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"Du kannst mich haben, wenn du willst. Echt jetzt. Du kannst mich besitzen, du kannst mich benutzen, du kannst mich lieben. Was meinst du?" Als Seb diese Worte nach der ersten Liebesnacht mit Jay gesagt bekommt, weiß er nicht, was er antworten soll. Er misstraut der rückhaltlosen Hingabe des Strichers. Sieben Wochen dauert es, bis er etwas erwidert. Dabei ist die Antwort eigentlich von vornherein klar …
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Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2017
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#1
LEVIN GABRIEL
DU MICH AUCH
HEY LOVE #1
© 2017 Bruno Gmünder GmbH
Kleiststraße 23–26, 10787 Berlin
© 2017 Levin Gabriel
Coverabbildung: © helixstudios.net
Model: Blake Mitchell, Twitter: @BMitchellXXX
Instagram: @firstmate_blake
Printed in Germany
ISBN 978-3-95985-302-6
eISBN 978-3-95985-348-4
Mehr über unsere Bücher und Autoren:
www.brunogmuender.com
Ich widme dieses Buch Hannes,der mich auf unterschiedlichen Ebenendurch diese Geschichte begleitet hat.Und ich widme es Leo und Falk,die (zunächst wider Willen) ein Teil vonihr wurden. Wir sehen uns amTresen. Auf Euch und eine goldeneSilverfuture!
1KÖNIGSWEG
Wie Seb auf Umwegen nach Hause kommt und dabei auf direktem Weg den Zweifeln an seiner eigenen Entscheidung in die Arme läuft
2TENNE
Wie Jay vor neuen Dämonen flieht, einen alten Bekannten trifft und dabei 100 Euro verdient
3DURCHBRUCH
Wie Seb hinter einer Klotür ein unbekanntes Universum entdeckt und dabei erkennt, wie prosaisch Mysterien sein können
4KNACKS
Wie Jay Urlaub von sich selbst macht und dabei ohne es zu wollen von den eigenen Sehnsüchten in Vollbeschäftigung genommen wird
5KLEINE SCHLAMPE, GROSSE SCHLAMPE
Wie eine Silvesternacht Seb seine eigene Stammkneipe nicht mehr verstehen, aber auf Anhieb einen Seelenverwandten erkennen lässt
6ZU DRITT
Wie etwas, das als Offenbarung gedacht war, zum größten Missverständnis der Welt wird und ein schwereloser Tanz als Albtraum endet
7DU KANNST MICH …
Wie ein Neujahrstag ohne Wolken Vorsätze und Klamotten erstrahlen lässt, aber vom Schatten eines zu großen Liebesbeweises verdüstert wird
8TRÄNEN UND TRIEBE
Wie ein auf links gekrempeltes Herz alte Gewohnheiten zum Vorschein bringt und einen Neuanfang einläutet
9BESOFFEN
Wie ein vollkommener Rausch das Gefühl von Unvollkommenheit vergessen macht
10KAMMER DER ERKENNTNIS
Wie zwei sich streiten und ein Dritter sich selbst zu verstehen lernt
11DAS TRAMPELN GODZILLAS
Wie eine neue Ära mit einem Absturz in die alte beginnt
12DU MICH AUCH!
Wie zusammenkommt, was zusammengehört, und der Schnee dazu ein Lied singt
13ECHO AUS DEM MITTELALTER
Wie ein Satz seine Bedeutung ändert und eine Eskalation mit Gelächter endet
14GOLDFARNGASSE
Wie ausgetretene Pfade zu eingespielten Begleitern werden und ein Verstummen zur Stimme wird
Wie Seb auf Umwegen nach Hausekommt und dabei auf direktem Weg denZweifeln an seiner eigenen Entscheidungin die Arme läuft
Seit Tagen fühlte Seb sich wie ein Verräter. Aus Angst, Jay zu treffen, war er schon zwei Wochen nicht mehr in der Falle gewesen. Statt von der U-Bahn auf direktem Weg zu seiner WG zu gehen, senkte er den Blick, sobald das wässerig grüne Leuchten des Kneipenschildes in Sichtweite kam. Dann bog er nach rechts ab, stapfte mit angehaltenem Atem drei Häuserblöcke weiter bis zur nächsten Kreuzung und entspannte sich erst, wenn er nach links in den Königsweg abgebogen war. Der Königsweg war eine düstere Parallelstraße zur belebten Goldfarngasse, in der die Falle lag. Früher hatte Seb es vermieden, hier entlangzugehen. Doch jetzt, auf der Flucht vor Jay, gaben ihm die öde Stille und das weiße Licht der Straßenlaternen, das sich im zerklüfteten Kopfsteinpflaster spiegelte, eine gewisse Sicherheit. Kein Mensch würde ihn hier um Zigaretten anschnorren, keine Begegnung mit flüchtigen Bekannten dazu nötigen, einen trinken zu gehen, kein Song, der aus irgendeiner Kneipe auf die Straße drang, ihn sentimental werden lassen. Im Königsweg gab es nur ihn und den trüben Dampf seines Atems, der ins Laternenlicht wölkte. Und das hohle Klappern seiner Schritte, das klang wie ein Echo der Leere in seinem Kopf. Oder war es die Leere in seinem Herzen? Egal. Hauptsache, er war in Sicherheit. Auch wenn er sich dabei wie ein Verräter fühlte.
Wenn Seb sich hier, im kalten weißen Licht, an die vier Wochen mit Jay erinnerte, kam ihm diese Zeit vor wie ein buntes Meer aus tanzenden Lichtern und verschwitzten Körpern. Eigentlich waren sie die ganze Zeit besoffen gewesen. Vom Bier, vom Überschwang, von sich selbst. Geschlafen hatten sie fast nie. Selbst wenn Seb sich nach dem Sex eng an Jay angeschmiegt hatte und erschöpft weggedämmert war – high vom Duft erhitzter Haut und Jays Geschmack auf der Zunge –, hatten die Lichter vor seinem inneren Auge weitergetanzt. Und immer hatte er diese wirren Träume gehabt. Dass er dem Freund durch endlose Sommerwiesen hinterherrannte, bis Jay auf einmal lichterloh in Flammen stand und lachend »Lösch mich, lösch mich!« rief, woraufhin Seb wie gelähmt war und nicht mehr weiterrennen konnte. Oder wie sie gemeinsam an einem riesigen Trapez baumelten, während Sebs Hände allmählich feucht wurden, sodass er fürchtete, Jay nicht länger halten zu können – eine Befürchtung, die dieser ungefragt mit einem sanften »Keine Angst, ich vertraue dir« beantwortete. Besonders seltsam war ein Traum gewesen, in dem Seb dem Liebsten eine Hautschicht nach der anderen vom Leib gezogen hatte, um sie sich anschließend selbst überzustreifen wie einen Ganzkörperanzug. Das Szenario war nicht gewalttätig oder blutig gewesen. Jay hatte sich äußerlich nicht einmal verändert. Er war nur immer leichter geworden. Seb selbst hatte dagegen unter jeder weiteren Schicht an Gewicht zugelegt. Ganz heiß und schwindelig war ihm davon geworden. Als er aus dem Schlaf hochgefahren war, hatte er einen Ständer gehabt. Danach hatten sie sofort miteinander geschlafen. Es gab in diesen Tagen keine Zeit, zur Besinnung zu kommen oder sich über die Traumbotschaften zu wundern. Sobald sie wach waren, gab es nur noch sie beide, ihre Verliebtheit und ihre grenzenlose Lust aufeinander. Und natürlich die Falle, in der sie sich (wie Jay es ausdrückte) »gefunden« hatten.
Offiziell hieß der Laden Räuberfalle. Er war mal eine richtige Spelunke gewesen, wo sich schon nachmittags die Säufer des Goldfarnkiezes getroffen hatten, um zu picheln und schließlich noch vor Einbruch der Dunkelheit sternhagelvoll nach Hause zu taumeln. Weil Seb nur ein paar Straßen entfernt aufgewachsen war, konnte er sich noch an die schwankenden Gestalten mit dem leeren Blick erinnern. Doch inzwischen war die Goldfarngasse zum Szeneviertel avanciert. Vor einem Jahr hatten Robert und Matze, ein schwules Paar, beide um die 30, die Räuberfalle übernommen. Den alten Namen hatten sie ebenso beibehalten wie den altmodischen grünen Neonschriftzug über dem Eingang. Den Großteil der Einrichtung jedoch hatten sie erneuert. Auch die Beleuchtung war von fahlen Leuchtstoffröhren auf puffig rot und anheimelnd gelb umarrangiert worden. Seither hatte sich das Publikum völlig verändert. Die Säufer blieben nach und nach weg, dafür kamen Studenten, Nichtstuer, Künstler, Musiker, Schreiber, sonstige Kreative. Und weil Robert und Matze (unter Stammgästen wurden sie »Rotze« gerufen, egal wer von beiden gerade hinterm Tresen stand) in queeren Stadtmagazinen inserierten, war die Kneipe zum schwulen Anlaufpunkt des Viertels geworden. Allen Modernisierungen zum Trotz hielt sich ein Teil des alten Spelunken-Images dennoch hartnäckig. War die Kneipe früher eine Alkoholikerhöhle gewesen, so war sie jetzt ein Abschleppladen, vor dem Seb in der Jugendgruppe, die er bis vor einem halben Jahr jeden Mittwoch besucht hatte, immer wieder gewarnt worden war.
»Du wohnst in der Goldfarngasse?«, hatte es immer wieder geheißen, wenn jemand seine Adresse erfuhr. »Dann nimm dich vor den Fickern aus der Räuberfalle in Acht.«
Natürlich hatten solche Bemerkungen nur Sebs Neugier geweckt. Vor sieben Monaten hatte er seinen besten Freund und Mitbewohner Leo überredet, ihn bei einem Abstecher zu den »Fickern« zu begleiten. Leo stand auf Frauen und war zunächst nicht so begeistert.
»Ist das nicht superschwul da?«, hatte er gefragt.
»Ja«, hatte Seb geantwortet. »Deswegen will ich ja hin. Ich geh doch auch mit dir auf diese grottige Ladies Night.«
»Jetzt komm, Seb«, protestierte Leo. »Das haben wir ein einziges Mal gemacht!«
»Und es war schrecklich.«
»Stimmt.«
»Also: Am Wochenende Räuberfalle!«
»Na gut«, lenkte Leo ein. »Aber du zahlst die Getränke.«
Der Plan, den sie für den nächsten Samstag festlegten, war folgender: Erstens ein paar Freunde einladen, zu Hause Musik hören und mit Wodka-Energy vorglühen. Zweitens ein, maximal zwei Bier in der Räuberfalle trinken. Drittens zum Geburtstag einer ehemaligen Schulkameradin gehen, die zwar keiner von ihnen mochte, die aber für ihre protzigen Partys bekannt war. Das war ein fairer Plan, bei dem jeder auf seine Kosten kommen würde – und der natürlich (wie alle Wochenenden, die sie im Voraus durchzuplanen versuchten) total in die Hose ging. Erst kamen viel mehr Leute in ihre Wohnung als erwartet, sodass das Musikhören und Vorglühen zum Großereignis ausartete, bei dem irgendwann die Polizei vor der Tür stand, um eine nachbarliche Beschwerde wegen Lärmbelästigung vorzutragen. Dann war Leo unauffindbar, weil er mit irgendeinem Mädchen auf den Dachboden verschwunden war, um ihr »den Hausgeist zu zeigen«. Es endete damit, dass sie mit der gesammelten Mannschaft (exklusive Leo und des Mädchens) die Wohnung verließen und wenig später mit 15 Leuten in der Räuberfalle einfielen.
Die Kneipe bestand aus zwei Räumen – einem vorderen, in dem sich die Bar befand und in dem die meisten Leute standen, und einem hinteren, wo es Tische und Stühle gab und geraucht werden durfte. Ganz hinten lagen die Klos. Überall herrschte Gedränge. Sich auf einmal im Zentrum jener Kneipe zu befinden, deren Innenleben er in den vergangenen Wochen immer mal wieder durch die Scheibe beobachtet hatte, erfüllte Seb mit einem feierlichen Gefühl von Ehrfurcht. Die meisten Gäste waren etwas älter als er und seine Truppe, die ausschließlich aus Leuten Anfang 20 bestand. Mit offenem Mund stand er da und sah zu, wie sich imposante Bartträger in Muskelshirts an ihm vorbeischoben, wie zwei Kerle mit Basecaps eng umschlungen in der Ecke lehnten und knutschten, wie ein schlanker Typ mit freiem Oberkörper und Brustwarzen-Piercing mitten im Raum stand und entrückt mit sich selbst tanzte. Es war heiß und stickig. Das Tresenpersonal spritzte zwischendurch immer wieder mit einer Wasserpistole in die Menge, ohne dass sich irgendjemand daran zu stören schien. Im Gegenteil. Es schien die Leute nur noch übermütiger zu machen. Während Seb am Tresen auf seine Bestellung wartete, sah er ungläubig zu, wie ein hübscher Surfertyp mit Zopf seinem durchtrainierten Gegenüber ein halbes Glas Bier über die Glatze kippte. Der Kahlkopf ertrug es ohne mit der Wimper zu zucken und grunzte lediglich »Und jetzt sauberlecken, du Miststück«. Gleich darauf brach er in bebendes Gelächter aus und griff ohne zu fragen hinter den Tresen, um sich ein Geschirrtuch zu angeln, mit dem er sich das Gesicht trockenwischte. Als er merkte, dass Seb ihn entgeistert anstarrte, hielt er inne und grinste: »Was glotzte denn so, Kleiner? Wohl noch nie ne Malzdusche genossen, wa?«
Seb schüttelte stumm den Kopf.