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Zehn erzählende Gedichte geben den Akteuren bekannter deutscher Redensarten ein Gesicht und eine Geschichte. Eine poetisch-anarchistische Tour de Force, höchst unterhaltsam und famos gereimt! Der wahrscheinlich abwegigste Gedichtzyklus der Literaturgeschichte endlich in Buchform! Lars Ruppels Poesie kommt daher wie Ringelnatz in Baggy Pants, wie Heinz Erhardt in Lederjacke, wie ein Feuilletonist auf Speed auf einem Scooter-Konzert. In Ruppels Gedichten verbindet sich die unverbindlichsaloppe Art der Poetry-Slam-Kultur mit Elementen der Klassik, auch wenn er die selbst gar nicht benennen könnte. Ruppel dichtet so kunstvoll wie heutig, aber stets handwerklich exakt und erfindet herrlich absurde Geschichten hinter altbekannten Redensarten. Wer weiß denn schon, wer der "liebe Herr Gesangsverein" war, was Herr Specht nicht schlecht machte oder Schmitz Katze im Schilde führt? Die seit 2010 in loser Folge entstandenen Erzählungen in Reimform erscheinen nun erstmals gedruckt als Buch, filigran illustriert vom Berliner Grafiker Eyke-Sören Röhrs. - Ein perfektes Geschenkbuch für alle Sprachverliebten. Das Buch enthält Gedichte über die Redensarten: "Schmitz' Katze", "Nicht schlecht, Herr Specht", "Alter Schwede", "Heiliger Strohsack", "Volker Racho", "Heide Witzka", "Weiß der Kuckuck!", "Ach, du liebes Bisschen", "Holger, die Waldfee" und "Mein lieber Herr Gesangsverein".
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Seitenzahl: 46
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ZEHN GEDICHTEÜBER REDENSARTEN
Lars Ruppel
wurde 1985 im tiefsten Hessen geboren, heute lebt er in Marburg und Berlin. Seit seinem 16. Lebensjahr tritt er auf und wurde einer der bekanntesten Wortwettkämpfer Deutschlands. 2013 wurde er deutschsprachiger Poetry-Slam-Meister im Team- und Vizemeister im Einzelwettbewerb.
Neben Workshops an Schulen und Poetry-Slam-Projekten im Sudan, Indien, Russland und den USA leitet er mit seinem Poesieprojekt »Weckworte« Fortbildungen für Angehörige und Pflegekräfte zum Einsatz von Gedichten in der Pflege von Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung.
www.larsruppel.de
Eyke-Sören Röhrs (Illustrationen)
ist in einem Dorf in der Lüneburger Heide aufgewachsen. Die karge Schönheit dieser Landschaft, die omnipräsente Melancholie und seine Erinnerungen an erschreckende und faszinierende Traditionen bestimmen seine Arbeit bis heute. Seine erste Ausstellung beschäftigte sich entsprechend mit Männlichkeitsbildern in dörflichen Kontexten. Nach Aufenthalten in den USA und einem Studium an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel studiert er derzeit Anglistik in Potsdam. Er wirkte an verschiedenen visuellen Projekten mit und ist seit 2011 auch als Musiker und Sänger tätig.
E-Book-Ausgabe September 2014
© Satyr Verlag Volker Surmann, Berlin 2014
www.satyr-verlag.de
Vorlage für Cover-Grafik: Eyke-Sören Röhrs
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de
Die Marke »Satyr Verlag« ist eingetragen auf den Verlagsgründer Peter Maassen.
ISBN: 978-3-944035-43-7
Vorwort
Holger, die Waldfee
Schmidts Katze
Heiliger Strohsack
Herr Gesangsverein
Nicht schlecht, Herr Specht
Alter Schwede
Ach, du liebes Bisschen
Donnerlittchen
Heide Witzka
Weiß der Kuckuck
Bonustrack: Volker Racho
Das erste Mal traf ich Frau Hempel zufällig auf einem Poetry-Slam. An der Kasse sagte sie ihren Namen, weil sie auf der Gästeliste stand. Ich war zufällig in der Nähe und sprach sie an, ob sie Mitglied der berühmten Familie Hempel sei, unter deren Sofa es so unaufgeräumt sein solle. Tränen schossen in ihre Augen, und ich spürte, dass ihr das nicht das erste Mal geschah. Ich entschuldigte mich, und wir kamen ins Gespräch. Ihr Schicksal bewegte mich. Sie und ihre Familie litten sehr unter dieser Redensart. Sie erzählte mir, dass angeblich ihre Ururoma keine sehr ordentliche Person gewesen sein soll und sich ihr Familienname seitdem in dieser Redensart wiederfinde. Sie selbst habe daheim gar kein Sofa, nur eine Garnitur Sessel und einen Wohnzimmertisch, und unter diesen Möbelstücken herrsche beste Ordnung.
Seit dieser Begegnung beschäftige ich mich mit Redensarten und den Geschichten, die sich hinter ihnen verbergen. Ich möchte ein Bewusstsein schaffen für Worte, die wir oftmals viel zu sorglos verwenden.
Lars Ruppel
Jeden Morgen,
wenn tief fliegende Sonnenstrahlen
am Waldrand erst die Wurzeln kitzeln,
federfein mit hellen Farben
Graffiti in die Rinde kritzeln,
zerbrechen und als Scherbenregen
den Waldboden mit Glanz bedecken,
mit einem Streicheln die Insekten
unter Humusdecken wecken;
wenn die Stille, die im Wald zur Nacht
noch eben jeden Ton verbot,
vertrieben durch den Klang der Welt,
leicht angespielt vom Morgenrot,
verschämt ein Stück zur Seite geht
und Platz schafft für Konzerte;
Akkorde, die das Leben greift,
vom Hörer höchst verehrte
Klänge, wie das Amselzwitschern,
das, wenn man sich konzentriert,
klingt, als singe eine Orgel,
die im Regen explodiert.
Der Strauch, der müde Knospen streckt,
das Weidenkätzchenschnurren,
Humus, der leis’ Faulgas furzt,
ein Wühlmausmagenknurren,
Asseln, die mit lautem Groll
nach Kellerschlüsseln suchen,
und von oben raschelt sacht
das Umblättern der Buchen.
Welch Wohlklang, welch Balsam!
Oh, Waldlebens Lied!
Der Tag hat am Morgen
den ersten Zenit.
Der Schöpfung zu Ehren
erhebet die Ohren:
Euch wurde der Tag
von der Sonne geboren!
Kommt alle zum Reigen,
heut wollen wir tanzen
zum Lobe des Kleinen
im Großen und Ganzen.
Zum Ärger des einen:
Der, der nicht gerne tanzt,
der, dessen Wohnung
bepilzt und verranzt,
der öffnet die verdreckten Fenster,
holt tief Luft, und dann kawemmst er:
»Halt die Fresse, du!«, und droht
der ganzen Welt mit Hausverbot.
Der Herr, der sich so echauffiert,
ist großflächig und unrasiert
und doch des Waldes treuester Geist:
Es ist die Fee, die Holger heißt.
Einst war der Holger die Fee aller Wälder,
Herrscher der endlosen Baumkronenfelder,
Patron aller Wesen, Vertreter des Lebens,
Ausgleich im Kreislauf des Gebens und Nehmens,
der Ruhepol des Pendels, das hinter den Dingen
im rhythmischen Tanz aus harmonischem Schwingen
die Teile des Puzzles, das einstmals entzweit,
vereint’ zu Gemälden in Rahmen aus Zeit.
Nur Holger, die Welt und ein Beutel voll Samen
und Jahre, die gingen, genau wie sie kamen.
So wurde aus Boden, der leblos und kalt,
ein Kind dieser Erde in Kleidern aus Wald.
Später, als Menschen in Baumwipfeln lebten,
an Haaren und Händen die Harztropfen klebten,
da wusste man noch seine Arbeit zu schätzen
und lebte gar gerne nach seinen Gesetzen.
Und heut? Hat er Wohnrecht im eigenen Heim,
ist nicht mehr vonnöten und meistens allein –
ein lebendes Denkmal aus schöneren Tagen.
Im Wald hat seit Jahren das Forstamt das Sagen.
Wie jeden Tag schaut bald sein Alltag vorbei,
voll Seufzern des Saufens und RTL2.
Die Waldfee von einst ist nun kaum mehr ein Schatten,
geworfen von Tagen, die Sonnenschein hatten.
Im Forstamt am Tisch bei Kaffee und Tee sitzen
in Graustufen aufgereiht Männer mit Schlipsen;
zu allem entschlossen, den Rotstift gezückt,
den Arsch bis zur Ritze ins Leder gedrückt.
Über dem Schlips ist kein Platz für Gefühle,
IKEA braucht Rohstoff zum Bau neuer Stühle.
»Die brauchen Stühle, und wir brauchen Geld.«
Alle gewinnen, so leicht ist die Welt.
Einen Wildschweinfurz später schon flattern geschwind
im Rausch der Geschwindigkeit Schlipse im Wind.
»Hü!«, rufen sie, und sie peitschen die Trucks,