Hopeless: The Destiny - Elena MacKenzie - E-Book

Hopeless: The Destiny E-Book

Elena MacKenzie

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Beschreibung

Hope ist eigentlich kein bisschen schüchtern, immerhin ist sie in einem Bordell großgeworden. Doch als Logan Davonport im Freudenhaus ihrer Mutter auftaucht, ist sie seinen Annäherungsversuchen hilflos ausgeliefert. Dabei gibt es für sie eine Regel und diese überwacht ihre Mutter unter allen Umständen: Keine Freier! Aber Logan mag sich so gar nicht an diese Regel halten. Mit allen Mitteln versucht er Hope zu verführen. Aber Logan ist kein Mann für eine Beziehung, das wird Hope immer bewusster, je mehr sie sich auf ihn einlässt. Doch die neuen Bodyguards sind nicht grundlos in das Destiny eingezogen. Ihre Mutter verheimlicht etwas vor Hope. Vor den Toren des Destiny wird eine schlimm zugerichtete Frau entsorgt. Nur die Männer um Logan Davonport können die Mädchen jetzt noch beschützen. Doch Hope kann und will sich den neuen Regeln in ihrem Zuhause nicht unterordnen, besonders da Logan sie aufgestellt hat und sie nicht erfahren soll warum. Gerade erst zurück, sieht Hope sich gezwungen, das Destiny zu verlassen. Schon allein dafür möchte sie Logan erwürgen. Aber derzeit ist er unentbehrlich für ihre Mutter, deswegen muss Hope gehen. Sie zieht in die Wohnung ihrer Tante und begeht gleich am ersten Abend einen folgenschweren Fehler. Und dieser Fehler bleibt nicht ihr einziger.

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HOPELESS

THE DESTINY

ELENA MACKENZIE

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Und Andrew?

Copyright © 2018 by Elena MacKenzie

Auflage 2 2019

Nicole Döhling

Dr.-Karl-Gelbke-Str. 16

08529 Plauen

[email protected]

Coverfoto: © Elena MacKenzie

Bilder: adobe Photostock

Coverdesign: ElenaMacKenzie

Alle Rechte vorbehalten: Elena MacKenzie

EINS

In jeder Hand den Griff eines Trollis stehe ich vor der gregorianischen Villa in einem ruhig gelegenen Außenbezirk Glasgows. Das Haus verfügt über nur zwei Etagen, ist dafür aber sehr lang. Der Garten ist noch genauso gepflegt wie ich ihn in Erinnerung habe. Und auch der nackte Knabe steht noch immer an der gleichen Stelle, in den knubbeligen Fingern einen gespannten Bogen, dessen Pfeil auf den blauen Sommerhimmel gerichtet ist. Von Außen wirkt das Haus mit seinen hohen Rundbogenfenstern wie das ganz normale Zuhause einer wohlhabenden Familie. Keiner würde je darauf kommen, was sich hinter diesen unscheinbaren Mauern tagtäglich abspielt.

Langsam gehe ich die breite Auffahrt entlang, die den Vorgarten, der viel eher ein Park ist, in zwei Hälften teilt. Die letzten vier Jahre habe ich in London verbracht, um englische Literatur zu studieren. In dieser Zeit war ich nicht ein einziges Mal hier. Nicht, weil ich es nicht wollte, sondern, weil meine Mutter es nicht wollte. Jetzt ist mein Studium zu Ende und ich komme mit gemischten Gefühlen zurück nach Hause. Ich freue mich auf die Mädchen. Ich habe sie schrecklich vermisst. Sie sind meine Freundinnen, die einzigen, die ich je hatte. Aber ich habe jetzt auch einige Zeit außerhalb dieser Mauern gelebt und die richtige Welt kennengelernt. Das heißt nicht, dass mir die richtige Welt besser gefällt. Sie ist eben richtiger.

Ich drücke die Klingel und warte. Jemand kichert innen. Mein Herz klopft vor Aufregung. In diesem Haus wird oft gelacht. Alle sind immer glücklich hier. Dafür sorgt meine Mutter. Dass die Mädchen nach allem, was sie erlebt haben, ein zufriedenes Leben führen können, ist ihr wichtiger, als ihr eigenes Glück. Dafür arbeitet sie jeden Tag seit 25 Jahren. Die Tür geht auf und Ivy steht vor mir. Sie trägt nur ihre Arbeitskluft: ein rosa Babydoll mit dunkelroter Spitze, das sehr gut zu ihren blonden Haaren und den dunkelgrünen Augen passt. Sie sieht mich und kreischt los.

»Hope! Du bist zu Hause!«

Ich lasse die Koffer los und reiße die Arme auseinander. Sie wirft sich gegen meinen Körper und wir hüpfen und kreischen um die Wette.

»Ich hab dich vermisst.«

»Wir haben dich auch alle vermisst. Wir haben schon Pläne geschmiedet, nach London zu kommen, aber du kennst ja deine Mutter«, sagt sie seufzend und löst sich wieder von mir. Ja, ich kenne sie. Sie wollte, dass ich die vier Jahre an der Universität ohne den Kontakt zu den Mädchen verbringe, um dieses andere Leben kennenzulernen, von dem sie will, dass ich es irgendwann lebe. Sie mustert mich aufmerksam. »Du bist alt geworden.«

»Wer hier wohl alt geworden ist? Schau dir mal die Fältchen in deinem Gesicht an. Langsam solltest du dir eine neue Uniform zulegen. Für ein Babydoll bist du viel zu erwachsen.«

Ivy ist vierunddreißig und damit zehn Jahre älter als ich. Für mich war sie immer wie eine große Schwester, seit sie vor etwa zehn Jahren zu uns in das Destiny gezogen ist. Sie schnappt sich meine Koffer und zerrt mich in das Haus. Noch bevor die Tür hinter uns ins Schloss fällt, lässt ihre hohe Stimme das Haus erzittern: »Mädels, Hope ist endlich zurück!«

»Scht!«, mache ich und werfe einen flüchtigen Blick auf die prunkvolle Wanduhr in Rot und Gold, die über der Tür zur Bar hängt. Es ist 17:07 Uhr. Das Destiny hat seit sieben Minuten geöffnet. »Sind keine Männer da?«

»Doch, einer. Aber der ist fast immer da. Der wohnt schon hier«, sagt sie ganz nebenbei. Und mehr Aufmerksamkeit braucht ihre Antwort auch nicht, denn wenn das Destiny offen ist, sind Männer im Haus normal.

Ich folge ihr in die große Eingangshalle, die der Blickfang der unteren Etage ist. Die hohe Decke, von der ein großer metallener Leuchter mit zwölf kerzenförmigen Lichtern hängt, wird von vier Säulen getragen. Von dem runden Saal gehen mehrere Türen ab, die in die gemütliche Bar, die verschiedenen Themenzimmer und Wellnessbereiche führen. Eine breite Treppe, deren Stufen von einem dunkelroten Teppich umhüllt sind, führt in die obere Etage, den privaten Wohnbereich zu dem nur die Familie Zugang hat.

Die Familie, das sind meine Mutter, die Mädchen, die hier leben und arbeiten, und ich. Ich - wenn sich nichts geändert hat. Denn wenn es nach meiner Mutter ginge, würde sie mich am liebsten sehr weit weg von diesem Haus wissen. Aber ich bin hier aufgewachsen und ich liebe dieses Haus und all seine Bewohner. All das hier hat mir in den letzten Jahren gefehlt: das Kichern der Mädchen, die gemeinsamen Essen an der langen Tafel im Esszimmer, bevor das Etablissement jeden Abend um 17:00 Uhr seine Türen für die männlichen Klubmitglieder öffnet.

Dieses Haus ist das wohl exklusivste Freudenhaus der Welt, denn nur Männer, die meine Mutter auf Herz und Nieren geprüft hat, haben hier Zugang. Das macht es für sehr viele Männer zum Geheimtipp und zum begehrtesten Klub Schottlands. Aber nur die wenigsten schaffen es in Mutters Karteisystem. Mutter hat ihre Gründe für dieses Vorgehen und die Mädchen sind ihr dankbar dafür. So wie ich auch. Trotz der gemischten Gefühle, die ich nach so langer Zeit außerhalb dieses Hauses noch immer habe, weiß ich, dass dies hier ein Teil von mir ist und ich bin froh, wieder zu Hause zu sein.

Ivy hüpft vor mir die Stufen nach oben und verkündet immer wieder, dass ich zurück bin. Ich schüttle lachend den Kopf. Sie war schon immer verrückt und mädchenhaft. Sie hat das sechzehnjährige Mädchen in sich nie abgelegt. Eigentlich ist das gar nicht verwunderlich, denn so versucht sie die Zeit ihres Lebens für sich zu bewahren, in der alles noch sorglos für sie war. In der sie einfach nur ein normaler Teenager war. Als ich oben ankomme, laufen mir zwei weitere Mädchen entgegen. Sie begrüßen mich genauso stürmisch wie Ivy.

»Habt ihr mir noch Kaffee übriggelassen?«, frage ich und lasse mich von ihnen in das geräumige Esszimmer ziehen. Liv verschlingt ihre Finger mit meinen und führt mich zum Büffet, das, wie ich es gewohnt bin, noch immer gleich neben der Tür auf einem Tisch angerichtet ist.

Obwohl es schon nach 17:00 Uhr ist, ist das hier für die Bewohner des Destiny das Frühstück, das Mittag- und Abendessen. Natürlich können die Mädchen zwischendrin jederzeit essen. Aber das Essen, bevor das Destiny öffnet, ist das einzige, das alle wie eine große Familie zusammen einnehmen können.

Der Arbeitstag beginnt in der Villa um 17:00 Uhr und endet in den frühen Morgenstunden. Kaffee gibt es rund um die Uhr. Wahrscheinlich hat mich die ständige Verfügbarkeit von Kaffee zu einem Koffeinjunkie gemacht. An der Tafel in der Mitte des mit dunklen, schweren Möbeln eingerichteten Zimmers sitzen nur noch zwei weitere Mädchen. Die meiste Zeit leben hier etwa zehn Mädchen, wahrscheinlich sind sie längst in ihren Zimmern und warten auf die ersten Kunden.

Mit hochgezogenen Augenbrauen erstarre ich in der Bewegung, als mir auffällt, warum Belle so hoch über dem Tisch aufragt, obwohl sie sitzt. Sie sitzt auf dem Schoß von jemandem. Und dieser Jemand beugt sich gerade um Belle herum und mustert mich unter zusammengekniffenen Lidern als wäre ich ein Stück Sahnetorte. Belle winkt mir feixend zu und rutscht auf dem Schoß des Mannes herum, dessen Finger der einen Hand flach auf ihrem Bauch liegen. Die andere Hand liegt zwischen Belles Schenkeln und war wohl gerade auf dem Weg in ihren Hafen, bevor ich reingekommen bin.

»Seit wann dürfen Männer hier oben sein?«, flüstere ich Liv und Ivy zu.

Ivy schenkt mir Kaffee ein und hält mir eine Tasse hin. »Das ist Logan Davonport. Deine Mutter lässt ihm und seinen beiden Freunden so Einiges durchgehen. Unter anderem dürfen sie sich frei im ganzen Haus bewegen, wann immer sie wollen. Das geht jetzt seit ein paar Tagen so. Wir haben ja den Verdacht, dass da etwas läuft, wovon wir nichts wissen.«

Erstaunt sehe ich Ivy an. »Was? Ist das dein Ernst?«

Sie nickt und grinst breit, schielt zu Liv, die schluckt und ihrerseits heftig nickt und grinst. Ich kneife zweifelnd die Augen zusammen. Warum habe ich das Gefühl, dass die beiden mir nur die Hälfte erzählen? Meine Mutter würde doch nicht einfach so für einen Mann die Regeln lockern.

»Wenn du wüsstest, was der Mann für ein Feuer hat.«

Liv kichert leise und beugt sich näher zu mir. »Das wird sie nie rausfinden, dafür sorgt Adrienne schon. Aber so wie Logan dich ansieht, weiß er nichts davon. Der Mann ist wirklich unersättlich. Erst vorhin ist er zusammen mit deiner Mutter und Ivy aus ihrem Zimmer gekommen.«

Ivy kneift fest die Lippen zusammen und sieht mich ernst an. »Ja, er ist ein ganz schöner Bulle.«

Ich werfe Logan Davonport einen heimlichen Seitenblick zu. Leider starrt der mich noch immer äußerst interessiert an, so dass mein abschätzender Blick ihm nicht entgeht. Auf seine vollen Lippen tritt ein breites Grinsen. Der Mann ist unfassbar attraktiv. Nicht auf die hübsche Weise, sondern auf die sexy, wilde Weise. Die, die mich dazu bringt, über meine Lippen zu lecken. Ich habe nämlich eine Schwäche für ältere Männer. Nicht alte Männer. Nur die, die etwa zehn Jahre älter sind als ich und schon deutlich mehr Erfahrung mit sich herumtragen als die Jungs in meinem Alter. Und an diesem Prachtexemplar ist wirklich alles so, wie ich es mir in meinen Träumen gerne zurechtbastle.

Belle rutscht gerade von seinem Schoß und mir stockt der Atem, als ich ihn endlich ganz bewundern kann. Der Mann sitzt nur in eine enge Jeans gekleidet am Tisch. Das dunkle, nachtschwarze Haar fällt ihm in dicken Wellen wild um sein Gesicht. Es ist kinnlang und verleiht ihm etwas Piratenhaftes. Sein Unterkiefer ist sehr scharf geschnitten und sein Kinn ist breit und sehr männlich. So männlich wie auch sein durchtrainierter, muskelbepackter Körper.

»Wenn deine Mutter dich dabei erwischt, wie du ihn ansiehst, wird sie dich an deinen Haaren hier raus zerren und dir den Hintern versohlen«, sagt Belle und stellt sich zu uns.

Ich löse meinen Blick von Mr Davonport und verziehe spöttisch das Gesicht. »Adrienne muss lernen, dass ich jetzt erwachsen bin. Außerdem hatte sie doch auch ihren Spaß mit ihm.«

Meine Mutter steht schon seit Jahren nicht mehr für Freier zur Verfügung. Seit sie die Vierzig überschritten hat, fühlt sie sich zu alt für diesen Beruf. Sie überlässt den Mädchen die Aufgabe, den Männern ihre Wünsche zu erfüllen. Deswegen erstaunt es mich umso mehr, dass sie für Davonport eine Ausnahme gemacht hat. Aber selbst ich werde bei dem heißblütigen Versprechen in den Augen dieses Mannes ganz kribbelig und kann mich kaum zurückhalten. Er sieht mich noch immer an und ich kann nur daran denken, mich wie eine rollige Katze an ihn zu schmiegen.

»Hatte sie, aber du wirst nicht deinen Spaß mit ihm haben, das ist unser Job«, wirft Ivy streng ein und stößt Liv in die Seite. Ich kneife misstrauisch die Augen zusammen, aber Ivys Gesicht bleibt todernst.

»Das hatte ich auch gar nicht vor. Aber Frau wird doch wohl mal einen Blick riskieren dürfen, schließlich sieht sie so ein Prachtexemplar nicht jeden Tag«, flüstere ich. »Wo ist eigentlich Susi? Ein Außentermin?« Susi ist das Mädchen, das kurz vor meiner Abreise zu uns gestoßen ist. Adrienne hat sie, im wahrsten Sinne des Wortes, aus der Gosse gezogen. Ein Freier hat Susi grün und blau geschlagen und vor einem Pub abgeladen. Die meisten Besitzer von Geschäften und Pubs, in den berüchtigten Vierteln Glasgows, kennen meine Mutter und rufen sie an, wenn sie ein Mädchen finden, dem es nicht gut geht.

Das Destiny ist nicht nur ein Bordell, die Mädchen arbeiten auch als Escorts. Als Escorts oder Callgirls stehen sie Männern – meist Geschäftsleuten - für private Treffen oder für Geschäftsessen zur Verfügung. Nicht selten nimmt ein Kunde sie danach mit auf sein Zimmer.

»Ja, sie ist heute draußen«, bestätigt Belle. »Ich später auch.« Sie grinst, als sie das sagt.

»Wieder dein Milliardär?«, rät Ivy.

»Mädchen, 17:00 Uhr ist schon seit fünfzehn Minuten vorbei«, gellt die dunkle, raue Stimme meiner Mutter durch das Haus.

»Die Arbeit ruft.« Ivy drückt mir einen Kuss auf die Wange und flattert hüpfend aus dem Esszimmer.

Liv stellt ihre Tasse Kaffee auf den Büfetttisch und neigt sich mir entgegen. »Jemand sollte ihm sagen, dass du nicht zum Angebot gehörst. Ich glaube, er denkt, du bist Frischfleisch.«

»Oder wir sagen gar nichts und lassen der lieben Hope etwas Spaß, bevor der Hausdrachen ihr wieder alles verdirbt«, sage ich und schiebe Liv und Belle in Richtung Tür.

Ich schenke mir noch einmal Kaffee nach und werfe einen Blick über die Schulter zurück, wo Logan Davonport sich geschmeidig wie ein Tiger von seinem Platz erhebt und auf mich zukommt.

»Wir beide hatten noch nicht das Vergnügen«, sagt er mit rauer, leiser Stimme, die wie Honig über meine Haut fließt. Ich wende mich zu ihm um und lehne mich lässig mit meinem Hintern gegen den Tisch.

»Hast du Adrienne nicht gehört? Die Schicht geht los. Bestimmt wartet schon ein Kunde auf dich. So ein hübscher Junge wie du hat doch sicherlich eine lange Vorbestellliste.«

Er bleibt etwa zwei Schritte vor mir stehen und legt mit gerunzelter Stirn den Kopf schief. »Es gibt keine Liste mit meinem Namen. Aber deine ist bestimmt ziemlich lang. Gut, dass ich hier ein paar Freiheiten genieße.«

»Da wird leider nichts draus, das Personal darf sich nicht miteinander vergnügen«, sage ich und sehe den Mann ernst an. »Das dürfen wir nur, wenn es ein Job ist. Und da deine Kundschaft wohl kaum wegen der Frauen hierherkommt, werden wir auf ein gemeinsames Spiel verzichten müssen.« Ich lege den Kopf schief, starre in seine faszinierend hellen, silberfarbenen Augen, dann lasse ich provokativ meinen Blick an seinem Körper nach unten gleiten und beiße mir dabei genussvoll auf die Unterlippe. »Eigentlich schade. Aber Regeln sind nun einmal Regeln.«

Logan beugt sich leicht nach vorne, seine Augen ruhen auf meinem Gesicht. »Vielleicht hast du mich nicht verstanden, aber ich bin Gast hier.«

»Oh«, keuche ich gespielt entrüstet. »Gäste dürfen doch nicht hier hoch. Dass du doch hier bist und - nun ja, dieser leicht tuntige Touch, den du mit dir herumträgst … Also, ich war mir sicher, dass du schwul bist.«

Er blinzelt und weicht mit weit aufgerissenen Augen einen Schritt vor mir zurück. »Also, mir hat man schon viel nachgesagt, aber noch nie, dass ich tuntig rüberkommen würde.«

Ich zucke lässig mit den Schultern und stelle meine Tasse neben mich auf dem Tisch ab.

»Da wir das jetzt also geklärt haben …«, knurrt Logan heiser und kommt wieder näher. Seine Finger streichen langsam an meinem Arm nach oben und lassen kleine Flammen auf meiner nackten Haut tänzeln.

Ich halte den Atem an. Ich kenne diesen Mann kaum fünf Minuten und schon ruft eine eigentlich harmlose Berührung solche Reaktionen in mir hervor. Mein Herz klopft heftig und ich bin unfähig, meinen Blick von seinem zu lösen.

Ich habe noch nie zuvor einen Mann getroffen, der so viel Arroganz, Macht und Selbstsicherheit ausstrahlt wie dieser. Und obwohl keine davon eine lobenswerte Eigenschaft ist, ziehen sie alle mich total an. Er sieht mich auf eine Art an, die so gefährlich wirkt, dass ich schaudernd denke, dieser Mann muss der Teufel persönlich sein. Und nach allem was man so hört, soll der Teufel ziemlich sexy sein. So sexy wie dieser Logan, dessen hungrige Augen auf mich gerichtet sind. »Auf was hast du Lust?«

»Hope!«, knurrt eine andere, nicht so erotische, dafür aber mächtig wütende Stimme. Erschrocken fahre ich zusammen und sehe zur Tür, in deren Rahmen meine Mutter mit vor der Brust verschränkten Armen steht und mich mit Blicken niederstreckt.

»Ich denke, ich habe wohl anderes zu tun«, flüstere ich Logan Davonport zu und schiebe mich mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung an ihm vorbei. Meine Mutter schlingt ihre Finger um meinen Oberarm und zieht mich aus dem Esszimmer. Sie ist so wütend, dass ihre schmalen blonden Brauen sich fast über der Nasenwurzel treffen und sich tiefe Falten in ihr Gesicht graben. Meine Mutter und ich sehen uns kein bisschen ähnlich. Sie ist weißblond, mein Haar ist dunkelbraun. Ihres fällt eher leicht und dünn bis auf ihre Schultern, meins reicht mir nur bis knapp über die Schultern und ist voll und lockig. Ihre Augenbrauen sind so hell, dass man das blasse Blond nur erahnen kann. Meine sind dunkel und recht ausdrucksstark. Meine Mutter ist etwa einen halben Kopf kleiner als ich und sehr schlank. Ich dagegen bin eher weiblich mit einer Sanduhrenfigur. Nicht dass ich behaupten will, dass ich meinen Busen von meinem Vater geerbt habe, aber ich vermute, der Rest an mir stammt von ihm. Leider kann ich das nicht bestätigen, da ich nicht weiß wer mein Vater ist. Und meine Mutter hasst es, wenn ich sie auf ihn anspreche.

»Ethan, würdest du bitte Hopes Sachen wieder in ihr Auto bringen?«

Ethan, der anscheinend der neue Bodyguard im Haus ist, nickt, mustert mich kurz und fährt sich dann über das kurze hellbraune Haar.

»Du musst sie nicht ins Auto bringen, aber vielleicht bist du so nett und bringst sie in mein Zimmer? Meins ist das ganz am Ende des Ganges«, sage ich und lächle den breitschultrigen Mann an, der kaum größer ist als ich. Und für einen Mann ist das nicht wirklich groß, denn ich bringe es nur gerade so auf 170 Zentimeter, was vielleicht für eine Frau okay ist, aber für einen Mann? Auf mich wirkt er zumindest nicht halb so beeindruckend, wie Mr Davonport, der gerade im Flur hinter uns auftaucht und mir ein amüsiertes Zwinkern zuwirft.

»Bemüh dich nicht, Ethan. Ich kann das auch machen«, sagt er und ist schon auf halbem Weg zur Treppe.

»Danke, Boss«, meint Ethan und das klingt kein bisschen unterwürfig, sondern eher freundschaftlich. Verwirrt sehe ich Logan hinterher, der sich noch einmal grinsend zu mir umdreht, bevor er die Stufen nach unten geht. Ethan ist also einer von Logans Männern, die seit Neuestem im Destiny wohnen. Was geht hier vor sich?

»In mein Büro«, befiehlt meine Mutter jetzt und zieht wieder an meinem Arm.

»Ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, sage ich zynisch, folge ihr aber.

Meine Mutter blickt kühl über ihre Schulter zurück und ihre dunkelgrünen Augen funkeln mich an. Ich weiß, dass dieser Blick nichts Gutes bedeutet.

Kaum hat sie mich in ihr Büro gezogen, wirft sie hinter uns auch schon die schwere Holztür zu. »Ich habe Danas Wohnung für dich herrichten lassen, du kannst sofort einziehen.« Sie geht um den schlichten weißen Schreibtisch herum, der so vor den beiden Rundbogenfenstern steht, dass Mutter hinaussehen kann. Die Bewegung der Bäume im Wind zu beobachten, hat eine beruhigende Wirkung auf sie. Nur wenn sie sich wegen mir aufregt, dann hat das nie geholfen.

Ich habe immer verstanden, dass sie sich nur um mich sorgt, aber das muss sie jetzt nicht mehr tun. Ich bin erwachsen. Müde lasse ich mich auf die burgunderrote Chaiselongue sinken, auf der ich als Kind immer geschlafen habe, während Adrienne ihren Bürokram erledigt hat und die Mädchen in ihren Zimmern das nachgeholt haben, was sie während der Nächte nicht tun konnten: schlafen. Tagsüber war es immer sehr ruhig in diesem riesigen Haus gewesen. Wahrscheinlich hat sich bis heute nichts daran geändert.

Als Kind hatte ich keine Ahnung von dem, was in der unteren Etage passiert. Ich durfte nie dorthin. Alles, was ich wusste, war, dass jeden Abend einige Autos vor dem Haus parkten, aus denen Männer stiegen und dann hörte ich Stimmen und Gelächter von unten bis hoch in mein Zimmer, wo Tante Dana - Mutters beste Freundin aus Kindertagen - auf mich aufpasste, mir vorlas und mich ins Bett brachte.

»Ich will nicht in Danas Wohnung, das weißt du. Ich will hier wohnen. Das habe ich immer und es war nie ein Problem.«

»Du hast auch nie gegen die Regeln verstoßen«, sagt sie trocken und sieht mich mit der Gewissheit an, dass ich mich ihr nicht widersetzen kann. Doch das werde ich. Mir ist egal, wie sehr sie mich hier raushaben will. Dies ist mein Zuhause. Sie hat ihren Willen bekommen, als sie mich auf eine Universität in London geschickt hat, damit ich mir anschauen kann, wie ein Leben außerhalb dieser Wände sein könnte. Dieses Mal aber werde ich nicht nachgeben.

»Ich habe auch heute nicht gegen die Regeln verstoßen.«

»Du hast mit einem Freier geflirtet«, wirft sie mir vor.

Ich schnaube, reibe mir mit den Fingerspitzen die Schläfen und sehe sie trotzig an. »Ich habe nicht geflirtet, er hat geflirtet. Und das war nicht mein Fehler, sondern deiner. Du hast ihm erlaubt, sich hier oben aufzuhalten. Und wir wissen beide, dass er mehr als ein Freier ist. Was ist hier los?«

Meine Mutter blinzelt nervös und wischt mit ihren Händen über das mitternachtsblaue lange Kleid, das ihr Kompromiss an die Männer ist, die mit bestimmten Erwartungen hierherkommen. Viel lieber würde sie in einem bis zum Hals zugeknöpften Anzug herumlaufen. Der würde aber nicht zu dem passen, für das das Destiny steht.

»Für dich gilt diese Regel wohl auch nicht mehr«, werfe ich ein. Nicht, weil ich verärgert wäre. Aber ich bin neugierig, warum sie gerade für Logan eine Ausnahme gemacht hat. Was ist so besonders an diesem Mann, dass meine Mutter ihm nicht widerstehen kann? Sogar mit ihm schläft. Zusammen mit einem ihrer Mädchen. Und warum ist er noch hier?

Adrienne schüttelt den Kopf und weicht meinem Blick aus. »Du wirst ihm aus dem Weg gehen. Dieser Mann ist gefährlich und er spielt nicht nur.«

Genervt verdrehe ich die Augen. »Ich hatte nicht vor, mit ihm zu schlafen. Und ich werde hierbleiben. Wenn du nicht willst, dass er mit mir flirtet, dann sorge dafür, dass er unten bleibt.«

»Das geht nicht. Ihm gehört die Security Firma, die jetzt für uns arbeitet.«

Ich reiße erstaunt die Augen auf. »Dann ist er gar nicht wirklich ein Freier? Seit wann lässt du zu, dass die Mädchen mit den Bodyguards schlafen?«

Sie lässt die Schultern sinken und spielt nervös mit einem Stift. »Er ist auch Klubmitglied. Wir hatten ein paar Probleme in den letzten Wochen, also hat er angeboten, seine Männer hier zu postieren.«

Und warum wissen die Mädchen nicht, weswegen die Männer hier wohnen?«

»Ich will sie nicht beunruhigen. Die Sache betrifft nur mich.«

Kopfschüttelnd stehe ich auf. Ich bin erschöpft und müde von der Fahrt. Außerdem verstehe ich jetzt noch weniger, wie es dazu gekommen ist, dass meine Mutter mit einem Geschäftspartner und Kunden geschlafen hat. Vielleicht verstehe ich es ein bisschen, wenn ich daran denke, wie verstörend und anziehend zugleich dieser Mann selbst auf mich gewirkt hat. Aber Adrienne hat recht, er ist und bleibt ein Kunde und ist daher nicht von Interesse für mich. Weil ich absolut nicht in Erwägung ziehe, meiner Mutter den Gefallen zu tun, ihr etwas zu geben, das ihr die Chance ermöglicht, mich vor die Tür zu setzen.

»Ich halte mich von ihm fern, aber ich bleibe.«

»Das habe ich mir schon gedacht. Dein Zimmer ist hergerichtet.«

ZWEI

Ich sitze am Schreibtisch und starre auf die leere weiße Seite eines Notizbuchs, als Ethan den letzten Karton aus meinem Auto in mein Zimmer stellt. »Danke«, sage ich flüchtig lächelnd zu dem Bodyguard. Er kommt ein Stück näher und schaut über meine Schulter auf die leere Seite.

»Was machst du da?«, will er grinsend wissen.

Ich seufze. »Notizen zu einem Manuskript?« Ein ehemaliger Schulkamerad hat vor ein paar Tagen Kontakt zu mit aufgenommen, um mir sein Manuskript vorzustellen. Es ist sein erstes Buch und er will meine Meinung dazu, aber ich bin mir noch unschlüssig. Das Genre ist einfach nicht meins; zu brutal, zu blutig, zu grausam. Ich bin nicht sicher, ob ich objektiv genug an ein solches Manuskript herangehen kann. Aber ich versuche es.«

Er zieht einen Mundwinkel hoch und in seinen hellblauen Augen funkelt es belustigt. »Und es ist so gut oder so schlecht, dass dir nichts dazu einfällt? Oder ist es dein Eigenes? Über dein Leben als leichtes Mädchen in der gehobenen Gesellschaft Glasgows?«

Ich lache laut auf und schüttle dann den Kopf. Mit meinem Finger deute ich Ethan, sich zu mir herunterzubeugen. »Ich verrate dir ein Geheimnis.« Grinsend lege ich meine Hände um eins seiner Ohren und flüstere: »Ich bin gar kein Callgirl, nur Adriennes auf eine Uni verstoßene Tochter, die zufällig auch in diesem Haus lebt.«

Ethan richtet sich lachend wieder auf. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich Logan nicht darüber aufkläre. Könnte lustig werden.«

»Ganz wie du meinst«, sage ich und überlege, was das zu bedeuten hat. Ethan hebt die Hand zum Abschied und verlässt breit grinsend mein Zimmer. Ich wende mich wieder dem leeren Notizbuch zu und kneife die Lippen zusammen. Und anstatt mich auf mein Gutachten zu konzentrieren, kann ich nur an diese silbernen Augen denken. Das Gefühl auf meiner Haut, als Logan mich gestreichelt hat, und den Rhythmus meines Herzens, als er mir so nahe war. Und die ganze Zeit weiß ich, dass er sich im selben Haus befindet wie ich. Das macht es noch schlimmer.

Wütend schiebe ich mein Notizbuch von mir weg, stehe von meinem Stuhl auf und ziehe die Vorhänge vor die Fenster. Zuvor werfe ich einen flüchtigen Blick durch die Scheiben nach unten, wo sieben teure Nobelschlitten warten, während ihre Besitzer sich direkt unter meinen Füßen mit meinen Freundinnen amüsieren. Als Kind habe ich mir vorgestellt, dass all diese Männer hierherkommen, weil meine Mutter weiß, wie man tolle Feste ausrichtet. Ich war zwölf, als mir klar wurde, was diese Männer hier wirklich suchen: Spaß, Befriedigung und manchmal auch nur etwas Wärme und Nähe. Weswegen war wohl Logan Davonport hier Mitglied?

Als ich am nächsten Morgen aufstehe, sind nur das Küchen- und Reinigungspersonal schon fleißig. Die Mädchen erholen sich noch immer von einer langen Nacht mit einer rauschenden Party und allem, was eben sonst noch so in einem Haus wie diesem nachts passiert.

Das Frühstück der Angestellten habe ich schon verpasst, aber eine Tasse Kaffee findet sich natürlich immer. Ich setze mich an die lange Tafel und gähne müde. Heute ist mein erster Arbeitstag als Lektorin in einem mittelgroßen Verlag. Meine Bewerbung habe ich schon von London aus eingereicht und dank einiger Referenzen wurde ich auch sofort eingestellt. Trotzdem bin ich unsicher und habe irgendwie das Gefühl, dass ich für die Arbeit in einem Verlag noch nicht genug Erfahrung habe. Ich puste vorsichtig in die Tasse, der aromatische Duft steigt mir in die Nase und ich seufze genüsslich. Entspann dich, sage ich mir selbst. Du schaffst das. Natürlich werde ich das.

»Ich habe dich letzte Nacht vermisst.« Eine tiefe, dunkle Stimme lässt mich zusammenfahren. Ich brauche nicht aufsehen, ich weiß auch so, dass sie Logan Davonport gehört.

»Hatte Urlaub«, sage ich und nippe an meinem Kaffee. »Und du bist viel zu früh wach für jemanden mit deinem Job. Haben dich die älteren Herren nicht genug gefordert?« Warum spiele ich dieses Spiel weiter? Weil es mich zu sehr reizt, dass dieser Mann mit mir flirtet. Es fühlt sich gefährlich an. Und es ist verboten. Weiß er noch immer nicht, wer ich bin?

Er kommt auf mich zu, zieht sich einen Stuhl zurück und setzt sich so nahe neben mich, dass seine Knie meinen Oberschenkel berühren. Automatisch schiele ich vorsichtig nach unten, wo der Saum meines Rockes nicht einmal mehr meine Knie bedeckt. Ich überlege, mein Bein wegzuziehen, entscheide mich dann aber dagegen. Nicht, weil mich seine Berührung beängstigt. Sondern, weil ich ihm nicht zeigen will, dass ich es überhaupt bemerkt habe.

»Vielmehr haben die Mädchen es nicht geschafft, mich restlos zu befriedigen.« Er streicht mit einem Finger zärtlich über mein Knie und ich unterdrücke mit aller Kraft den Schauer, der sich durch meinen Körper arbeiten will. »Dabei bezahle ich ziemlich viel Geld dafür, dass ich hier bekomme, was ich möchte.«

Ich schnappe gespielt erstaunt nach Luft. »Mr Davonport, ich bin entrüstet. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass sie in diesem Haus nicht rundum glücklich gemacht werden?«

Er beugt sich näher zu mir und sieht mir tief in die Augen. Er riecht frisch geduscht. Sein Haar ist auch noch feucht und liegt streng an seinem Kopf an. Er muss also bei einem der Mädchen übernachtet haben. Plötzlich frage ich mich, bei welchem und ob vielleicht noch mehr Mädchen neben ihm eingeschlafen sind. Dass er am Morgen noch immer hier ist, bestätigt nur wieder, dass er besondere Rechte genießt. Auch die Bodyguards durften bisher nie im Destiny übernachten.

»Ich wäre rundum glücklich, wenn wir beide runtergehen könnten in eins der Zimmer. In meinem Kopf spielen sich gerade ein paar interessante Szenen ab. Da gibt es Handschellen, verbundene Augen …«

Ich hebe die Hand und winke ab. »So verlockend das auch klingt, aber ich habe andere Pläne. Und überhaupt, ich suche mir die Männer, mit denen ich »Blinde Kuh« spiele selbst aus. Und du bist nicht das, was mir für solche Spiele vorschwebt.« Mit zusammengekniffenen Lippen schnaube ich abfällig und schiebe meinen Stuhl zurück, um aufzustehen. Doch Logan hindert mich daran, seiner Nähe und diesem rauen Duft nach Mann zu entkommen, der ihm trotz der Dusche, die er eben gehabt haben musste, noch immer umgibt.

»Ich weiß nicht, warum du glaubst, du könntest mir entkommen, aber das wirst du nicht. Ich werde dich nicht zwingen. Ich zwinge nie eine Frau, sie kommen alle freiwillig zu mir. Aber ich werde dich haben, schon bald.«

»Du zwingst also nie eine Frau?«, frage ich zornig. Dieser Mann ist Stammkunde in einem Freudenhaus. Die Mädchen, die hier für meine Mutter arbeiten, tun das jetzt vielleicht freiwillig. Sie könnten jederzeit gehen, weil sie hier genug Geld verdienen, um außerhalb dieser Mauern ein zufriedenes Leben führen zu können. Aber bevor sie hierherkamen, waren sie alle auf irgendeine Weise gezwungen, mit Männern zu schlafen. Und oft genug sind sie dabei an die miesesten Typen geraten, die man sich vorstellen kann.

»Mit wie vielen professionellen Mädchen hast du schon geschlafen? Nicht hier. Da draußen. Dort, wo sie diesen Job tun müssen, weil man sie dazu treibt, weil sie anders nicht überleben können, weil das Schicksal es einfach nicht gut mit ihnen meint?«

Logan Davonport lässt meinen Stuhl los und geht mit grimmiger Miene auf Abstand. »Ich nutze solche Frauen nicht aus. Die Frauen, zu denen ich gehe, machen ihren Job gerne.« Er steht auf, sieht mich noch einen Moment abschätzend an, dann verlässt er den Raum und ich atme erleichtert auf. Was ich gesagt habe, hat ihn sichtlich wütend gemacht. Er wirkte sogar verletzt, weil ich angenommen hatte, er würde Frauen für sein Vergnügen benutzen, die dazu gezwungen waren, ihren Körper zu verkaufen.

Wahrscheinlich wäre auch ich wütend gewesen, unbeabsichtigt habe ich ihm Vergewaltigung unterstellt. Denn nichts anderes war es, wenn Frauen mit Gewalt dazu gebracht wurden, ihren Körper zu verkaufen. So wie es meine Mutter und Dana erlebt haben. Ich muss ein paar Mal tief durchatmen, bevor ich mich wieder bewegen kann. Ich kann nicht einmal sagen, weswegen genau ich so angespannt bin: War es Logans Reaktion auf meinen Vorwurf, seine Nähe oder die Tatsache, dass ich schon viel zu lange keinen Sex mehr hatte und ich seit unserem ersten Zusammentreffen ständig daran denken muss, wie es sich anfühlen würde, Logan Davonports Hände auf meinem Körper zu spüren? Meine Hände zittern und ich muss sie ein paar Mal zur Faust ballen und wieder öffnen, bevor ich nach meiner Handtasche greifen kann.

»Ganz ruhig, Hope«, befehle ich mir. Dieser Kerl ist vielleicht ein Prachtstück von einem Mann, wahrscheinlich geschaffen vom Teufel höchstpersönlich, um uns Frauen zu verführen und zu Sünderinnen zu machen, aber ich werde schön meine Finger von ihm lassen und dem Teufel nicht den Gefallen tun, aus mir ein böses Mädchen zu machen. Ich werde diesen Mann nicht einmal mehr ansehen, geschweige denn in seine Nähe kommen. Nur ein Fehler und Adrienne wirft mich aus diesem Haus und verdammt mich dazu, in ewiger Einsamkeit in Tante Danas Eigentumswohnung zu leben. Meine Zeit weit weg von meinen Freundinnen ist für mich vorbei. Jetzt bin ich wieder hier und das will ich auch bleiben.

Mit großen, möglichst selbstsicheren Schritten verlasse ich das Esszimmer, auf keinen Fall soll Logan auch nur ahnen, wie zerrissen ich mich fühle. Aber nur Ethan steht im Gang, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Ich sehe über das Geländer in die Halle, auch dort steht ein Mann unten direkt vor der Treppe. Er blickt unbewegt auf die Ausgangstür. Von hier oben kann ich nur sehen, dass er enorm breite Schultern und Oberarme hat. Und sein Haar ist so kurz geschoren, dass ich nicht einmal sagen könnte, welche Farbe es hat. »Noch einer von euch?«, flüstere ich Ethan zu.

»Das ist Dimitri«, bestätigt er.

Ich schüttle den Kopf. »Wenn ich von der Arbeit zurück bin, musst du mir erklären, was hier passiert ist.« Wahrscheinlich hätte ich das gestern schon fragen sollen, aber da hatte ich andere Dinge im Kopf. Und so ungewöhnlich sind Beschützer im Haus eigentlich nicht. Wir hatten immer welche hier. Nur nie so viele auf einmal. Und zählt man Logan mit dazu, befinden sich derzeit drei Männer im Haus. Andererseits ist Logan auch ein Freier … »Schläfst du eigentlich auch mit den Mädchen?«

Ethan sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann setzt er ein schiefes Grinsen auf. »Ich bin Single, lebe zurzeit hier, umgeben von einer Menge hübscher, halbnackter Mädchen. Ich wäre kein Mann, wenn ich dazu nein sagen würde, also ja.«

Ich verdrehe seufzend die Augen. Was hat sich hier noch geändert? Meine Mutter will mich raus haben, mehr als jemals zuvor. Aber Männer wohnen jetzt in diesem Haus. Ich sollte unbedingt herausfinden, was hier läuft. Aber nicht jetzt. Ich kann unmöglich schon am ersten Arbeitstag zu spät kommen.

Als ich unten an Dimitri vorbeikomme, grüße ich ihn, bleibe sogar kurz vor ihm stehen, um ihn genauer zu mustern. Was absolut erwähnt werden sollte, ist, dass der Mann sich nicht bewegt. Sein Blick ist wie der einer Statue geradeaus gerichtet. Er zwinkert nicht einmal. Er ist wie einer dieser Gardesoldaten vor dem Buckingham Palast. Um diese Theorie zu prüfen, schnipse ich mit den Fingern vor seinem Gesicht. Jeder Mensch, einschließlich mir, hätte zumindest ein Grinsen unterdrücken müssen, nicht so dieser Mann mit dem kantigen Gesicht und den hohen scharf geschnittenen Wangenknochen, die seine russische Herkunft verraten.

»Das ist Jenny, Ihre Assistentin«, stellt Richard, mein neuer Chef, mir eine Frau vor, die etwa in meinem Alter sein dürfte. Die junge Frau mit dem mitternachtsschwarz gefärbten Haar, in dem sich lilafarbene und grüne Strähnen befinden, strahlt mich so glücklich an, als wäre ich eine alte Bekannte, die sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen hat. Ihre beiden Seitenzöpfe hüpfen aufgeregt auf und ab, als sie überschwänglich nickt und mir ihre Hand reicht.

»Hallo, nenn mich Jen. Ich warte schon ganz ungeduldig auf dich«, sagt sie freundschaftlich. Ich mag sie sofort. Sie erinnert mich ein wenig an Mary, meine Mitbewohnerin in London. Wir haben uns gut verstanden. Ich würde sagen, sie war für mich das, was einer Freundin nahe kommt. Ich nehme Jens Hand und schüttle sie. Ihre Finger sind lang und feingliedrig, umso weniger passt der schwarze Nagellack zu ihnen.

»Ich bin Hope, und ich freue mich schon, dich besser kennenzulernen«, sage ich und gebe mir Mühe, nicht zu künstlich und übertrieben zu klingen. Ich will nicht schon in den ersten Sekunden einen schlechten Eindruck bei ihr erwecken, indem sie vielleicht das Gefühl bekommt, meine Freundlichkeit wäre nur gespielt. Es kann eine neue Arbeit nur besser machen, wenn man sich gut versteht.

»Am besten ist, Sie lassen sich Ihr Büro von Jenny zeigen«, schlägt Richard geradezu erleichtert vor. Er scheint kein Mann der vielen Worte zu sein, was eigentlich widersprüchlich ist, da Bücher die meiste Zeit aus vielen Worten bestehen. Trotzdem scheint er geradezu hocherfreut zu sein, mich nicht länger herumführen zu müssen. Er nickt Jen und mir noch einmal zu, dann verlässt er das Büro zufrieden. Jen steht mit strahlendem Gesicht auf und geht auf eine weitere Tür zu.

»Dann wollen wir mal.« Sie steht hinter ihrem Schreibtisch auf und öffnet die Tür in dem Moment, in dem ich feststelle, dass das feine Kostüm, das sie trägt, überhaupt nicht zum Rest ihrer Erscheinung passt. Wahrscheinlich trägt sie es nur, um zumindest ein wenig auszusehen, wie es von einer Assistentin erwartet wird. Ob ich ihr sagen soll, dass es mich auch nicht stören würde, wenn sie in löchrigen Jeans ins Büro käme? Aber vielleicht würde es Richard stören, deswegen wische ich meine Gedanken beiseite und konzentriere mich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge, nämlich mein neues Büro.

Es ist klein und nicht anders, als ich es erwartet habe; gemütlich, hell durch die schlichten weißen Möbel und das große Fenster mit Blick auf den Maryhillpark vor dem Verlagshaus. Es gibt einen Schreibtisch, zwei Bücherregale, ein kleines gemütliches Sofa mit einem niedrigen Tisch davor. An den Wänden hängen ein paar Werbeposter von Büchern, die im Verlag veröffentlicht wurden. Zwei der Bücher habe ich schon gelesen, um mir ein besseres Bild von der Arbeit des Verlags machen zu können. Ein anderes kannte ich schon vorher. Ich gehe zu den Regalen hinüber und sehe mir die Buchrücken an. Das Programm des Verlags ist weit gefächert und reicht von Liebesromanen, über Krimi und Thriller bis hin zu Biografien berühmter Persönlichkeiten. Letzteres wird hauptsächlich mein Gebiet sein.

Jen lässt sich auf das Sofa fallen und legt ihre Füße übereinander. »Und? Gefällt es dir?«

»Ja, es ist toll.«

»Mir auch«, sagt sie. »Also sei vorgewarnt, ich werde ganz oft mit Kaffee zu dir kommen und dann werden wir hier sitzen und über alles Mögliche reden, nur nicht über Bücher.« Sie grinst mich breit an. Ich bin mir sicher, sie hat nicht die Arbeit oder mein Büro gemeint, als sie fragte, ob es mir gefällt.

»Du meinst also, wir werden möglichst wenig arbeiten, dafür aber viel tratschen?«, frage ich.

»Genau das werden wir tun. Sobald wir den riesigen Berg abgearbeitet haben, der liegengeblieben ist, seit Cora gegangen ist.«

Ich setze mich auf den Schreibtisch und sehe Jen fragend an. »Meine Vorgängerin?«

Jen nickt und wirkt plötzlich etwas bedrückt. »Sie ist krank geworden, Krebs.«

Ich schlucke heftig. Ich möchte nicht daran denken, dass ich diese Stelle wohl nur deswegen bekommen habe, weil sie schnell Ersatz brauchten, aber das wird wohl der Grund sein. Viel lieber wäre ich mit dem Wissen eingestellt worden, dass ich gut genug für diesen Job bin. Ein bisschen nagt auch das schlechte Gewissen an mir, ich will niemanden diese Arbeit wegnehmen. Bestimmt liegen ihr einige Projekte sehr am Herzen. Zu wissen, dass meine Vorgängerin einfach so aus etwas, das ihr vielleicht sehr wichtig war, herausgerissen wurde, fühlt sich merkwürdig an. Wie ein dumpfes Drücken in meiner Brust. »Das tut mir leid.«

»Sie hat gute Chancen, dass sie geheilt wird. Aber die Therapie und so … Sie will dann erst einmal zu Hause bleiben.«

»Das verstehe ich«, sage ich, rutsche von der Schreibtischplatte und sehe mich verlegen auf dem Schreibtisch um, auf dem sich einige Mappen stapeln. »Und die sind also der Grund, weshalb du mich so sehr erwartet hast?«

»Richtig, das sind die derzeit offenen Projekte.« Sie steht auf und kommt zu mir herüber, um eine Mappe aus dem Stapel zu ziehen. »Und das hier ist ganz besonders wichtig. Eine Biografie, die längst fertig lektoriert und druckreif sein sollte. Leider ist der Autor kürzlich ... gestorben und hat die Fertigstellung testamentarisch seinem Sohn auferlegt. Und der scheint völlig anderer Meinung über das Leben seines Vaters zu sein als sein Vater selbst.«

Verwundert ziehe ich eine Augenbraue hoch und schlage das Deckblatt des Hefters auf, den Jen mir gegeben hat, nachdem sie ihn aus der Mappe gezogen hatte. Ich werfe einen erstaunten Blick auf die ersten Zeilen des Exposés.

»Charly Walker?« Charly Walker ist wirklich erst vor wenigen Monaten von uns gegangen und er war einer der größten Rockstars der achtziger Jahre. Er war Frontmann der Band Yggdrasil, die bekannt dafür war, ihre Konzerte gerne auch mal von der Bühne kotzend zu geben. Dass ein Verlag diese Biografie gerne auf dem Markt haben würde, kann ich gut verstehen. Die könnte sich als richtig gutes Geschäft erweisen, immerhin hat die Band nie Interviews gegeben und keinerlei Presse in ihrer Nähe geduldet. Diese Biografie könnte wichtig für den Verlag und seine Entwicklung sein. Denn so unberechenbar, gefährlich und durchgedreht die Mitglieder der Band auch waren, ihre Musik hat Millionen Menschen begeistert. Das tut sie noch immer. Noch mehr, seit Charly Walker sich auf seinem Anwesen erschossen hat.

Neugierig blättere ich durch das Exposé. Ich muss gestehen, ich bin sogar etwas aufgeregt. Die Musik der Band hat auch mich berührt: dunkle Texte, jedes Lied eine Erinnerung an eine unglückliche Seele. Das war es, was Yggdrasils Musik so besonders gemacht hat. Jedes einzelne Werk hat die Geschichte eines Menschen erzählt, der etwas Schlimmes erlebt hat. Der zu früh gegangen ist, freiwillig oder unfreiwillig. Als man Charly Walker vor fünf Monaten in seinem Haus gefunden hat, war es, als hätte die Welt für einen Augenblick die Luft angehalten. Bis sie dann verstanden hat, dass sein letztes Werk, zum Zeitpunkt seines Todes auf Platz 1 der britischen Charts, nicht das Leben und den Tod von Nirvana-Frontmann Kurt Cobain, sondern seinen eigenen Tod beschrieben hat. Seither hält sich der Titel wacker in den Charts.

»Genial, oder?« Jen hüpft herum und reibt sich die Hände. »Kannst du dir vorstellen? Er war hier, persönlich. Und er war so nett und toll und sexy …«, schwärmt Jen und legt verträumt den Kopf schief. Charly Walker war eigentlich sogar alles andere als sexy. Er hatte Halbglatze, langes strähnig graues Haar, und seinem eingefallenen faltigen Gesicht hatte man jedes einzelne seiner Rockstar- und Drogenjahre ansehen können. Am Anfang seiner Karriere, da war er nicht gut aussehend, aber sexy. Aber eine Gitarre macht irgendwie aus jedem Mann einen Frauentraum. Bis zu einem bestimmten Punkt und den hatte Charly in den letzten Jahren nicht mehr erreichen können. Nun ja, und während eines Konzertes in die Menge kotzen und urinieren, nimmt einem auch Sexy-Punkte. Ich rümpfe die Nase.

»Glaubst du, er hat seinen Selbstmord die ganze Zeit geplant?«, überlege ich und kann den Blick nicht von der Zusammenfassung der Biografie reißen. »Er schreibt diesen Song, diese Biografie und das alles als Vorbereitung auf seinen Tod?«

»Ich bin mir sicher«, sagt Jen. »Kein einziges Mitglied von Yggdrasil hat je etwas über sein Leben an die Öffentlichkeit weitergegeben. Und eines Tages kommt Charly hier reinspaziert und verkündet, dass er uns alles geben will: über sein Leben, seine Ehe, jedes Geheimnis über die Band und sogar über das Ende der Band. Als er das damals gesagt hat, sind wir von einer Trennung der Band ausgegangen.« Jen beißt sich auf die Unterlippe und sieht mich ernst an. »Wir hatten keine Ahnung, dass er eigentlich von seinem Tod gesprochen hat.«

Ich atme heftig zitternd ein und klappe den Hefter zu, um ihn beiseite zu legen. »Und ihr habt nichts davon an die Presse gegeben«, stelle ich fest. Der Medienaufschrei wird riesig sein, wenn das alles bekannt wird.

»Nein, das war seine Bedingung, nichts aus der Biografie darf an die Öffentlichkeit, bevor das Buch veröffentlicht ist.«

Ich lehne mich gegen den Schreibtisch und kann nicht fassen, wie wichtig dieses Projekt ist. Und ich soll ein Teil von alldem sein. Gerade fühle ich mich, als würde die Last eines Hochhauses auf meine Schultern drücken. »Wie weit sind wir damit?«

»Noch ein paar Änderungen. Derzeit hält der Sohn uns auf. Laut Testament soll er dafür sorgen, dass die Biografie beendet wird. Er soll also die letzten Seiten füllen, so hat Charly es gewollt.«

»Der Sohn soll den Tod seines Vaters beschreiben?«

»Und was danach passiert ist, ja.«

»Ist das nicht etwas viel verlangt von einem Sohn?«

»Glaub mir, damit hat er kein Problem, aber damit, wie seine Mutter in dem Buch wegkommt. Der Umgang mit ihm ist nicht gerade einfach.«

»Ich nehme das Manuskript heute Abend mit und sehe es durch. Würdest du einen Termin mit dem Sohn ausmachen?«

Jen grinst breit und ihre Augen funkeln. »Zu schade, dass ich wohl nicht dabei sein werde.«

»Warum?«, frage ich verwundert.

»Er kommt nicht gerne zu uns. Du wirst wohl in seine Firma müssen.«

»Kommt gar nicht infrage«, werfe ich mit zusammengekniffenen Augen ein. Ich habe etwas dagegen, wenn man mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe. Und ein Manuskript in irgendeiner Firma zu besprechen, ist etwas, das ich nicht will. »Bestell ihm, dass er entweder herkommt, oder ich das Manuskript so wie es ist veröffentliche. Das Ende kann ich dank unzähliger Presseberichte auch ohne ihn schreiben.«

Jen kichert leise. »Wird gemacht, Chefin.«

DREI

Fünf Minuten vor der offiziellen Öffnungszeit betrete ich mit meinen Hausaufgaben unter dem Arm das Destiny durch die Hintertür. Ich habe beschlossen, meiner Mutter so wenig wie möglich aufzufallen, dann hat sie keinen Grund, mich immer wieder darauf anzusprechen, in Danas Wohnung zu ziehen. Ich benutze die ehemals als Dienstbotenaufgang verwendete schmale Treppe, die direkt aus der Küche in das Esszimmer führt. Schon auf den unteren Stufen höre ich Logans dunkle Stimme. Ich halte inne und lausche seinen Worten. Das Kribbeln, das seine Stimme tief in mir auslöst, ignoriere ich.

»Wir sind hier, um euch zu beschützen. Das können wir nicht, wenn ihr nicht macht, was wir von euch verlangen.« Spätestens nachdem ich seine ersten Worte mitbekommen habe, ist dieses wohlige Gefühl, das seine Stimme in mir auslöst, verschwunden und ich bin einfach nur noch entrüstet darüber, wie er mit meinen Freundinnen spricht. In diesem Haus werden Frauen nicht von Männern herumkommandiert.

Ich runzle die Stirn. Er klingt ziemlich aufgebracht. Und dass er meine Freundinnen so anfährt, macht mich wiederum wütend. Schnaubend steige ich die Stufen nach oben und lausche weiter Logans Rede.

»Niemand - und wenn ich das sage, dann meine ich das auch - verlässt dieses Haus alleine.« Bei seinem letzten Wort stehe ich im Esszimmer, wo die Mädchen um den Tisch herum sitzen, Logan an einer der Stirnseiten steht, die Fäuste schwer auf die Tischplatte gestützt, und seine Männer, im Raum verteilt sind. Als Logan mich bemerkt, sieht er kurz zu mir auf, runzelt widerwillig die Stirn und fährt dann mit seiner Ansprache fort. »Das gilt auch für den Park.«

Da er mich nicht für voll nimmt, gehe ich davon aus, dass diese neuen Regeln nicht für mich gelten, ich schnaube also laut und vernehmlich, gehe am Tisch vorbei und zögere im Türrahmen. »Mädels, 17:00 Uhr«, sage ich möglichst beiläufig genau in dem Moment, in dem auch die Stimme meiner Mutter den Flur herunter dringt. »Seit wann haben Männer in diesem Haus das Sagen?«, füge ich an und zwinkere meinen Freundinnen zu. Ivy winkt mir kichernd zu.

Ganz die Barbie, die sie schon immer war, hüpft sie dabei auf ihrem Platz herum. Ohne irgendeine Reaktion von Logan abzuwarten, gehe ich weiter. Hinter mir höre ich die Mädchen lachen und ein dunkles Knurren, das sich unter das Gelächter mischt. Ich rate nur zum Spaß, streiche Dimitri, Ethan und den mir noch unbekannten Wesley Snipes-Verschnitt von der Liste und tippe auf Logan Davonport. Unbeirrt betrete ich mein Zimmer und schließe die Tür hinter mir.

Mit einem zufriedenen Grinsen lasse ich meine Tasche und das Manuskript auf meinen Schreibtisch fallen. Ich sehe seufzend zum Fenster hinaus auf den Park. Eine schwarze Limousine kommt langsam die Einfahrt hoch. Obwohl es draußen noch taghell ist, sind die Lichterketten in den Bäumen schon an. In der Dunkelheit, wenn nur diese Lichter den Park erleuchten, dann wirkt alles himmlisch romantisch. Ich habe diesen Anblick immer geliebt. Als Kind habe ich mich nachts heimlich die Dienstbotentreppe nach unten geschlichen und mich mit Mr Toast, das war mein kleiner grüner Plüschteddy, unter einen Baum gesetzt und beobachtet, wie der Wind die Blätter des Baumes über mir vor die kleinen Glühbirnen geschoben und sie dann wieder freigegeben hat. Das sah aus als würden die Lichter blinken und tanzen. Manchmal haben Mutter oder Dana mich erst spät in der Nacht entdeckt und zurück in mein Bett getragen.

Ich wende mich meinem Schrank zu, um mir einen wärmeren Pulli überzuziehen. Schlüpfe aus der zerknitterten Bluse und öffne die Schranktür. Ich lasse fast den Kleiderbügel fallen, den ich in der Hand halte, als rechts von mir plötzlich die Zimmertür aufgerissen wird und ein vor Wut schäumender Logan Davonport in mein Zimmer platzt. Ich hänge den Kleiderbügel zurück in den Schrank und verschränke die Arme vor der Brust.

»Was zur Hölle sollte das eben?«, knurrt er gefährlich leise. Seine hellen Augen wirken dunkler, wenn er so wütend ist. Er sieht mich abwartend an, dann bemerkt er, dass ich nur in Rock und BH vor ihm stehe. Ich stemme die Hände in die Seiten und ziehe eine Augenbraue hoch.

»Was war was?«

»Du weißt genau, wovon ich rede. Ich versuche hier euer aller Ärsche zu schützen.« Sein Blick rutscht von meinem Gesicht und bleibt auf meinem apricotfarbenen BH hängen. Sein Adamsapfel hüpft, als er schluckt. Ich verschränke die Arme wieder vor der Brust und schaue ihn zornig an, aber nur, um zu überspielen, dass seine Musterung meiner Brüste - mit deren Größe ich übrigens sehr im Einklang bin, um nicht zu sagen, sie sind der Teil meines Körpers, den ich absolut perfekt finde - mir ein heißes Kribbeln im ganzen Körper verursacht. Er blinzelt, als ich mich räuspere und seine Aufmerksamkeit wieder auf mein Gesicht lenke.

»Vielleicht wäre es dann hilfreich, wenn man mich mal aufklären würde. Meinen Informationen zufolge hat, was auch immer hier im Gang ist, nur mit Adrienne zu tun. Warum dann jetzt plötzlich neue Regeln für die Mädchen?« Ich trete einen Schritt auf ihn zu. Mir gefällt, dass ein wenig nackte Haut von mir es schafft, seine Wut verrauchen zu lassen und ihn in etwas zu verwandeln, dass einem Hundewelpen gleichkommt.

Es tut meinem Selbstbewusstsein unglaublich gut, dass ein Mann wie Logan, der wild, maskulin und auch ein bisschen furchteinflößend ist, nur durch meinen Anblick, seine Konzentration verliert. Sein linkes Augenlid zuckt und er wirkt sichtlich nervös. Sein Blick verirrt sich noch einmal flüchtig auf mein Dekolleté, als ich noch einen Schritt auf ihn zugehe. Ich weiß nicht, was dieser Mann an sich hat, aber wenn er in meiner Nähe ist, kann ich nur daran denken, ihn zu erlegen. Obwohl ich so nicht bin. Und gerade bei ihm sollte ich so nicht sein. Nicht nur, weil er ein Freier ist oder ein Angestellter des Klubs - wie man es nehmen will -, sondern auch, weil er Sex mit meiner Mutter und mit wer weiß wie vielen meiner Freundinnen hatte. Auch, wenn alles rein geschäftlich war. Und ich darf nicht vergessen, was passiert, wenn ich ihn wirklich erlege. Dann muss ich mein Zuhause verlassen, keine Macht der Welt kann meine Mutter dann noch davon abbringen, mich hier rauszuwerfen. Ich bleibe stehen, nehme mir einen Pullover aus den Schrank, ohne darauf zu achten welchen, und ziehe ihn mir über.

»Also«, frage ich genervt.

Er schluckt wieder, weicht meinem Blick aus und sein Gesichtsausdruck wechselt von verwirrt-gierig zu unsicher-hilflos. Er holt Luft, dann zögert er. »Es gibt jemanden, der deine Mutter bedroht.«

Jetzt bin ich dran mit schlucken. Er weiß es also. Adrienne hat ihn aufgeklärt. Ihm den Wind aus den Segeln und mir die Chance auf ein bisschen Spaß mit Logan Davonport (den ich ja eigentlich sowieso nicht haben wollte) genommen. Sie hatte also nichts Besseres zu tun, als ihm zu sagen, dass er die Finger von mir lassen soll.

Zu sagen, ich bin nicht enttäuscht, wäre gelogen. Es fühlt sich sogar ein wenig bedrückend an, zu wissen, dass er weiß, dass ich nicht bin, was er angenommen hat. Meine Lockerheit schwindet nicht nur wegen dem, was er eben gesagt hat, sondern auch, weil er weiß, dass ich keins der Mädchen bin.

Irgendwie hat es mir mehr Sicherheit gegeben, mir diese Identität wie einen Schutzmantel umzulegen. Mit einem Mann wie ihm hatte ich noch nie zu tun. Ihm eine Prostituierte vorzuspielen, hat es mir leichter gemacht, ihm auf gleicher Höhe zu begegnen. Jetzt in seinen Augen einfach nur ein junges Mädchen zu sein, vielleicht sogar zu jung für ihn, verunsichert mich.

»Bedroht?«, hake ich nach. Es gab doch schon immer Männer, die nicht glücklich waren, nicht zum erlauchten Kreis der Mitglieder des Destiny zu gehören. Das ist also nichts Neues.

»Er will etwas und dieser Mann ist gefährlich. Wirklich gefährlich. Er saß bis vor ein paar Wochen wegen Mordes.«

»Mord? Aber was will er denn?« Jetzt werde ich doch hellhörig und mein Puls beschleunigt sich. »Ist jemand verletzt worden?«

»Liv ist einem seiner Männer begegnet, als sie heute vom Shoppen zurückkam. Er hat ihr unten am Tor aufgelauert und hat ihr heftig Angst gemacht. Der Typ war wohl mal Livs Zuhälter.« Meine Kehle schnürt sich zu. Wenn Livs Zuhälter nur einer von seinen Männern war, wie mächtig ist der Kerl, mit dem wir es zu tun haben? Ringo ist einer der schlimmsten Männer mit denen wir es im Destiny je zu tun hatten, soweit ich mich zurückerinnern kann. Die Mädchen, die für ihn laufen, sind Frauen, die er entführen lässt, rücksichtslos gefügig macht und so massiv unter Drogen setzt, dass sie alles über sich ergehen lassen.

Dass Adrienne damals Liv aus seinen Fängen freikaufen konnte, war mehr als nur Glück. Liv war so kaputt von dem, was man ihr angetan hat, dass sie für ihn wertlos geworden war. Sie hat lange Zeit im Krankenhaus und in einer Therapie verbracht. Liv ist eins der Mädchen, die hier wohnen, die unten in der Bar Spaß mit den Männern haben und nur selten über Drinks und Flirts hinausgehen. Um wieder als Prostituierte zu arbeiten, ist ihr zu viel Mist passiert. Wir haben ein paar Mädchen hier, denen schlimme Dinge passiert sind. Sie können hier bleiben, weil die anderen Mädchen ihnen von ihren Einnahmen abgeben. So funktioniert das hier. Hier unterstützen sich alle gegenseitig.

»Und die Polizei?«

»Du weißt doch, wie die arbeiten. Solange er sich nicht schuldig macht, passiert gar nichts. Bis dahin ist es wichtig, dass ihr alle macht, was wir sagen. Es geht um eure Sicherheit.«

Ich setze mich auf mein Bett und fühle mich irgendwie überfahren. »Was will er denn?«

Wieder sieht Logan zur Seite, er steckt seine Hände in die Taschen der schwarzen Anzughose, die ihm wirklich sehr gut steht. »Das musst du mit deiner Mutter besprechen. Dazu habe ich nicht die Befugnis. Aber du musst wissen, dieser Mann wird nicht aufgeben.«

Ich stehe wieder auf, straffe die Schultern und gehe auf Logan zu. Er weiß genauso gut wie ich, dass sie mir nichts sagen wird, da bin ich mir sicher. Und das macht mich wütend. »Danke für die Warnung«, sage ich schnippisch. »Ich werde nie wieder eine deiner Ansprachen stören und mich lustig machen. Wenn du jetzt mein Zimmer verlassen würdest?« Ich gehe weiter auf ihn zu, so dass er rückwärts gehen muss, um der Berührung durch meinen Körper auszuweichen. Noch heute Morgen hätte er es begrüßt, mich zu berühren. Ich bin fast ein wenig eingeschnappt. Es ist, als hätte Logan Davonport mit der Wahrheit über mich einen Schutzwall hochgezogen. Hat er Angst vor mir oder nur vor meiner Mutter? Irgendwie wäre es mir lieber, er hätte Angst vor mir.

»Der Park ist auch verboten«, sagt er, bevor er aus meinem Zimmer tritt. Er sieht mich mit diesem Blick an, der mir sagen soll, dass er genau weiß, warum ich den dicken Pullover angezogen habe.

Ich verziehe meinen Mund zu einem schiefen Grinsen. »Zu Befehl, Mr Davonport.« Er weiß es und ich weiß es: Ich werde mich nicht daran halten. Besonders nicht, weil er es von mir verlangt hat.

Das Anwesen ist von einer drei Meter hohen Mauer umgeben. Wer hier nichts zu suchen hat, kommt hier auch nicht rein. Ich ziehe provozierend eine Augenbraue hoch und werfe die Tür vor seiner Nase zu. Vielleicht hätte ich mich an sein Verbot gehalten, wenn er mir etwas entgegengekommen wäre. Aber das hat er nicht getan. Stattdessen hat er mich herumkommandiert. Mit wenigen Worten. Dieser Mann scheint allgemein wenig Worte zu gebrauchen. Er macht mit Blicken klar, was er von jemandem erwartet. Und er scheint es gewohnt zu sein, dass man sich ihm unterwirft. Aber nicht mit mir. Ich habe von meinem ersten Atemzug an gelernt, dass Männer mir nichts zu sagen haben. Dass ich als Frau über mich selbst bestimmen kann.

Bis es dunkel genug ist, harre ich in meinem Zimmer aus. Von unten tönt Gelächter herauf. Nur die Geräusche aus der Eingangshalle und der Bar dringen bis in die obere Etage. Die Separees hat meine Mutter dämmen lassen. Früher war ich noch zu jung, um mir darüber Gedanken zu machen. Es ist mir nicht einmal bewusst geworden. Als ich dann alt genug war, um es zu bemerken, habe ich es zu schätzen gewusst. Aber das Gelächter, die Unterhaltungen, die Stimmen, all das habe ich in London vermisst. Eine Weile konnte ich nachts nicht schlafen, weil mir die Geräusche gefehlt haben, die mich meine ganze Kindheit in den Schlaf begleitet haben. Auch jetzt sitze ich auf meinem Bett, den Rücken gegen das Kopfende gelehnt, auf meinen Oberschenkeln das Leben eines berühmten Rockstars, und die Stimmen, die von unten heraufdrängen, haben eine beruhigende Wirkung auf mich. Deswegen bemerke ich kaum, dass es längst dunkel ist und fast hätte ich vergessen, dass ich mich Logan doch noch widersetzen wollte.

Ich lege das Manuskript und meine Notizen beiseite und steige aus meinem Futonbett. Bevor ich mein Zimmer verlasse, werfe ich einen Blick in den Park. Vor dem Haus parken sechs Autos. Wir haben Anfang der Woche, da ist es ruhiger im Destiny. Ich öffne meine Zimmertür einen Spalt breit und stelle erleichtert fest, dass der Korridor leer ist. Nicht einmal Ethan steht mehr hier oben auf seinem Posten. Wahrscheinlich sind alle Männer der Security jetzt unten, weil die Mädchen dort sind und sie nicht glauben, dass hier oben irgendeine Gefahr droht. Ich glaube auch nicht an eine Gefahr im Park. Wer wäre so dumm, während der Geschäftszeiten hierher zu kommen, wenn es genug Zeugen geben würde, um einen eventuellen Angriff zu bestätigen.

Langsam schleiche ich mich den Gang hinunter, als neben mir plötzlich eine Tür aufgeht. Es ist die Tür zu Ivys Zimmer. Was eigentlich gut wäre, wenn Ivy herauskommen würde. Aber diese breiten Schultern und belustigten Augen gehören zu Ethan. Sofort straffe ich die Schultern und bleibe mit anklagendem Blick vor ihm stehen. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung. »Was machst du im Zimmer eines Mädchens? Soweit ich weiß, ist das verboten.«

Meine Mutter konnte doch nicht alle Regeln für jeden geändert haben, schließlich haben diese Regeln all die Jahre sehr gut funktioniert. Und sie alle hatten ihre Gründe, sie dienten dem Schutz der Mädchen und um ihnen zumindest das Gefühl von einem Privatleben zu geben. Eine Auszeit von ihrem Job. Genau deswegen ist eine männerfreie Zone so wichtig.

»Ich wohne hier«, antwortet Ethan mit einem breiten Grinsen. Meine bedrohliche Miene scheint ihn kein bisschen zu beeindrucken.

»Du wohnst bei Ivy?«, frage ich entrüstet.

»Nicht ganz. Ivy wohnt bei deiner Mutter und ich wohne hier mit Dimitri. Nur bis ihr wieder sicher seid.« Sein Grinsen wird noch breiter. Ich werfe einen Blick an ihm vorbei in das Zimmer und glaube ihm sofort. Überall auf dem Boden verstreut liegen Herrenklamotten. Ivy ist vielleicht ein klein wenig verrückt, aber ihr Sinn für Ordnung gleicht dem einer OP-Schwester. Sie würde einen Anfall bekommen, wenn sie von dem Zustand ihres Zimmers wüsste.

»Dann wohnt Logan also auch hier? In welchem Zimmer wohnt er?«

»Bis vor Kurzem?« Ethan zwinkert mich an. Dieses Gespräch macht ihm sichtlich Spaß. »In deinem Zimmer.«