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»Die Frau, die mit den Engeln spricht!« (Die Welt)
Lorna Byrnes Bestseller »Engel in meinem Haar« veränderte das Leben von Menschen auf der ganzen Welt. Zum ersten Mal sprach eine Autorin offen über ihre Freundschaft mit den himmlischen Wesen, die sie seit ihrer Geburt als treue Helfer begleiten. Und ihr Weg ist noch nicht zu Ende: Nach dem Tod ihres Mannes Joe steht die alleinerziehende Mutter vor der Herausforderung, sich ein neues Leben aufzubauen. Wieder sind es die Engel, die sie in dieser Situation unterstützen. Doch mehr noch: Sie erinnern Lorna an ihre Lebensaufgabe und ermutigen sie, diese zu erfüllen, auch wenn alles dagegen spricht. Die schüchterne Lorna überwindet ihre Angst, bricht ihr Schweigen und beginnt, anderen vom machtvollen Wirken der Engel zu erzählen. Erstmals enthüllt sie mystisches Wissen, das nie zuvor geäußert wurde, und Prophezeiungen der Engel für Erde und Menschheit, die vor einem großen Umbruch stehen. »Jeder von uns muss seine eigene Aufgabe erfüllen«, sagt Lorna. Ihr Buch schenkt Hoffnung und den Mut, die Hilfe der Engel zu erbitten und eine positive Zukunft zu gestalten.
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Seitenzahl: 490
Lorna Byrne
Himmelspfade
Engel weisen uns den Weg
Aus dem Englischen von Astrid Ogbeiwi
Die britische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Stairways to Heaven« bei Coronet, Hodder & Stoughton, einem Unternehmen von Hachette UK, London.
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe
© 2011 der deutschsprachigen Ausgabe
Kailash Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
© 2010 Lorna Byrne
Lektorat: Bettina Lemke
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN 978-3-641-06463-1
www.kailash-verlag.de
Ich widme dieses Buch allen, die auf Gott und die Engel gehört und ihre Aufgabe erfüllt haben.
Ein Engel trat zwischen den Bäumen hervor, und das Licht, das ihn umgab, wurde immer heller. Der Engel hatte eine menschliche Gestalt. Er war groß und elegant, und er strahlte von innen heraus. Sein Gesicht war goldfarben, und seine Augen leuchteten wie Perlen, durch die das Licht hindurchschimmerte. Seine Kleidung umspielte locker seinen Körper, aber wenn er sich bewegte, veränderte sich nicht eine einzige Falte. Um die Taille hatte er eine goldene Schärpe gebunden, und um den Hals trug er eine Kette aus runden Goldgliedern, an der ein großer Saphir-Anhänger hing. Wie bei allen Engeln berührten auch seine Füße den Boden nicht. Goldene Vögel umflatterten ihn, und auch am Boden war er von allen möglichen Vögeln umgeben – von Krähen und Dohlen und zahlreichen kleinen Vögeln, darunter Rotkehlchen, Spatzen, Finken und Meisen.
Plötzlich schossen unglaubliche Licht- und Energiestrahlen explosionsartig aus dem Saphir in alle Richtungen. Im gleichen Moment flogen die kleinen Vögel vom Boden auf und bewegten sich auf den Engel zu. Dann flogen sie in die Strahlen des smaragdgrünen Saphirs hinein und verschwanden schließlich in dem Edelstein.
Nun kam der Engel auf mich zu, breitete seine Flügel aus und bewegte sie sanft. Sie waren sehr groß und unglaublich schön. Ich konnte jede einzelne vollendete Feder sehen. Sie hatten unterschiedliche Größen – von riesengroß bis winzig klein. Alle waren weiß, aber jede hatte einen zarten goldenen Schimmer. Nicht immer haben Engel Flügel, und nicht immer wirken ihre Flügel so, als wären sie aus Federn, doch ich wusste, dass dieser Engel anders war. Denn es war der Vogelengel. Zum letzten Mal hatte ich ihn kurz vor dem Tod meines Mannes Joe gesehen. Joe war erst vor ein paar Monaten gestorben, und er fehlte mir schrecklich. Als ich den Vogelengel sah, saß ich ganz alleine auf einem Baumstamm in einem Wald in der Nähe meines Hauses und freute mich unbändig darüber, dass er gekommen war, um mich zu trösten.
Der Vogelengel kniete sich vor mich hin und legte seine riesigen Flügel um mich. Ich konnte seine Flügel auf meinem Körper spüren. Ich schmiegte mich eng an den Vogelengel an und empfand eine tiefe innere Ruhe. Dann flüsterte ich ihm zu: »Danke, dass du gekommen bist, um mich zu trösten.«
Ebenfalls flüsternd erwiderte er: »Immer wenn du einen Vogel siehst, möchte ich, dass du an mich denkst und lächelst.« Ich spürte, wie der Vogelengel langsam seine Umarmung löste. Dann legte er seine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf etwas an. Er lächelte mir zu, und seine Augen strahlten voller Zärtlichkeit und Liebe. Sein Gesicht leuchtete golden. Weitere Worte waren gar nicht nötig.
Der Vogelengel erhob sich langsam, verabschiedete sich von mir und ließ meine Hand los. Allmählich wich er immer weiter zurück und wurde dabei riesengroß. Wieder öffneten sich seine Flügel und begannen, rasch und leicht in einem Rhythmus zu schlagen, der wie eine Trommel klang. Nun flog der Vogelengel langsam nach oben, um dann noch einmal in der Luft schwebend innezuhalten. Das strahlende Licht um ihn herum war voller Vögel. Schließlich verschwanden der Vogelengel und alle Vögel in diesem Licht.
Ich sehe ständig Engel. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zu irgendeiner Zeit einmal keine Engel gesehen hätte. Als ich nach meiner Geburt die Augen öffnete, waren sie sofort da – auch wenn ich damals nicht wusste, dass es sich um Engel handelte. Wenn ich als Baby in meinem Kinderbettchen lag, sah ich sie in der Nähe meiner Mutter. Ich spielte mit ihnen, versuchte, sie zu fangen, aber es gelang mir nie. Ich sehe sie so deutlich wie meine Tochter, wenn sie mir zum Beispiel am Esstisch gegenübersitzt, und ich spreche mit ihnen wie mit anderen Leuten, aber ich kann auch ohne Worte mit ihnen kommunizieren. Es hat noch keinen Tag gegeben, an dem ich keine Engel gesehen hätte. Dass ich sie sehe, ist für mich das Normalste der Welt. Engel sind meine besten Freunde und treuesten Begleiter. Als ich noch recht klein war, sagten mir die Engel, dass ich das, was ich sah, als Geheimnis bewahren solle. Deshalb erzählte ich damals noch nicht einmal meinen Eltern oder Geschwistern etwas davon. Ich weiß nicht, warum Gott mich auf diese Weise auserwählt hat. Ich halte mich nicht für etwas Besseres als andere Menschen. Als ich noch Kind war, sagten die Ärzte meinen Eltern sogar, ich sei »retardiert«, zurückgeblieben. Ich bin sicherlich nicht vollkommen. Ich bin ein ganz normaler Mensch und noch dazu ein ganz normaler Mensch mit Lernschwierigkeiten. Aber Er hat mich auserwählt, und Er hat Seine Engel geschickt, um mich etwas zu lehren. Immer wenn ich einen Engel sehe, möchte ich innehalten und ihn einfach nur betrachten. Ich spüre dann die Gegenwart einer ungeheuren Kraft.
In meiner Jugend nahmen die Engel meist eine menschliche Gestalt an, was mir den Umgang mit ihnen erleichterte. Heute ist das längst nicht mehr nötig. Die Engel, die ich sehe, haben nicht immer Flügel, aber wenn sie welche haben, bin ich häufig über deren Formen verblüfft. Zuweilen sind sie wie lodernde Flammen, haben aber dennoch eine klare Kontur und Festigkeit. Die Flügel mancher Engel sind gefiedert wie etwa die des Vogelengels.
Erscheinen Engel in Menschengestalt – egal ob mit oder ohne Flügel –, gehören ihre Augen zu ihren faszinierendsten Merkmalen, denn Engelsaugen unterscheiden sich stark von Menschenaugen. Sie sind viel lebendiger, so voller Leben, Licht und Liebe – als enthielten sie die Essenz des Lebens selbst –, ihr Strahlen erfüllt mich ganz und gar.
Noch nie habe ich den Fuß eines Engels den Boden berühren sehen. Wenn ein Engel auf mich zukommt, nehme ich eine Art »Energiepuffer« zwischen dem Boden und seinen Füßen wahr.
Jeder Mensch hat einen Schutzengel, ganz gleich, welcher Religion oder Nationalität er angehört oder welche Hautfarbe er hat – das gilt auch, wenn er keiner Religion angehört und an gar nichts glaubt. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Menschen gesehen, der keinen Schutzengel gehabt hätte. Ganz egal also, ob Sie daran glauben oder nicht – Sie haben einen Schutzengel an Ihrer Seite, der versucht, Ihnen zu helfen. Ihr Engel ist ein Geschenk Gottes.
Ich sehe Schutzengel als etwa einen Meter hohe Lichtsäulen, circa drei Schritte hinter »ihrem« Menschen. Manchmal öffnet ein Schutzengel dieses Licht für mich und zeigt sich mir in menschlicher Gestalt – in einer sehr schönen, vollkommenen menschlichen Gestalt. Das passiert meistens, wenn ich unterwegs bin. Engel sind weder männlich noch weiblich, aber zuweilen nehmen sie die Gestalt eines Mannes oder einer Frau an. Manchmal haben die Engel Flügel, manchmal auch nicht. Meistens sehe ich nur das Licht der Schutzengel, denn wenn sie sich ständig für mich öffnen und sich mir zeigen würden, dann wäre das zu viel, und ich könnte kein normales Leben mehr führen.
Ihr Schutzengel verlässt Sie nicht einen Augenblick lang. Schon vor Ihrer Geburt war er bei Ihnen, und er wird bis nach Ihrem Tod bei Ihnen bleiben. Er ist da, um Ihnen zu helfen. Ihr Schutzengel liebt Sie. Sie bedeuten ihm sehr viel. Für ihn sind Sie der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt, und er muss alles für Sie tun, was er nur kann. Ihr Schutzengel ist der Torhüter Ihrer Seele, und er kann andere Engel einlassen. Lehrengel zum Beispiel, die Experten auf bestimmten Gebieten sind. Für alles unter der Sonne gibt es einen Lehrengel, scheuen Sie sich deshalb nie, einen um Hilfe zu bitten. Engel sind meine Freunde, meine Begleiter und meine Lehrer. Manche sind sehr oft bei mir, insbesondere der Engel Michael, der Engel Hosus und der Engel Elija.
Beim Engel Michael handelt es sich um den Erzengel Michael, aber als ich ihm als kleines Kind zum ersten Mal begegnete, wusste ich das noch nicht. Er ist am häufigsten bei mir – abgesehen von meinem Schutzengel, über den ich nicht sprechen darf. Der Engel Michael erscheint mir stets in Gestalt eines gut aussehenden Mannes. Sein Alter wechselt, liegt aber immer zwischen 20 und 40 Jahren.
Der Engel Hosus erschien mir zum ersten Mal in der Schule. Er tritt in Gestalt eines altmodischen Lehrers auf – mit einer langen Robe und einem komischen Hut. Er verfügt über großes Wissen und eine tiefe Weisheit und ist zuweilen sehr ernst, aber er kann mich auch wunderbar aufheitern. Bereits vor vielen Jahren schenkte er mir Selbstvertrauen, als ich mir in der Schule so dumm vorkam, dass ich das Gefühl hatte, überhaupt nicht dazuzugehören. Heute hilft er mir, wenn ich schreibe und Interviews gebe.
Der Engel Elija tritt an Wendepunkten meines Lebens auf. Elija erscheint immer in der gleichen Gestalt. Er ist sehr groß, hat breite Schultern und eine rostrot-bernsteinfarbene Haut. Er ist sehr energisch und stark, außerdem kann er wütend werden und scheint stets auf dem Sprung zu sein. Er schenkt mir Kraft und Stärke, wenn ich in meinem Leben kämpfen muss. Über alltägliche Dinge plaudere ich mit dem Engel Michael und dem Engel Hosus, aber nicht mit Elija.
Manchmal darf ich menschliche Seelen sehen. Wenn das geschieht, fühle ich mich immer sehr privilegiert. Die Seele, die ihren Sitz im Körper hat und ihn ganz ausfüllt, tritt dann daraus hervor. Die meisten Seelen bleiben während des Schlafs im Körper, aber hin und wieder bewegen sie sich ein kleines Stück aus dem Körper hinaus. So wie die Seele sich mir zeigt, hat sie Ähnlichkeit mit dem Menschen, gleicht ihm jedoch nicht völlig. Sie hat nicht all dieselben Merkmale, sondern sieht vielmehr so aus, wie der Mensch aussehen würde, wenn er körperlich vollkommen wäre. Wenn mir eine Seele gezeigt wird, bedeutet es, dass etwas Spirituelles geschieht, selbst wenn der betreffende Mensch das vielleicht gar nicht bemerkt. Wenn ich so etwas sehe, werde ich von einer großen Freude, einer tiefen inneren Ruhe und der Gewissheit erfüllt, dass Gott sich um alles kümmert.
Tagtäglich sehe ich auch Geister – die Geister von Menschen, die gestorben und in den Himmel gegangen sind. Viele Menschen glauben, die Anwesenheit eines Geistes bedeute, dass etwas nicht in Ordnung sei. Aber das ist nicht generell so. Oft kommt ein Geist zurück, um einen geliebten Menschen zu unterstützen. Manchmal kommen die Geister auch nur, weil es ihnen Freude macht, eine Zeit lang wieder in dieser Welt zu sein. Als kleines Kind spielte ich regelmäßig mit dem Geist meines Bruders Christopher. Christopher starb, bevor ich geboren wurde. Er half mir, den Unterschied zwischen Geistern und Engeln zu verstehen. Manchmal behauptet jemand, seine verstorbene Großmutter sei ein Engel. Ein Schutzengel kann zwar zulassen, dass der Geist der Großmutter diesen Menschen aufsucht, um ihn zu beraten und zu unterstützen, aber die Großmutter ist kein Engel. Kein Mensch, der auf dieser Erde gelebt hat, wird je ein Engel werden.
Als ich zehn Jahre alt war, begegnete mir der Engel Elija zum ersten Mal. Ich stand mit meinem Vater an einem Fluss beim Angeln und ließ meine Gedanken schweifen. Da kam der Engel Elija über das Wasser auf mich zu. Ich hatte noch nie einen Engel übers Wasser gehen sehen und war ganz fasziniert davon. Dann zeigte Elija mir eine Vision – es war, als würde er einen Vorhang beiseiteziehen. Ich sah einen gut aussehenden jungen Mann, der eine baumbestandene Straße entlangging. Während ich ihn betrachtete, erklärte mir Elija, dass ich mich in diesen jungen Mann namens Joe verlieben würde. Außerdem würden wir heiraten und Kinder bekommen. Allerdings, so sagte mir Elija, würde Joe krank werden, sodass wir nicht zusammen alt werden könnten.
Ich nehme es Elija übel, dass er mir das damals gesagt hat. Ich war erst zehn Jahre alt, und es erscheint mir sehr unfair, dass er mir sagte, wir würden nicht zusammen alt werden. Es kam genau so, wie der Engel Elija es mir vorhergesagt hatte. Joe bewarb sich um eine Arbeit in der Tankstelle meines Vaters – wo auch ich arbeitete –, wir verliebten uns ineinander, kauften ein kleines Cottage in Maynooth und heirateten. Schon vor unserer Hochzeit kränkelte Joe ein wenig. Ich war hin- und hergerissen, manchmal bat ich Gott und die Engel inständig darum, dafür zu sorgen, dass es ihm besser ginge, dann wieder war ich wütend auf sie, weil sie zuließen, dass alles so geschah.
Nach unserer Hochzeit hatte Joe ein gesundheitliches Problem nach dem anderen. Im Laufe der Jahre wurde er Diabetiker, dann griff der Diabetes sein Herz an, und schließlich musste er sogar am Herzen operiert werden. In seinen letzten zehn Lebensjahren war er die meiste Zeit ans Bett gefesselt. Gegen Ende seines Lebens erlitt er mehrere Schlaganfälle. Doch trotz Joes Krankheiten waren wir sehr glücklich miteinander und bekamen vier Kinder: Christopher, Owen, Ruth und Megan, unsere Jüngste. Joe starb am Morgen des 26. März 2000 bei uns zu Hause und hielt somit sein Versprechen, bis zu Ruths und meinem Geburtstag am Vortag am Leben zu bleiben. Er war erst 47 Jahre alt. Unser jüngstes Kind war gerade vier.
In Joes letzten Lebenswochen beobachtete ich, dass die Engel ihn in eine geistige Decke hüllten, wenn er in seinem Sessel saß. Die Decke war hell und sah aus, als sei sie aus Baumwolle. Sie steckten sie um ihn herum fest. Die Engel gingen sehr liebevoll und sanft mit ihm um. Ich konnte sehen, dass sie versuchten, ihm gegen das Wundliegen zu helfen und seine Schmerzen zu lindern. Immer wieder mühte sich Joe ab, von seinem Sessel aufzustehen. Er wollte es unbedingt aus eigener Kraft schaffen. Ich durfte ihm nicht beispringen. Ich sah, dass die Engel ihm halfen, sich aufrecht hinzusetzen, dass sie ihn beim Gehen begleiteten und ihn dabei unterstützten, das Gleichgewicht zu halten, wenn er ins Schlafzimmer oder ins Bad ging. So sorgten sie dafür, dass er nicht stürzte. Manchmal sah das so witzig aus, dass ich einfach lächeln musste. Doch trotz der Hilfe, die die Engel ihm zuteilwerden ließen, stand ich immer auf und ging hinter Joe her. Manchmal drehten sich die Engel dann um und sagten, es sei alles in Ordnung, sie würden schon zurechtkommen. Und einmal sagte mir Joes Schutzengel, es sei sehr wichtig für Joe, sich seine Würde zu bewahren.
In der Nacht bevor Joe starb, wachte ich oft auf. Er schlief neben mir im Bett, und ich drehte mich zu ihm, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Ich wusste, dass die Engel Joes Seele sehr bald mitnehmen würden. Joes wunderschöner Schutzengel, der ihn sein ganzes Leben lang und ganz besonders in den letzten Jahren so liebevoll umsorgt hatte, war nicht mehr wie üblich hinter ihm. Er hatte Joes Körper durchdrungen und hielt nun unglaublich hell leuchtend dessen Seele. Als ich das erste Mal aufwachte, sagte mir der Schutzengel, ich dürfe Joe nicht berühren, um ihn nicht zu stören. Jedes Mal wenn ich aufwachte, sah ich Joe mit Tränen in den Augen an. Und jedes Mal sagte mir sein Schutzengel, ich solle weiterschlafen, worauf ich tatsächlich augenblicklich wieder einschlief. Aber eine knappe Stunde später war ich wieder wach. Schließlich wurde ich etwa um sieben Uhr morgens vom Engel Michael geweckt. Joe atmete nicht mehr. Seine Seele sah wunderschön und vollkommen aus und bewegte sich in Begleitung seines Schutzengels bereits auf ein wunderschönes Licht zu, auf eine Himmelsleiter. Ich wollte ihm zurufen: »Joe, komm zu mir zurück. Ich brauche dich!«
Voller Verzweiflung wollte ich Gott darum bitten, Joe zu gestatten, noch ein wenig dazubleiben, aber ich wusste, dass ich das nicht konnte, denn die Antwort hätte Nein gelautet. Der Erzengel Michael berührte meine Lippen, sodass ich nicht sprechen konnte. Das Zimmer war nun voller Engel. All meine Freunde und Lehrer waren da, aber das tröstete mich nicht. Die Tränen rannen mir über die Wangen. Ich fühlte mich völlig benommen, als ich Joes Körper in den Armen hielt. Ich spürte, wie Michael eine geistige Decke um mich legte. Er flüsterte mir ins Ohr, dass ich die Kinder und einen Rettungswagen rufen solle.
Auch wenn man bereits weiß, dass ein geliebter Mensch bald sterben wird, und selbst wenn er sehr krank ist, wird es dadurch kein bisschen leichter. Ich war völlig am Boden zerstört. Es zerriss mir das Herz, und den Schmerz und das Leid meiner Kinder zu sehen, machte alles nur noch schlimmer für mich. Die Kinder versuchten, mich zu trösten, und ich versuchte, sie zu trösten. Und obwohl wir von Engeln umgeben waren, litten wir nicht weniger.
Als der Rettungswagen kam, versuchten die Sanitäter vergeblich, Joe wiederzubeleben. Ich stand daneben und beobachtete sie schockiert und zitternd. Immer wieder sagten sie: »Es klappt nicht.« Schließlich legten sie ihn entmutigt auf eine Trage, trugen ihn zum Rettungswagen und brachten ihn ins Krankenhaus. Christopher und ich folgten ihnen in einem Taxi. Owen und Ruth blieben zu Hause bei Megan, die schlief und noch nicht wusste, was mit ihrem Vater geschehen war.
Im Krankenhaus wurden Christopher und ich in einen kleinen Warteraum geführt. Ab und zu konnte ich einen Blick auf Christophers Schutzengel erhaschen, der ihn in den Armen hielt und ihn tröstete. Der Engel Michael hielt die ganze Zeit meine Hand. Die Zeit verging, und ich habe keine Ahnung, wie lange wir so dasaßen und warteten. Dann ging die Tür auf, und eine Ärztin kam herein, um uns zu sagen, was ich bereits wusste. Joe war tot. Sie sagte, es tue ihr sehr leid, aber sie hätten nichts mehr für ihn tun können.
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin. Zutiefst niedergeschlagen saßen wir alle um den Küchentisch herum und tranken Tee, der uns aber nicht trösten konnte. Megan saß ganz aufgelöst auf meinem Schoß und schluchzte immer wieder: »Ich möchte meinen Papi sehen.« Sie hatte tief geschlafen, als ihr Vater an diesem Morgen gestorben war. Nicht einmal die Hektik der Rettungskräfte hatte sie aufgeweckt. Ich wusste, dass ihr Schutzengel nicht zugelassen hatte, dass sie aufwachte. Sie war erst vier Jahre alt und konnte noch nicht verstehen, was geschehen war. Sie konnte nicht verstehen, dass ihr Vater in den Himmel gegangen war.
Ich erinnere mich, dass ich mich irgendwann im Laufe des Tages einmal fragte, wo Megan war. Als ich sie suchte, fand ich sie im Schlafzimmer unter der Decke im Bett ihres Vaters. Ihr Schutzengel stand tröstend über sie gebeugt und beruhigte sie. Später richtete sich ihr Zorn dann gegen mich. Sie war wütend, weil ich sie an diesem Morgen nicht geweckt hatte.
Immer wieder kamen Leute zu uns nach Hause und sprachen uns ihr Beileid aus. Die älteren Kinder und ich berieten, ob wir Joe vor der Beerdigung nach Hause holen oder ihn im Bestattungsunternehmen in Maynooth aufbahren lassen sollten. Wegen Megan beschlossen wir, dass das Bestattungsunternehmen wohl das Beste wäre. Christopher rief den Bestatter an und regelte alles mit ihm. Als ich in den Raum kam, in dem Joe aufgebahrt lag, sah ich in der Mitte seinen offenen Sarg. Rund um den Sarg standen Engel. Ich war erleichtert und dankte den Engeln wortlos dafür, dass sie Joe nicht allein ließen. In dem Sarg lag zwar nur Joes menschlicher Körper – das wusste ich –, aber ich war den Engeln trotzdem dankbar für den kleinen Trost.
Ich war am Boden zerstört, obwohl ich wusste, dass Joes Seele noch lebte und in Begleitung seines Schutzengels in den Himmel gegangen war. Ich wusste, dass er jetzt bei seiner Familie, meinem Vater und Freunden war, die vor ihm gegangen waren. Ich wusste, dass nur unser menschlicher Körper stirbt. Weil wir eine Seele haben, leben wir weiter. Doch obwohl ich mir all dessen bewusst war und es glaubte, war ich völlig benommen vor Kummer.
Owen hob Megan hoch, sodass sie Joe im Sarg liegen sah. In diesem Moment öffnete sich das Licht um Megans Schutzengel einen Augenblick lang, und er sagte wortlos zu mir: »Megan versteht noch nicht, dass ihr Vater in den Himmel gegangen ist.« Danach ging Megan im Raum umher, während wir anderen schweigend dastanden und Joe ansahen. Ruth meinte, er sehe so friedlich aus.
Als wir wieder zu Hause waren, fragten die Jungs und Ruth Megan, ob sie ihrem Papi ein Geschenk in den Sarg legen wolle, bevor er am nächsten Tag in die Kirche gebracht würde. Daraufhin ging sie in ihr Zimmer und malte ein Bild für ihren Vater.
Am späten Nachmittag des folgenden Tages gingen wir zum Bestattungsinstitut. Bevor der Sarg geschlossen wurde, wollten wir Joe noch ein letztes Mal sehen. Als wir dort ankamen, war der Bestatter bereits da. Der Raum war voller Engel, und das Licht hinter jedem meiner Kinder öffnete sich und gab den Blick auf ihre Schutzengel frei. Aber das war mir kaum ein Trost. Ich fühlte mich völlig benommen, und ich wusste, dass es meinen Kindern ebenso ging. Alle versuchten wir, füreinander und besonders für Megan stark zu sein. Ruth und ich legten Joe einen Rosenkranz um die Hände. Megan stand auf ihren Zehenspitzen und hielt sich mit einer Hand am Sarg fest, um den Körper ihres Vaters sehen zu können. Sorgfältig legte sie das Bild, das sie gemalt hatte, und ihren gelben Lieblingsteddy neben ihn. Wir gaben ihm alle eine Erinnerung mit in den Sarg: Christopher legte ihm eine Schachtel Zigaretten und einen Satz Spielkarten hinein – weil sie immer so gerne miteinander Karten gespielt hatten. Owen legte ihm sein Gaelic-Fußballtrikot und seinen roten Liverpool-Schal hinein, und Ruth schenkte ihm einen Ring und einen Brief. Als ich sah, wie meine Kinder sich von ihrem Vater verabschiedeten und ihm ihre kostbaren und mit viel Liebe ausgewählten Geschenke in den Sarg legten, glaubte ich, mein Herz würde zerspringen. Sie waren so blass, und in ihren Augen standen Tränen. Ich fühlte mich völlig hilflos und unfähig, sie zu trösten.
Am Abend zuvor hatte ich im Bett einen Brief an Joe geschrieben. Während ich schrieb, schluchzte ich ganz leise, damit mich niemand hörte. Der Erzengel Michael saß neben mir auf dem Bett, aber ich ignorierte ihn. Da rief er mich beim Namen, und ich sah ihn an, brachte aber kein Wort heraus. Michael berührte meine Hand und sagte: »Ich werde Joe diesen Brief im Himmel bringen.«
Als ich nun meinen Brief in den Sarg zu Joe legte, flüsterte der Engel Michael mir ins Ohr: »Ich werde dafür sorgen, dass Joe im Himmel alles erhält, was ihr in den Sarg gelegt habt, Lorna.«
Die Kinder und ich konnten es kaum ertragen, dass wir Joes menschlichen Körper nie wiedersehen würden, sobald der Sarg erst einmal geschlossen war. Es war so unglaublich schwer für uns – das ist es für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben, das weiß ich. Versuchen Sie wie ich damals auch, daran zu denken, dass der geliebte Mensch nicht tot ist, sondern dass er ewig lebt, weil wir alle eine Seele haben. Wir werden unsere Lieben wiedersehen, wenn es für uns an der Zeit ist, zu sterben und diesen menschlichen Körper hinter uns zu lassen.
Die Zeit nach Joes Tod war sehr belastend für mich. Ich versuchte, mit der Situation fertigzuwerden, aber trotz all der Unterstützung durch Gott und die Engel war es sehr schwer für mich. Ohne die Engel, mit denen ich reden konnte, hätte ich die Stille im Haus nicht ertragen. Fast immer, wenn ich allein im Haus war oder wenn Megan in ihrem Bettchen schlief, besuchten mich die Engel. Es gab auch Zeiten, in denen ich sie nicht um mich haben wollte. Dann schickte ich sie weg und sagte ihnen, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Doch sie gingen nie weit weg, und hin und wieder erhaschte ich trotzdem einen flüchtigen Blick auf einen Engel.
Megan vermisste Joe schrecklich und weinte viel. Manchmal kam sie zu mir und wollte in den Arm genommen werden, weil sie sehr traurig war. Eines Tages, als Megan sich mit ihren Spielsachen beschäftigte und ich die Wäsche bügelte, fing sie leise an zu weinen. Ich unterbrach meine Tätigkeit und schaute auf. Das Zimmer füllte sich mit Engeln, und das Licht um Megans Schutzengel öffnete sich. Ihr Engel sah mich an, und wir sprachen wortlos über den Schmerz und die Trauer meiner kleinen Tochter. Ich eilte zu Megan, um sie zu trösten, und als ich sie umarmte, stieß sie weinend einen lauten Klageschrei aus, der aus ihrer tiefsten Seele kam. Ich hatte noch nie einen so durchdringenden, hohen und lang anhaltenden Schrei gehört. Er war zutiefst angsteinflößend und ging mir durch und durch. Einen Augenblick lang vibrierten die Fensterscheiben, und ich befürchtete schon, dass sie alle zerspringen würden. Ich rief die Engel um Hilfe an. Plötzlich wurde es ganz still um uns – mit Ausnahme von Megans Klageschrei. Können Sie sich eine unendliche Stille vorstellen, die nur von einem gellenden Schrei eines Kindes durchdrungen wird? Megans Kummer war so überwältigend, dass dieses kleine Wesen ihn fast nicht ertragen konnte. Die Engel umarmten uns, und wir waren dabei von hellen, weißen Lichtern umgeben. Schon bald konnte ich spüren, dass Megan sich durch die Wärme und Liebe der Engel allmählich beruhigte. Sie verstummte, und eine unglaubliche Stille trat ein. Dann schwand das Licht der Engel langsam wieder, und das Zimmer kehrte in den Normalzustand zurück. Während ich noch auf dem Boden saß und Megan festhielt, schlief sie in meinen Armen ein.
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