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Auf dem unsterblichen Highland-Krieger Cailean MacLean lastet ein Fluch, der ihn dazu zwingt, die Wünsche einer jeden Frau zu erfüllen. Als Airmed, die Herrin über die Lichtelfen und Schwester der Göttin Danu, sich von ihm wünscht, ihr Amber Connell zu bringen, hat er keine andere Wahl. Er verlässt Anwynn und reist in die Menschenwelt, um Amber zu entführen. Doch die junge Frau ist gar nicht begeistert, in eine schottische Burg verschleppt zu werden. Für Amber beginnt nicht nur ein Kampf um das eigene Leben, sondern auch eine Reise in die Highlands des 18. Jahrhunderts, denn in Anwynn steht die Zeit still.
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Über dieses Buch
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
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Auf dem unsterblichen Highland-Krieger Cailean MacLean lastet ein Fluch, der ihn dazu zwingt, die Wünsche einer jeden Frau zu erfüllen. Als Airmed, die Herrin über die Lichtelfen und Schwester der Göttin Danu, sich von ihm wünscht, ihr Amber Connell zu bringen, hat er keine andere Wahl. Er verlässt Anwynn und reist in die Menschenwelt, um Amber zu entführen. Doch die junge Frau ist gar nicht begeistert, in eine schottische Burg verschleppt zu werden. Für Amber beginnt nicht nur ein Kampf um das eigene Leben, sondern auch eine Reise in die Highlands des 18. Jahrhunderts, denn in Anwynn steht die Zeit still.
Für Maren Frank
Danu, die Herrin von Anderwelt, lief zwischen den unzähligen Verwundeten und Toten umher, die die Schlacht von Culloden hinterlassen hatte. Mutige Highlander, die sich einer Überzahl englischer Truppen gestellt und mit ihrem Leben bezahlt hatten. Männer, die seit Kindesbeinen im Umgang mit Waffen trainiert wurden, denen die Ehre und die Freiheit ihres Volkes das Wichtigste war. Männer, die sie dringend für ihren eigenen Kampf brauchte.
Sie versuchte, das, was sie sah nicht zu nahe an sich heranzulassen. Aber es war fast unmöglich das Grauen, das sie umgab, zu ignorieren. Der Geruch von Blut, Urin und Erbrochenem waberte durch die Luft und tränkte den Boden der Moorlandschaft. Abgetrennte Glieder lagen verstreut. Aus manchem Körper quollen die Eingeweide hervor. Schwerter, Pfeile und Speere durchbohrten die tapferen Krieger, die der blutigen Gier des Lord of Cumberland zum Opfer gefallen waren. Für die wenigen englischen Soldaten, die in dieser Schlacht gefallen waren, konnte sie kaum Mitleid aufbringen. Aber die Highlander waren ihr Volk. Sie waren noch immer ein Teil der Sidhe. Einst hatten sie friedlich nebeneinander dieses Land bewohnt und hatten sich vermischt.
Vor Jahrhunderten war Danu mit ihrem Volk, den Tuatha Dé Danann, hierhergekommen. Sie hatten auf ein friedliches Leben gehofft. Lange Zeit hatten sie auch freundschaftlich inmitten der grünen Hügel und Täler leben können. Schon bald aber waren Eindringlinge über das Land hergefallen, hatten geraubt und geplündert. Damals hatte Danu die Tore zwischen den Welten geöffnet. Mit ihrem magischen Volk war sie nach Anderwelt gegangen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Nur wenige waren in der Menschenwelt zurückgeblieben. Anwynn war ihnen wie ein Paradies vorgekommen. Eine Welt, voll von Magie, Pflanzen und wunderbaren Tieren. Eine Heimat. Doch schon bald mussten sie feststellen, dass auch in dieser Welt kein Frieden zu finden war.
Die Firbolg, ein Volk von boshaften dämonischen Kreaturen, wollten dieses reiche Land mit dem neuen Volk nicht teilen. Doch Danus Untertanen fühlten sich viel zu wohl in ihrer neuen Heimat. Sie wollten nicht länger umherziehen. Sie griffen zu den Waffen. So tapfer sie auch kämpften, schon bald unterlagen sie. Das magische Volk war ein Volk von Heilern, Künstlern und Tänzern. Sie kannten sich mit Pflanzen und Tieren aus, nicht mit dem Krieg. Danu wusste, wenn sie überleben wollten, musste sie etwas tun.
Also war sie durch den Schleier zwischen den Welten getreten. Sie hatte von den mutigen, starken Nachkommen ihres Volkes gehört, die auf dieser Seite um ihre Freiheit kämpften. Sie hatte sie beobachtet, Männer mit breiten Schultern, Oberarmen so dick wie Baumstämme. Mit unbändiger Kraft und unerschütterlichem Willen kämpften sie für ihre Familien, gegen die, die sie für Wilde hielten, weil sie ein anderes Leben führten. Die, die in ihnen Wilde gesehen hatten, zogen jetzt nach ihrem Sieg durch die Highlands und mordeten und vergewaltigten, was ihren Weg kreuzte. Ein verabscheuungswürdiges Tun, für das Danu kein Verständnis aufbringen konnte. Doch ihr waren die Hände gebunden. Wenn sie ihr eigenes Volk nicht verraten wollte, durfte sie nicht eingreifen. Sie konnte nur mit sich nehmen, was nicht bemerkt werden würde.
Ein leises Stöhnen riss Danu aus ihren Gedanken. Ein Krieger in den rotgrünen Clanfarben der MacLeans lag zu ihren Füßen. Blut sickerte aus seinen Mundwinkeln und aus einer tödlichen Wunde in seinem Unterleib. Er würde nicht mehr lange leben. Danu kniete sich neben ihn in das blutige, niedergetrampelte Heidekraut. Sanft strich sie ihm die dunklen, verdreckten Haare aus dem Gesicht. Mit dem Saum ihres weißen Kleides wischte sie ihm Blut und Dreck aus dem Gesicht. Er öffnete die Lider und sah sie aus trüben Augen an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Danu war sich sicher, er würde sie für einen Traum halten. Vielleicht einen Geist, der gekommen war, ihn in sein nächstes Leben zu begleiten.
Sie kannte den Mann, er war der Clanführer der MacLeans. Ein unerschrockener Krieger, stark und mutig. Ein Krieger, wie sie ihn brauchte. Sie legte eine Hand auf seine breite Brust. Sein Plaid fühlte sich klamm und klebrig vom Blut an, das durch den Stoff sickerte. Sein Herz schlug nur noch schwach. Sie musste sich beeilen. Mit den Fingern strich sie ihm über die bärtige Wange. Sein Blick flatterte, dann sah er zu ihr auf. Sie hoffte, dass er sie verstehen würde. Dass sein Verstand noch so weit funktionierte, dass er erfasste, was sie von ihm wollte.
»Cailean MacLean, ich bin Danu, die Mutter deines Volkes. Herrin über das magische Volk Tuatha Dé Danann. »Ich möchte dir das Leben anbieten.« Danu hielt ihren Blick auf Cailean gerichtet. Sie wollte jede noch so kleine Reaktion in seinem Gesicht deuten können. Sie befürchtete, dass er vielleicht schon zu schwach war, ihr zu antworten. Aber sie wollte ihn nicht unfreiwillig zum Krieger des Feenvolkes machen. Sie wollte, dass er selbst entscheiden konnte. Seine Lippen bewegten sich leicht, als wolle er etwas sagen.
»Du musst dich nicht anstrengen. Sage mir nur, weißt du, wer ich bin?«, fragte sie sanft aber mit fester Stimme. Sie war sich nicht sicher, ob die Menschen dieser Zeit überhaupt noch wussten, wer ihre Vorfahren waren und wohin sie gegangen sind. Sie hatte gehört, dass einige sie für Mythen hielten. Aber ob es Menschen gab, die an die Existenz des magischen Volkes glaubten, das wusste sie nicht. Wenn sie nicht an sie glauben konnten, würde das ihre Arbeit erschweren. Doch Cailean nickte. Eine schwache Bewegung seines Kopfes. Hätte Danu nicht ihre Hand an seiner Wange gehabt, hätte sie es nicht gespürt. Danu schluckte angespannt. Sie hoffte, sie kam nicht zu spät.
»Das Volk der Sidhe braucht Krieger wie dich. Ich biete dir ewiges Leben, wenn du im Gegenzug für uns kämpfst«, beeilte sie sich zu sagen. Sie konnte keine Rücksicht nehmen. Konnte nicht riskieren, noch weitere wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Schon jetzt war zweifelhaft, ob sie ihn noch retten konnte. Aber sie musste auf die Kraft der heiligen Quelle vertrauen, die durch ihren Körper strömte.
Caileans Augen weiteten sich für einen kurzen Moment, dann schlossen sich seine Lider. Seine Brust senkte sich und sein Kopf fiel kraftlos zur Seite. Danu erschrak und musste die Tränen, die sich einen Weg aus ihren Augen suchten, zurückhalten. Jetzt war nicht die Zeit zu trauern. Sie hatte eine Aufgabe. Hier kam sie zu spät, dachte Danu und bedauerte, ihn nicht einfach ohne seine Erlaubnis nach Anwynn mitgenommen zu haben. Sie hatte gewusst, dass nicht mehr viel Zeit blieb. Aber es war besser, ihm seinen freien Willen zu lassen. Alles andere wäre gegen das gegangen, wofür das Volk Dé Danann stand. Eine Träne rollte über Danus Wange. Sie wollte sich gerade erheben, als Caileans Brust sich unter ihren Fingern zitternd hob. Erleichtert atmete sie auf. Fast hätte sie ihn aufgegeben, dabei flackerte noch eine winzige Lebensflamme im Körper des Kriegers.
»Sag ja«, flüsterte sie flehend an seinem Ohr. »Du musst nicht sterben.«
»Deagh-bheusan tha mo onair«, antwortete Cailean tonlos, aber Danu hatte es von seinen Lippen gelesen. Tugend ist meine Ehre, das Motto der MacLeans.
Schnell ritzte Danu sich mit ihrem Sgian Dubh, dem Strumpfmesser, ihr Handgelenk auf und drückte die blutende Wunde auf Caileans Mund. »Trink mein Sohn. Die Magie der heiligen Quelle in meinem Blut wird dich genesen lassen.«
Cailean schlug die Augen auf. Erst hatte Danu entsetzen in seinem Blick befürchtet, doch da war keine Spur. Nein, sein Gesicht drückte Entschlossenheit aus. Er war noch nicht bereit zu sterben. Und das würde er auch nicht. Dieser Mann war auserkoren, Danus Armee aus unsterblichen Highlandern gegen die Firbolg zu führen.
Cailean hing kraftlos in den Ketten, mit denen man ihn an die feuchte, schimmlige Wand des Kerkers gefesselt hatte. Er konnte nicht sehen, wen man in seine Zelle gebracht hatte, weil er zu schwach war, den Kopf zu heben. Getrocknetes Blut versiegelte seine Augenlider. Seine aufgeplatzte Unterlippe pochte im Rhythmus seines Herzschlags. Er atmete nur flach, damit der Schmerz an seinen geschundenen Rippen nicht zu stark war. Jeder Atemzug versetzte ihn zurück in die schlimmsten Stunden seines Lebens – seines unsterblichen Lebens, denn als Sterblicher hatte er weit Entsetzlicheres erlebt.
Er war mit weit gespreizten Armen und Beinen an Decke und Boden seines Gefängnisses fixiert. Unzählige Male hatten Airmeds Folterer das Leder ihrer Peitschen auf sein Fleisch niedersausen lassen, tiefe brennende Wunden in seine Haut geschnitten. Verschorfte Narben zierten seine Brust, seine Oberarme, Beine und seinen Rücken. Cailean hatte das Gefühl, dass nicht ein Zentimeter seines Körpers unbeschadet geblieben war. Sie hatten ihn getreten, ihm die Rippen gebrochen, ihm die Haut in dünnen Streifen vom Körper geschnitten. Dann hatten sie zugesehen, wie er wieder heilte, um von vorne zu beginnen. Doch nichts, was sie taten, war so grauenvoll gewesen wie das, was Lord Lancaster mit ihm getan hatte.
Cailean hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er hatte keine Ahnung, wie lange er jetzt schon hier unten gefangen war. Zeit hatte in Anwynn sowieso keine Bedeutung. Er wusste nur, dass er nicht eine Sekunde aufgehört hatte, darüber nachzudenken, wie er sich an seinen Peinigern rächen würde. Und seine Qualen, die er sich für Airmed ausgedacht hatte, die würden eine Ewigkeit dauern. Wie lang war die Ewigkeit in einem Reich, in dem die Zeit nicht verging?
Jemand legte kalte Finger unter sein Kinn, eine kleine zarte Hand. Cailean erschauerte. Die Berührung durch Airmed war ihm zuwider. Sie war Danus Schwester. Wenn Danu all das Gute, das man sich nur vorstellen konnte, in sich trug, war in Airmed das Böse dieser Welt. Sie war Herrin über die Seelenlosen. Wesen, die weder Mitleid noch Liebe kannten. Ihr Leben wurde von Gewalt und Hass geprägt. Wenn sie Seelen besaßen, dann waren diese durch und durch schwarz.
Airmed liebte es, Leid zu verursachen. Und sie war eine machtgierige Hexe, die so lange Cailean schon in Anwynn lebte, versuchte ihre Schwester zu beseitigen. Bei der Vorstellung, dass diese Hände über seinen Körper geglitten waren, er seinen Schwanz in diesem Weib versenkt hatte, wurde ihm übel. Wie hatte er nur auf ihre Maskerade hereinfallen können? Sie hatte seine Liebe zum weiblichen Geschlecht ausgenutzt, und den Fluch, der auf ihm lastete. Der ihm seinen eigenen Willen nahm.
In der Gestalt einer anderen Frau hatte sie sich ihm genähert. Er war neben ihr eingeschlafen, betäubt von Drogen, die sie ihm in seinen Met gegeben hatte, und hier von Schlägen geweckt worden, und das Erste, was er beim Aufwachen gesehen hatte, war ihr falsches Grinsen.
»Ich sehe, du hast dich kaum erholt. Wie schade, dass deine Heilkräfte schon nachlassen. Das nimmt dem Ganzen den Charme, findest du nicht auch, Ian?«
Ian? Cailean zuckte zusammen. Hatte sie wirklich Ian gesagt? Er versuchte seine Augen zu öffnen, scheiterte aber an dem getrockneten Blut. Er hörte den Knall einer Peitsche, wartete auf den Schmerz, aber er folgte nicht. Jemand anderer stöhnte und schien zu Boden zu gehen. Airmed lachte. Hatte sie seinen jüngeren Bruder wirklich gefangengenommen? Caileans Herz wummerte gegen seine Brust. Er stieß ein drohendes Knurren zwischen seinen geschwollenen Lippen hervor.
»Wer wird denn gleich so wütend werden? Ich verspreche, deinem Bruder wird es gut bei mir gehen.« Kühle Finger strichen über seine Brust, seinen Bauch hinunter, legten sich um seinen Schwanz und drückten schmerzhaft zu. Cailean bemühte sich, keine Miene zu verziehen und keinen Ton von sich zu geben. Diese Genugtuung würde er ihr nicht schenken. »Er ist ein besserer Liebhaber als du.«
Sie ließ ihn los. Schritte entfernten sich, kamen wieder näher. Noch immer versuchte Cailean seine Augen zu öffnen, einen winzigen Spalt hatten sie nachgegeben. Durch das rechte Auge konnte er das flackernde Licht der Fackeln wahrnehmen, durch das linke verschwommene Schemen sehen. Nicht weit von ihm wallte das weiße Kleid von Airmed durch den Raum und ein Körper lag zusammengekauert auf dem Boden. Mehr konnte er noch nicht erkennen.
»Ihr Highland Warrior habt allesamt ein Problem, ihr verfallt viel zu schnell den Reizen einer Frau. Frau muss nur ihre Röcke für euch heben und ihr seid verloren. Daran sollte meine Schwester mit euch arbeiten. Und gerade du, Cailean, solltest aus den Fehlern deiner Vergangenheit gelernt haben.«
Cailean tat einen zitternden Atemzug. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme heiser, fast tonlos und jedes Wort kratzte in seiner Kehle. »Was willst du von ihm? Du hast mich zu deinem Vergnügen, genügt dir das nicht?«
Wieder wurde eine Hand unter sein Kinn gelegt, sein Kopf hin und her gedreht. Airmed stieß ein verächtliches »Hmpf« aus. »Soll ich helfen?« Ihre Finger legten sich an seine Lider, Blitze schossen hinter seine Augen, brennender Schmerz flammte auf und stach ihm direkt ins Hirn, als sie seine Augen mit Gewalt öffnete. Cailean blinzelte. »Schon besser«, stellte sie zufrieden fest.
»Gar nicht besser«, murmelte Cailean. »Jetzt kann ich deine hässliche Fresse sehen.« Airmed holte aus und schlug ihm mitten in sein geschwollenes Gesicht. Cailean lächelte nur. Das war es wert gewesen. Er blinzelte abermals, um den Schleim vor seinen Augen loszuwerden und mehr erkennen zu können. Airmed stand neben ihm, gekleidet in ein langes, fast durchsichtiges, weißes Kleid. Ein eng geschnürtes Mieder hob ihren Busen und ließ ihn aus dem weiten Ausschnitt quellen. Ihre schneeweißen Haare trug sie wie immer offen, ein wallender Schleier, der ihr bis über ihren Hintern reichte. Sie sah ihn aus ihren azurblauen Augen missmutig an und wies mit dem Kopf in eine der Ecken des Kerkers. Ihm stockte der Atem. Das blutige Stück Fleisch auf dem Kerkerboden war tatsächlich sein Bruder.
Er war nackt, Striemen zierten seinen verdreckten Rücken, aus tiefen Stichwunden quoll Blut hervor. An Händen und Beinen war er gefesselt.
Cailean kniff die Augen zusammen und konnte das Entsetzen nicht vor Airmed verbergen, das über ihm hereingebrochen war. Sein Körper bebte vor Wut und brachte die Ketten um seine Handgelenke zum Klirren.
»Meine Männer sind manchmal unkontrollierbar, besonders wenn sie schon lange keine Frau mehr hatten. Da kann es schon mal vorkommen, dass sie bei so einem hübschen Krieger nicht widerstehen können.« Airmed zuckte mit den Schultern. Selbst eine brutale Vergewaltigung konnte ihr keine Emotionen entlocken. In Cailean stieg bittere Galle auf. Wütend biss er die Kiefer aufeinander und zerrte an seinen Fesseln.
»Warum?«, knurrte er.
Airmed lächelte unschuldig. »Ich habe da ein Problem. Und ich weiß, nur du kannst mir helfen.« Sie zwirbelte verlegen an ihren langen weißen Haaren. Ihre blauen Augen leuchteten auf. Keine Frau durfte so unschuldig aussehen und gleichzeitig so böse sein. Caileans Wut zerriss ihn fast. Ob sie wusste, dass dieses mädchenhafte Getue ihn nur noch wütender machte?
»Deine Herrin, meine geliebte Schwester Danu«, säuselte sie, »hat einst etwas aus Anwynn fortgeschafft, das ich unbedingt brauche. Kürzlich hat einer meiner treuen Seher herausgefunden, wo dieses etwas sich befindet. Du kennst unser Problem …«, schwafelte sie weiter und trat im Vorbeigehen Ian in den Magen. »Meinesgleichen können Anwynn nicht verlassen, dafür hat Danu gesorgt. Doch Ihresgleichen können. Du musst es mir also besorgen.«
»Und wozu dann die Umstände? Du weißt, du musst es dir nur wünschen. Ich stehe direkt hier vor dir. Wozu brauchst du noch meinen Bruder?« Cailean wandte den Blick von Ian ab. Ihn so zu sehen, war mehr als er ertragen konnte.
»Meine kleine Rückversicherung. Wir wissen ja beide, dass es Mittel und Wege gibt, deinen Fluch zu umgehen, weswegen ich meine Wünsche sehr genau formulieren werde. Nur für den Fall, dass du doch ein Schlupfloch finden solltest, werde ich Ian hierbehalten. Und bedenke, jeder Tag, den du brauchst, um meinen Wunsch zu erfüllen, ist ein Tag mehr Leid für deinen Bruder. Und ich muss dich nicht daran erinnern, dass er unsterblich ist und was das für ihn bedeutet.«
Amber hatte es satt, zu warten. Wieder einmal hatte es Eric geschafft, sie zu versetzen. Und das an ihrem einjährigen Jubiläum. In den letzten Wochen gab es für ihn nur noch seine Arbeit. Konnte es wirklich so wichtig sein, ein paar Telefonleitungen zu verlegen? Er hatte doch früher nie Überstunden gemacht.
Langsam begann Amber zu zweifeln. Irgendetwas stimmte da nicht. Ob er vielleicht eine Geliebte hatte? Aber eigentlich gab es keine Hinweise dafür. Sie hatten nicht weniger Sex als früher. Eigentlich sogar mehr.
Aber wenn Amber genau darüber nachdachte, dann hatte sich doch einiges geändert: Er war lange nicht mehr so zuvorkommend. Früher las er ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Jetzt war der Sex nur noch eine rein mechanische Handlung. Etwas, was ihn befriedigte, sie aber zu einer Art Gummipuppe werden ließ. Und Blumen hatte er ihr schon lange nicht mehr mitgebracht. Komplimente gab es auch keine mehr. Wie auch? Sie redeten ja keine fünf Worte mehr miteinander. Ihre gemeinsamen Abende sahen folgendermaßen aus: Amber erledigte nach ihrer Arbeit als Arzthelferin in einer Kinderarztpraxis den Haushalt, kochte und tat sonst auch alles, was Eric sich von ihr wünschte. Wenn Eric dann nach Hause kam, dann machte er es sich vor dem Fernseher bequem, redete nur mit Amber, wenn er ihr kundtun wollte, was sie wieder nicht zu seiner Zufriedenheit erledigt hatte. Und ignorierte sie ansonsten soweit möglich, weil er die hundertste Wiederholung von irgendetwas im Fernsehen unbedingt ansehen musste. Hatten sie sich wirklich schon nach einem Jahr auseinandergelebt?
Amber betrachtete sich in dem großen Garderobenspiegel. Sie hatte sich nicht verändert. Sie sah noch genauso aus wie damals, als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, in dieser Bar in London. Diese Bar, in die sie auch heute wieder anlässlich ihres Jubiläums hatten gehen wollen.
So ein Mist aber auch, fluchte Amber in Gedanken. Sie hatte sich extra das Kleid angezogen, das sie auch getragen hatte, als sie Eric kennengelernt hatte. Es war gerade lang genug, dass es ihren Po bedeckte, der Rücken war weit ausgeschnitten und die Silberfäden im schwarzen Seidenstoff glitzerten wie Sterne am nächtlichen Himmel. Dazu trug sie die hohen Manolos mit der aufwendigen Schnürung. Eric liebte es, wenn sie sich so anzog. Er konnte zwar hochgradig eifersüchtig sein, aber genauso gern gab er mit ihr an.
Amber verpasste ihrer Hochsteckfrisur noch eine Ladung Haarfestiger, zupfte die ebenholzfarbenen Strähnen, die sie hatte aus der Frisur heraushängen lassen, noch einmal zurecht und blickte auf die Uhr über der Tür. Schon eine Stunde über der Zeit.
Jetzt würde sie anrufen. Sie kramte ihr Handy aus der Handtasche, die gerade groß genug für Geldbörse und Telefon war, und wählte Erics Nummer. Es dauerte einige Sekunden, bis sich eine Frauenstimme meldete, die verkündete, dass der Angerufene derzeit nicht annehmen könne. Amber warf dem Handy einen finsteren Blick zu und stopfte es zornig in die Tasche zurück.
Nein, dachte sie, mit mir nicht. Sie hatte sich geschlagene zwei Stunden aufgebrezelt und sie würde ihren Spaß haben, auch ohne Eric. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Dann soll er doch sauer auf sie sein, wenn er erfahren würde, dass sie allein weggewesen war. Kurz zuckte Amber zusammen, als sie sich vorstellte, wie er toben würde, dann beschloss sie aber, das zu tun, was ihre Mutter Amelia immer von ihr verlangte; selbstständig zu sein.
Zwar würde das hier nicht ganz die Vorstellung ihrer Mutter treffen - die war vollkommen verliebt in den Gedanken, ihre Tochter könnte die Frau von Eric werden, der ja so perfekt und toll war -, aber Amber hatte es endgültig satt, sich ständig sagen zu lassen, was sie zu tun und zu lassen hatte.
Sie war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt seit drei Tagen. Und sie hatte sich an ihrem Geburtstag geschworen, mehr an sich selbst zu denken. Sie wollte ihr Leben nicht mehr länger nach anderen ausrichten. Wollte öfters auch mal Nein sagen. Zumindest hatte sie sich das vorgenommen.
Das aufkommende schlechte Gewissen drängte sie zurück und sperrte es sorgfältig in eine Schublade in der hintersten, finsteren Ecke ihres Ichs. Sie war alt genug, alleine Entscheidungen zu treffen. Nicht Eric bestimmte ihr Leben, sondern Amber. Wenn er nicht einmal an ihren Feiertag pünktlich kommen konnte, dann würde sie allein gehen.
Sie griff mit einem unsicheren Lächeln im Gesicht nach ihrer Stola, warf sie sich um die nackten Schultern und verließ entschlossen, aber mit einem Ziehen in der Magengegend die Wohnung. Nur einmal wieder etwas Spaß haben. Was war daran schon so falsch? Amber ging regelmäßig arbeiten und kümmerte sich um Eric und ihren Haushalt. Sie hatte sich ein paar Stunden verdient. Das war besser, als ewig alleine in der Wohnung zu sitzen und zu warten. Langsam fühlte sie sich, wie eine einsame alte Dame. Fehlte nur noch, dass sie anfing zu Stricken. Sie wollte nur ein paar Stunden soziale Interaktion.
Die wenigen Häuserblocks wollte sie laufen. Einfach noch ein bisschen die abendliche Stadt auf sich wirken lassen. Früher, als sie noch nicht über Erics Auto verfügen konnte, war sie auch überall zu Fuß hingegangen. Natürlich hatte sie früher keine High Heels getragen, wenn sie einen längeren Fußmarsch plante. Eigentlich hatte sie früher nie High Heels getragen. Amber hatte immer flache bequeme Turnschuhe vorgezogen, obwohl sie nicht besonders groß war. Die hohen Absätze trug sie nur für Eric. Irgendwann hatte er mal erwähnt, dass er auf Frauen in High Heels stand, und er sich wünschte, sie würde auch welche tragen. Sie fand die Dinger nach wie vor unbequem, aber um Erics Aufmerksamkeit mal wieder auf sich zu ziehen würde Amber alles tun.
Und vielleicht würde er ja nachkommen nach der Arbeit. Für alle Fälle hatte sie ihm eine Nachricht hinterlassen. Amber lächelte bei der Vorstellung über seinen bewundernden Blick, den er über ihren Körper streifen lassen würde, wenn er sie heute sah. Vielleicht würde er sie am Arm nehmen und mit ihr nach Hause stürmen, um sie endlich mal wieder zu geben, was ihr ihr schon so lange vorenthielt. In Vorfreude zog es in ihrem Unterleib. O wie vermisste sie es, wieder einmal richtig gestreichelt zu werden, zu fühlen, dass er sie wirklich begehrte. Wo war sein Verlangen nach ihr geblieben?
Früher hatte sie in jeder zärtlichen oder stürmischen Berührung Erics gefühlt, wie sehr er sie liebte. Amber seufzte. Sie sehnte sich nach genau diesen Berührungen. Wann hatte Eric sich nur so verändert? Er wollte sie noch so oft wie früher, aber auf eine andere Art. Ohne Vorspiel, ohne Streicheln, keine Zärtlichkeiten, höchstens ein flüchtiger Kuss. Er beschränkte sich nur noch auf den eigentlichen Akt. Prüfte nur noch, ob sie schon feucht genug war für ihn. Und benutzte sie dann, als wäre sie ein Gegenstand.
Amber war bewusst, so konnte es nicht weitergehen. Aber noch war sie nicht bereit, aufzugeben. Sie hatte gehofft, dass sie heute Abend zurückfinden würden. Dass er, wenn er sie heute so sehen würde, sich daran erinnern würde, was er einmal für sie empfunden hatte. Bestimmt wird er nachkommen, machte Amber sich Mut.
Als sie das Haus verließ und in die Nacht trat, begrüßte sie ein eisiger Wind. Amber zögerte einen Moment und überlegte, ob sie nicht doch etwas anderes anziehen sollte, aber verwarf den Gedanken sofort wieder, als ein junger Mann an ihr vorbeiging und ihren nackten Beinen bewundernde Blicke zuwarf.
Zähne zusammenbeißen und durch, dachte sie. Für einen Augenblick schloss sie die Augenlider, sog tief die herbstliche Nachtluft ein und genoss die friedliche Stille in ihrer abgelegenen Wohngegend.
Ihre High Heels machten ihr den Fußmarsch nicht besonders einfach, aber sie gab sich Mühe, die Schmerzen in ihren Fußsohlen zu ignorieren. Eine kalte Brise erfasste ihre nackten Beine und Amber zog hastig die Luft ein. Sie beschleunigte ihre Schritte noch etwas, um schneller im warmen Inneren der Bar zu sein. Möglichst, bevor sie sich etwas wegholte. Sie konnte die Stimme ihrer Mutter schon hören: »Wie kann man im Herbst auch so auf die Straße gehen? Wenn du noch zu Hause wohnen würdest, dann hätte ich dich so nie gehenlassen. Du trägst ja fast nichts auf dem Leib.« Amber verdrehte die Augen.
Sie war erst mit vierundzwanzig bei ihrer Mutter ausgezogen und gleich mit Eric zusammengezogen. Ihren Vater kannte sie nicht, sie wusste nur, dass er Amelia verlassen hatte, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, was ihrer Mutter zufolge nicht Amelias Schuld war. Aber Ambers Mutter stellte sich selbst immer als Unschuld dar. Das war sie definitiv nicht.
Sie war weit von dem entfernt, was eine Mutter sein sollte. Sie hatte sich nie richtig um Amber gekümmert, aber ihr Möglichstes getan, Amber einzureden, sie wäre ein Freak, wegen ihrer Fähigkeit, andere zu Heilen und würde sowieso einfach alles falsch machen, was sie anpackte. Heute weiß Amber, dass sie alles falsch gemacht hatte, weil sie immer diesen Druck verspürt hatte, alles richtig zu machen. Und je mehr sie sich angestrengt hatte, desto mehr hatte sie es versaut. Und ein Freak war sie auch nicht. Ihre Fähigkeit war eine wundervolle Gabe mit der sie schon oft Kindern, während ihrer Arbeit geholfen hatte. Natürlich wusste Amber, dass sie ihre Gabe nur heimlich benutzen durfte, schließlich hatte sie Superman und Spiderman im TV gesehen.
Jetzt musste sie nur noch die kleine Gasse überqueren und dann wäre sie da. Amber rieb sich die Arme und machte einen Schritt auf das Kopfsteinpflaster, das in eine schmale Gasse zwischen zwei leerstehenden Fabrikhallen führte.
»Aua«, schimpfte sie erschrocken, als sie auf den glatten Steinen ins Rutschen kam und sich den Fuß umknickte. Sie hockte sich hin, rieb sich den schmerzenden Knöchel und kämpfte mit den Tränen, die sich einen Weg aus ihren Augen suchten. »Verdammte Absätze!« Amber schniefte entrüstet und hoffte, dass der Schmerz sich bald verziehen würde.
Aus der unbeleuchteten Gasse hallten Schritte, die sich ihr näherten. Amber hob den Blick und versuchte, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen, aber sie konnte nichts erkennen. Sie zuckte mit den Schultern und flüsterte, um sich zu beruhigen: »Nur jemand, der auch in den Club will.« Noch einmal rieb sie mit den Fingern über den pochenden Knöchel, dann richtete sie sich langsam wieder auf. Sie stand noch etwas wacklig auf den Beinen, aber sie stand und der Schmerz war ertragbar. »Halb so schlimm«, murmelte sie, um sich selbst genug Mut zu machen, aufrecht stehenzubleiben.
Ihr Blick ging zur Gasse zurück. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein breitschultriger, hochgewachsener Mann aus den Schatten ins Licht der Straßenlaternen trat. Seine Augen wanderten musternd über Ambers Körper, dann grinste er breit. »Alles in Ordnung?«
Amber nickte verlegen.
»Zu solchen Schuhen sollte es die Krankenversicherung gleich dazugeben.« Der Mann blieb ein paar Schritte vor Amber stehen und grinste noch immer. Er schien sie mit seinem Blick abzuschätzen.
Amber fühlte sich etwas unbehaglich. Dieses Grinsen war keins, das freundlich gemeint war, es lag etwas darin, das Amber einen Schauer über den Rücken jagte. Trotzdem hatte der Mann etwas an sich, das ihre Aufmerksamkeit von den Schauern ablenkte, hin zu seinen vollen Lippen, dem kantigen Kinn und der geraden, schmalen, etwas großen, aber trotzdem sehr schönen Nase. Über seinen dunklen Augen bewegten sich zwei schwarze, volle Augenbrauen nach oben, als er die hohe Stirn in Falten legte und eine ernste Miene machte. Seine glänzend nachtschwarzen Haare hatte er zu einem Zopf nach hinten gebunden, der gerade bis über seinen Nacken reichte. Nur der Pony hing heraus und verdeckte beinahe seine Augen, die fast schon etwas animalisch Wildes hatten. Ambers erster Gedanke war Pirat.
Sie überlegte kurz, ob er vielleicht eines der Cover ihrer Liebesromane zierte. Dieser Mann würde zumindest gut auf so ein Buchcover passen. Für einen Augenblick stellte sie ihn sich halb nackt, mit Muskeln bepackt, nur ein Schwert an seiner Seite und eine Frau in seinen kräftigen Armen vor. Ja das passt, dachte sie. Dann fiel ihr das zornige Blitzen in seinen Augen auf und sie war überzeugt, zu wissen, was er gerade von ihr dachte: Eine junge Frau, rausgeputzt wie ein Weihnachtsbaum und dann nicht mal in diesen Schuhen laufen können.
»Danke. Mir geht es gut«, sagte Amber bissig. Und wandte sich dem Eingang des Clubs zu. Sie ließ den Piraten einfach stehen. Sie würde mit einem Fremden sicher keine Diskussion über die Wahl ihres Schuhwerks führen.
Gerade war sie im Begriff, sich in die Schlange vor dem Eingang einzureihen, als das Muskelpaket, das vor der Tür stand, ihr zuwinkte, sie solle nach vorne kommen. Amber reckte das Kinn nach oben, räusperte sich und schritt an der wartenden Menschenmenge vorbei auf den Türsteher zu. Dieser nickte und öffnete freundlich lächelnd die Absperrung für Amber.
»Viel Vergnügen, Schönheit.« Amber warf dem netten Herrn ein Lächeln zu und betrat den Club. Musste ja niemand wissen, dass der Türsteher sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als die Freundin der Clubbesitzerin wiedererkannt hatte. Amber und Eric waren zwar in den letzten Monaten nicht mehr oft hier gewesen, aber früher dafür fast täglich.
Im Inneren schlug ihr eine Wand dicker Luft entgegen; künstlicher Nebel, Schweiß und die verschiedensten Düfte. Amber rümpfte kurz die Nase. Sie selbst war jemand, der mit der Dosierung von Deodorants recht gut zurechtkam, aber es gab immer wieder Menschen, die wohl in ihrem Parfüm badeten, statt in Wasser und Seife. Um solche pflegte Amber normalerweise einen riesigen Bogen zu machen, denn ihr wurde von den aufdringlichen Gerüchen schnell übel, aber in einem Club wie diesem, konnte man das kaum umgehen.
Amber zupfte am Saum ihres Kleides und bahnte sich dann einen Weg durch die Menge. Als Erstes würde sie die Bar erstürmen - ihr war nach einem eisgekühlten Martini - und dann würde sie nachsehen, ob Carol und Steve ihr einen Platz an ihrem Lieblingstisch freigehalten hatten. Die Beiden warteten sicher schon. Amber seufzte. Sie würde mit Eric über diese ständigen Überstunden reden müssen. Sie führten ja kaum noch ein Privatleben. Und ihre Freunde vernachlässigten sie sowieso schon viel zu lange.
Amber wollte jetzt nicht darauf warten, dass sich eine Kellnerin irgendwann einmal an ihren Tisch verirrte, deswegen entschied sie, erst die Bar aufzusuchen. Carol hatte jetzt schon fast zwei Stunden auf sie gewartet, da würden es ein paar Minuten mehr auch nicht schlimmer machen.
An der Bar war das Gedränge fast noch größer als um die Tanzfläche herum. Sie quetschte sich irgendwo dazwischen und versuchte verzweifelt, jemanden vom Personal auf sich aufmerksam zu machen. Aber irgendwie wurde sie übersehen oder auch ignoriert. Da war sie sich noch nicht so sicher. Als eine der Bedienungen wieder an ihr vorbei stürmte, winkte der Mann neben ihr und rief der Blondine mit tief tönender Stimme ein »Süße!« zu. Wie vom Blitz getroffen blieb diese stehen, wandte sich dem Herrn neben Amber zu und strahlte ihn an.
Amber klappte der Kiefer runter, aber sie hielt sich bereit, der Bedienung auch ihren Wunsch mitzuteilen. Sie schob sich etwas näher an den Mann mit der dunklen Stimme heran, in der Hoffnung, so ins Sichtfeld der Kellnerin zu rutschen. Die Blondine bemerkte Amber gar nicht, als sie lächelnd auf den Mann zutrat. Sie zupfte stattdessen an ihrem viel zu freizügigen Kellnerinnenoutfit herum und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge, während sie sich weit über den Tresen beugte und den schwarzhaarigen, breitschultrigen Herrn neben Amber anhimmelte.
Amber wurde langsam zittrig vor Wut. Und sie mochte es gar nicht, wütend zu werden, denn Wut zauberte immer eine Farbe in ihr Gesicht, die mehr einer Leuchtreklame stand als ihr.
Der Herr wandte sich Amber zu und lächelte sie an. Sie schnappte nach Luft und zwang sich ein zaghaftes Lächeln ab. Es war der Mann, der sich gerade noch über ihre Schuhe lustig gemacht hatte. Und er grinste sie herausfordernd an. Sie kniff die Augen zusammen und wandte zornig ihr Gesicht ab. Sie fixierte die Blondine, die selig lächelnd darauf wartete, dass der Pirat ihr seine Bestellung zuflüsterte.
Der Pirat tat nichts dergleichen, also holte Amber tief Luft und beugte sich über den Tresen, um die Chance zu nutzen, die Bedienung vielleicht auf sich aufmerksam zu machen. Was ihr vielleicht auch gelungen wäre, wenn sie nicht plötzlich heißen Atem an ihrem Ohr gespürt und die tiefe Stimme sie dann nicht gefragt hätte: »Was darf es denn sein?«
Amber beugte sich wieder zurück und starrte den Piraten mit gerunzelter Stirn an. Sie wollte ihm gerade die kalte Schulter zeigen, als sie sich eines Besseren besann. »Zwei Martini«, sagte sie mit einem koketten Lächeln auf den Lippen. »Auf Eis, bitte.«
Der Mann lächelte und bestellte, ohne die Bedienung überhaupt anzusehen. Sein Blick war auf Amber kleben geblieben. Die wand sich etwas verunsichert und versuchte diesen dunklen Augen zu entkommen, die schwärzer als ein schwarzes Loch im Weltall waren, und mindestens genauso anziehend. Sekunden später standen zwei Martinis vor Amber. Sie bedankte sich mit einem tonlosen »Danke« und ging schnellen Schrittes von der Bar weg. Aber bei jedem Schritt wusste sie, dass er ihr hinterher sah. Was zur Folge hatte, dass sich jeder Schritt in den hohen Schuhen anfühlte, als würde sie auf Kopfsteinpflaster laufen.
Amber war erleichtert, als sie sich dem Tisch näherte, an dem sie immer saßen, wenn sie mal hier waren. Ihre Freunde waren wie erwartet schon da und unterhielten sich angeregt. Mit den Gläsern in der Hand winkte Amber Carol zu und arbeitete sich weiter mühsam an einer Gruppe Gäste vorbei, die im Gang vor den Sitznischen herumstand. Es ist doch unglaublich praktisch, wenn man mit der Schwester des Besitzers befreundet ist, dann bekommt man immer einen schönen Sitzplatz, dachte sie gerade noch, als ihr beinahe die Martinigläser aus der Hand gerutscht wären, denn eben schob sich Eric in die Sitzgruppe. Lasziv strich er eine blonde Strähne aus seiner Stirn und grinste über das ganze Gesicht.
Amber kam gar nicht dazu, sich darüber zu wundern, dass er ohne sie hier war, da klappte ihr die Kinnlade bis auf die Brust, denn hinter ihm schob sich irgend so ein Flittchen in rotem Minikleid in die Sitzgruppe und pflanzte sich auf den Schoß von Ambers Freund. Amber keuchte laut auf.
Dieses blonde Flittchen legte einen Arm um Erics Hals und presste ihre blutrot geschminkten Lippen auf die von Eric. Den Mund weit offen stand Amber da, das Herz klopfte ihr heftig in der Brust, und starrte fassungslos auf das Schauspiel, das sich direkt vor ihren Augen abspielte. Amber registrierte nichts mehr; nicht die Musik, nicht die Menschen um sie herum und auch nicht, dass der Inhalt der Gläser in ihren Händen sich über ihre Schuhe ergoss. Erst ein dumpfer Hieb in ihren Rücken holte sie aus ihrer Starre zurück.
Ein ziemlich betrunkener junger Mann trieb es etwas zu wild auf der Tanzfläche. Er torkelte herum und schwang gefährlich seine Arme. Amber warf dem Trunkenbold einen grimmigen Blick zu, dann richteten sich ihre Augen wieder auf das Pärchen am Tisch. Die blonde Schnepfe saß noch immer auf dem Schoß von Ambers Freund. Aber ihre Lippen widmeten sich jetzt nicht mehr denen von Eric, sondern seinem Hals, während seine Hände im Ausschnitt ihres Kleides verschwanden.
Noch immer fassungslos wusste Amber nicht, was sie tun sollte. Sollte sie hingehen und eine Szene machen? Sie könnte Eric in aller Öffentlichkeit eine Ohrfeige verpassen. Oder sie könnte einfach gehen. Nur, was dann? Amber konnte unmöglich einfach in die gemeinsame Wohnung zurückgehen und dort darauf warten, dass er kommen würde. Sie wüsste nicht, wie sie dann reagieren sollte. Was sie ihm sagen sollte? Ob sie etwas sagen sollte? Vielleicht würde sie kein Wort über ihre Lippen bringen und irgendwann wäre der richtige Zeitpunkt verflogen, um etwas zu sagen. Sie wusste nur zu gut, dass sie viel zu selten etwas sagte, das anderen missfiel. Sie fühlte sich einfach nicht wohl dabei. Was sollte sie nur tun?
Amber wischte sich eine Träne von der Wange. Sie wollte auf der Stelle anfangen zu heulen. Aber nicht hier, vor so vielen Menschen. Sie wollte schreien, etwas um sich werfen, wollte Eric fragen, ob diese Frau seine Überstunden der letzten Monate gefüllt hatte. Sie fühlte sich hintergangen und betrogen. Nicht nur von Eric, auch von Carol und Steve, die ihr nichts gesagt hatten. Die sich gerade über den Tisch beugten und Eric bedeuteten, dass er aufgeflogen war. Eric schaute kurz zu ihr herüber. Sie wich seinem Blick aus und rechnete damit, dass er aufstehen und zu ihr kommen würde. Aber als sie wieder zum Tisch schaute, hatte er sich abgewandt und widmete sich wieder der Blondine. Nur in Carols Augen lag ein Anflug von Bedauern.
Amber warf Eric einen letzten Blick zu, dann verließ sie die Bar. Auf der Straße blieb sie stehen, blickte sich ratlos um und wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Sie könnte die Zeit nutzen, die Eric sicher noch in der Bar verbringen würde, und schnell das Wichtigste aus der gemeinsamen Wohnung holen. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass sie das tun würde und hatte es deswegen vermieden, mit ihr zu sprechen. Es wäre für ihn ja so viel leichter, wenn sie einfach verschwand und er der Konfrontation aus dem Weg gehen konnte.
»Feigling«, flüsterte sie in die Nacht. Viel lieber hätte sie es in die Dunkelheit hinausgeschrien.
Und dann? Was sollte sie danach tun? Zu ihrer Mutter? Das konnte sie nicht. Das würde heißen, sie müsste vor ihr eingestehen, versagt zu haben. Ein Hotel? Zumindest so lange, bis sie eine eigene kleine Wohnung gefunden hatte. Aber, auch das würde bedeuten, dass ihre Mutter erfahren würde, dass Amber es wieder nicht geschafft hatte, auf eigenen Füßen zu stehen. Etwas richtig zu machen. In Amelias Augen wäre sicher sie schuld.
Sie würde Erics Verhalten keine Sekunde hinterfragen, aber feststellen, dass Amber sie wieder einmal enttäuscht hatte. Und überhaupt würde sie es sowieso nicht in die Nacht hinausschreien, eher flüstern. So war sie nun mal. Irgendwie war es doch ihre Schuld, dass Eric es so einfach hatte, sie zu betrügen. Er hatte sich doch von Anfang an denken können, dass sie nichts sagen würde. Wahrscheinlich glaubte er sogar, sie würde zu Hause auf ihn warten und so tun, als wäre nichts gewesen. Eigentlich war sie doch der Feigling, nicht er.
Nein, dieses Mal würde sie nicht klein beigeben. Sie würde jetzt hochgehen, die wichtigsten Sachen einpacken und sich dann ein Zimmer nehmen. Und sie würde nicht ihre Mutter anrufen. Das kam auf gar keinen Fall infrage.
Amber kramte den Haustürschlüssel aus ihrer Handtasche und verfluchte den Hausmeister, der es immer noch nicht geschafft hatte, die Glühbirne über der Tür auszutauschen. Mit den Fingern tastete sie nach dem Schlüsselloch und wollte gerade den Schlüssel an ihren Fingerspitzen vorbei in das Schloss führen, als ihr eisige Luft in den Nacken blies. Erschrocken wandte Amber sich um und wich mit dem Rücken gegen die Eichenholztür zurück.
Sie beugte den Kopf langsam vor und schielte um den Eingang herum auf die leere Straße. Lächelnd schalt sie sich selbst für ihre Dummheit. Das war nur eine Windböe, du blöde Kuh, dachte sie und wandte sich wieder der Tür zu.
Ein Arm schlang sich von hinten um ihre Taille, eine eiskalte Hand presste sich auf ihren Mund und dann zog sie jemand von der Tür weg. Amber zappelte in der Umklammerung, stöhnte und wehrte sich, doch ihr Gegner war so viel stärker als sie und hielt sie nur umso entschlossener gegen seinen Körper gepresst.
Ehe sie es sich versah, fand Amber sich in einer Gasse an eine Wand gedrängt wieder und der muskulöse Körper des Kerls aus der Bar drückte gegen ihren. Nicht nur, dass der Kerl ziemlich breit war, er war auch noch ein ganzes Stück größer als Amber. Amber schaffte es gerade einmal auf zwergenhafte 1,60 Meter. Der Pirat musste mindestens 1,85 Meter messen. Zumindest presste sich seine harte Brust gegen Ambers Gesicht. Er war jemand zu dem der Nachname Connell passte – keltisch für groß und mächtig -, nicht Amber.
Amber hatte ihren Nachnamen noch nie gemocht. Das war ungefähr so, als ob ein Riese Winzig heißen würde. Noch immer lag seine Hand auf Ambers Mund. Er sah auf sie herab und sein Blick bohrte sich in ihren. Er hatte ein so urwüchsig raues Gesicht, wie Amber es noch nie gesehen hatte. Alles an ihm schien die Definition von männlich zu sein. Und diese Manneskraft drückte sie gegen den rauen Putz, zwängte sie zwischen der Mauer seines Körpers und der Hauswand ein und gab Amber das Gefühl, noch winziger zu sein, als sie bisher angenommen hatte.
Sie zitterte am ganzen Körper und würde der Typ sie nicht halten, hätten ihre Knie schon lange unter ihr nachgegeben. Ihr Herz hämmerte gegen seine Brust, die Amber wie ein Schraubstock zwischen sich und der Hauswand festhielt.
Vielleicht hätte sie ihren Mageninhalt in die Ecke neben dem Container, hinter dem sie standen, erbrochen, wenn sie die Chance dazu gehabt hätte, denn ihr wurde schrecklich übel. Aus Angst? Wegen des Gestanks, der in dieser Gasse schwebte? Amber tippte auf Letzteres. Der süßliche Geruch von Verwesung lag in der Luft und Amber wollte gar nicht darüber nachdenken, was sich in den Containern befinden könnte. Vielleicht war sie nicht sein erstes Opfer? Oder der Tierarzt von nebenan hatte seine Abfälle mal wieder verbotenerweise in der Gasse entsorgt? Amber holte aus und trat dem Kerl mit ihrem Manolo gegen das Schienbein.
»Schhht. Beruhig dich! Ich will dir nichts tun.« Der Pirat nickte in Richtung Ausgang der Gasse. »Siehst du das?«, flüsterte er. Sein Gesicht war ihrem so nahe, dass sie seinen kühlen Atem auf ihrer Nasenspitze spüren konnte. Seine Hand drückte sich so fest auf ihren Mund, dass das raue Mauerwerk in ihrem Rücken sich schmerzhaft in ihren Hinterkopf bohrte. Ihr Körper war wie festgenagelt. Sie konnte sich nicht einen Millimeter bewegen.
Mit den Augen folgte sie seinem Blick, aber nur, weil sie hoffte, dort könnte jemand sein, der ihr zu Hilfe eilen konnte. Ein dunkler Schatten hob sich gegen das Licht der Straßenlaternen ab. Jemand stand da, spähte in die Gasse hinein und schien zu warten. Oder suchte er etwas? Jemand? Amber nickte vorsichtig, atmete aber tief durch die Nase ein, um die Luft hoffentlich in einem dumpfen Schrei zwischen seinen Fingern hervorpressen zu können.
»Du möchtest dem da nicht in die Fänge geraten«, flüsterte der Pirat weiter.
Amber starrte ihr Gegenüber verständnislos an. Sie wollte ihm sagen, dass sie »dem da« sicher nicht in die Fänge geraten wäre, da sie ja fast zu Hause gewesen wäre. Jetzt war sie aber ihm in die Fänge geraten, und das fühlte sich auch nicht gut an. Gut, vielleicht wäre sie »dem da« in die Fänge geraten, wenn sie die Wohnung wenige Augenblicke später wieder verlassen hätte, aber das tat jetzt nichts zur Sache. Denn woher wollte dieser Kerl, dessen stahlharter Körper mit jedem Atemzug an ihrem rieb, wissen, dass dieser andere Typ, der jetzt langsam ein paar Schritte in die Gasse machte, ausgerechnet etwas von Amber wollte?
Amber hoffte noch immer, dieser andere Typ könnte ihr helfen. Mit aller Kraft stöhnte sie gegen die Hand des Mannes, der ihr zornig noch fester die Hand auf den Mund presste und mahnend mit dem Kopf schüttelte. Vielleicht besser, jede Abwehr aufzugeben, überlegte sie. Wenn ich brav bin, lässt er mich danach einfach wieder gehen.
Amber hielt vorsichtshalber die Luft an und ihr Retter – Entführer? – nickte ihr zu, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Vielleicht hatte das Erschlaffen ihrer Muskeln ihm auch gezeigt, dass sie den Kampf aufgegeben hatte. Seine Hand auf Ambers Gesicht lockerte sich. Amber hätte jetzt schreien können, aber sie tat es nicht. Da war etwas an der Art, wie dieser Schatten sich schleichend bewegte, das ihr eine Gänsehaut einjagte.
Irgendetwas sagte ihr, dass sie dem Piraten, der sie nach wie vor gegen die Hauswand presste, vertrauen konnte. Obwohl ihr schon die Tatsache, dass er aussah, wie ein Pirat das Gegenteil hätte sagen sollen. Aber vielleicht hatte Amber in ihrem Leben zu viele romantische Piratenfilme gesehen und war einfach voreingenommen. Ambers Augen bohrten sich in die des Mannes, die das wenige Licht, das von der Hauptstraße hereindrang, blitzend zurückwarfen. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst.
Der Schatten war wenige Schritte von dem Container entfernt stehengeblieben, hinter dem sie sich verbargen. Er kickte eine Blechdose mit seinem Fuß weg, die laut scheppernd über das Kopfsteinpflaster rollte und eine Katze aufscheuchte, die sich zwischen ein paar Säcken versteckt hatte. Laut kreischend schoss sie davon und verschwand irgendwo in der undurchdringlichen Finsternis der Gasse. Amber hätte es ihr gerne gleichgetan.
Der Schatten fauchte der Katze hinterher und das Geräusch klang so schaurig, dass Amber wusste, ihr Instinkt dem Piraten zu vertrauen, war richtig gewesen. Dieser Schatten löste in ihr etwas aus, das alles in ihr zum Krampfen brachte. Manchmal schien sie so eine Art siebten Sinn für Gefahren zu haben. Jedenfalls kribbelte etwas in ihrem Kopf, wenn sie in Gefahr war. Dieses Kribbeln hatte sie als Kind vor so mancher Dummheit bewahrt, und erst vor wenigen Monaten davor, in einen Zug zu steigen, der dann tatsächlich einen schweren Unfall mit einer Menge Opfer hatte. Und dieses Kribbeln verspürte sie bei dem Piraten nicht, aber bei dem Schatten, der nur wenige Schritte entfernt stehengeblieben war.
Plötzlich begann der Schatten zu verschwimmen, schien von außen nach innen erst unscharf, und dann durchsichtig zu werden. Dann löste er sich einfach in Luft auf. Amber stockte der Atem. Sie schüttelte den Kopf, als könnte das ihr helfen, zu begreifen, was sie gerade gesehen hatte, und starrte auf die Stelle, wo eben noch der Schatten stand. »Was zur Hölle war das?«, keuchte sie, das unnatürliche Fauchen noch immer in den Ohren.
»Hölle trifft es perfekt«, grinste der Kerl, der seinen harten Körper noch immer gegen Ambers presste. »Ich bin Cailean.«
»Cailean?«, fragte Amber sarkastisch.
Der Pirat zog die Augenbrauen hoch und lächelte. Er schien über etwas nachzudenken. Amber hoffte darüber, sie wieder loszulassen. So verführerisch sein Körper auch war, er war ein Fremder und diese Nähe war ihr unangenehm. Außerdem war die Gefahr vorüber, nichts kribbelte mehr in ihrem Kopf. Er konnte sie also getrost wieder gehenlassen.
»Ich schätze, das wirst du in den nächsten Tagen herausfinden dürfen.«
Amber runzelte die Stirn. »Herausfinden?«
Cailean lächelte sie auf eine Art an, die Amber hätte eine Warnung sein sollen, aber alles ging viel zu schnell, als dass sie hätte reagieren können. »Schlaf!«
Cailean lehnte mit dem Rücken gegen die Wand neben dem Fenster. Er hatte gerade die Vorhänge geschlossen, um das Tageslicht auszusperren. Er fühlte sich Müde und abgespannt. Es kam ihm vor, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Was er auch nicht hatte, schließlich hatte er die letzten Tage in der freundlichen Gesellschaft von Airmeds Lakaien verbracht. Warum hatte Airmed ausgerechnet ihn für diesen Auftrag ausgewählt? Sie wusste doch, wie er zu Frauen stand. Da konnte auch nicht das gute Aussehen dieser Frau etwas dran ändern. Die Nähe zu Frauen bereitete ihm Unbehagen. Und dieser Auftrag brachte ihn sehr nahe an eine Frau.
Aber eigentlich kannte er die Antwort auf seine Frage. Sein Fluch machte ihn kontrollierbar. Er musste unbedingt einen Ausweg aus dieser Katastrophe finden. Wenn er keinen fand, könnte er die Frau auch gleich umbringen. Damit käme er Airmed nur zuvor. Leider ließ ihm der Fluch nicht einmal diesen Ausweg, weil sie umbringen, würde bedeuten, dass er Airmeds Wunsch nicht erfüllen konnte.
Dieser Fluch hatte ihn in den letzten fünfundsiebzig Jahren schon in so manche unmögliche Situation gebracht, aber dieses Mal brachte es ihn auf die Seite des Feindes. Er arbeitete für Airmed. Wie hatte es nur so weit kommen können? Allein die Vorstellung, was Airmed dieser unschuldigen Frau antun könnte, ließ ihn verzweifeln. Und Danu würde ihn für seinen Verrat bestrafen.
Er musterte Amber, die seit seinem Befehl schlief. Er musste lächeln. Noch vor wenigen Jahren hätte er nicht tatenlos danebengestanden, wenn eine Frau mit einem solchen Körper an sein Bett gefesselt war. Er hätte alles darangesetzt, sie glücklich zu machen. Er wäre mit seiner Zunge die weiche Haut dieses wundervollen Halses entlanggefahren, hätte seine Lippen um die zarten Knospen ihrer Brüste geschlossen, die sich durch den dünnen Stoff dieses viel zu kurzen Kleides drückten. Seine Hände wären über diese wohlgeformten Oberschenkel gewandert, hätten sich einen Weg unter den schwarzen Stoff gesucht. Er hätte seine Nase in diesem duftenden schwarzen Haar vergraben, das ausgebreitet auf dem Kissen lag. Es war vorhin wie ein Vorhang auf ihre Schultern gesunken, als er ihr die Nadeln aus dem Zopf gezogen hatte, damit sie bequem liegen konnte. Aber die Zeiten, da er sich ohne Misstrauen einer Frau hatte nähern können, waren lange vorbei. Er hatte den Spaß an der körperlichen Vereinigung endgültig verloren. Das mit Airmed war jetzt das zweite Mal in seinen mehr als zweihundert Jahren, dass er einer Frau in die Falle gegangen war und er anschließend knietief in der Scheiße watete.
Zu viel Schmerz und Erniedrigung waren passiert, wenn sie von seinem Fluch erfuhren und ihn benutzten, um ihn sich untertan zu machen. Er würde Frauen künftig so weit möglich aus dem Weg gehen. Er musste einen anderen Weg finden, seine Dämonen zum Schweigen zu bringen.