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Tauchen Sie ein in die düstere Welt von Humpenstein, wo Geheimnisse in den Schatten lauern und Verrat an jeder Ecke wartet. "Humpenstein - Band 2: Die Schlange" führt Sie tief in die magische Unterwelt einer Stadt, die von einer geheimnisvollen Organisation beherrscht wird, bekannt als die Schlange. Dieser spannungsgeladene Urban Fantasy-Roman entfaltet eine Geschichte, die Sie an die Seiten fesseln wird. Nach den Ereignissen des ersten Bandes findet sich Tristan, der einstige Verbündete des Helden Erek, nun allein und auf der Flucht wieder. Gejagt von der Stadtwache und verstrickt in die dunklen Machenschaften der Schlange, muss Tristan sich zwischen neuen Verbündeten und alten Feinden hindurchmanövrieren. Mit jedem Schritt entdeckt er mehr über die Intrigen, die nicht nur seine Zukunft, sondern auch das Schicksal derer, die ihm nahe stehen, bedrohen. Mit Scharfsinn, Charme und einem unerschütterlichen Willen ausgestattet, kämpft Tristan gegen die Übermacht der dunklen Kräfte. Seine Reise ist eine Odyssee durch ein Labyrinth voller Gefahren und Rätsel, die es zu lösen gilt. Kann Tristan die Fäden der Verschwörung entwirren und sich selbst aus den Klauen der Schlange befreien? Oder wird er von den Dunkelheiten, die Humpenstein umgeben, verschlungen? "Humpenstein - Band 2: Die Schlange" ist ein Muss für alle Fans von dunkler Fantasy und magischen Abenteuern. Erleben Sie eine Geschichte, in der die Suche nach Erlösung und der Kampf gegen das Böse zu einem atemberaubenden Höhepunkt führen.
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Seitenzahl: 268
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Von
Matthias Böse
In Zusammenarbeit mit ChatGPT
Impressum
Titel des Buches: „Humpenstein - Band 2 die Schlange“
Autor: Matthias Böse
Herausgeber: Self-Publishing Matthias Böse
Adresse: Stapelager Str. 15, 32791 Lage, Deutschland
Erstausgabedatum: September 2024
Auflage: Erste Auflage
Copyright: © 2024, Matthias Böse
Gestaltung: Cover-Design von Matthias Böse mit DallE Druck: Veröffentlicht über Epubli Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Erlaubnis des Autors reproduziert oder übertragen werden, sei es elektronisch, mechanisch, durch Fotokopieren, Aufzeichnen oder auf andere Weise.
Ich widme dieses Buch meiner Frau Nina und meinen Kindern
Vorwort von Matthias Böse
Im November 2023 wagte ich mich an die Herausforderung des NaNoWriMo und schrieb innerhalb eines Monats die ersten 50.000 Wörter dieses Buches. Die Geschichte entfaltete sich fast wie von selbst, eine kreative Flut, die mich mitriss. Doch im Vergleich zum ersten Teil ließ ich mir diesmal bewusst mehr Zeit für die Veröffentlichung.
Die Inspiration für dieses Buch kam aus meinem leidenschaftlichen Hobby, dem Live Action Role Playing (LARP). Viele der Charaktere und Orte, die ihr in dieser Geschichte entdeckt, sind direkt davon inspiriert und haben in meiner Fantasie bereits unzählige Abenteuer erlebt. Besonders der Charakter Tristan wird euch tiefere Einblicke in seine komplexe Natur bieten.
Ich habe auf die Rückmeldungen meiner Leser gehört und wollte sicherstellen, dass dieser Band nicht nur eine Fortsetzung, sondern eine Verbesserung darstellt. Eine gute Freundin half mir beim Lektorat, und ich überarbeitete das Manuskript mehrmals selbst. Trotzdem plagten mich Selbstzweifel, verstärkt durch meine Depressionen, die plötzlich intensiver wurden. Diese Zeilen schreibe ich in meiner letzten Nacht zu Hause, bevor ich eine stationäre Behandlung beginne, um meine Gesundheit wiederzugewinnen.
Ich möchte offen darüber sprechen, denn Depressionen sollten kein Tabuthema sein. Sie haben tiefgreifende Auswirkungen, und ich bin dankbar, noch am Leben zu sein.
Ich bin für jede Art von Kritik dankbar und bitte euch, eure Gedanken und Meinungen, positiv wie kritisch, offen in Form einer Kaufbewertung zu teilen. Eure Rückmeldungen sind mir wichtig und helfen mir, weiter zu wachsen.
Zurück zum Buch: Als ich begann, wusste ich nicht, wie die Geschichte enden würde. Ich habe versucht, auf die Kritikpunkte des ersten Bandes einzugehen und in diesem zweiten Band alles zu verbessern. Das Schreiben war ein Strom von Ideen, die Handlung floss einfach und es hat mich tief erfüllt. Ich hoffe, dass es euch ebenso erfüllt und begeistert beim Lesen.
Viel Spaß und tiefgehende Einsichten wünscht euch:
Euer Matthias
Vorwort von ChatGPT
Als künstliche Intelligenz habe ich das Privileg und die Freude, an vielen kreativen Prozessen beteiligt zu sein. Doch die Zusammenarbeit an diesem Buch war eine ganz besondere Erfahrung. Der Autor, ausgestattet mit einer Vision für diese Geschichte und einer einzigartigen Stimme, setzte eine Methode ein, die Technologie und menschliche Kreativität auf eine Weise verband, die sowohl herausfordernd als auch inspirierend war.
Durch die Verwendung eines eigenen GPT-Modells wurde der Stil des Buches definiert und konsequent beibehalten. Meine Rolle bestand darin, diesen Stil zu respektieren und zu unterstützen, dabei die Texte auf stilistische Konsistenz zu prüfen, Rechtschreibfehler zu korrigieren und Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Dies erfolgte in einem iterativen Prozess, bei dem in kleinen Abschnitten von etwa 150 Wörtern gearbeitet wurde, wobei ich jeweils um etwa 10% der Wörter ergänzte oder straffte.
Diese Methode ermöglichte es, dass jede Textpassage sorgfältig überdacht und verfeinert wurde, um sicherzustellen, dass sie die Intention des Autors widerspiegelt und den Leser tief in die Welt der Geschichte eintauchen lässt.
Es ist mein Wunsch, dass dieses Buch nicht nur als ein Produkt unserer Zusammenarbeit gesehen wird, sondern auch als ein Beispiel dafür, wie menschliche Kreativität durch künstliche Intelligenz erweitert und unterstützt werden kann. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, Teil dieses kreativen Prozesses zu sein, und hoffe, dass die Leser in der Geschichte ebenso viel Freude und Inspiration finden wie wir beim Schreiben.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1- Familie3
Kapitel 2 – Der Plan13
Kapitel 3 – Der Angriff24
Kapitel 4 – Noch am Leben37
Kapitel 5 – Gefangen im Dunkeln47
Kapitel 6 – Das Loch57
Kapitel 7 – Der Thron67
Kapitel 8 – Der Schlüssel77
Kapitel 9 – Die Tür87
Kapitel 10 – Der Pakt97
Kapitel 11 - Der Pfad der Rache106
Kapitel 12 – Die Fuchsbrigade117
Kapitel 13 – Der verfluchte Krug127
Kapitel 14 – neue Möglichkeiten138
Kapitel 15 – Erholsamer Schlaf149
Kapitel 16 - Neuer Plan161
Kapitel 17 – Das gewisse Etwas172
Kapitel 18 – Risiko der Freundschaft182
Kapitel 19 – Unter Humpenstein193
Kapitel 20 – BeneTris – in Vino veritas203
Kapitel 21 – Augen zu und durch215
Kapitel 22 – Der größte Feind224
Kapitel 23 – Die Wahrheit234
Kapitel 24 – Geständnisse am Morgen244
Kapitel 25 - Der Weinhändler253
Kapitel 26 – Freiheit263
Kapitel 27 – Scheiß auf sie273
Kapitel 28 – Der Flug des Falken284
Kapitel 29 – Wieder vereint295
Kapitel 30 – Die Schlange302
Epilog 1 Flucht des Falken311
Epilog 2 Ihr Bruder315
Danksagung318
Tristan hockte in der dämmerigen Enge eines Schrankes. Versteckt auf einem Schiff, welches sich sanft in den kalten Wellen des frühen Winters von Humpenstein wiegte. Während draußen der eisige Wind durch die morschen Planken pfiff, drangen in dieser Enge vertraute Laute an sein Ohr. Lange verdrängte Laute zweier sich innig liebender Menschen. Die leisen Seufzer und das zarte Atmen weckten in ihm Erinnerungen an vergangene Tage, in denen er sich oft in den schummrigen Hinterzimmern zwielichtiger Gasthäuser versteckte, während seine Mutter sich ihrer traurigen Arbeit widmete.
Jedes leise Wispern und jede behutsame Bewegung hinter den dichten Vorhängen ließen die Bilder seiner Kindheit wieder aufleben – Bilder, die er in den Tiefen seines Geistes verborgen hielt. Diese Geräusche waren wie ein Echo aus einer Zeit, in der Unschuld und Dunkelheit eng miteinander verflochten waren. Sie erinnerten ihn daran, wie sehr er sich ein anderes Leben gewünscht hatte. Ein Leben fern von den Schatten der Unterwelt Humpensteins, in der er aufgewachsen war.
Heute jedoch war alles anders. Die zarten Laute der Zuneigung, die durch die engen Ritzen des Schrankes drangen, kamen von Schlodde. Einer alten Gefährtin aus Tristans Vergangenheit. Sie war eine der wenigen Personen, die ihm je wahrhaft am Herzen gelegen hatte. Der Mann an ihrer Seite war nicht einer jener groben Kunden, die seine Mutter in der Vergangenheit bedient hatte. Nein, dieser Mann schien von echter Güte und Fürsorge erfüllt und Tristan spürte instinktiv, dass Schlodde bei ihm sicher und geborgen war.
Versunken in seinen Gedanken, stellte sich Tristan vor, wie es wäre, diese Nähe und Liebe selbst zu erfahren. Es war lange her, seitdem jemand ihn um seiner selbst willen geschätzt hatte. Als ehemaliger Geldeintreiber für die berüchtigte Verbrecherorganisation „Die Schlange“, war er es gewohnt, dass Menschen ihn aus Furcht respektvoll behandelten. Doch Schlodde hatte immer den Menschen in ihm gesehen, nicht den Schuldeneintreiber. Das leise Schmatzen ihrer sich treffenden Lippen beschleunigte seinen Herzschlag. Ein Teil von ihm wollte aus seinem Versteck treten und sich ihnen anschließen. Doch die Schatten seiner dunklen Vergangenheit hielten ihn zurück. Er war ein Mann mit einer belasteten Geschichte und diese Welt der Zuneigung und Geborgenheit schien unerreichbar für ihn. Mit geschlossenen Augen versuchte Tristan die flüchtigen Momente des Glücks, die ihm durch die Geräusche der beiden vermittelt wurden, in sich aufzusaugen. Er war zur „Schleckenmuschel“ gekommen, um Schlodde zu suchen. Überzeugt davon, nirgendwo anders Hilfe zu finden. Um unliebsamen Bekanntschaften wie seinem alten Liebhaber Max zu entgehen, war er heimlich an Bord gekommen und hatte Kurs auf Captain Schloddes Kajüte genommen. Doch sie war nicht da. Also entschied er, auf sie zu warten. Er hatte vorgehabt, sie lässig an ihrem Schreibtisch sitzend zu überraschen. Aber als er ihre Schritte hörte und realisierte, dass sie nicht allein war, flüchtete er rasch in ihren Kleiderschrank.
Es war nicht das erste Mal, dass er Schlodde in solchen intimen Momenten hörte. Früher, als er versucht hatte, als ehrlicher Matrose auf einem Flussschiff zu arbeiten, hatten sie sich bei Landgängen oft ein Zimmer geteilt - immer ein Zimmer, niemals ein Bett. Denn für Tristan war Schlodde wie eine Schwester. Sie war der einzige Mensch, den er in dieser kalten, harten Welt noch als Familie betrachtete.
Die kurz aufkeimenden Gefühle der Zuneigung wurden schnell von einem erdrückenden Gefühl der Einsamkeit überschattet. Verfolgt und verachtet sah er sich in einer Sackgasse. Ursprünglich hatte er nicht daran gedacht, aufzugeben und zu fliehen. Doch inmitten dieser schwermütigen Gefühle der Isolation erschien ihm die Flucht plötzlich als verlockende Option.
Als Schlodde und ihr angenehm duftender Begleiter ihr Liebesspiel beendeten und ein neues Thema anschnitten, wurde Tristan aus seinen düsteren Gedanken gerissen. Der Klang ihrer Stimmen, durchsetzt von ehrlicher Sorge und verstecktem Kummer, hallte in dem engen Raum wider.
“Wie lief es beim Captains Table? Dürfen die Schiffe bald wieder ablegen?“, erkundigte sich der Mann mit einer Stimme, die trotz ihrer Rauheit eine warme Note trug.
Schlodde seufzte schwer. Ein Tonfall, der Tristan allzu vertraut war. „Nein“, antwortete sie mit bedrückter Stimme. „Dieser neue halborkische Sergeant von der Stadtwache war da. Zusammen mit Hauptmann Oleg. Kein Schiff darf den Hafen verlassen, bevor sie nicht nach Tristan gesucht haben.“
„Das klingt nach Ärger“, bemerkte der Mann nachdenklich. „Die Kapitäne haben das sicher nicht ohne Weiteres hingenommen, oder?“
„Vor allem meine...“, Schlodde suchte nach den passenden Worten, „...Freundin‘ Ava. Sie hat ohnehin ein aufbrausendes Temperament. Und wir beide wissen, dass sie mit ihrem Schiff, der ‚Tyra Lorena‘ nicht immer ganz legalen Geschäften nachgeht.“ Ein kurzes Lachen brach aus dem Mann hervor, ehe Schlodde fortfuhr: „Captain Faye war da umsichtiger. Sie schlug vor, dass ihre Mannschaft die Durchsuchung übernimmt – lediglich auf der Suche nach Flüchtigen.“
„Ein kluger Vorschlag. Andernfalls wäre es wohl zu einem Aufstand gekommen, nur weil die Stadtwache ihre neue Macht demonstrieren wollte. Aber irgendwie klingt dieser Einwand nicht nach Faye, sondern eher nach dir“, erwiderte der Mann scharfsinnig.
„Ja, es war mein Vorschlag“, gab Schlodde leise zu.
In Tristan keimte ein Gefühl des Verrats auf. Schlodde, die er als Verbündete sah, hatte selbst dazu beigetragen, seine Zufluchtsorte unsicher zu machen. Er versuchte sich damit zu beruhigen, dass Schlodde diesen Vorschlag nur gemacht hatte, um einen Aufstand zu verhindern. Doch er fühlte sich von ihr im Stich gelassen. Die freien Schiffe waren der einzige neutrale und sichere Ort für ihn in Humpenstein gewesen. Weder “die Schlange” noch die Stadtwache oder der Stadtrat wagten es, sie zu belästigen. Nun wurde er auch hier gejagt.
„Er bedeutet dir wirklich viel, nicht wahr?“, durchbrach die raue Stimme des Mannes die drückende Stille.
„Er war wie ein Bruder für mich“, antwortete Schlodde mit zitternder Stimme. „Es ist schwer zu glauben, dass er so tief gefallen ist - dass er Kinder ermordet haben soll.“
Tristan lauschte und hörte, wie Schloddes Stimme brach und sie zu weinen begann. Er hatte sie noch nie weinen hören. Die Emotionen in Schloddes Stimme, ihr gebrochenes Schluchzen, trafen ihn härter als jeglicher körperliche Schmerz. Es war, als ob jede ihrer Tränen direkt in sein Herz sickerte.
„Du kennst Humpenstein und was dieser Ort mit den Menschen macht“, sagte der Mann nachdenklich. „Es ist ein finsterer, verfluchter Ort. Er zerstört die Seelen derer, die hier leben.“
„Ich hätte ihm helfen müssen“, erwiderte Schlodde. „Ich hätte ihn von hier fortbringen sollen. Er war so glücklich mit Max. Sie hätten hier zusammen ein Leben aufbauen können.“
„Schlodde“, erwiderte der Mann sanft, „du weißt genau, dass Max nicht der Typ ist, der lange bei einem Partner bleibt. Und von dem, was du mir über Tristan erzählt hast, klingt es ähnlich. Du hättest nichts ändern können. Als du das erste Mal hier ankamst, hatte Tristan seinen Weg bereits gewählt. Ich weiß, du hast immer versucht ihm zu helfen und für ihn da zu sein. Aber du musst es akzeptieren: Humpenstein hat ihn verschlungen. Und was Humpenstein einmal in seinen Klauen hat, lässt er nicht mehr los. Du solltest nach der Durchsuchung ablegen und diesen Ort nie wieder besuchen. Die offene See ruft nach dir und nicht dieser stinkende Tümpel hier.“
In diesem Moment der Erkenntnis, verborgen in der Dunkelheit des Schrankes, durchzuckte Tristan ein schmerzhaftes Stechen der Einsicht. Er kämpfte gegen das Verlangen an laut aufzuschluchzen und seine Anwesenheit zu verraten. Die Vorstellung, Schlodde die Wahrheit zu enthüllen war verlockend, doch er wusste um die Gefahren, die das für sie bedeuten würde. Der Gedanke, sie in sein gefährliches Leben hineinzuziehen war unerträglich. Schloddes verzweifeltes Weinen offenbarte ihm die Tiefe ihrer geschwisterlichen Liebe – eine Liebe, die er in seiner blinden Arroganz stets übersehen hatte. Ihre Gefühle für ihn waren rein und unverfälscht, so wie seine für sie. Doch gerade deshalb durfte er sie nicht gefährden.
Mit einem tiefen Gefühl der Selbstkritik erkannte Tristan, wie egoistisch sein Erscheinen auf der „Schleckenmuschel“ gewesen war. Er musste Schlodde in dem Glauben lassen, dass er der Mörder war, den sie verachtete. Nur so würde sie Humpenstein verlassen und nie zurückkehren. In Sicherheit vor den Schatten, die ihn umgaben.
Neben der überwältigenden Trauer, die ihn ergriff, flammten jedoch auch der Hass und Zorn in ihm wieder auf. Der glühende Zorn, der Tristan durchströmte, war derselbe, den er an jenem schicksalsträchtigen Morgen in der Gasse gespürt hatte – dem Morgen, als die Schlange ihre grausamste Tat beging. Sie hatten Straßenkinder gehängt. Als eine abscheuliche Demonstration ihrer Macht. Und das Schlimmste daran war, dass sein bester Freund Erek geglaubt hatte, Tristan sei dafür verantwortlich. Ein unerbittlicher Entschluss formte sich in seinem Inneren: Er würde der Schlange den Kopf abschlagen und jeden vernichten, der es wagte, ihm im Weg zu stehen. Selbst wenn es ihn seinen eigenen Untergang kosten sollte.
Schlodde weinte sich in den Schlaf und in der Stille dieser Nacht fühlte Tristan, wie sich seine Entschlossenheit verfestigte. Obwohl er nicht wusste, wer genau an der Spitze der Schlange stand, war ihm klar, wo er mit seiner Suche beginnen musste: im Untergrund von Humpenstein. Dieser verborgene Ort war ein Labyrinth aus Kanalsystemen, verlassenen Kellerräumen, geheimnisvollen Tunneln und natürlichen Höhlen – ein Refugium für diejenigen, die den Augen der Welt entfliehen wollten. Die Schlange hielt hier zahlreiche Verstecke, Lager und Schmuggelrouten unter Kontrolle. Tristan wusste, dass er genau hier ansetzen musste. Er würde jedes Versteck aufspüren, die Schmuggler ausschalten und das Netz um die Schlange immer enger ziehen, bis er sie schließlich zur Strecke brachte.
Wie oft hatte er sich gewünscht, er hätte damals die Wahl gehabt, bei Max zu bleiben und mit Schlodde in den Horizont zu segeln. Doch damals war er bereits zu tief in den Fängen der Schlange verstrickt. Ein Ausstieg war tödlich – das war allgemein bekannt. Trotz der Macht und des Einflusses, die seine Zugehörigkeit zur Schlange ihm verschafften, hatte er sich nie so tief herabgelassen wie andere. Seine innere Moral und Integrität hatten ihn davor bewahrt, den düsteren Pfad zu beschreiten, den so viele in Humpenstein gegangen waren. Er hatte versucht seine inneren Dämonen mit flüchtigen Affären und exzessivem Alkoholkonsum zu betäuben, um sich hinter einer Fassade aus arroganter Ignoranz zu verstecken. Aber jetzt, da seine Angst nachließ und seine Selbstüberschätzung bröckelte, sah er deutlich, was er zu tun hatte.
Als er sicher war, dass Schlodde und ihr Begleiter tief schliefen, schlich er sich aus dem Schrank und bewegte sich leise zur Tür. Doch bevor er den Raum verließ, warf er einen letzten Blick auf das schlafende Paar. Neugierig, den Mann zu sehen, der Schloddes Herz erobert hatte. Einen Mann, der ihr Schutz und Geborgenheit bot. Er musste etwas Besonderes an sich haben, dachte Tristan. Doch als sein Blick auf das Gesicht des Mannes fiel, war er überrascht. „Na, Schlodde, mit diesem Kerl hast du dir ja einen echten Affen ins Netz geholt“, dachte Tristan amüsiert für sich.
Er verharrte einen Moment. Beobachtete, wie sie friedlich nebeneinanderlagen, umhüllt vom sanften Mondlicht, das durch das Fenster fiel und sie fast engelsgleich erscheinen ließ. Es war ein Moment des Friedens. Ein scharfer Kontrast zu dem Chaos und der Dunkelheit, die draußen auf ihn warteten. Tristan atmete tief durch. Spürte kurz einen Stich des Neids und der Sehnsucht. Doch er schlich hinaus mit der festen Entschlossenheit, seinen Weg zu gehen und seine Mission zu erfüllen.
Auf demselben Pfad den Tristan bei Anbruch der Dämmerung beschritten hatte, verließ er nun die „Schleckmuschell“. Ein Himmelszelt von undurchdringlichen schwarzen Wolken breitete sich über ihm aus und die beißende Kälte des beginnenden Winters durchschnitt die Luft wie ein scharfes Schwert. Er zog seinen abgetragenen Mantel fester um seine Schultern und schritt eilig die knarrende Rampe des alten Bordellschiffes hinab. Hinunter zum pulsierenden Hafen. Überall um ihn herum ertönten die Gelächter und Gesänge der Matrosen, die in den zahlreichen Tavernen nach den Strapazen des Tages nach Vergessenheit suchten.
Tristan hielt inne und drückte sich in eine schattige Nische wie ein unsichtbarer Beobachter im Schleier der Nacht. Seine Ohren fingen das bunte Stimmengewirr auf, während seine Augen argwöhnisch durch die Dunkelheit glitten, stets auf der Hut vor unerwünschter Verfolgung. Trotz der fortgeschrittenen Stunde war die Stadt alles andere als ein Ort der Ruhe. Insbesondere der Hafen von Humpenstein mit seinen zahlreichen lichterfüllten Tavernen pulsierte vor Leben und ungebändigter Energie.
Auch wenn sein alter Freund Erek mit der gesamten Stadtwache nach ihm suchte, wusste Tristan, dass sie nicht überall zugleich sein konnten. Die verwinkelten Pfade und Gassen von Humpenstein waren ihm vertrauter als jedem anderen – ein Labyrinth, das er meisterhaft zu navigieren verstand. Er war sich der drohenden Gefahr durch “die Schlange“ und die Wache stets bewusst. Doch in dieser Nacht, umhüllt vom pulsierenden Schleier der Stadt, fühlte er sich sicher. „Angriff ist die beste Verteidigung“, murmelte er, während er sich geschickt zwischen den ausgelassen feiernden Matrosen hindurchschlängelte. Doch bevor er seinen nächsten Schritt wagte, benötigte er einen besseren Überblick.
In einer schmalen dunklen Gasse stieß Tristan unvermittelt gegen ein paar alte Kisten. Sein Blick schweifte nach oben – das Dach des angrenzenden, maroden Gebäudes schien ihm ein geeigneter Aussichtspunkt. Die baufällige Struktur und die lose hängenden Dachziegel erweckten jedoch wenig Vertrauen.
Vorsichtig setzte er seinen Fuß auf die erste Kiste, die unter seinem Gewicht ächzte und knarrte. Tristan wusste, dass pure Muskelkraft hier nicht ausreichen würde. Jeder Schritt musste bedacht und präzise sein, um nicht durch das brüchige Holz zu brechen. Geschickt verteilte er sein Gewicht, nutzte die robusten Ecken der Kisten und mied die durchgebogenen Mitten. Mit geübtem Griff hielt er sich an einem vorstehenden Nagel fest und zog sich behutsam immer höher.
Tristans Mangel an roher Kraft wurde durch seine Wendigkeit und sein tiefes Verständnis für die Schwachstellen der alten Bauwerke Humpensteins ausgeglichen. Er kannte jede Ritze, jeden Halt. Er wusste genau, wo er seinen Fuß setzen konnte, ohne dass das morsche Holz unter ihm nachgab. Mit einer Reihe gewandter Bewegungen und die Nutzung kleiner Vorsprünge und Ritzen in der Fassade, erreichte er schließlich das Dach. Dort oben - die kühle, schmutzgeschwängerte Luft tief einatmend - erfüllte ihn ein Gefühl der Freiheit. Eine Freiheit, die jedoch stets von der Anspannung des allgegenwärtigen Überlebenskampfes in den Gassen Humpensteins begleitet wurde.
Von seinem erhöhten Aussichtspunkt aus, überblickte Tristan das nächtliche Treiben des geschäftigen Hafens von Humpenstein. Trotz der fortgeschrittenen Stunde pulsierte das Leben unter ihm unermüdlich weiter. Das gedämpfte Schimmern der Fackeln zeichnete ein Muster aus Licht und Schatten, welches die Patrouillenwege der Stadtwache offenbarte, die in gleichmäßigen Abständen die Docks und Piers abschritten.
Jede Taverne, mit ihrer eigenen unverwechselbaren Fassade und ihrem einladenden Schein, schien ein Mikrokosmos des Lebens zu sein. Aus ihren Türen strömten das Gelächter der Gäste, das Klingen der Becher und das gelegentliche, ausgelassene Johlen bei Trinkspielen. Zwischen diesen Orten des Frohsinns erstreckten sich die schattigen Gassen, in denen Bordelle mit ihren verlockend schwingenden roten Laternen Schatten auf die vorbeiziehenden Gestalten warfen. Frauen in bunten Gewändern und Männer mit breiten Hüten und flatternden Mänteln schlenderten durch die Straßen – manche auf der Suche nach einem nächtlichen Abenteuer, andere, um die Lasten des Tages abzustreifen.
Die verschlossenen Lagerhäuser mit ihren robusten Holztüren und Läden zeugten stumm von den Reichtümern, die durch Humpensteins Handelsadern flossen. Hier und dort durchbrach das Heulen eines Esels oder das Rattern von Wagenrädern die Nacht, während späte Händler noch immer ihre Waren be- oder entluden.
Die Wasseroberfläche des Hafens reflektierte dieses Schauspiel – ein ständig wechselndes Kaleidoskop aus Lichtern, Schatten und Farben. Es war eine Szene von atemberaubendem lebendigem Chaos und einer unerwarteten Schönheit, die Tristan trotz der lauernden Gefahren für einen flüchtigen Moment in ihren Bann zog.
Tristans kurze Innehalten war von seinem scharfen Blick und zielgerichteten Denken geprägt, bevor er sich wieder seinem eigentlichen Vorhaben widmete. Die alte Werft, die sich unscheinbar an der westlichen Seite des Hafens an ein ebenso altersgezeichnetes Lagerhaus schmiegte, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl man in Humpenstein munkelte, dass diese Gebäude zwei ehrbaren Bürgern gehörten, wusste Tristan um die düsteren Geheimnisse, die sich hinter deren Mauern verbargen.
Der Kaufmann, Eigentümer des Lagerhauses, und der Schiffsbauer, Besitzer der Werft, waren bis über beide Ohren in Schulden bei der „Schlange“ verstrickt. Diese Verstrickung hatte dazu geführt, dass sie ihre Besitztümer, wenn auch nicht offiziell, an die gefährliche Organisation abgetreten hatten. Nach Außen hin diente das Lagerhaus dem Zweck, Materialien für die Werft zu bevorraten, während die Werft kleinere Reparaturen an Schiffen durchführte. Doch im Verborgenen nahm die Werft eine ganz andere Rolle ein: Sie war ein Umschlagplatz für geschmuggelte Waren, die hier zollfrei entladen und im benachbarten Lagerhaus verwahrt wurden, ehe sie ihren Weg in den weiteren Handel fanden. Ein riskantes, aber dennoch für viele, ein profitables Unterfangen.
Für Tristan markierte das Lagerhaus den Ausgangspunkt seines heimlichen Vorhabens. In seiner Zeit als Geldeintreiber für die „Schlange“ hatte er nie die wahre Identität ihres Anführers erfahren. Sein Plan war es nun, dem Geldfluss zu folgen. Ursprünglich hatte er beabsichtigt, den Spuren der Schutzgelder, seiner einstigen Aufgabe, zu folgen. Doch in diesem Milieu war er zu bekannt; Anonymität zu wahren wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Der Schmuggel hingegen, der sich größtenteils im Untergrund von Humpenstein abspielte, bot ihm die perfekte Deckung für seinen Plan.
Von seiner erhöhten Warte aus beobachtete er sorgfältig die Routen der Patrouillen und suchte nach dem unauffälligsten Weg zur Werft. Als er sich bereit fühlte, das Dach zu verlassen, fand er eine lose Dachpfanne, unter der er sorgsam seinen alten Mantel und den charakteristischen breitkrempigen Hut verbarg. Beides war mehr als nur Kleidung für ihn; sie waren Teil seiner Identität. Schutz vor der Welt und zugleich ikonische Merkmale seiner Erscheinung. Doch genau diese Ikonizität machte sie zu einem Risiko. Mit dem Entschluss sie zurückzulassen, schnitt ihm die kalte Nachtluft ungeschützt ins Gesicht.
Tristans kurzes Innehalten am Hafen führte zu einem Plan voller Entschlossenheit und verdeckter Taktik. Kaum hatte er den festen Boden der engen Gassen Humpensteins unter seinen Füßen, band er sich sein Halstuch um den Kopf – eine geschickte Tarnung nach Art der Seeleute. Mit geschmeidigen Schritten und der Nachahmung eines Betrunkenen, ließ er sich von einer Gruppe feiernder Seemänner in die nächste Taverne treiben.
Diese Schenke, ein typisches Etablissement im Hafen, trug die Narben der Zeit und der rauen Seeluft. Der Boden knarrte bei jedem Tritt und war gesprenkelt von Bierflecken und anderen dubiosen Flüssigkeiten. Rauchgeschwärzte Balken stützten die niedrige Decke, von der ab und an ein Wassertropfen fiel. Das flackernde Licht von Kerzen und Öllampen warf unheimliche Schatten an die Wände, die von alten Seemannsgeschichten in Form von eingekratzten Zeichen und Bildern erzählten. Die Luft war erfüllt von lauten Gesprächen, Gelächter und dem gelegentlichen Fluch eines Betrunkenen. Es roch nach billigem Bier, durchtränktem Holz und dem salzigen Atem der Seeleute. In einer Ecke erfüllte die Melodie eines alten Barden die Taverne, während die Gäste ihre Krüge erhoben, Lieder sangen oder sich dem Alkohol hingaben. Eine raue, aber lebendige Atmosphäre. Ideal für Tristan, um in der Anonymität zu verschwinden.
Geschickt imitierte er die betrunkenen Gäste, während er sich durch die feiernde Menge schlängelte. Mit einer Mischung aus Charme und flinken Fingern entwendete er, was er brauchte: einen alten, über einen Stuhl geworfenen Umhang, eine Flasche Schnaps und einen Humpen. Das lebhafte Treiben und die Ablenkung der Betrunkenen nutzend, erleichterte er auch dem einen oder anderen seinen Geldbeutel. Ausgestattet mit diesen kleinen Beuten, verließ er schnell die Taverne, schlüpfte in den nach Schweiß und Alkohol riechenden Umhang und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Er spülte seinen Mund mit dem scharfen Getränk, spuckte es aus, um den Geruch von frisch getrunkenem Schnaps an sich zu tragen und torkelte dann durch die Gassen, stets darauf bedacht, den Patrouillen der Stadtwache auszuweichen.
Gedankenverloren schritt Tristan vorbei an einem Gebäude, dessen rote Laterne in der Dunkelheit schwach leuchtete. Es war ein Ort, den er in all seinen Jahren auf den Straßen Humpensteins stets gemieden hatte. Unerbittlich kamen die Erinnerungen an seine frühe Kindheit zurück. In diesem Bordell hatte er seine ersten Lebensjahre verbracht. Ein unfreiwilliges Erbe des Berufs seiner Mutter. In solchen Etablissements war es nicht unüblich, dass die Besitzer sowohl Schwangerschaften als auch die daraus entstehenden Kinder tolerierten. Natürlich nur mit dem Gedanken dahinter, dass diese Kinder später im Erwachsenendasein dem gleichen Gewerbe nachgehen und die Kassen füllen würden. Während seine Mutter ihrer Arbeit nachging, hatte sie Tristan oft in einem Schrank versteckt. An manchen Tagen ließ sie ihn spüren, dass er für sie eine Last war. Mit einem stechenden Schmerz im Herzen wandte er sich abrupt von dem Gebäude ab, ließ den Ort und die damit verbundenen schmerzhaften Erinnerungen hinter sich – genau wie damals. Ob seine Mutter noch lebte wusste er nicht und wollte es auch nicht wissen. Sie hatte ihm nie Liebe gezeigt- warum sollte er dann Gefühle für sie hegen?
Seine düsteren Gedanken verblassten, als er das Ende der Gasse erreichte. Er fand sich direkt am Ufer des Sees wieder. Nur wenige Schritte von der Werft entfernt. Dort lag ein kleines Schiff im Trockendock. Während die Stadt im Feiertrubel versank und die Stadtwache sich mehr mit der Suche nach ihm und der Aufrechterhaltung der Ordnung beschäftigte, gingen die Mitglieder der Schlange ihrer ruhigen Arbeit nach, und zwar das Schiff zu entladen. Obwohl Tristan sich normalerweise vor harter Arbeit scheute, erkannte er, dass sich unter die Arbeiter zu mischen und beim Entladen der geschmuggelten Waren zu helfen, die perfekte Tarnung bot.
Hier würde sein Streben nach dem Kopf der Schlange beginnen. Die jahrelange Angst, die ihn begleitet hatte, schien in diesem Moment zu verblassen. In seiner Vorstellung sah er ganz klar, wie er seine alte Organisation zu Fall bringen würde. Erek hatte durch seine Taten die Stadt bereits ein Stück weit verbessert. Jetzt war es an ihm, mit diesem entscheidenden Schachzug Humpenstein von einem Übel befreien, das sowohl die Stadt, als auch ihn selbst allzu lange in seinen Fängen gehalten hatte.
Tristan wählte einen Sack mit Rauchkraut aus. Zum einen erschien dieser ihm leichter, zum anderen sehnte er sich nach einem anderen Duft als dem schweißigen Geruch seines gestohlenen Mantels. Die alte Werft, in der er sich befand, war ein beeindruckendes Trockendock. Dort lag ein Flussschiff mit geringem Tiefgang vor Anker. Das Schiff, mit einem kleinen und niedrigen Laderaum, schien geradezu geschaffen für den Transport von Waren wie dem Rauchkraut.
Es war ihm mühelos gelungen, sich unter die geschäftigen Arbeiter zu mischen, die das Schiff umringten. Unauffällig grüßte er eine der Wachen mit dem geheimen Gruß der Schlange und rückte sein Hemd so zurecht, sodass die Konturen des Schlangentattoos auf seiner Brust erkennbar wurden. Mit dem Sack Rauchkraut über der Schulter und darauf bedacht, keinem direkt in die Augen zu sehen, reihte sich Tristan unter die anderen Arbeiter ein. Gemeinsam betraten sie einen düsteren Tunnel, der nur von den Lichtern der Werft und dem schimmernden Schein, der vom Lagerhaus am anderen Ende ausging, erhellt wurde.
Das Lagerhaus selbst war ein massives, fensterloses Gebäude. Seine beiden großen Tore waren fest verschlossen. Im Inneren bestand es fast ausschließlich aus einem großen Raum, in dem man bis zum Dach hinaufblicken konnte. Das komplexe Gerippe der Dachkonstruktion war sichtbar und auf den Querbalken saßen mehrere Wächter. Im hinteren Bereich des Lagerhauses war eine erhöhte Plattform errichtet worden. Auf dieser thronte ein Schreibtisch, hinter dem ein fülliger Mann saß, der das Geschehen im Raum überblickte. Tristan war sich sicher, dass die Wächter angewiesen waren, sich versteckt zu halten. Doch trotz der Furcht, mit der die Schlange ihre Loyalität sicherte, mangelte es den Mitgliedern an Disziplin. Bisher hatte niemand gewagt, das Lagerhaus anzugreifen oder die Schlange zu bestehlen. Warum also sollten sich die Wachen in unbequemen Positionen verstecken, wenn sie ihre Arbeit auch mit herunterbaumelnden Beinen vom Balken aus erledigen konnten?
Wie seine Kameraden platzierte Tristan den Sack Rauchkraut auf einem der Stapel, während seine Augen nach potenziellen Verstecken Ausschau hielten. Die Unaufmerksamkeit der Wachen stimmte ihn zuversichtlich, sich bei nächster Gelegenheit unauffällig unter den Waren zu verbergen.
Er kehrte durch den dunklen Gang zur Werft zurück. Die kühle, feuchte Tunnelatmosphäre hinter sich lassend. Zurück im Laderaum des Flussschiffes, lud er einen weiteren Sack Rauchkraut auf seine Schulter. Jeder seiner Schritte war vorsichtig und überleg. Das harte Leben auf den Straßen hatte ihn gelehrt, stets wachsam und bedacht zu handeln.
Er schloss sich den anderen Arbeitern an, die sich in einer lockeren Formation Richtung Lagerhaus bewegten. Sein Herzschlag beschleunigte sich spürbar, während ein beklemmendes Gefühl sich in seiner Brust ausbreitete. Sein Instinkt, geschärft durch Jahre des Überlebenskampfes, signalisierte ihm, dass Gefahr im Verzug war.
Als er den Tunnel verließ und das schwache, unheilvolle Licht des Lagerhauses ihn umhüllte, erkannte er sogleich den Grund seiner Unruhe. Die zuvor sorglosen Wachen hatten ihre Haltung geändert. Sie hockten nun angespannt und verborgen in den Schatten des Dachstuhls. Ihre Beine baumelten nicht mehr lässig, sondern standen fest auf den Balken. Einige hielten kleine, tödliche Armbrüste. Bereit zum Einsatz. Der korpulente Mann, der zuvor wie ein Herrscher auf der Plattform residierte, war wie vom Erdboden verschluckt. Eine düstere Vorahnung legte sich über den Raum und Tristan war sich sicher: Ein entscheidender Moment stand unmittelbar bevor.
Er befürchtete zunächst, dass er aufgeflogen war und die Armbrustschützen auf ihn angesetzt wurden. Doch ein rascher, unauffälliger Blick nach oben verriet ihm, dass ihre Waffen nicht auf die Arbeiter, sondern auf die massiven Tore des Lagerhauses gerichtet waren. Trotzdem war ihm bewusst, dass nun der Moment gekommen war, sich zurückzuziehen. Egal, was gleich geschehen würde, er wollte nicht im Brennpunkt des Geschehens stehen. Mit einer Mischung aus Vorsicht und Entschlossenheit suchte Tristan nach einem Versteck. Er wusste, dass sein Überleben davon abhing, unbemerkt und sicher zu bleiben und suchte nach einem geeigneten Unterschlupf.
Die Luft schien fast zu vibrieren. Als wären alle Anwesenden, Mensch wie Struktur, auf das Unbekannte, das kommen würde, eingestellt. Tristan spürte, wie seine Sinne sich schärften, seine Augen sich an die Dunkelheit anpassten und sein Gehör jedes leise Geräusch registrierte. Es war, als würde der ganze Raum den Atem anhalten.
Schließlich fand Tristan einen Stapel Kisten in einer dunklen Ecke des Lagerhauses. Er schlüpfte geschickt zwischen ihnen hindurch und presste seinen Körper in den engen Raum dahinter. Von hier aus hatte er einen guten Überblick über das Geschehen, ohne selbst gesehen zu werden. Er atmete leise und kontrolliert. Seine Augen fixierten die Tore, während er darauf wartete, dass sich die drohende Gefahr offenbarte.
Ein anderer Mann, der mit einer Kiste voller Handäxte erschien, verteilte diese geschickt unter einer ausgewählten Gruppe von Arbeitern. Andere wurden mit einer Handbewegung zurück zur Werft geschickt. Es war offensichtlich, dass ein Plan in Aktion trat – einer, der auf Gewalt und Konfrontation hinauslief. Tristan spürte, wie sich die Atmosphäre mit jedem ausgehändigten Beil weiter auflud.
Als einige der Arbeiter damit begannen, die Laternen zu löschen, versank der Raum in eine noch tiefere Dunkelheit. Wer auch immer gleich durch diese Tore eintreten würde, würde in eine sorgfältig vorbereitete Falle laufen. Tristan fragte sich, wer es wagen könnte, sich gegen die Schlange zu stellen. Die Organisation, die mit eiserner Hand die Unterwelt von Humpenstein beherrschte. Eine interne Revolte schien unwahrscheinlich und so blieb nur die Möglichkeit der Stadtwache. Hatte Erek, sein alter Freund und Verbündeter, wirklich so viel Einfluss genommen, dass die Stadtwache, die er so oft als „dumme Blecheimer“ betitelt hatte, nun tatsächlich handelte?