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Beschwerden durch Ärger und Kränkung – ein alltägliches Thema in der homöopathischen Praxis. Kränkung kann sich ausdrücken als ein Gefühl von Scham, verletzter Ehre oder verlorenem Selbstvertrauen. In diesem Werk beschreibt der bekannte italienische Homöopath Massimo Mangialavori die wichtigsten homöopathischen Mittel, die sich in seiner Praxis bei diesem Themengebiet bewährt haben. Hierbei geht er besonders auch auf weniger bekannte, oft in Vergessenheit geratene Mittel ein. Er stellt eindrückliche Fälle von Ipecacuanha, Senega officinalis und Magnetis polus australis vor und differenziert diese ausführlich zu weiteren Mitteln wie Ferrum magneticum, Antimonium tartaricum, Chelidonium, Ignatia, den Brom- und Chlorsalzen, Paris quadrifolia, Chamomilla, Staphisagria sowie den Scrophulariaceen und Liliaceen. Massimo Mangialavori ist bekannt für seine anschaulichen Mittelbeschreibungen, wobei er es vermag, die wesentlichen Nuancen homöopathischer Arzneien prägnant und plastisch darzustellen. Das handliche Büchlein ist eine schöne Gelegenheit, Massimo Mangialavoris Arbeitsweise bei diesem wichtigen Themenkreis kennenzulernen.
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Massimo Mangialavori
Homöopathie bei Ärger und Kränkung
Seminarmitschrift von Peter Federer
Massimo Mangialavori
Homöopathie bei Ärger und Kränkung
Seminarmitschrift von Peter Federer
Seminar Mangialavori Dezember 2008, Kilchberg
Coverabbildung ©iStockphoto.com/color of time
1. deutsche Ausgabe 2010
2. deutsche Ausgabe 2010
ISBN 978-3-943309-38-6
Übersetzt von Margret Summers
Herausgeber: Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern Tel.: +49 7626 974970-0 E-Mail: [email protected]© 2010, Narayana Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.
Einleitung
Wichtige Rubriken bei Ärger, Verdruss und Kränkung
Ipecacuanha
Fall 1: Erstanamnese
Diskussion
Follow up
Ipecacuanha
Differenzialdiagnose zu den Liliaceen
Senega officinalis
Fall 2: Erstanamnese
Diskussion
Repertorisation
Follow up
Senega officinalis
Differenzialdiagnose zu Antimonium tartaricum
Magnetis polus australis
Fall 3: Erstanamnese
Diskussion
Repertorisation
Follow up
Differenzialdiagnose Ferrum magneticum
Andere wichtige Mittel bei Ärger und Kränkung
Paris quadrifolia
Chelidonium
Ignatia
Bromsalze
Chlorsalze (Muriaticums)
Chamomilla
Scrophulariaceen
Staphisagria
Index
Kränkung ist ein mehr oder weniger alltägliches Thema in der homöopathischen Praxis. Das Profil der Personen, für welche Kränkung ein Thema ist, kann sehr verschieden sein. In dem vorliegenden Werk möchten wir an der Differenzialdiagnose der verschiedenen Mittel arbeiten, welche dabei in Frage kommen. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf einige weniger bekannte Mittel geworfen werden.
„Mortification“ (Kränkung, Demütigung) kommt vom lateinischen „mortem facere“ (den Tod bringen). Wir sehen daraus, dass sich hier ein weitaus schwierigeres Konzept verbirgt als einfach nur Ärger oder Zorn. Es hat viel mit dem großen Gebiet von Selbstwert zu tun. Bei jemandem mit einem großen Ego ist Kränkung ein riesiges Thema; bei jemandem mit geringem Selbstwertgefühl verstärkt es einfach die schlechte Selbsteinschätzung.
Kränkung kann sich ausdrücken als ein Gefühl von Scham, Beschämung oder verletzter Ehre. Eine andere Bedeutung ist verlorenes Prestige oder verlorenes Selbstvertrauen.
„Vexation“ (Verdruss / Ärger) kommt vom lateinischen „vexare“: heftig stören, alarmieren, missbrauchen.
Wir verstehen unter Verdruss (vexation):
• Zorn, der von einer belästigenden Störung ausgelöst wird
• Starke Emotion; ein Gefühl, das sich gegen einen realen oder vorgestellten Missstand richtet
• Eine Quelle von Störung und Verdruss
• Eine Störung durch Behinderung oder Kritik
• Das Gefühl von Qual durch intensive Verärgerung: „Sein Verdruss war so groß, dass er den Quälgeist zerstören wollte“.
Daraus resultieren folgende Situationen: ein figürliches Bild von Folter, von heftig durchgeschüttelt werden; Umstände von Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Mobbing; Folgen von missbraucht werden oder auf das Heftigste belästigt werden.
Mit dem Thema der Kränkung müssen wir ebenso das große Feld des narzisstischen Gleichgewichts in Betracht ziehen. Ohne ein gutes narzisstisches Gleichgewicht kann man nicht auftreten, nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Hier ist dieses Gleichgewicht als Begriff besser geeignet als der des Selbstvertrauens.
Einerseits müssen wir die objektive Kränkung, die beim Patienten erfolgt ist, in Betracht ziehen, andererseits die individuelle Reaktion seiner Persönlichkeit, welche entsprechend seiner inneren Organisation reagiert, die abhängig ist von seinen inneren Ressourcen und erlernten Kompensationsstrategien.
Aus homöopathischer Sicht sind folgende Fragen bedeutsam im Zusammenhang mit Kränkung und Ärgernis:
• Auf welche Art von Belästigung reagiert der Patient am empfindlichsten?
• Wie reagiert ein Patient auf eine Kränkung/ein Ärgernis?
• Welche Symptome entstehen aus dieser Reaktion?
Eine zu hohe Selbstachtung lässt uns an Mittel denken wie: Aurum, Platin, einige Graminaceen, aber auch an Lycopodium, Silicea, Gelsemium, Nitricumsalze und einige Rutaceen.
Einige Arzneien sind bezüglich des Problems der Selbstachtung gut genug geprüft, andere sind es überhaupt nicht.
Selbstachtung ist ein großes thematisches Feld, welches bei vielen Patienten oder Arzneimitteln als einer der eindrücklichsten Aspekte erkannt werden kann. Es ist jedoch extrem wichtig, diese genau zu definieren (den Grad, die Besonderheiten, die Modalitäten), um diese Beobachtungen als gutes differenzialdiagnostisches Werkzeug einsetzen zu können. (Was natürlich auch für alle anderen großen thematischen Gebiete gilt.) Selbstachtung beeinflusst Stimmung, Charakter, Beziehungen, Sexualität – und steht in Beziehung zu den verschiedensten Somatisierungen.
Einige der typischen Beispiele von Somatisierung bei Problemen des narzisstischen Gleichgewichts sind:
• Erwartungsangst
• Angst, mit dem fertig zu werden, „was getan werden muss“
• Blockade aus Angst vor Misserfolg oder Fehlern
• Diarrhoe
• Impotenz
• Panik
• Zittern
• Schweißausbrüche
• Schlafstörung
• Ejaculatio praecox
Es ist wichtig, den Zusammenhang der Themen und Symptome in jedem Patienten/Mittel zu erkennen.
Verdruss erscheint oft zusammen mit Phobien und Ängsten (z.B. vor Höhe oder vor Monstern) oder mit Schwächen, Starrheiten etc.
Auch die Körpersprache, das Corpus, kann problematisches Selbstvertrauen anzeigen; man denke an Haltung, Gebrauch der Stimme, Kleidung oder andere Aspekte des Verhaltens wie Arroganz, Rivalität, übertrieben zur Schau gestellte Stärke, übertrieben verführerisches Aussehen etc.
Es gibt viele verschiedene Abwehr- oder Kompensationsmechanismen, welche der Patient (das Arzneimittel) gebraucht, um in seiner inneren Welt, in seinem Verhalten, in seiner Art mit anderen in Beziehung zu treten. So versucht er, sich vor den Ängsten seiner problematischen Selbstachtung zu schützen.
Man muss immer im Hinterkopf behalten, dass diese spezifischen Strategien der Abwehr oder der Kompensation wichtiger sind als das Thema selbst, um ein Arzneimittel zu erkennen!
Ein ausgeglichenes Selbstwertgefühl im Sinne eines guten narzisstischen Gleichgewichts ergibt ein gut ausbalanciertes Selbstwertgefühl ohne Anmaßung oder Überheblichkeit. Ebenso bestehen eine adäquate Wahrnehmung der eigenen Ressourcen und die Fähigkeit, Frustrationen zu ertragen ohne zu dekompensieren und ohne mit Omnipotenz oder Negation zu reagieren. Außerdem zeigt sich die Fähigkeit, sich selbst und seine Projekte durchzusetzen und gleichzeitig sich selbst und die anderen dabei zu respektieren.
Ein zu hohes Selbstwertgefühl/übersteigertes narzisstisches Gleichgewicht (Sykose) lässt sich erkennen aus einer zu hohen Durchsetzungsfähigkeit (über Leichen gehen) und einem konkurrierenden, egoistischen Verhalten.
Fehlendes Selbstwertgefühl/schlechtes narzisstisches Gleichgewicht (Syphilis) oder unausgeglichener Narzissmus bewirkt Angst vor Fehlern oder Angst, ein Nobody zu sein; Angst kritisiert oder nicht wertgeschätzt zu werden. Soziales Vermeiden, Scheu oder Furcht in Menschenmengen können Zeichen davon sein, aber auch Erwartungsangst. Ferner zeigt sich ein Ungleichgewicht in Form von Unentschlossenheit und Feigheit. Es führt zu Kränkung, Entmutigung und Sinnlosigkeit des Lebens.
Wenn man die Rubriken „Mangel an Selbstvertrauen“ oder „Beschwerden durch Kränkung“ anschaut, ist es nicht ganz einfach, die Unterschiede herauszufinden. Es sind ganz verschiedene Arzneimittel in diesen Rubriken: viele, in denen diese Themen gar nicht fundamental sind. Andererseits vermissen wir viele Arzneimittel, in denen sie es sind. Es ist immer gut, sich auch auf andere Rubriken wie „Erwartungsspannung“ oder „Beschwerden durch schlechte Nachrichten/Geringschätzung“ zu beziehen, um noch auf andere Ideen zu kommen.
Unsicherheit ist jedoch kein absolutes Konzept. Einige Patienten/Arzneimittel können in bestimmten Gebieten sehr selbstsicher sein, in anderen aber genau gegenteilig (Lycopodium, Silicea, Angustura). Die Perspektive der Entwicklung darf nicht außer Acht gelassen werden: Sind Kompensation oder Dekompensation mehr oder weniger stabil (Arnica, Aurum, Plumbum)? Führt sie zu besserer Selbstwahrnehmung - oder zu Entmutigung, welche bis zum Suizid führen kann? Ist sie die Basis von Ängsten, Ärger, Unzufriedenheit, Kränkung?
Ein gutes narzisstisches Gleichgewicht ist eng verbunden mit dem Themenkreis von Unterstützung und Aggression. Seneca sagte: „Grausamkeit ist die Tochter der Schwäche“. Sogar so sanfte Personen wie Saccharum album, Ignatia oder Pulsatilla haben dieses Thema. Für sie ist es aber sehr schwierig, es nach außen hin zu zeigen.
In der Kombination von Unsicherheit und Symbiose (Drogen, Belladonna-artige, Euphorbiaceae, Aluminiumsalze, Bariumsalze u.a.) zeigt der Patient einen schwerwiegenden Mangel an Selbstvertrauen. Er hat Schwierigkeiten, der Welt entgegenzutreten und unabhängig zu werden. Er versucht, sich mit omnipotenten Ideen zu unterstützen.
Unsicherheit und Paranoia (Arnica-artige, Arsensalze, Reptilien, Coca) lassen den Patienten annehmen, die Welt sei eine dauernde Bedrohung. Seine Unsicherheit ist völlig nach außen projiziert. Er entwickelt defensive Strategien, um Feinde zu „zerstören“ oder sich von beinahe jeder Beziehung zurückzuziehen. Eine paranoide Struktur wird sichtbar.
Unsicherheit in Ermangelung gewisser Entwicklungsschritte (Säuren, einige Insekten, einige Reptilien, Nux vomica, Halogene) führt zur Schwierigkeit, zentriert und autonom zu sein. Es entsteht ein Gefühl von Leere, welches Angst und Schmerz auslöst. Der Patient entwickelt Abwehrstrategien im Sinne von Ärger oder destruktiver Omnipotenz gegen seine Unterstützer. Eine borderline-artige Interpretation des Alltags bewirkt konstantes Ärgernis: Handlungen wichtiger Personen, welche seine Bedürfnisse nicht oder zu wenig respektieren, werden als Mobbing interpretiert. Man ist immer bereit zu leiden wegen vorgegebenen Mangels an Respekt oder Anerkennung. Meist ist diese Kränkung nicht objektiv nachvollziehbar.
Ein Patient mit Unsicherheit und ungenügender Stabilität (Phosphor-artige, Kaliumsalze, Rosaceae, Cocculus, Milchmittel, Carcinosinum, Sulphur, Saccharum album) braucht die Unterstützung durch Regeln usw., um zu integrieren, was ihm fehlt. Er hat aber die Fähigkeit, Unterstützung anzunehmen, ohne sich dagegen aufzulehnen. Man findet eher eine starke Selbstdestruktivität. Außerdem lässt sich eine Art Unreife mit einer blockierten Aggression erkennen, entsprechend ihrer Unreife ist er mehr oder weniger autonom.
Ein starkes Ego ist normalerweise sehr empfindlich gegen Mangel an Respekt. Der Patient muss aber erst dekompensieren, um ein Opfer von Ärgernis oder Kränkung zu werden.
Das Bild vom Selbst kommt normalerweise in einem guten therapeutischen Umfeld an die Oberfläche. Falls der Patient nicht fähig ist, es in Worten auszudrücken, liefert er uns entsprechende Bilder in Form von Metaphern, Fantasien, Wahnideen oder Träumen.
• Logik ist nicht der einzige Weg, durch welchen die Seele sich ausdrückt. Es ist nur eine von verschiedenen Möglichkeiten.
• Manchmal sind Metaphern der einzige begehbare Weg, um Emotionen, Empfindungen oder Leiden des Corpus auszudrücken. Sie können dabei mehr oder weniger eindeutig sein.
• Je dramatischer diese Metaphern sind, desto eher sind sie eine Warnung für den Arzt: Dabei ist wichtig zu verstehen, wie ärgerlich oder hysterisch die Patienten damit erscheinen können.
• Oft kann man erkennen, wie schlecht das Selbstbild eines Patienten schon Jahre vor einer schweren Erkrankung war. Darum erachten wir die Beobachtung einer Veränderung dieses Selbstbildes im Laufe einer Behandlung als sehr wichtig.
• Es war eine der großen Intuitionen von C.G. Jung, als er sagte, „der Weg der Metapher“ sei ein Prozess vor dem Gedanken.
• Die Metapher hat eine riesige therapeutische Bedeutung, da sie nicht nur ein Ausdruck der Seele, sondern auch der Empfindung und der Wahrnehmung ist.