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Vor dem Hintergrund der Digitalisierung von Bildungsprozessen und den damit einhergehenden Herausforderungen an die LehrerInnenbildung bietet der Band theoretisch fundierte und praktisch anwendbare Einblicke in digitalisierte Formate der Lehrkräfteausbildung. Aus (fremd-)sprachendidaktischer Perspektive werden vielfältige Konzepte, Methoden und Aufgaben von universitären Lehr-Lernformaten vorgestellt, die im Rahmen von Lehrprojekten, internationalen Kooperationsprojekten wie auch im Kontext der vom BMBF geförderten Qualitätsoffensive Lehrerbildung entwickelt, eingesetzt und erprobt wurden
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Seitenzahl: 362
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Heike Niesen / Daniela Elsner
Hochschullehre digital gestalten in der (fremd-)sprachlichen LehrerInnenbildung
Inhalte, Methoden und Aufgaben
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
Print-ISBN 978-3-8233-8346-8
ePub-ISBN 978-3-8233-0240-7
Vorwort
Inhalte, Methoden und Aufgaben
Nicht erst seit der Corona-Krise kann als unbestritten gelten, dass Fragen um die Digitalisierung von Bildungsprozessen in Deutschland in der bildungspolitischen Diskussion angekommen sind. So sind in den letzten Jahren zahlreiche Beschlüsse gefasst und Maßnahmen ergriffen worden, um die Digitalisierung in Schulen und Hochschulen voranzutreiben. Zu nennen sind hier etwa der vielzitierte „Digitalpakt Schule“ (BMBF2019), der nicht nur Gelder zur technischen Ausstattung von Schulen bereithält, sondern auch verdeutlicht, dass Lehrkräfte in den unterschiedlichen Phasen der Lehrkräftebildung für die Digitalisierung an Schulen „nachhaltig qualifiziert“ werden müssen (ebd.: Präambel). Von Seiten der Kultusministerkonferenz finden sich gleich zwei einschlägige Publikationen, die sich der Digitalisierung sowohl aus primär schulischer als auch aus dezidiert hochschuldidaktischer Perspektive annehmen (KMK2017; 2019). Weiterhin sind an dieser Stelle die Strategie „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ (BMBF2016) sowie die 2020 bewilligte, zusätzliche Förderlinie „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ im Rahmen der vom BMBF geförderten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ zu nennen (vgl. van Ackeren et al. 2019).
Angesichts dieser Vielzahl an Absichtsbekundungen, Strategiepapieren und monetären Anstrengungen muten folgende, dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel entnommene Zitate1 im Kontext des coronabedingten digitalisierten Schulunterrichts befremdlich an: Dort heißt es über Lehrkräfte, sie seien „Papiermenschen“ (Der Spiegel 2020: 11),2 die „sich vor Smartphone-Kids blamieren, weil sie es gerade mal schaffen, Aufgaben per Mail zu verschicken – oder mit der Post“ (ebd.: 10). Im selben Heft führt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek im Interview jedoch an: „Wir haben die Lehrerbildung im Digitalpakt verankert. Die neuen Kompetenzen müssen dringend vermittelt werden. In der ehemaligen Schule meiner Kinder gibt es einen Lehrer, der hatte früher ein eigenes IT-Unternehmen, das war super. Aber diese Affinität gibt es natürlich nicht bei jedem Lehrer“ (ebd.: 17).3 Ob die Führung eines IT-Unternehmens die Entwicklung jener Kompetenzen mit sich bringt, die es braucht, um digitalisierte Lehr-/Lernprozesse zu konzipieren, durchzuführen und kritisch zu reflektieren, sei einmal dahin gestellt, ebenso wie die im obigen Zitat anzunehmende inhärente Sicht, die „Affinität“ einzelner Lehrpersonen könne auf dem Weg zu einer systematischen Professionalisierung angehender und praktizierender Lehrkräfte „super“ sein.
Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass die im Interview angesprochenen Kompetenzen bereits umfangreich gefasst und definiert wurden. So wartet der Europäische Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender (DigComp-Edu) (Redecker & Punie 2017) mit insgesamt 22 Kompetenzen auf, die sechs übergeordneten Bereichen zugeordnet werden. Die Kompetenzen beziehen sich hierbei auf Lehrende aller Bildungseinrichtungen, deren Kompetenzgenese auf einem Entwicklungskontinuum von A1 bis C2 abgebildet ist. Die Kernkompetenzen umfassen im Detail zunächst die Fähigkeit von Lehrenden, „für ihre Lernziele, ihre Lerngruppe und entsprechend ihres Lehrstils geeignete Bildungsressourcen identifizieren, die Fülle an Materialien strukturieren, Verknüpfungen und digitale Ressourcen zur Unterstützung ihrer Lehre selbst schaffen bzw. anpassen, ergänzen und weiterentwickeln zu können“ (ebd.: 16). Weitere Kompetenzen fokussieren „das Gestalten, Planen und Einsetzen von digitalen Medien in den verschiedenen Lernprozessstufen“ (ebd.: 16), die Fähigkeit, „Digitale Informationen zu Lernerverhalten, Leistung und Fortschritt erheben, auswählen, kritisch analysieren und interpretieren [zu können], um Rückschlüsse für den Unterricht zu ziehen“ (ebd.: 17f.), sowie den Einsatz digitaler Medien zur „Differenzierung und Individualisierung“ von Lernprozessen (ebd.: 18). Schlussendlich sollen Lehrende die „eigene digitale pädagogische Praxis sowie die der Bildungsgemeinschaft individuell und gemeinsam reflektieren, selbstkritisch beurteilen und aktiv entwickeln“ (ebd.: 15).
In ähnlicher Weise führt die KMK Kompetenzen für Hochschullehrkräfte an, wobei teilweise gar dieselben Operatoren ausfindig gemacht werden können. So heißt es im Strategiepapier zur Bildung in der digitalen Welt im Abschnitt „Anforderungen und Handlungsbedarfe“ (KMK2017), Hochschullehrende seien zu befähigen, „aktuelle und zukünftige technologische Entwicklungen hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit im Lehr-Lern-Prozess zu identifizieren, für das entsprechende Lernsetting nutzbar zu machen und im Anschluss hinsichtlich ihrer Effizienz und Qualität zu reflektieren, zu evaluieren und weiter zu entwickeln (ebd.: 48f.).
Bei genauerer Betrachtung lassen sich nicht nur Ähnlichkeiten in den Kompetenzbeschreibungen, sondern drei übergeordnete Bereiche ausmachen, denen die jeweiligen Ausdifferenzierungen der Kompetenzen zugeordnet werden können (alternativ zu jenen übergeordneten Kategorien, wie sie in den entsprechenden Publikationen definiert werden): Der Bereich unterrichtsbezogener, digitaler Handlungskompetenzen, der Bereich digitaler Analysekompetenzen sowie der Bereich digitaler Reflexionskompetenzen.
Die hier herausgestellten Bereiche werden seitens der KMK insbesondere im Kontext der universitären Lehrkräfteausbildung genannt: „In einer digitalisierten Welt ist es von essentieller Bedeutung für ein erfolgreiches Berufsleben sowie gesellschaftliche Teilhabe, im Rahmen eines Studiums digitale Handlungskompetenzen entwickelt zu haben. […] Im Rahmen ihres Studiums sind die angehenden Lehrerinnen und Lehrer optimal dafür auszubilden, digitale Kompetenz in die Schulbildung zu integrieren“ (KMK2019: 6), vor allem, um sie „mit den für die Heranführung von Schülerinnen und Schülern an das Leben in der digitalen Welt erforderlichen Kompetenzen auszustatten (ebd.: 13). In der Lehrerbildung tätige Hochschullehrende werden dezidiert in die Pflicht genommen, denn „[h]ochschuldidaktische Angebote sollen Lehrende dabei unterstützen, sich mit dem Umgang mit ihrer potentiell veränderten Rolle und mit deren Ausgestaltung selbstreflexiv auseinanderzusetzen“ (ebd.: 12).
Es ist deutlich geworden, dass zahlreiche und umfassende bildungspolitische Bemühungen unternommen wurden und werden, digitalisierte Bildungsprozesse auf universitärer Ebene flächendeckend zu verankern. Gerade deshalb muss an dieser Stelle gefragt werden, warum diese Maßnahmen sich nicht in ausreichendem Maße in konkreten Lehr-/Lernangeboten in der universitären (Lehrer-)bildung niederschlagen, obwohl es an guten Ideen und Ansätzen hier nicht fehlt (KMK2017). Gilch, Beise, Krempkow, Müller, Stratmann & Wannemacher (2019) kommen zu dem Schluss, dass es bereits zahlreiche gute Praxisbeispiele zur digitalisierten Lehre gibt, und dass außerdem der digitalisierten Hochschullehre von Universitätsleitungen wie auch von Akteuren der Lehre ein hoher bis sehr hoher Stellenwert beigemessen wird. Andererseits entspreche diesem zugesprochenen Stellenwert jedoch nicht der tatsächliche erreichte Stand an digitalisierter Lehre (ebd: 41ff.). Vielmehr sei zu beobachten, dass die Digitalisierung von Lehren und Lernen im tertiären Bereich von einzelnen Akteuren abhänge, mit „Unsicherheiten“ und „Ängsten bei den Lehrenden“ behaftet sei und einem „Flickenteppich“ gleiche (ebd.: 37, 42). Anregungen, wie diesen Umständen zu begegnen sei, wurden bereits gemacht. So findet sich immer wieder die Forderung nach der Veröffentlichung guter Praxisbeispiele aus und für die universitäre Lehre, die zu einer Verbreitung und Vernetzung dieser best practice-Beispiele beitragen sollen (Gilch et al. 2019; KMK2017; 2019). Der vorliegende Band greift diese Forderung auf und bietet theoretisch fundierte Einblicke in digitalisierte Formate der Lehrkräfteausbildung. Sämtliche Formate wurden bereits in der Praxis erprobt und weisen einen entsprechend hohen „Reifegrad“ (KMK2019: 3) auf. Der Band geht jedoch über eine Sammlung guter Praxisbeispiele weit hinaus: Nicht nur aus Sicht der Herausgeberinnen kann die Digitalisierung universitärer Lehre nur dann sinnvoll vorangetrieben werden, wenn sie, neben aller gebotenen Vernetzung und der Entwicklung übergreifender Modelle und Konzepte (bspw. DigCompEdu), auf den Säulen fachdidaktischer – und damit disziplinimmanenter – Expertise ruht (vgl. Horz & Schulze-Vorberg 2017). Aus diesem Grund sind sämtliche Beiträge des Bandes, die alle im Rahmen von Lehrprojekten, internationalen Kooperationsprojekten wie auch im Kontext der vom BMBF geförderten Qualitätsoffensive Lehrerbildung entstanden sind, der universitären (Fremd-)Sprachenlehrerbildung zuzuordnen, und zwar aus fachspezifischer (vgl. Abendroth-Timmer & Wolter, Blume & Schmidt, Bündgens-Kosten & Kemmerer, Burger & Elsner, Gödecke & Grünewald, Niesen & Elsner, Schwab & Drixler sowie Sprenger & Surkamp) wie auch fachübergreifender (vgl. z.B. Jakobi, Knopf, Korb, Müller, Polzin-Haumann, Schwender & Wagner, Keßler, Knoblauch & Jakobi sowie Kreft & Viebrock) Perspektive. Der thematische Fokus der beschriebenen Lehrprojekte liegt auf dem professionellen Umgang angehender Lehrkräfte mit schülerseitiger sprachlicher und kultureller Heterogenität, insbesondere deshalb, da das Thema Diversität und Heterogenität im Kontext inklusiver Schul- und Unterrichtsentwicklung ein weiteres zentrales Querschnittsthema bildet, dem sich die Fremdsprachendidaktik aktuell widmet (vgl. z.B. Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2019).
Die Gliederung der Beiträge greift die oben vorgenommene Aufteilung in digitale Handlungs-, Analyse- sowie Reflexionskompetenzen auf. Zudem finden sich zwei Beiträge, die sich dem Format virtueller Austausche bzw. Telekollaborationen widmen.
Die Entwicklung digitaler (Handlungs-)Kompetenzen steht im Mittelpunkt des Beitrags von Claudia Burger und Daniela Elsner, welche die Konzeption, die Grundlagen und die Zielsetzung des Projekts „Digi_Gap – Digitale Lücken in der Lehrkräftebildung schließen“ beschreiben, das als Teil der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main gefördert wird. Der Projekttitel verdeutlicht, dass davon auszugehen ist, dass digitale Möglichkeiten in der Unterrichtspraxis aufgrund gegebener Infrastrukturbedingungen oder Kompetenzen von Lehrkräften nicht hinreichend genutzt werden und daher insbesondere bereits in der universitären Lehrkräftebildung grundzulegen sind. Die Autorinnen erörtern, wie entsprechende Kompetenzen mithilfe eines auf Kooperation und forschendem Lernen basierenden Ansatzes zu entwickeln sind.
Cathrin Sprenger und Carola Surkamp stellen in ihrem Beitrag ein universitäres Lehrkonzept vor, in dem Studierende im Kontext eines Schülerlabors Englischunterricht planen, erproben und analysieren. Der fremdsprachendidaktische Fokus liegt dabei auf der Dimension der Heterogenitätssensibilität sowie auf dem Einsatz von digitalen Medien zur Förderung kommunikativer Kompetenzen. Die Autorinnen erörtern im Detail ein Lehr-/Lern-Labor, das dem Ansatz einer Globalen Simulation folgt. Die Entwicklung und Erprobung eines Unterrichtsvorschlags wird dabei um den Ansatz des forschenden Lernens und die Entwicklung von Kompetenzen für eine empirische Fremdsprachen- und Lehrerhandlungsforschung ergänzt, auf dessen Basis die teilnehmenden Studierenden eine selbstgewählte Forschungsfrage begleitend untersuchen. Aus der Begleitforschung des Schülerlabors geht hervor, dass dieser Ansatz äußerst anspruchsvoll ist. Von einem Teil der Studierenden wird er eher als Überforderung wahrgenommen, während ein anderer Teil hier eine besondere Lerngelegenheit erkennt.
Der Beitrag von Rebecca Jakobs, Julia Knopf, Fabienne Korb, Ann-Kristin Müller, Claudia Polzin-Haumann, Philipp Schwender und Eva Wagner von der Universität des Saarlandes präsentiert Beispiele digitaler Anwendungen, die sich insbesondere zur Förderung von Mehrsprachigkeit bzw. zum Umgang mit sprachlicher Heterogenität im Klassenzimmer eignen. Die AutorInnen erläutern eine auf drei Workshops basierende und durch ein Portfolio begleitete Seminarkonzeption, innerhalb derer Lehramtsstudierende in Kooperation mit bereits praktizierenden Lehrkräften die Möglichkeit haben, verschiedene Anwendungen und Tools zu erproben und auf unterrichtliche Kontexte anzuwenden. Zielsetzung neben der Entwicklung digitaler Kompetenzen ist vor allem das sprachenvernetzende Lernen innerhalb der romanischen Sprachen. Darüber hinaus kommt es zu einer Vernetzung der verschiedenen Phasen der LehrerInnenbildung.
Ein Handlungs- und Reflexionskompetenz verbindender Ansatz liegt dem Blended Learning-Seminar zum Thema „Teaching in Heterogeneous and Inclusive Settings“ zugrunde, das in der Englischdidaktik an der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt wurde und im Beitrag von Carolyn Blume und Torben Schmidt vorgestellt wird. Der thematische Fokus des Seminars liegt auf Fragen eines heterogenitätssensiblen und inklusiven Englischunterrichts. Weniger als um die Erprobung bestimmter Tools für unterrichtliche Zwecke geht es in diesem Ansatz um die Anreicherung hochschuldidaktischer Lehr-/Lernsettings um digitale Methoden. Schwerpunktmäßig wird auf Videografien (z.B. mehrperspektivische Unterrichtsvideografien, Eigenvideografien, Kurzvorträge und Experteninterviews) gesetzt, die im Kontext von digitalen Lernpakten in einem flipped classroom-Ansatz zu bearbeiten sind. Videokonferenzsysteme werden dazu eingesetzt, um quasi live der Umsetzung von an der Universität entwickelten Konzepten durch eine Lehrkraft im Unterricht beizuwohnen. Die Begleitforschung zum Seminar zeigt nicht nur überdurchschnittliche hohe Zustimmungsraten zur Konzeption, sondern auch eine Zunahme in der Reflexionskompetenz sowie eine Stärkung inklusionsbezogener, handlungsleitender Kognitionen.
Eine Perspektivverschiebung nehmen Judith Bündgens-Kosten und Alexandra Kemmerer vor. Im Zentrum ihres Beitrags steht nicht eine übergeordnete Seminarkonzeption oder ein kollektives Lernmanagementsystem, sondern vielmehr die Frage, wie sich digitale Lernumgeben aus Sicht der einzelnen NutzerIn gestalten. Im Vergleich zu Ansätzen, in denen die Entwicklung von Medien-, Handlungs- oder Reflexionskompetenzen im Zentrum stehen, werden in diesem Ansatz vor allem Konzepte wie ownership und Autonomie hervorgehoben. Personal Learning Environments kombinieren auf individuelle Weise verschiedene Anwendungen, Tools und Werkzeuge, sodass Lernwerkzeuge, Inhalte und Methoden in der Kontrolle der NutzerInnen verbleiben. Die Autorinnen zeigen auf, wie im Rahmen der ersten Phase der Lehrerbildung bereits vorhandene persönliche Lernumgebungen in Seminaren der Englischdidaktik genutzt werden können, und geben zahlreiche praktische Beispiele zum Wissens- und Kompetenzerwerb durch Aktivitäten in sozialen Medien.
Annika Kreft und Britta Viebrock widmen sich in ihrem Beitrag der Frage, wie die Arbeit mit videografierten Unterrichtssequenzen zur Entwicklung professioneller Kompetenzen angehender (Fremd-) Sprachenlehrkräfte genutzt werden kann. Sie beschreiben im Detail einen methodischen Ansatz zur schrittweisen Analyse von Unterrichtsvideografien, die im Rahmen eines interdisziplinären, auch digitale Lernpakete umfassenden Seminars in der Englisch- und Deutschdidaktik an der Goethe-Universität Frankfurt mehrfach durchgeführt wurde. Der thematische Fokus lag dabei auf der professionellen Wahrnehmung literarischer Verstehensprozesse und transkultureller Kompetenzen. Die Autorinnen können mithilfe von Datenauszügen zeigen, wie eine strukturierte methodische Anleitung differenzierte, theoriegeleitete Analyseergebnisse der Studierenden hervorbringt und selbstreflexive Momente ermöglicht.
Im Beitrag von Heike Niesen und Daniela Elsner werden drei Lehr-Lernformate hinsichtlich ihres Potenzials zur Förderung mehrsprachigkeitssensitiver, professioneller Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen angehender Englischlehrkräfte auf den Prüfstand gestellt, insbesondere hinsichtlich der Fähigkeit der Studierenden, Unterrichtsvideos theoriebasiert zu analysieren und mehrsprachigkeitssensitive, unterrichtliche Handlungsoptionen theoretisch zu begründen. Untersucht wurden in einem universitären Lehr-/Lernsetting das traditionelle Format, das Flipped Classroom Format sowie das Enriched Virtual Format, die sich inhaltlich mit mehrsprachiger Sprachenbewusstheit, dem Einsatz mehrsprachiger Texte und Medien sowie interkomprehensionsdidaktischen Ansätzen auseinandersetzten. Zwar zeigte sich keines des drei Formate als überlegen, es konnten jedoch Gestaltungsempfehlungen zur Entwicklung der professionellen Kompetenzen der Studierenden für jedes einzelne Format herausgearbeitet werden (ESCORT-Prinzip).
Fachspezifische Reflexionskompetenzen stellen den Fokus des Beitrags von Georgia Gödecke und Andreas Grünewald dar, die zeigen, wie mithilfe eines fachspezifischen e-Portfolios in der Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Bremen Reflexionsprozesse zukünftiger FremdsprachenlehrerInnen systematisch initiiert und angeleitet werden. In ihrer Konzeption beziehen sie sich auf die etablierte und wirkmächtige Figur des ‚reflektierten Praktikers‘ (nach Schön 1983), der in der Lage ist, Praxiserfahrungen und theoretisches, professionelles Wissen sinnvoll aufeinander zu beziehen und zur eigenen Kompetenzentwicklung zu nutzen. Die AutorInnen beschreiben die zugrunde gelegten Prinzipien der Aufgabenkonstruktion. Sie erläutern ihr empirisch entwickeltes Modell zur fachspezifischen Reflexionskompetenz und explizieren am Beispiel der Wortschatzarbeit, wie dieses die Vernetzung relevanter Wissensbereiche sichtbar macht.
Der Beitrag von Dagmar Abendroth-Timmer und Martin Wolter beschreibt ein Lehrprojekt, das in der Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Siegen konzipiert, durchgeführt und evaluiert wurde. Ziel des Projekts waren die Prüfung von zahlreichen Apps und Anwendungen im Hinblick auf ihren sinnvollen Einsatz im Französisch- und Spanischunterricht sowie – darauf basierend – die Entwicklung von Unterrichtsszenarien. Neben den theoretischen Grundlagen, auf denen digitale Lehr- und Lernkontexte basieren, beschreiben die AutorInnen detailliert das Kurskonzept. Darüber hinaus präsentieren sie empirische Daten aus ihrer digiSem-Studie, mithilfe derer sie Effekte des Kurskonzepts im Hinblick auf eine reflexive LehrerInnenbildung untersuchen. Die Ergebnisse zeigen einerseits Veränderungen in der Wahrnehmung der Studierenden bezüglich der Potenziale digitaler Anwendungen und unterstützen andererseits das Seminarkonzept, das Methoden der praktischen Erprobung digitaler Anwendungen und Reflexionsaufgaben integriert.
Jörg-U. Keßler, Christoph Knoblauch und Minke Jakobi stellen in ihrem Beitrag ein Projekt vor, das in Kooperation zwischen der Ambedkar University Delhi und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg durchgeführt wurde. Sie beschreiben die Entwicklung und Durchführung kollaborativer, interkultureller Blended Learning-Szenarien und erörtern, wie diese einen Beitrag zu innovativer Hochschullehrer- und LehrerInnenbildung leisten. Darüber hinaus dokumentieren sie Ergebnisse der empirischen Begleitforschung des Projekts, die quantitative und qualitative Ansätze in triangulativer Weise vereint. Im Hinblick auf studentische Einstellungen, Lernpräferenzen und die Transformationen von Lernstrategien zeigen sich positive Entwicklungen, welche die AutorInnen auch der internationalen Perspektive zuschreiben, auf der die gesamte Projektkonzeption basierte. Insbesondere der produktive Umgang mit Alteritätserfahrungen lässt sich als zentrales Moment identifizieren.
Der Beitrag von Götz Schwab und Nils Drixler betrachtet ebenfalls die Potenziale von Telekollaborationsprojekten bzw. Virtual Exchange und beschreibt das Extended Telecollaboration Practice (ETP)-Projekt, das zwischen der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und dem Kibbutz im College of Education in Tel Aviv durchgeführt wurde. Die Autoren heben insbesondere hervor, dass in solchen Settings nicht nur die Authentizität der fremdsprachlichen Kommunikation erhöht werden kann, sondern darüber hinaus interkulturelle und digitale Kompetenzen erworben werden, die im Rahmen der späteren Berufstätigkeit unmittelbar einsetzbar sind. Neben der theoretischen Modellierung, die dem Projekt zugrunde liegt, und der standortspezifischen kontextuellen Einbettung stellen die Autoren beispielhaft den Ablauf und Inhalt einer Task Sequenz vor und weisen auf zentrale Prinzipien (wie z.B. Produktorientierung) hin, die für eine erfolgreiche Telekollaboration zu beachten sind.
BMBF (2016). Bildungsstrategie für die digitale Wissensgesellschaft. Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Abrufbar unter: https://www.bildung-forschung.digital/files/Bildungsoffensive_fuer_die_digitale_Wissensgesellschaft.pdf
BMBF (2019). Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2014. Abrufbar unter: https://www.digitalpaktschule.de/files/VV_DigitalPaktSchule_Web.pdf
Burwitz-Melzer, Eva, Riemer, Claudia & Schmelter, Lars (Hrsg.) (2019). Das Lehren und Lernen von Fremdsprachen im digitalen Wandel. Arbeitspapiere der 39. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr.
Der Spiegel (2020). Schulversagen. Wie das Virus die Schwächen unseres antiquierten Bildungssystems offenlegt. Nr. 18. 25.4.2020.
Gilch, Harald, Beise, Anna Sophie, Krempkow, René, Müller, Marko, Stratmann, Friedrich & Wannemacher, Klaus (2019). Digitalisierung der Hochschulen. Ergebnisse einer Schwerpunktstudie für die Expertenkommission Forschung und Innovation. Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 14. HIS – Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE). Abrufbar unter: https://www.e-fi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2019/StuDIS_14_2019.pdf
Horz, Holger & Schulze-Vorberg, Lukas (2017). Digitalisierung in der Hochschullehre. Konrad Adenauer Stiftung: Analysen und Argumente 283. Abrufbar unter: https://www.kas.de/de/analysen-und-argumente/detail/-/content/digitalisierung-in-der-hochschullehre1
KMK (2017). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildung.pdf
KMK (2019). Empfehlungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14.03.2019. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2019/BS_190314_Empfehlungen_Digitalisierung_Hochschullehre.pdf
Redecker, Christine & Punie, Yves (2017). Europäischer Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender. DigCompEdu. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/jrc/en/digcompedu
Schön, Donald (1983). The Reflective Practitioner: How Professionals Think in Action. Basic Books.
van Ackeren, Isabell, Aufenanger, Stefan, Eickelmann, Birgit, Friedrich, Steffen, Kammerl Rudolf, Knopf, Julia, Mayrberger, Kerstin, Scheika, Heike, Scheiter, Katharina & Schiefner-Rohs, Mandy (…) (2019). Digitalisierung in der Lehrerbildung Herausforderungen, Entwicklungsfelder und Förderung von Gesamtkonzepten. DDS – Die Deutsche Schule, 111(1). Abrufbar unter: https://www.dds.uni-hannover.de/fileadmin/schulentwicklungsforschung/DDS_Open_Access/DDS_1_2019_van_Ackeren_et_al.pdf
Digitale fachdidaktische Kompetenzen erwerben durch Kooperatives Forschendes Lernen im Lehramtsstudium Englisch
Englischlehrkräfte müssen SchülerInnen sprachlich und kulturell auf das Leben in einer mehrsprachigen, plurikulturellen Gesellschaft vorbereiten und ihnen Strategien und Techniken zum lebenslangen Fremdsprachenlernen an die Hand geben. Der Einsatz digitaler Technologien kann diese Aufgaben unterstützen. Darüber hinaus sind digitale Technologien, der sinnvolle Umgang mit ihnen sowie deren Grenzen und Gefahren selbst längst zu einem wichtigen Unterrichtsgegenstand geworden. Auch Fremdsprachenlehrkräfte haben die Aufgabe, junge Menschen auf ein Leben in einer digitalisierten Welt vorzubereiten und mit ihnen die digital tools zu erproben, die sich für die Aneignung einer fremden Sprache und der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen als hilfreich erweisen. Dafür müssen Lehrkräfte imstande sein, Unterricht entsprechend zu gestalten.
Die universitäre Lehrkräfteausbildung muss darauf reagieren, dass die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Technologien in der Unterrichtspraxis bisher nicht ausgeschöpft werden (Drossel, Eickelmann & Lorenz 2018). Gründe hierfür sind u.a. unzureichende digitale Infrastrukturbedingungen (Hochschul-Barometer o.D.) sowie mangelnde Kompetenzen der Lehrkräfte (Schwanenberg, Klein & Walpuski 2018), insbesondere hinsichtlich der didaktischen Einbindung digitaler Medien (Gerick, Schaumburg, Kahnert & Eickelmann 2014). An dieser Kompetenzlücke setzt ein Lehr-Lernkonzept an, das im Rahmen eines größeren Projektes mit dem Titel „Digi_Gap – Digitale Lücken in der Lehrkräftebildung schließen“ ab 2020 als Teil der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main gefördert wird. Ziel des Lehr-Lernkonzepts ist die Entwicklung digitaler fachbezogener Kompetenzen von Studierenden des Englischlehramts und erfahrenen Lehrkräften mithilfe des Ansatzes Kooperativen Forschenden Lernens und unter Nutzung digitaler Werkzeuge. Die grundlegenden Ideen des Projekts zum Lehr-Lernkonzept und dessen Erforschung sollen in diesem Beitrag präsentiert werden.
SchülerInnen wachsen in einer globalisierten und digitalisierten mehrsprachigen, plurikulturellen Welt auf, auf die sie in den Bildungsinstitutionen, die sie durchlaufen, vorbereitet werden müssen. Das Arbeits- und Privatleben in einem solchen Kontext stellt Anforderungen an die heranwachsende Generation, die sich aufgrund des drastischen digitalen Wandels sehr von den Anforderungen unterscheiden, mit denen einige Lehrkräfte von heute in ihrer Kindheit und Jugend konfrontiert waren. So müssen Lehrkräfte ihren Lernenden eine Kompetenzentwicklung ermöglichen, die sie teils selbst noch durchlaufen müssen. Das bezieht sich in besonderer Weise auf den Umgang mit digitalen Technologien: Generationenübergreifend müssen Menschen lernen, diese im privaten und professionellen Bereich gewinnbringend und verantwortungsvoll nutzen zu können.
Für die Ausbildung von Englischlehrkräften hat dies zur Folge, dass sie in der Lage sein müssen, ihren SchülerInnen Strategien und Techniken zum lebenslangen Fremdsprachenlernen im Kontext von Digitalisierung an die Hand zu geben. Der Umgang mit digitalen Werkzeugen1 spielt dabei eine bedeutsame Rolle, da diese neuen Formen die weltweite Kommunikation ermöglichen, wobei Englisch als digitallingua franca eine exponierte Funktion einnimmt.2
Um in einer globalisierten, digitalisierten Welt kommunikations- und somit handlungsfähig zu sein, müssen SchülerInnen sowohl ihre englischsprachigen als auch ihre digitalen Kompetenzen entwickeln. Damit einher geht die Notwendigkeit äquivalenter Kompetenzen seitens der Englischlehrkräfte, die darüber hinaus jedoch auch über die notwendigen didaktischen Kompetenzen in Bezug auf die inhaltliche und methodische Einbindung digitaler Werkzeuge in die Unterrichtspraxis verfügen müssen. Insbesondere in Bezug auf Nutzen, Grenzen, Gefahren und Möglichkeiten müssen digital tools im Fachunterricht unter Anleitung der Lehrperson kritisch reflektiert werden. Die Ausbildung fachbezogener und -übergreifender digitaler Kompetenzen erfordert dazu eine Lernumgebung, in der eine Auswahl verschiedener digitaler Technologien für den Unterricht zugänglich ist.
Diese Argumentationslinie ist auch im bildungspolitischen Diskurs abgebildet. So heißt es im Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ (Kultusministerkonferenz [KMK] 2017), die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche führe zu einem stetigen Wandel des beruflichen und privaten Alltags. Ziel sei es daher,
dass möglichst bis 2021 jede Schülerin und jeder Schüler jederzeit, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist, eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können sollte. Voraussetzungen dafür sind eine funktionierende Infrastruktur […], die Klärung verschiedener rechtlicher Fragen […], die Weiterentwicklung des Unterrichts und vor allem auch eine entsprechende Qualifikation der Lehrkräfte (KMK2017: 11).
Mit dem Digitalpakt Schule stehen den Schulen nun Ressourcen zur Verfügung, um den o.g. Forderungen nachzukommen und v.a. die entsprechenden digitalen infrastrukturellen Bedingungen zu schaffen.
Auch an Hochschulen steht die Frage der Digitalisierung im Zentrum von Organisationsentwicklungsprozessen. Erst kürzlich forderte die Kultusministerkonferenz (KMK2019) die Hochschulen dazu auf, organisatorische, personelle und finanzielle Voraussetzungen zur Durchführung der Lehre in der digitalen Welt zu schaffen. Es sollen neue digitale Lern- und Lehrformate sowie Konzepte zur curricularen Integration digitaler Elemente in die Lehre entwickelt werden. Kooperativen Lehrformen wird dabei eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Dezidiert bezugnehmend auf die universitäre Lehrkräfteausbildung heißt es, die angehenden Lehrkräfte seien optimal dafür auszubilden, digitale Kompetenz in die Schulbildung zu integrieren. Dabei verweist die KMK auf die zweite Phase der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Die notwendige Transformationsleistung solle dabei idealerweise aus den Fachdisziplinen heraus erfolgen (KMK2019).
Gestützt werden die nachgezeichneten politischen Forderungen durch die empirische Befundlage. Bspw. kommt die Vergleichsstudie International Computer and Information Literacy Study (ICILS, Bos et al. 2014) zu dem Ergebnis, dass die Kompetenzen der deutschen SchülerInnen im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld liegen. Zudem deckt eine Reihe von Studien eine breite Unzufriedenheit mit der gegebenen schulischen IT-Infrastruktur auf (Bos et al. 2014; Schwanenberg et al. 2018). Darüber hinaus haben verschiedene Untersuchungen (meist gemäß Selbsteinschätzung) das Nutzungsverhalten, die Einstellungen und die Kompetenzen unterschiedlicher Zielgruppen (SchülerInnen, Lehrkräfte, Schulleitungsvertretungen) hinsichtlich digitaler Technologien bzw. Medien erhoben. So zeigt die ICILS-Studie auf, dass deutsche Lehrkräfte digitale Geräte im internationalen Vergleich am seltensten einsetzen – obwohl bisherige Ergebnisse belegten, „dass die schulische Nutzung digitaler Medien den kompetenten Umgang mit neuen Technologien unterstützen kann“ (Eickelmann, Schaumburg, Drossel & Lorenz 2014: 202). Weiter heißt es dezidiert in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht, die Nutzung digitaler Geräte sei im internationalen Vergleich gering (ebd.).
In Bezug auf Einstellungen und Kompetenzeinschätzungen stellt sich die wissenschaftliche Ergebnislage als widersprüchlich dar, obwohl nationale sowie internationale Studien die Relevanz von positiven Einstellungen für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht verdeutlichen (Gerick et al. 2014). Während manche Studien zu dem Ergebnis kommen, dass sich SchülerInnen sowie Lehrkräfte hinsichtlich des Einsatzes digitaler Medien im Unterricht aufgeschlossen zeigen (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien [BITKOM] 2015, Eickelmann, Gerick & Bos 2014), kommen andere zu dem Schluss, dass Digitalisierung seitens der Lehrkräfte vor allem als eine zusätzliche Herausforderung wahrgenommen werde und nur wenige das volle didaktisch-pädagogische Potenzial digitaler Technologien ausschöpften (Schmid, Goertz & Behrens 2017; Schwanenberg et al. 2018). Dies sei auf die mangelnden didaktischen Kompetenzen von Lehrkräften zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht zurückzuführen (Gerick et al. 2014). Die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten bezüglich des didaktischen Einsatzes digitaler Medien müsse in der Lehrkräftebildung daher mehr Berücksichtigung erfahren, um das Vertrauen in die eigenen (fach-)didaktischen Kompetenzen zu stärken (ebd.).
Auch in Bezug auf Fortbildungsmaßnahmen liegen widersprüchliche Ergebnisse vor: Während 60 Prozent der befragten Lehrkräfte der BITKOM-Studie angeben, sich zum Thema digitale Medien in Schulen weitergebildet zu haben (BITKOM2015), sei der Anteil laut ICILS im internationalen Vergleich gering (Eickelmann, Gerick & Bos 2014). Laut der Studie von Schmid et al. (2017) haben ca. 50 Prozent der Lehrkräfte bereits mehrfach an schulinternen und 37 Prozent an schulexternen Fortbildungen zum Thema teilgenommen. In Studium und Referendariat hätten sie vergleichsweise wenige digitale Kompetenzen erworben; der Kompetenzerwerb habe eigeninitiativ im Selbststudium oder im kollegialen Austausch stattgefunden.
Selbstverständlich gilt es zu berücksichtigen, dass es sich bei den zitierten Studien um unterschiedliche Forschungsdesigns handelt, weshalb sie nicht direkt vergleichbar sind. Dennoch: Wenngleich sich teils Widersprüche auftun, zeichnen wissenschaftliche Befunde und politische Proklamationen insgesamt ein recht einheitliches Bild. Es wird deutschlandweit als erforderlich erachtet, die Entwicklung von digitalen Kompetenzen der Lernenden zu fördern, um international anschlussfähig zu bleiben und die Kinder und Jugendlichen von heute auf ein Leben in der digitalen Welt vorzubereiten. Entsprechend müssen auch Lehrkräfte systematisch institutionell aus- und fortgebildet werden. Dabei stehen einerseits Werthaltungen und Einstellungen und andererseits die Entwicklung digitaler Kompetenzen im Fokus. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Notwendigkeit, die Lehrkräftebildung phasenübergreifend sowohl inhaltlich als auch konzeptionell und strukturell zu reformieren, letzteres durch entsprechend thematisch ausgerichtete curriculare Verankerungen.
In Bezug auf den Fremdsprachen- bzw. Englischunterricht im Speziellen lässt sich über die bisher zitierten Quellen hinaus auf weitere Forschungserkenntnisse und theoretisch begründete sowie praktisch erprobte Ideen zum Einsatz digitaler Werkzeuge zurückgreifen. Während es seit Anfang der 1990er Jahre vornehmlich um den Einsatz von Computern im Fremdsprachenunterricht ging (vgl. Elsner 2019), wurden gemäß der voranschreitenden Digitalisierung zunehmend weitere Technologien erprobt und (teils empirisch) begleitend untersucht. Es sei zum einen auf das Forschungs- und Praxisfeld CALL (computer-assisted language learning) verwiesen (siehe bspw. Buendgens-Kosten & Elsner 2018), in dessen Kontext international bereits viele Einsichten zum Themenkomplex generiert werden konnten. Dies bezieht sich seit jüngerer Zeit auch auf MALL (mobile assisted language learning; siehe bspw. Yang 2013). Zu Begrifflichkeiten wie digital language learning oder language learning technologies wurde in jüngerer Vergangenheit international ebenfalls umfänglich publiziert (siehe bspw. Carrier, Damerow & Bailey 2017).
Auch im deutschsprachigen Raum finden sich zahlreiche Beiträge zum Themenkomplex. In dem Band Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien (Legutke & Rösler 2003) nahmen die Beitragenden kurz nach der Jahrtausendwende u.a. Sprachlernsoftware und instant messaging-Dienste in den Blick. Empirische Arbeiten entstanden seither bspw. zum Einsatz von Laptops (S. Huber 2009), digitalen Bilderbüchern bzw. Bilderbuch-Apps (Kolb 2018) und elektronischen Wörterbüchern (Kassel 2018). Weitere in jüngerer Vergangenheit erprobte und teils beforschte digitale Technologien im unterrichtlichen Fremdsprachenkontext sind verschiedenartige digitale Spiele bzw. virtual und augmented reality-Formate (siehe bspw. Kurtz 2018) sowie Lehr-Lernansätze im Sinne von mobile learning (siehe bspw. Falk 2019). Die Gießener Beiträge zur Fremdsprachenforschung der Frühjahrskonferenz 2019 (Burwitz-Melzer, Riemer & Schmelter 2019) widmen sich zudem in übergreifender und kritisch einnehmender Perspektive dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen im Kontext des digitalen Wandels und zeigen auf, welche Entwicklungsrichtung für den Fremdsprachenunterricht als sinnvoll erachtet wird.
Natürlich erhebt diese beispielhafte Aufzählung längst keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch geben auch Schmidt und Würffel (2018: 3) zu bedenken, dass von einer „breiten und nachhaltigen Digitalisierung des Fremdsprachenunterrichts“ trotz steigender technologischer Angebote noch nicht die Rede sein könne. Konsens besteht darüber hinaus hinsichtlich der Notwendigkeit einer systematischen Untersuchung und empirischen Überprüfung des möglichen Mehrwerts, der dem Einsatz digitaler Werkzeuge im Fremdsprachenunterricht zugesprochen wird (Elsner 2019; Schmidt & Würffel 2018). Dazu soll das hier präsentierte Projekt DigiTeam einen Beitrag leisten.
Das Projekt „Digi_Gap – Digitale Lücken in der Lehrkräftebildung schließen“, das im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung von 2020 bis 2023 an der Goethe-Universität Frankfurt vom BMBF gefördert wird, nimmt die hier dargelegten bildungspolitischen Forderungen und empirischen Erkenntnisse auf, um diverse (digitale) Lehr-Lernformate, -Umgebungen und -Werkzeuge in der Lehrkräftebildung zur Entwicklung fachlicher bzw. fachdidaktischer digitaler Kompetenzen von (angehenden) Lehrkräften zu erproben und begleitend zu beforschen. Im Teilprojekt „DigiTeam: Kooperatives Forschendes Lernen zu digitalen Werkzeugen im Lehramtsstudium“ soll ein hochschulisches Lehr-Lernformat konzipiert und in der Fachdidaktik Englisch erprobt werden. Darin sollen Lehramtsstudierende an Schulen Bedarfserhebungen zum Einsatz digitaler Werkzeuge im Englischunterricht und zum entsprechenden Fortbildungsbedarf der Lehrkräfte durchführen und daraufhin Unterricht in Kooperation von Studierenden und Lehrkräften planen, erproben und analysieren, in dem digitale Werkzeuge zum Fremdsprachenlernen und zur Förderung von (englischsprachigen) digitalen Kompetenzen zum Einsatz kommen.
Dieses Lehr-Lernkonzept folgt den Ansätzen des Forschenden Lernens, Projektlernens und Kooperativen Lernens (siehe dazu Abschnitt 4). Beforscht wird die Erprobung des Lehr-Lernkonzepts im Sinne des Design-Based Research (Barab 2014). Zum Projektablauf im Überblick sei gesagt, dass Studierenden-Kohorte Nr. 1 in einem ersten Schritt dazu befähigt wird, schulische Bedarfserhebungen zum Einsatz digitaler Werkzeuge im Fachunterricht durchzuführen. Dabei erwerben die Studierenden v.a. forschungsmethodische Kompetenzen und schließen dabei ‚echte‘ Forschungslücken. Die Erhebungen ermöglichen Einblicke zu der Frage, welche digitalen Werkzeuge tatsächlich im Englischunterricht im Raum Frankfurt eingesetzt werden und welche Fortbildungsbedarfe seitens der Lehrkräfte bestehen.
Diese Erkenntnisse und Kooperationsstrukturen mit den Schulen dienen sodann als Basis für die Konzeption von Unterrichtseinheiten, die Studierenden-Kohorte Nr. 2 in einem zweiten Schritt in Zusammenarbeit mit Lehrkräften erstellen. Die Unterrichtseinheiten werden in einem dritten Schritt unter wissenschaftlicher Begleitung erprobt. Schritt zwei und drei finden im Rahmen eines Moduls statt, das sich über zwei Semester erstreckt und in zwei aufeinanderfolgen Zyklen mit Kohorte Nr. 2 und 3 getestet wird.
Im Sinne der Ergebnis- bzw. Produktorientierung steht am Ende der Projektlaufzeit zum einen ein mehrfach erprobtes und wissenschaftlich ausgewertetes Lehr-Lernkonzept zur Verfügung, das die Lehrkräfteaus- und -fortbildung in einem phasenübergreifenden Seminarformat mit schulischen Praxisanteilen miteinander verzahnt. Weiterhin entsteht eine Reihe von erprobten Unterrichtsentwürfen zum Einsatz digitaler Werkzeuge im Englischunterricht. Darüber hinaus stehen die studentisch generierten Forschungsergebnisse zur Verfügung. Alle Ergebnisse und Produkte werden mithilfe digitaler Werkzeuge in Form von Open Educational Ressourcen für die wissenschaftliche und praxisinteressierte (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die optimierte Version des phasenübergreifenden Lehr-Lernkonzepts soll dauerhaft im universitären Curriculum verankert und gleichzeitig als dauerhaftes Angebot im Programm der Goethe-Lehrerakademie, der Lehrkräftefortbildungseinrichtung der Goethe-Universität Frankfurt, aufgenommen werden. Der Kompetenzerwerb von (angehenden) Lehrkräften wird so über das Selbststudium hinaus systematisch und breitenwirksam im Rahmen institutionalisierter Bildung ermöglicht. Wie dies durch die vorgenommene Auswahl von Lehr-Lernansätzen gewährleistet wird, soll das folgende Kapitel darlegen.
Das Lehr-Lernkonzept Digital English Lab verbindet die didaktischen Ansätze des Forschenden Lernens, Projektlernens und Kooperativen Lernens. Forschendes Lernen wird als Prozess des aktiven wissenschaftlichen Arbeitens verstanden, der auf die selbstständige Gewinnung von neuen Erkenntnissen abzielt, die im jeweiligen Fachkontext bedeutsam sind, und umfasst folgende Elemente: Erkennen von gesellschaftlich relevanten Problemen, Beschäftigung mit theoretischen Konzepten und deren praktischen Implikationen, Aufarbeitung des Forschungsstands, Entwicklung von Forschungsfragen und Hypothesen, theoretische und praktische Auseinandersetzung mit Forschungsmethoden einschließlich der Auswahl bzw. Begründung geeigneter Forschungsmethoden, Entwicklung des Forschungsdesigns, Untersuchungsdurchführung und öffentlichkeitswirksame Präsentation der Ergebnisse (Elsner 2015; Huber 2014). Wenngleich idealtypisch der gesamte Zyklus durchlaufen werden soll, kann die Verbindung von Forschen und Lernen unterschiedliche Ausprägungen haben. Der Fokus auf einzelne Komponenten ist zulässig und zielführend, solange Hochschullehrende diese Schwerpunktsetzung im Gesamtprojekt kontextualisieren (Elsner 2015).
Bei der Frage, welches Wissen und welche Kompetenzen Studierende im Rahmen des Forschenden Lernens erwerben, wird einerseits auf Schlüsselkompetenzen und andererseits auf Forschungswissen und -kompetenzen verwiesen. In Bezug auf letzteres stellt Elsner (2015) ein elaboriertes Kompetenzstufenmodell für forschendes Lernen zur Verfügung. Entlang der jeweiligen Aufgaben im Forschungsprozess werden die einzelnen Entwicklungsstufen ausgeführt, die von der Wissensaneignung/-reproduktion bis hin zur Anwendung und Reflexionsprozessen reichen.
Im DigiTeam-Projektkontext wird das Forschende Lernen als Projektlernen ausgerichtet. Auf Überschneidungen dieser und weiterer Ansätze wurde bereits hingewiesen (L. Huber 2009). Das in DigiTeam zugrunde gelegte Verständnis von Projektlernen als Lehr-Lernansatz orientiert sich u.a. an Apel und Knoll (2001) sowie Knoll (2014). Studierende eignen sich Wissen an und entwickeln Kompetenzen, indem sie Forschungsfragen aus realen Projektkontexten bearbeiten. Als konstitutive Merkmale bzw. Prinzipien des Projektlernens gelten u.a. Lerner-, Handlungs- und Produktorientierung sowie erfahrungsbasiertes und soziales Lernen (Apel & Knoll 2001), die auch in DigiTeam als Begründung der Wahl des Lehr-Lernansatzes zugrunde gelegt werden.
Ziel der möglichst eigenverantwortlichen Lernarbeit gemäß des Projektlernens ist die Erstellung eines Produkts (ebd.). Hinsichtlich der Ergebnis- bzw. Produktorientierung sei in Bezug auf DigiTeam angemerkt, dass die Studierenden in einen größeren realen Projektkontext eingebunden werden, in dem es gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu bearbeiten gilt, die die Ergebnis-/Produktgenerierung unter limitierenden Faktoren erforderlich macht. Die öffentlichkeitswirksame Präsentation der Ergebnisse und Produkte mithilfe digitaler Werkzeuge wird in DigiTeam daher als essenzieller Bestandteil des Prozesses verstanden – ein Element des Lehr-Lernprozesses, das auch für das Forschende Lernen konstitutiv ist (Elsner 2015).
Da die Lehr-Lernprozesse in DigiTeam stark kooperativ ausgerichtet werden sollen, kommt auch der Ansatz des Kooperativen Lernens zum Tragen, der wiederum starke Überschneidungen mit den zuvor erläuterten Ansätzen aufweist. In der Literatur wird zwischen kooperativem und kollaborativem Lernen unterschieden (Johnson, Johnson & Smith 2014; Laal & Laal 2012). Die Unterscheidung bezieht sich v.a. auf den Freiheitsgrad der Studierenden bzw. die damit einhergehende Verantwortung für Lernprozess und -ergebnis. Kollaboratives Lernen wird dabei als Überbegriff für Lehr-Lernformen genutzt, bei denen studentische Gruppen zusammenarbeiten, um ein Problem zu lösen, eine Aufgabe zu bearbeiten oder ein Produkt zu erschaffen (Laal & Laal 2012). Während kollaboratives Lernen seitens der Lehrperson wenig strukturiert ist (Johnson et al. 2014) und die Studierenden entsprechend Verantwortung für den ergebnis-/produktorientierten Lernprozess haben, übernimmt die Lehrperson beim kooperativen Lernen über den ganzen Prozess hinweg volle Kontrolle (Laal & Laal 2012). Hinsichtlich der Bedeutsamkeit solcher Lehr-Lernformen verweist die Literatur auf empirische Studien, welche die Wirksamkeit in Bezug auf verschiedene Faktoren, bspw. Motivation und individueller Lernerfolg, proklamieren (Johnson et al. 2014; Laal & Laal 2012).
Zusammenfassend ist die Verbindung der drei kurz skizzierten Lehr-Lernansätze schlussfolgernd dergestalt, dass die Studierenden in DigiTeam in einem realen Projektkontext agieren, bei dem es sich um ein Forschungsprojekt handelt, das die Lehr-Lernpraxis wissenschaftlich begleitend erprobt und somit unmittelbaren Einfluss auf die universitäre und schulische Lehr-Lernpraxis nimmt. In ständiger Begleitung von Lehrpersonen als learning facilitator (Laal & Laal 2012) werden authentische gesellschaftsrelevante Herausforderungen behandelt, allerdings unter der Prämisse, die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Studierenden zu fördern. Die Studierenden arbeiten auf das Ziel der Ergebnis- und Produktgenerierung hin, um diese in digitaler Form öffentlich präsentieren zu können. Dabei entwickeln die involvierten Lernenden Forschungskompetenzen, überfachliche Kompetenzen (u.a. in Bezug auf das Agieren im Team), didaktische Kompetenzen hinsichtlich der Planung, Gestaltung, Analyse und Reflexion von Fachunterricht sowie digitale Kompetenzen.
Wie begründet sich im Projekt DigiTeam die Wahl und Zusammenführung der hier skizzierten Ansätze? Zum einen eignen sich diese aus Sicht der Autorinnen in besonderer Weise für die Entwicklung sogenannter „21st century skills“ (Trilling & Fadel 2009; vgl. Elsner 2017). Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, technischer und kultureller Entwicklungen wird der Fähigkeit kooperativ zu arbeiten, Wissen zu generieren und Probleme zu lösen seit einigen Jahren eine noch höhere Bedeutung zugeschrieben; kooperatives Arbeiten wird allgemeinhin als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts bezeichnet (OECD2018). Zudem sollen Studierende im Kontext Forschenden Lernens den „Zusammenhang des Projekts, an dem sie mitwirken, […] begreifen“ (L. Huber 2009). Wollen Hochschullehrende diesem Anspruch nachkommen, dann sollten sie Studierenden auch (kritische) Einblicke in die zeitgenössische, stark auf Drittmittel ausgerichtete Wissenschaft- und Forschungskultur sowie in hochschulpolitische und wissenschaftssystemimmanente Bedingungsgefüge ermöglichen. In diesem gegenwärtigen Forschungskontext werden Projekte vorrangig in Teams und unter zeitlichen und finanziellen Restriktionen durchgeführt, was es erforderlich macht, stark kooperativ und teils sehr agil, d.h. u.a. zielorientiert, selbstorganisiert, freiwillig engagiert und unter Einbeziehung der Zielgruppe, für die der Projektoutcome gedacht ist (z.B. Hofert 2018) miteinander zu arbeiten. Bereits im Seminar müssen Studierende daher lernen, den Arbeitsprozess kooperativ anzulegen und zu durchlaufen.
Außerdem sollen Studierende und Lehrkräfte darauf vorbereitet werden in Kooperation mit KollegInnen arbeiten zu können, da Lehrkooperationen eine immer höhere Relevanz beigemessen wird (Richter & Pant 2016; Vangrieken, Dochy, Raes & Kyndt 2015). Lehrkooperationen gingen bspw. mit höherer Selbstwirksamkeit und Motivation seitens der Lehrkräfte sowie höherer Leistungsfähigkeit seitens der Studierenden einher (Vangrieken et al. 2015). Im internationalen Vergleich sei die Zusammenarbeit von Lehrkräften in Deutschland allerdings ausbaufähig (Gerick et al. 2014), weshalb Empfehlungen für Maßnahmen zum Ausbau und zur Förderung von Lehrkooperationen ausgesprochen werden (Richter & Pant 2016). DigiTeam kommt diesen Empfehlungen nach, indem Studierende Erfahrung in der Zusammenarbeit mit KommilitonInnen und darüber hinaus mit erfahrenen Lehrkräften im Sinne phasenübergreifender Kooperation und kollegialer Zusammenarbeit sammeln können.
Seit dem Wintersemester 2018/19 werden an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen von Seminaren für Studierende des Englischlehramts bereits erste Erfahrungen mit den skizzierten Lehr-Lernansätzen und Inhalten gesammelt.1 Im Wintersemester 2018/19 interviewten Studierende mithilfe von Skype und WhatsApp andere Studierende des Englischen bzw. Englischlehramts der Universitäten Bergamo (Italien), Bremen und Frankfurt am Main zu ihrem Verständnis von digital literacies und ihrer Einschätzung deren Relevanz für den Englischunterricht. Theoretische und empirische Hintergründe zum Thema sowie erste Forschungserkenntnisse präsentierten sie im Februar 2019 bei einem Fortbildungstag für Englischlehrkräfte in Hessen „FLISTT“ (Foreign Language In-Service Teacher Training), der regelmäßig von der Abteilung Didaktik und Sprachlehrforschung Englisch der Goethe-Universität Frankfurt angeboten wird. Sie machten die teilnehmenden Lehrkräfte mit einigen digitalen Werkzeugen wie Padlet vertraut. Darüber hinaus wurden Ergebnisse und Seminarkonzept im März 2019 bei der Konferenz der International Association of Teachers of English as a Foreign Language auf einem Poster präsentiert (siehe auch: https://prezi.com/view/1DlCtV7UyuDG3XPuzDqt/).
Im Sommersemester 2019 befragten Studierende Englischlehrkräfte im Raum Frankfurt zu ihren Erfahrungen mit digital tools, gegebenen schulischen digitalen Infrastrukturbedingungen, Einstellungen und Fortbildungsbedarfen. Zu diesem Zweck kreierten sie ein Erklärvideo zum Begriffsverständnis von digitalen Werkzeugen. Informationen zum Seminarkonzept, den studentischen Erkenntnisprozessen während des Lehr-Lernprozesses und Ergebnissen der Befragung stellten Studierende mithilfe von WordPress auf einer Seminarwebseite zusammen.2
Im Wintersemester 2019/20 machten sich die Studierenden auf der Basis bisheriger Recherche- und Befragungsergebnisse mit ausgewählten digitalen Werkzeugen vertraut und entwarfen Unterrichtseinheiten, die sie in micro teaching-Sequenzen in Teams erprobten, analysierten und auswerteten. Auch die Erkenntnisse aus diesem Seminar werden mithilfe digitaler Werkzeuge öffentlichkeitswirksam zugänglich gemacht.
Die Resultate der Interviewbefragung aus dem Wintersemester 2018/19 zeigen, dass die Englischstudierenden kein klares Verständnis von digital literacies haben. Zudem seien in ihrer Schulzeit digitale Technologien nur in geringem Maße im Englischunterricht zum Einsatz gekommen. Als Begründung gaben viele an, ihre Lehrkräfte seien nicht ausreichend „digitally literate“ gewesen. Darüber hinaus erachten die befragten Studierenden die Entwicklung von digitalen Kompetenzen im Englischunterricht mehrheitlich, aber nicht einstimmig als relevant. Sie geben mehrheitlich an, dass Kinder und Jugendliche heutzutage „digital natives“ (Prensky 2001)3 seien. Daher sind einige der Meinung, dass der Englischunterricht die digitalen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen nicht fördern müsse, da sie diese Kompetenzen durch ihr Freizeitverhalten erwerben würden. Einige denken wiederum, Englischunterricht müsse diese Kompetenzen fördern, da insbesondere der kritische Umgang mit digitalen Medien schulisch erlernt werden müsse. Am wichtigsten erachten sie dabei rein technische Kompetenzen sowie die Kompetenz, Informationen im Internet finden und mit diesen kritisch umgehen zu können. Die Relevanz in Bezug auf das Erlernen der Fremdsprache Englisch begründen die Befragten mit Englisch als digital lingua franca. Um online interagieren zu können, seien englische Fremdsprachenkompetenzen unerlässlich. Daher biete das Internet authentische Sprachanlässe, die sich für den Englischunterricht gut nutzbar machen ließen.
Die Interviews aus dem Sommersemester 2019 zeigen, dass die meisten befragten Lehrkräfte eine offene Einstellung hinsichtlich des Einsatzes digitaler Werkzeuge im Englischunterricht haben. Deren tatsächlicher Einsatz variiert hingegen sehr stark. So nutzen einige Lehrkräfte keine digitalen Werkzeuge und begründen dies u.a. mit unzureichenden digitalen Infrastrukturbedingungen, die von den meisten Befragten bemängelt wurden. Andere können eine Reihe von digitalen Werkzeugen benennen, die sie regelmäßig nutzen, bspw. Quizlet. Andere geben an, digitale Werkzeuge zu nutzen, benennen dann aber z.B. unspezifisch den Einsatz von Computern oder vergleichsweise veralteten Technologien wie CD