherr und zugleich Stadtschreiber, Chirurg und zugleich Bader, ein kundiges Allesinallem, Besitzer einer Badstube und Zwaganstalt, eines stattlichen Hauses und vieler Ländereien.

Als diese würdigen Männer nach gegenseitigen Begrüßungen und nach Rang und Stand Platz genommen hatten und dem Morgenimbiß auf die Nötigungen des Stadtschultheißen tapfer zusprachen, teilte ihnen dieser das seltsame Abenteuer der vergangenen Nacht mit. Diese Mitteilung wurde mit großem Erstaunen vernommen und schier unglaublich befunden.

»Möget Euch schön gefürchtet haben, Herr Stadtschultheiß! Mir wäre sotanes nicht begegnet!« höhnte Wollner. Märten Bäck sprach gar nichts zu dem bedenklichen Fall, er kaute. Asmann schüttelte den Kopf zu wiederholten Malen und murmelte: »Ich meinesteils kann mir aus selbigem Kasus nichts zusammenaddieren, es geht über die vier Spezies hinaus.« Johann Ring lächelte skeptisch vor sich hin und stichelte: »Wieviel Maß habt Ihr denn gestern abend zu Euch genommen, Herr Stadtschultheiß?«

Cyrillus Birkhahn schnitt ein Faunengesicht und witzelte: »Die Magd ist nicht übel, das gibt eine Eifersucht; habt acht, es ist ein Spuk, der Fleisch und Beine hat!«

»Fleisch und Knochen, das sage ich auch«, sprach der Metzgermeister Hippenpfeifer, »ganz gewiß ein paar Pfund junges Kalbfleisch mit Zulage.«

»Stimme nicht bei, stimme nicht bei«, näselte mit einer fistulierenden Stimme Doktor Staubwedel, der in der heiligen Taufe eigentlich die Namen Johann Adam erhalten, aber sich selbst Praxedes benamset hatte, um dadurch auf seine Praxis hinzudeuten, und Apollinaris, weil der heidnische Apollo der Gott der Ärzte und der edlen Heilkunst gewesen. Als einen Sohn und Jünger sotanen Gottes wollte Staubwedel sich betrachtet wissen, hatte auch seinen nicht eben vom Sonnen- und Poetengott abstammenden deutschen Namen Staubwedel in das Griechische verkehrt und nannte sich Doktor Konirhipis.

»Stimme nicht bei!« wiederholte der Doktor mit wichtiger Miene. »Glaube vielmehr, daß hier ein Casus magicus, wo nicht diabolicus vorliegt. Möchte wohl ein Geplärr des leidigen Satans sein, dürfte etwa ein Hausteufel, Kobold oder sonstiges Teufelsspektrum seinen Sitz im hiesigen Rathaus suchen und Ärgernis zu geben, sich gemüßiget finden.«

Dieser Rede des Doktors folgte von seiten seiner Zuhörer manches »hm, hm« – von dem nicht abzunehmen war, ob es Zustimmung oder Verneinung ausdrücken sollte.

Jetzt erschien auch Magister Decius, des Städtleins wohlbestallter Pfarrherr; ehrfurchtsvoll öffnete ihm Ulrich, der sich in der Hausflur von Kathrine mit einem Morgenimbiß vergnügen ließ, nachdem er seine sämtlichen Sendungen vollzogen. Decius trat schmunzelnd in die Gesellschaft ein, worauf ihm sogleich alles Nötige zur Erquickung dargeboten und der absonderliche Fall vorgetragen wurde. Der Pfarrer erschrak fast sehr und ließ Messer und Gabel fallen; er sprach nur das eine Wort: »Exorzismus!« Dann setzte er sein unterbrochenes Geschäft fort, und als er sich gehörig gestärkt und erquickt hatte, entsandte er Ulrich zum Mesner, daß dieser mit Weihwasserkessel, Aspergillum und dem Meßbuch, darin die Formeln des Exorzismus enthalten, sich ohne Säumen ebenfalls zur Stelle verfüge.

Unterdes wurde der bedenkliche Fall noch reiflichst durchgesprochen und erwogen, und nebenbei wurde auch die große Kanne, die voll Wein gewesen war, leer, so daß Ehrn Vollrad sich gemüßiget fand, nochmals hinab in den Kellerraum zu steigen und selbige frisch zu füllen.

Mit dem Mesner von Schildach traf an der Türe der Pfarrer Ericus von Schenkenzell zusammen, und beide traten gleichzeitig in das Rathaus.

»Nun nun nun, was soll es denn geben am lieben Feiertag?« fragte Ericus in der Flur den soeben die Treppe heraufsteigenden und keuchenden Ratswirt der Stadt. »Was habt Ihr denn so Wichtiges, Ehrn Vollrad?«

»Ach, Herr Pfarrer!« ächzte Vollrad, »der Beelzebub, Gott sei bei uns, ist los! Kommt nur herein, Ihr werdet sogleich mehr davon hören!«

Pater Ericus trat ein, grüßte, ward gegrüßt und nahm seinen Sitz ein und vernahm den Handel oder vielmehr die Sache, um die es sich handelte. Er legte weniger Schreck an den Tag als der Pfarrer Decius, vielmehr ungemein viel Zuversicht, es mit allen Kobolden und Teufelsgespenstern aufzunehmen.

Der Mesner an der Pfarrkirche zu Schildach erschien jetzt mit allem, was ihm herbeizubringen anbefohlen war, und brachte auch das priesterliche Gewand mit, ohne welches der Pfarrer nicht wohl eine öffentliche Amtsverrichtung vornehmen konnte. Statt der Sakristei diente jetzt des Ratswirts Bettkammer, darin der Mesner seinen Pfarrer mit der Alba, mit Stole, Zingulum und Humerale bekleidete, die Planeta ihm über- und den Manipulus ihm über den linken Vorderarm hing.

Nach diesen Vorbereitungen erhob sich die ganze Gesellschaft und trat, an der Spitze der Pfarrer Decius, gefolgt von seinem Amtsbruder und dem Mesner, dann die Herren des Rates, in das Vorhaus, wo sie sich aufstellten.

Der Pfarrer schlug im Meßbuch das Gebet gegen Anfechtungen auf, las Collecta, Secreta und Complenda; dann begann er: Exorcisco te, creatura diabolica per deum † vivum, per deum † verum, per deum † sanctum – usw., schlug die Kreuze, tauchte den Wedel in das geweihte Naß, sprengte hierhin, sprengte dorthin – da ging es »wiswiswiswiswiswissumsumsumsumsumsumsumsum«, ihm wispernd und sumsummend immer um den Kopf herum, bald an einem Ohr, bald am anderen, das war dem Pfarrer sehr störend, und er merkte wohl, mit wem er es zu tun habe. Er nahm daher zu einer stärkeren Bannformel seine Zuflucht und beschwor den Teufel bei der Kraft und dem Wort des allmächtigen Gottes, daß er sich laut redend solle vernehmen lassen: »Und sage mir, wer du bist und welches dein Begehren ist, armer unseliger Geist, und womit dir kann geholfen werden durch Eli Sabaoth Kyrie Tetragrammaton.«

Dem Teufel mochte bei dem Wort Tetragrammaton sein, als werde er zermörselt, denn mit einem Male brüllte eine Stimme überlaut: »Mordjo! Mordjo! Du Schandlästerpfaff!« – daß alle Hörer sich entsetzten. Der Pfarrer erzürnte sich über diesen unhöflichen Gruß äußerst und fragte mit aller Strenge: »Wer bist du, unsauberer Geist?«

»Der Teufel bin ich und nicht um ein Härlein unsauberer wie du, Pfaff!« scholl die schreckliche Antwort.

»Was tust du hier! Was suchst und was begehrest du?« fragte im Amtseifer Magister Decius.

»Nichts tue ich hier! Es gefällt mir hier, darum bin ich da! Dem Schultheißen will ich das Haus überm Kopf anbrennen, das ist mein Begehr!«

Dem Schultheißen schlotterten die Knie; mit Entsetzen hörten alle diese Rede.

»Warum willst du solches tun?« fragte standhaft der Pfarrer weiter.

»Weil der Schultheiß mir mein Maidlein vorenthält, meine liebste Buhle!« scholl die Antwort.

»Wer ist diese deine liebste Buhle?«

»Die Maid im Haus, du Schandpfaff!«

Jedermänniglich entsetzte sich, denn die Köchin galt für eine unbescholtene und sittsamliche Jungfer, und nur diese konnte gemeint sein, denn des Wirtes Töchterlein war ja noch ein Kind.

Der Pfarrer gab jetzt seinem Teufelsexamen eine andere Wendung, er dachte: Wer weiß, wann dir wieder einmal ein Teufel Rede steht, zumal dir noch nie einer Rede gestanden, und begann den Teufel mit seltsamen Gewissensfragen zu behelligen.

»Kannst du auch beten, Teufel?«

»Wenn du mir’s vorplapperst, Plapperpfaff, so kann ich’s wohl nachplappern, kann dir auch was pfeifen!« Jetzt begann der Pfarrer das heilige Vaterunser zu beten – und der Teufel sprach es tapfer nach, bis zu der Bitte: Vergib uns, wie wir vergeben – da pfiff der Teufel.

Dann mutete der Magister Decius, einmal im Zuge, dem Teufel zu, auch ein Ave Maria und das Kredo nachzusprechen; der Teufel sprach auch in der Tat nach, aber wo es ihm nicht gefiel nachzusprechen, da pfiff er und verhöhnte damit den Pfarrer, das Gebet und den Glauben zu gleicher Zeit.

Während dies im Rathausflur vorging, war durch des Stadtdieners Ulrich Zunge ruchbar geworden im Städtchen Schildach, daß etwas ganz Außerordentliches sich im Rathaus begeben müsse, dieweil alle Siebener und zwei Pfarrer dorthin entboten seien, und sei doch niemand krank, müsse was Absonderliches auf sich haben; es drängten sich Leute herein, die Tür blieb geöffnet, und bald stand es draußen Kopf an Kopf, dichtgedrängt allerlei gaffendes Volk, ehrsame Spießbürger, alte und junge Weiber und die liebe Jugend in hellen Haufen.

Der Stadtschultheiß winkte Ulrich, die Türe zu schließen, allein dies ging schon nicht, die Leute wichen nicht und wankten nicht, sie hörten zu und standen mauerfest, Keil an Keil. Sie standen mit offenen Mäulern und hörten dem Teufel aufmerksamer zu als den Sermonen des Pfarrers in der Kirche. Endlich fragte der Pfarrer Decius: »Sage, Teufel, wie lange ist das Maidlein deine Buhle – und wer erlaubt dir das?«

Gleich kam die Antwort mit gellender und schmetternder Stimme: »Sage, du Schandlästerpfaff, wie lange ist deine Köchin deine Buhle, und wer erlaubt dir das?« – Rings erscholl Gelächter, und der Pfarrer Decius rannte zornrot in die Stube zurück, wollte nicht weiter den losen, argen, tückischen Teufel fragen, nichts weiter mit ihm zu schaffen haben.

Da jedoch die Sache trotz all ihrer Grauslichkeit und Unheimlichkeit jetzt begonnen hatte, einen heitern Charakter anzunehmen, so drängte es den herzhaften Müller, den Spaß fortzusetzen, und er warf die kecke Frage auf: »He Teufel, kannst du auch singen gleich einer Nachtigall?« Gleich hob die unsichtbare Stimme an, sich singend und plärrend vernehmen zu lassen, daß sich schier jedermann verwunderte. Der Teufel sang damals im Volke lebende Schlumperliedlein, wie:

»Daß der Winter nit stät will sein,

Das klagen die Maidlein sehre usw.«

und:

»Es ist das allerbösest Weib usw.«

und:

»Ich weiß mir ein’ Frau Fischerin, Fischerin –

Wann sie fuhr über Meer;

Mit ihrem kleinen Schiffelein, Schiffelein,

Nach Fischen stund ihr Begehr, usw.«

und singend:

»Die Brünnlein die da fließen

Die soll man trinken.

Und der eine stäte Buhle hat –«

sprechend:

vierzehn Jahre: wie der Pfarrer zu Schildach.

singend:

»Der soll ihr winken,

Ja winken mit den Augen,

Und treten auf den Fuß.

Es ist ein harter Orden –«

sprechend:

Die Pfarrer von Schildach und Schenkenzell sind nit in selbigem!

singend:

»Harter Orden,

Der seinen Buhlen meiden muß.«

So etwas war noch nicht erhört worden, weder zu Schildach, noch sonst wo – der Pfarrer von Schenkenzell lief seinem Konfrater nach in die Stube – und es währte gar nicht lange, so hatte jeder der Ratsherren seinen Teil an Schimpf und Spott empfangen und wollte nichts mehr hören, und endlich schwieg auch der Poltergeist und das Volk verlief sich und trug die Wundermär in alle Häuser des Städtleins.

Der Ratswirt und Stadtschultheiß war durch alle diese Vorgänge also sehr in Furcht und Schrecken gesetzt, daß er die Männer allzumal bat, teils über Mittag bei ihm zu speisen, teils wiederzukommen und die Nacht über bei ihm zu bleiben, denn allein wollte er um keinen Preis schlafen, gab auch sogleich Befehl, in seiner Schlafkammer für mehr Betten und frische Bettgewande zu sorgen. Es brachte jedoch die Mehrzahl der Ratsverwandten Entschuldigungen vor, diesen Wunsch Ehrn Vollrads nicht erfüllen zu können, und auch der Pfarrer des Städtleins gab vor, Abhaltung zu haben.

Der Köchin wurde bei ihrem Ab- und Zugeben von den Gästen manche anzügliche Frage zuteil, die ihr das Blut in die Wangen trieb, sie rot, aber auch ärgerlich machte, und sie gab den Fragern manche schnippische, aber auch manche kecke und trotzige Antwort zurück.

Beim Stadtschultheiß blieben zur Nacht bloß der Pfarrer Ericus von Schenkenzell, der tapfere Müller und Meister Cyrillus, der Waffenschmied. Ulrich, der Stadtknecht, mußte mit dem Spieß auf der Stufe der kurzen Steintreppe sitzen, die aus der Rathausflur zur Stube Ehrn Vollrads heraufführte.

Als zehn Uhr vorüber war, tutete wieder der Nachtwächter und sang gar schrecklich schön:

»O Sünder, tracht’ mit Fleiß, wie dein Erlösung sei,

Ang’fangen nach der Speis’ und Hymnus Melodei.

Do Christus wollt den Preis selb b’halten, machen frei

Den Menschen von Sathanas Gewalt.

’S hat zehn geschlagen!

Lobet Gott den Herrn.« –

»Rücke zu, Mollner, ich will bei dir liegen!« – sprach plötzlich eine Stimme zu Clas, dem Müller.

»Lieg’ am Galgen!« fuhr der herzhafte Müller grob heraus.

»Nein, bei dir will ich liegen!« war die Antwort. »Will dich drücken, zwicken, ersticken!« –

»Hoho! Wenn es Gottes Wille ist!« rief der Müller mutig. »Komm her, du Schalk, du Erzschalk, im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau! Liege zu mir!«

»Ich tue dir was aufs Maul, Mollner!« rief die Teufelsstimme zornig aus, und es fuhr ein Stecken über die Köpfe der in ihren Betten Ruhenden, der die Glatze des Schenkenzeller Pfarrherrn streifte, daß dieser Zetermordjo schrie.

»Teufel, von wannen kommt dir die Macht, zu sprechen, zu singen und zu tückebolden? Und hast doch weder Fleisch noch Blut?« fragte der Müller.

Da ging es »wiswiswiswiswiswis« vor dem Ohr des Müllers, und der Teufel wisperte ihm etwas zu und mit so eiskaltem Odem in das Ohr hinein, daß dem Müller ein Schauer, wie der Schauer des Todes vom Wirbel bis zur Zehe drang und er gänzlich verstummte, ein Kreuz schlug und alle Stoßseufzer betete, die er konnte und wußte, und keine Frage wieder tat.

Und darauf blieb es stille.

Nach einer Zeit sang wieder draußen der Nachtwächter:

»Christ sprach: mein’ Seel’ betrübt das bittre Sterben mein

Das dann von eurer Lieb nahet und kommt herein,

Sitzt hie bei diesem Ort Gethsemane gemein,

Ich ganz zu beten also bald. –

’S hat eilf geschlagen!

Lobet Gott den Herrn! –«

Kaum daß dieser Vers eines alten Passionsliedes verklungen war und des Nachtwächters schlurfender Schritt sich in eine Straße verloren hatte, so vernahm man vom Hochhaus des Rathauses, das ist der Söller oder Balkon, darauf die Stadtpfeifer bei festlichen Tagen ihr Spiel erschallen ließen, ein lustiges Pfeifen und Trommeln, Soldatenmärsche und allerlei Weisen fort und fort, daß keiner im Rathaus ein Auge zutun konnte, und das währte so lange, bis der Wächter wieder auf den Markt kam und vor das Rathaus trat und zu singen anhob – da verstummte plötzlich die Musik des Nachtvirtuosen. Der Wächter sang:

»Mit ihm nahm er drei, Petrum, Jacob, Joan,

Drum er auch war erschien’n am Berg Tabor mit wan.

Stieg an Ölberg mit ihn’n, sprach: sitzt, wacht, bet’t voran,

Daß euch der Feind nit ganz verführt! –

’S hat zwölf geschlagen!

Lobet Gott den Herrn!«

Und von da an blieb es stille.

Am andern Tage aber war der Teufel wiederum los im Rathause zu Schildach. Vom Hochhaus aus erneute sich das Geplärr, Getön und Gelärm, es war schier ein Spukwesen, wie anno 1848, da das Volk zu Versammlungen zusammenrannte, um manchen Teufel schwatzen zu hören, und hinterdrein zu sehen, daß nichts dahinter war. Immerfort Getümmel und Getrümmel und Pfeifen und Katzenmusik, ein Gratiskonzert zum Besten der Armen mit Reveille und Zapfenstreich, alles wie nach Noten und doch ohne Noten.

Die Männer des Rates standen jetzt auch außerhalb des Hauses und blickten mit der übrigen Menge hinauf nach dem Söller, von wo die Teufelsmusik erscholl, und war doch droben keine Seele sichtbar. Da stieß Cyrillus den Müller an und flüsterte: »Frag’ ihn doch, wie es beschaffen sei um die Lehre Lutheri?«

Diese Frage konnte im Jahre 1533, da Doktor Lutherus noch lebte und lehrte, in einem südländischen Schwarzwaldstädtlein, dahin Lutheri Lehre noch keineswegs gedrungen war, gar wohl aufgeworfen werden und von großer Wichtigkeit erscheinen; denn billigte sie der Teufel, so war sie vom Teufel, und verwarf sie der Teufel, so taugte sie erst recht, nach dem Sprichwort, dem Teufel nichts.

Nun hatte der beherzte Müller, so sehr er in voriger Nacht sich gegrault, doch seinen Mut trotz dem Allgäuer am hellen Tage wiedergefunden, fürchtete sich selbst vor dem Teufel nicht und tat die verfängliche Frage mit lauter Stimme.

Alles wurde tiefstill und lauschte.

Plötzlich wetterte die Antwort vom Hochhaus herunter: »Ei pfui dich an! Du lutherischer Schelm! Um diese Lehre ist es also beschaffen, daß Schelme, wie du einer bist, vermeinen, sie dürften in der Fasten Fleisch essen, wie du in der Fastenwoche am Cinertag (Aschermittwoch) zu Basel getan!« – Clas Mollner stand wie vom Donner gerührt. Aller Blicke richteten sich zornig und vorwurfsvoll auf ihn. »Ist’s wahr? Tatet Ihr das? Ei, das ist ja fein und löblich!« wurden Stimmen laut, und es hoben sich Fäuste in bedrohlicher Weise.

»Ja, ich tat’s!« bekannte der Müller frei und wandte sich, um heimzugehen. »Aber ich tu’s nimmer wieder. Und der Teufel mag den Teufel wieder fragen!«

Kaum war Clas Mollner durch das Volksgedränge entwichen, als es den Pfarrer von Schenkenzell, der sich bisher ganz schweigsam verhalten hatte, doch auch drängte, mit dem Teufel anzubinden; gedachte an ihm sein Mütlein zu kühlen und ihn in die Enge zu treiben, hatte sich im stillen schon mehrere verfängliche Fragen ausgesonnen und rief zum Söller hinauf: »Teufel, was schenkst du deiner Buhlschaft?«

Plärrend scholl die Antwort herunter: »Schalksnarr, Schandpfaff, was fragst du mich? Hast du doch in Schenkenzell der Buhlschaften sieben um dein Haus herum; die Metzen Gret, die Kättners Lies, die Trutschels Vronel, die Bäcker-Ev, die Kärbles Kätter, die Trachtlers Annsibyll, die Schulzen Mareibärbele! Was schenkst du diesen, Lästerpfaff?« –

Ein überlautes Hallo und Gelächter flog über den Markt, der Pfarrer Ericus aber war wie von Eiswasser übergossen, und ehe sich einer umsah, war er vom Markt hinweg und ward nicht mehr gesehen zu Schildach.

Darauf hat der Teufel noch eine lange Weile oben fortgeplärrt und geplappert, allerlei tolles, wunderseltsames Zeug durcheinander, daß den Zuhörern endlich die Haare zu Berge stiegen und die Haut schauderte, und sie mählich ein großes Grausen ankam, und auf alle eine Angst fiel und ein unerklärliches Bangen.