Hunde fühlen und anleiten - Maren Grote - E-Book

Hunde fühlen und anleiten E-Book

Maren Grote

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Beschreibung

Dieses Buch ist ein wahrer Augenöffner für Hundemenschen! Denn in ihm stellt sich Hundetrainerin und SPIEGEL-Bestsellerautorin Maren Grote bewusst gegen die weitverbreitete Annahme, dass man für ein entspanntes Zusammenleben von Mensch und Hund jede Menge Training und Hilfsmittel benötigt. Sie zeigt, wie Hundehalterinnen und -halter wieder zu einem natürlichen und innigen Umgang mit dem Hund zurückfinden. Dabei steht die Interaktion durch Körperkontakt im Mittelpunkt. Die speziell dafür gestalteten Berührungen werden ausführlich und reich bebildert erklärt und mit Übungen zum Ausprobieren ergänzt, sodass sie leicht im Alltag angewendet werden können. So lernen sich Mensch und Hund neu kennen und stärken ihr intuitives und soziales Zusammenleben.

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FASS DEINEN HUND MEHR AN,

— denn es wird euch beide berühren!

© Anna Auerbach/Kosmos

EIN BLICK DURCH DIE LUPE

Im Gegensatz zu meinem letzten Buch, in dem ich mich allumfassend mit dem Verhalten und der Körpersprache von Hunden beschäftigt habe, geht es nun um einen sehr kleinen und speziellen Teilbereich im Zusammenleben mit Hunden.

Ich spreche hier von einem Bereich der Kommunikation, der noch nicht ausreichend in der Welt der Bücher abgedeckt ist im Vergleich zu den anderen Bestandteilen der Kommunikation mit Hunden.

Über körpersprachliches Kommunizieren gibt es tolle Bücher, über das Lesen und Einsetzen des körperlichen Ausdrucks, um den Hund zu etwas zu bringen, von etwas abzuhalten oder sonst wie erzieherisch und im Zusammenleben zu unterstützen. Noch viel mehr Bücher gibt es über den Einsatz der Sprache und diverser Hilfsmittel, die als Brücke dienen sollen, um mit dem Hund in Kontakt zu treten. Was fehlt, ist der Einsatz des Körpers, das gezielte Berühren, Greifen, Anfassen des Hundes, um damit etwas zu erreichen. Diesen wichtigen, unverzichtbaren und doch kleinen Teil möchte ich mir in diesem Buch vornehmen und ihm damit die Aufmerksamkeit schenken, die er verdient hat, denn er ist drauf und dran, zu einer vergessenen Kunst und einem falsch eingeschätzten und falsch eingesetzten Mysterium zu werden, das lieber vermieden anstatt gezielt geübt wird.

Alles, was du hier lesen und lernen wirst, ist ein Fragment der Kommunikation. Nicht die ganze Wahrheit, sondern nur ein wichtiges Puzzlestück, das ohne Körpersprache, Mimik und Stimme unvollständig bleibt. Hier schauen wir also gemeinsam auf einen Aspekt des Zusammenlebens und der Erziehung, der immer nur als ein notwendiger Teil des großen Ganzen betrachtet werden kann und darf.

SCHÖNER STREICHELN? NEIN, VIEL MEHR!

Es geht in diesem Buch nicht darum, den Hund möglichst nett zu streicheln. Es geht um das bewusste Einsetzen von Berührungen, um verschiedene Gefühle im Hund hervorzurufen.

© Anna Auerbach/Kosmos

Beobachten, was der Hund mag und was ihm zu viel oder zu wenig ist, gehört dazu, um vertrauensvolle Berührungen zu fördern.

© Anna Auerbach/Kosmos

Wie und wo Hunde besonders gern angefasst werden, ist individuell. Es gibt keine allgemeingültigen Pauschalregeln.

© Anna Auerbach/Kosmos

Seine Berührungen dem Hund anzupassen heißt, eventuell zwei verschiedene Hunde im gleichen Haushalt auch ganz verschieden anzufassen.

WOZU EIN BUCH ÜBER DAS ANFASSEN?

Im ersten Moment sollte man denken, dass es doch völlig normal ist, dass jeder seinen Hund anfasst. Und ein bisschen stimmt das auch. Aber eben nur ein bisschen.

Wir streicheln unsere Hunde, aber wenn wir mal ehrlich sind: Wie oft nehmen wir uns wirklich die Zeit, den Hund bewusst anzufassen? Nicht beiläufig, ohne Fernseher oder Handy nebenbei, sondern wirklich mal eine ganze Stunde nur mit dem Fokus auf dem Hund? Wer würde seinen Hund am Atemrhythmus und Herzschlag erfühlen und von anderen Hunden unterscheiden können? Wer könnte beschreiben, ohne den Hund zu sehen, wo sich sein Fell wie anfühlt und wo es sich in seiner Struktur im Verlauf des Körpers verändert?

Wie oft bringen wir uns erzieherisch bewusst und durchdacht mit unseren Händen und unserem Körper ein, sowohl wenn wir möchten, dass unser Hund etwas tut, als auch wenn wir möchten, dass er etwas lässt? Meistens greifen wir doch auf Worte statt auf Taten zurück. Wir geben Kommandos, verwenden Halsbänder, Geschirre, Hundekekse und drücken uns körpersprachlich aus, aber wo bleiben unsere Hände dabei?

MEINE LIEBLINGSERFAHRUNG

Meine persönliche Lieblingserfahrung zu diesem sich immer weiteren Entfernen der Menschen von einem natürlichen und bewussten Anfassen ist folgende: Ich war auf einer Zeltveranstaltung, bei der ein Hund frei herumlief. Er war sehr freundlich und aufgeschlossen und interessierte sich ausgesprochen für den mit Würstchen bestückten Grill, den ein paar zeltende Menschen gerade angeworfen hatten. Er ging also zum Grill und schaute vorsichtig, ob er sich vielleicht ein Würstchen nehmen könnte. Direkt neben ihm standen fünf Menschen, alle in heller Aufregung, da sie sich ausmalen konnten, was als Nächstes passieren würde. Immerhin stand der Hund direkt vor dem Grill, die Nase fast schon am Gitterrost und den hungrigen Blick auf die Würstchen gerichtet. Was geschah? Fünf Menschen riefen aufgeregt Worte wie „Nein!“, „Pfui!“ und „Aus!“ in steigender Lautstärke und Schärfe. Wie in Zeitlupe und ungläubig guckend, nahm sich der Hund ein Würstchen nach dem anderen vom Grill und fraß sie unter den fuchtelnden Zeigefingern und wütenden Rufen der umstehenden Leute. Am Ende hatte er sechs Würste verputzt und ging zufrieden seiner Wege. Keiner der Wurstbesitzer ist auf die Idee gekommen, seine Hände zu benutzen, den Hund wegzuschieben, sich vor den Grill zu stellen oder den Hund festzuhalten. Auf meine Frage „Wieso?“, bekam ich erstaunte Antworten. Der Hund habe kein Halsband getragen, wie hätte man ihn da festhalten sollen? Und was hätte man sonst machen müssen? Ihn etwa schlagen? Ich war erstaunt. Das Einzige, was diesen Leuten als Alternative, gar nichts zu tun, einfiel, war es, den Hund zu schlagen, um ihn körperlich von etwas abzuhalten.

© Anna Auerbach/Kosmos

Langsam und bewusst zu streicheln und dabei ein Gefühl zu transportieren, hat etwas mit Konzentration auf den Hund zu tun.

EIN TREND, DER SICH FORTSETZT

Das ist vielleicht ein extremes Beispiel, aber der Trend setzt sich fort, wie mir immer mehr Kolleg*innen aus ihren Hundeschulen berichten, bereits in Welpengruppen. Kaum einer weiß, was einem Hund nun wirklich weh tut, wie und wo man ihn sicher greifen kann – ganz ohne Halsband – oder wie man seine Hände gezielt für unterbrechende Maßnahmen einsetzen kann, ohne den Hund zu schlagen bzw. ihm weh zu tun und ohne gebissen zu werden. Aus dieser Unsicherheit heraus bekommen die ausgesprochenen Kommandos für Menschen eine immer größere Bedeutung, während die Hunde die Hilflosigkeit ihrer Menschen fühlen und ihrerseits einfach machen, was sie wollen.

WIR SIND DAS VORBILD FÜR UNSERE HUNDE

Gleichzeitig fehlt den Hunden das Vorbild an angepasster körperlicher Kontaktaufnahme. Wir sind für sie der Maßstab, an dem sie lernen, was angemessen ist und was nicht, zumindest wenn sie als Welpen zu uns kommen. Machen wir ihnen nicht vor, wie man körperlich fair agiert, dann lernen sie es auch schwer, bei anderen Hunden ihrerseits richtig vorzugehen. Wir sind der konstanteste und am häufigsten vorkommende Sozialkontakt für unsere Hunde.

Damit haben wir auch den größten Einfluss als Vorbildfunktion, egal, ob wir das wollen oder nicht. Niemand von uns kann sich aus dieser Verantwortung stehlen, höchstens wenn noch mehrere andere Hunde im Haushalt diese wichtige Lektion für uns übernehmen. Ist da niemand, der es lehrt, bleibt ein eventuell körperlich rüpeliger und übergriffiger Hund zurück, der bei anderen Hunden stets anecken muss, oder einer, der mit Berührungen, körperlichen Einschränkungen und Auseinandersetzungen vollkommen überfordert ist, obwohl diese im Hundealltag dazugehören.

Deswegen habe ich mich für dieses Thema entschieden. Ich möchte nicht nur über die Wichtigkeit von Berührungen schreiben, denn ich denke, da weißt du schon so einiges. Vielmehr möchte ich auch konkrete Anleitungen geben, wann und wie wir uns gezielt über unseren Körper und nicht über Sprache einbringen können, was wir alles still und ruhig über das Anfassen des Hundes beibringen und lehren können und unsere Hunde damit schulen, ebenfalls still und angemessen, fair und geduldig mit dem Körper anderer umzugehen.

Du findest in diesem Buch detailliert erklärte Übungen zum Stärken eurer Beziehung, zum Unterbrechen von störendem Verhalten und zum gemeinsamen und kooperativen Beschäftigen ganz ohne Worte, Kommandos oder Leckerlis. Damit möchte ich dir ein zusätzliches Tool zum bewussten Umgang mit deinem Hund an die Hand geben, nicht ersetzend zu Körpersprache oder auch zu Kommandos, sondern ergänzend und bereichernd. Du wirst sehen, was du alles erreichen kannst und wie intensiv es eure Freundschaft stärken und verbessern wird.

Alles, was dich handlungsfähiger macht, erhöht dein Selbstbewusstsein, deine Souveränität und damit auch deine Klarheit und deine Führungsqualitäten, denn Hunde möchten und brauchen Führung durch jemanden, der weiß, was er tut, und nicht durch jemanden, der irgendwelche unbegründeten Herrschaftsansprüche stellt. Und Führung übernehmen geht eben dann am besten, wenn man für möglichst viele Probleme verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Hand hat.

WUSSTEST DU …

Um einen Hund zu erziehen, ihn neben sich laufen oder sitzen zu lassen, zu sich zu holen oder von etwas abzuhalten, braucht man kein einziges Wort, kein einziges Hilfsmittel und keinen einzigen Gegenstand. Diese Dinge erleichtern es uns, sind aber nicht zwingend notwendig.

© Anna Auerbach/Kosmos

Viele Hunde lieben das ruhige Anfassen und Nahekommen des Kopfes, solange es der vertraute Mensch tut.

© Anna Auerbach/Kosmos

Hat der Hund gelernt, dass der Mensch hinschaut und hilft, dann wird der Mensch aktiv aufgesucht, wenn wie hier ein Blatt am Auge des Hundes festhängt.

WISSENSCHAFT STATT WUNDERPILLE

Die Wirkung von bewusster Atmung, Bewegungstechnik und Körpersprache im Kontakt ist gut erforscht und alles andere als Glaube an unerklärliche Energien.

Ich werde im Verlauf dieses Buches immer wieder auf die Wirkung der eigenen Einstellungen und Empfindungen eingehen und meine damit ganz explizit die erwiesenen Funktionen von Hormon- und Neurotransmitterausschüttungen, Mechanismen im Gehirn und Körper des Hundes und keine unerklärlichen Energien oder mystische Verbindungen. Auch wenn es einem manchmal wirklich magisch vorkommen mag, wie tief eine Verbindung zum Hund sich anfühlen kann und wie intensiv man das Gefühl von Verstehen und Verstandenwerden wahrnehmen kann, wenn man sich konzentriert auf die Kommunikation einlässt.

Die Auswirkungen von Körperkontakt sind bestens erforschte Bereiche und lassen sich sehr unmystisch erklären. So bedingt zum Beispiel eine eigene Intention und Einstellung die Veränderung der Mikromimik – also der unbewussten Gesichtszüge – und auch der unbewussten Körpersprache. Das wiederum wird vom Gegenüber ebenfalls unbewusst ausgelesen und löst ein passendes Gefühl aus. Meiner Meinung nach ist es wichtiger, uns bewusst zu sein, was wir wollen und was wir nicht wollen, als Techniken zum Einstudieren von Kommandos. Hundeerziehung ist Erziehung und in dem Punkt unterscheidet sie sich nicht von der Erziehung eines Menschen. Erziehung ist aber mehr als gezieltes Lob oder Strafe, und das Erlernen von Kommandos ist nur der winzige Teil, der unter „Dressur“ zusammengefasst werden kann.

© Anna Auerbach/Kosmos

Hunde schauen genau hin und werten unsere Bewegungen und Berührungen aus.

PERMANENTE ERZIEHUNG

Erziehung geschieht permanent, unbewusst und durch den sozialen Umgang und das Zusammenleben. Wir erziehen unsere Hunde nicht beim Trainieren, wir erziehen sie vierundzwanzig Stunden am Tag. Erziehung hat das Ziel, ein junges Lebewesen auf die Welt vorzubereiten, es kompetent, sozial angepasst und selbstständig zu machen. Das passiert über Verhaltensweisen, das Wissen über Lerntheorie, Wissenschaft und Entwicklung. Und es passiert über etwas, das man nicht lesen, aber üben kann: über die Einstellung zum Gegenüber, die eigenen Fähigkeiten auszudrücken und zu erkennen, was man erwartet. Ehrlichkeit und authentische Vermittlung von Gefühlen und das Sehen und Ernstnehmen des Lebewesens, das erzogen werden soll, sind wichtige Bestandteile, ob ich als Mensch mit exakt den gleichen Techniken ein ebenso gutes Ergebnis erzielen kann wie jemand anders. Die Einstellung und eigene Aufgeräumtheit, also Selbstreflexionsfähigkeit, sind das, was am Ende den Unterschied macht, ob es funktioniert oder nicht.

Wer nur nach Techniken und Anleitungen sucht, wann er was loben oder strafen soll oder welche Bewegungen er in welcher Situation machen soll, der wird immer auf der Suche nach dem perfekt erzogenen Hund bleiben oder in unangemessenen Zwang oder unangemessenes Loslassen abrutschen. Techniken, Liebe, Anleitung und Sachverstand sind alles wichtige Bestandteile. Aber authentisch reagieren zu können, sich bewusst und klar verhalten und seine eigenen Gefühle erkennen, benennen und beeinflussen zu können, das ist der Schlüssel, der aus all dem vorher Genannten eine Fähigkeit macht.

In diesem Buch geht es um Verstehen, Helfen und auch um das Setzen von Grenzen über Abbruchsignale. Vielleicht ist das ungewohnt und neu für dich. Vielleicht fragst du dich, wie du Verhalten ohne Worte unterbinden kannst, ohne Gewalt anzuwenden, und vielleicht macht dir dieses Thema sogar ein bisschen Angst. Kein Problem! Erstens gehen wir hier Schritt für Schritt vor und du lernst den Körper deines Hundes und deinen eigenen Körper und seine Möglichkeiten sehr gut kennen. Zweitens ist alles, was du umsetzt und tust, freiwillig und durch deinen gesunden Menschenverstand und dein Mitdenken abgesichert. Du lernst im ersten Teil dieses Buches, was weh tut und was nicht, was die Wirkung einer Unterbrechung erzielt, denn eins sei gleich vorweg erwähnt: Auch wenn du deinen Hund unterbrechend anfasst, ist es niemals Schmerz, der ihn abhält oder sein Verhalten beeinflusst. Es ist deine Stimmung, die Art, wie du genau anfasst, wie deine Körpersprache ist und was du zusätzlich tust oder meistens eher: was du zusätzlich lässt. Keine der hier vorgestellten Techniken löst einen Schmerz am Hund aus und sollte es auch nicht tun. Sollte dein Hund Schmerzen haben, dann ist es notwendig, diese tierärztlich abzuklären. Prüfe immer genau, ob dein Hund keine Lust hat, sich wehrt, weil er die Verbindlichkeit in deinem Handeln abwehren möchte oder weil es ihm wirklich weh tut, was du machst. Damit du genau einschätzen kannst, welche Intensität deiner Griffe weh tun und welche nicht, sind die ersten Praxisübungen hier im Buch (das Spielen und die Massageübungen) genau darauf ausgelegt, das herauszufinden.

WUSSTEST DU …

dass Berührungen aller Art zum Lernen dazugehören, wichtig sind für die ungestörte Ausbildung der Persönlichkeit und Gesundheit, ist für sozial strukturiert lebende Säugetiere bekannt und erforscht.

DIE KRAFT DER BERÜHRUNG

Eine einzige Berührung kann alle denkbaren Gefühle hervorrufen, je nachdem, wer einen wie und wann berührt.

Berührungen und Körperkontakt sind lebensnotwendig für soziale Lebewesen wie Menschen und Hunde. Die Wärme der Haut, das Fühlen des Herzschlags, Atmung und Muskulatur des anderen gibt Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit. Das Berührtwerden unterstützt eine verbindliche Aussage, eine klare Ansage und ein ernst gemeintes Lob. Anfassen stärkt die Beziehung zueinander und eröffnet einen Weg, miteinander zu kommunizieren. Ob man jemanden hält, festhält, zurückhält oder fernhält, alles wird ausgedrückt durch die Art der Berührung, die Festigkeit des Griffs, die Bewegung oder Statik im Festhalten. Wer wann und wo festhält, drückt oder zieht, sagt etwas über die Beziehung aus, darüber, wer etwas darf oder eben nicht. Sicherheit, Durchsetzungskraft, Ruhe und Verbindlichkeit fühlt man an einem einzigen Griff, der einen berührt. Berührtwerden kann uns berühren oder auch nicht, je nachdem, wer es wie macht.

Und genauso ist es auch bei Hunden. Dabei ist jede Berührung anders in ihrem Ausdruck. Während das Liegen neben der Hundemutter Wärme spendet, bewirkt es auch noch andere Dinge auf einer anderen Ebene. Es gibt Sicherheit dadurch, dass der Welpe auch im Schlaf fühlt, dass die Mutter da ist. Milch und Schutz liegen wie ein Versprechen direkt an der Haut auf und vermitteln etwas, das keine Worte braucht. Putzt die Mutterhündin ihre Welpen, dreht sie die quengelnden Würmchen resolut auf den Rücken, um den Bauch mit ihrer Zunge zu massieren, so sagt sie noch etwas anderes aus: Ich bin diejenige, die entscheidet! Und ich weiß, was zu tun ist und gut für dich ist! Denn ohne die Zunge der Mutterhündin am Bauch des Welpen kann er anfangs nicht verdauen oder Kot absetzen. Das liebevolle, körperliche Erzwingen dieser Pflegemaßnahme geschieht zum Schutz, auch wenn der Welpe das nicht weiß und sich maulend dagegen zu wehren versucht. Der sanfte, aber ernst gemeinte Schnauzgriff der Mutter, wenn die Welpen älter werden, macht klar: Ich kann mich durchsetzen! Hier sind meine Zähne; dass ich sie nur gehemmt einsetze, liegt an meiner Entscheidung, nicht weil ich es nicht anders könnte. Dem Welpen werden die Durchsetzungskraft und die Bereitschaft der Mutter vermittelt, dass sie ihre Konflikte selbstbewusst austragen würde und körperlich überlegen ist.

Genau wie Hunde setzen auch wir Berührungen ein und vermitteln damit etwas, was Worte überflüssig macht. Ein Händedruck kann Distanz schaffen, durch einen weiter ausgestreckten Arm, der den anderen fernhält, einen festen Druck, der körperliche Kraft präsentiert und sogar als unterschwellige Warnung fungieren kann. Ebenso kann die gleiche Geste, etwas anders ausgeführt, große Sympathie und Nähe ausdrücken, ein Kribbeln im Bauch hervorrufen oder einen innigen Moment erschaffen.

Diese Sprache der Berührung bewusst einzusetzen, ist genauso effektiv und wichtig, wie der Einsatz der Körpersprache, also der bewussten Spannung und Entspannung in der Kommunikation ohne Berührung. Beides gehört zueinander und lässt sich, miteinander verbunden, zu einem wertvollen Ausdrucksmittel machen.

© Anna Auerbach/Kosmos

Automatisches Streicheln wirkt unkontrolliert und unsicher, während das bewusste Stillhalten Sicherheit vermitteln kann.

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Auch Hunde „streicheln“ gern zurück. Sie nutzen dafür ihr Maul, was das Gegenstück zu unseren Händen ist.

DAS ERSTE WORT WIRD GEFÜHLT UND NICHT GESPROCHEN

Welpen kommen blind und taub zur Welt und können sich kaum bewegen. Was ihnen bleibt, ist der Geruch und die Berührung, um ihre Umwelt wahrzunehmen.

Berührungen sind die ursprünglichste und basalste Form der Kommunikation. Im Mutterleib schon ist das Fühlen der Umgebung das, was dem Organismus Sicherheit vermittelt. Das Erste, was jeden Menschen und jeden Hund in dieser Welt erwartet, ist eine kräftige, sehr intensive Berührung am ganzen Körper, die einen quetscht und drückt und durch den Geburtskanal presst. Vermutlich eine schmerzhafte Erfahrung auch für diejenigen, die geboren werden. Danach folgt die erste nonverbale und unsichtbare Vermittlung von Fürsorge und Liebe über ein Ablecken der Welpen durch die Mutter. Noch bevor der Welpe sehenoder hören kann, fühlt er. Und alles,was wichtig ist, wird und muss über das Spüren wahrgenommen werden. Wärme gibt es nur bei den Geschwistern oder der Mutter, nah am Körper. Eine wichtige erste Erfahrung! Überleben tut, wer enger zusammenrückt.

© Anna Auerbach/Kosmos

Hunde müssen nicht nah ran, um riechen zu können. Ihre Nase ist ein Wunderwerk. So nah zu schnuppern hat eine Beziehungsaussage und ist ein Statement.

KÖRPERKONTAKT IST LEBENSNOTWENDIG!

Körperkontakt ist für junge Lebewesen, bei Menschen wie Hunden, lebensnotwendig. Versuche haben gezeigt, dass kleine Äffchen einen Mutterersatz, der warm ist und fühlbares Fell hat, einer Milchquelle vorziehen. Sie verenden sogar lieber durch Mangel an Nahrung als durch Mangel an Körperkontakt. Ebenfalls furchtbare Versuche mit Babys haben im 13. Jahrhundert gezeigt, dass Babys heftige Störungen und Krankheiten entwickeln und sogar daran sterben können, wenn sie nicht liebevoll angefasst werden. Und das selbst dann, wenn sie genügend Nahrung und Wärme bekommen. Angefasstwerden und Anfassen ist also die erste Form der Kommunikation im Leben, die wichtiger ist als Essen und Trinken zusammen. Um so besser, diese tief verwurzelte Form der Interaktion nicht einfach verkommen zu lassen und gegen Hilfsmittel auszutauschen, die eher einen Keil zwischen uns und unsere Hunde treiben, wenn sie notwendig werden und das Hingreifen ersetzen. Egal ob Halsband, Leine, Futterbrocken, Clicker, Wurfdisc und Rütteldosen, alle Hilfsmittel sollten nur die letzten Millimeter der Möglichkeiten ersetzen, die eine Berührung nicht ausfüllen kann, und nicht stellvertretend genutzt werden, weil es vermeintlich wirkungsvoller oder einfacher wäre. Fast jedes Hilfsmittel hat seine Berechtigung und ist, irgendwo und irgendwann richtig eingesetzt, gut. Aber es bleibt immer eine Krücke, um den Bereich auszugleichen, den wir mit unseren Händen nicht mehr erreichen können. Wer erst alle Möglichkeiten ausschöpft, sich über Körpersprache und das Einsetzen von Berührungen verständlich zu machen, der kann sich die Hilfsmittel für die Momente aufsparen, in denen es wirklich sein muss.

WUSSTEST DU …

Berührungen und Kommunikation darüber sind in der menschlichen Therapie mit stark eingeschränkten Personen eine oft genutzte Praxis und ein hilfreiches Mittel für die Patientinnen und Patienten (Basale Stimulation).

© Anna Auerbach/Kosmos

Zum Prozess der Sozialisierung gehört auch der Körperkontakt zu anderen Hunden. Und das nicht nur im Spiel.

ANFASSEN IST NICHT FÜR JEDEN

Auch Hunde haben eine empfundene Individualdistanz, und diese ist, wie der Name schon sagt, individuell.

Genauso wie manche Menschen gern jeden umarmen und es lieben, wenn ihnen jemand aufmunternd die Hand auf die Schulter legt, löst genau diese Vorstellung bei anderen fast schon Ekelgefühle aus. Du kennst deinen Hund am besten und wirst wissen, wie gern er in direkten Körperkontakt mit fremden Menschen und Hunden geht. Dabei kann es zu großen Unterschieden zwischen der erwünschten Distanz von Mensch oder Hund kommen. So manch ein Hund kuschelt mit seinen Hundefreunden bereits nach einem einzigen Treffen und weicht der streichelnden Hand einer fremden Person angewidert aus. Ein anderer Hund springt jedem Menschen im ersten Kontakt so nah wie möglich ans Bein oder auf den Schoß, entzieht sich aber mit hochgezogenen Lefzen dem Beschnuppern durch einen anderen Hund. Wichtig ist für dich, die Unterschiede zu sehen und darauf zu achten, was dein Hund zeigt. Nicht deine eigene Bewertung der Situation ist hier wichtig, sondern das genaue Beobachten: Vielleicht fändest du etwas übergriffig, weil deine eigene Individualdistanz größer ist als die deines Hundes, und projizierst dieses Bedürfnis auf deinen Hund? Oder du magst den Kontakt zu einem Menschen oder zu Hunden und wunderst dich, dass dein Hund das so ganz anders sieht als du?

Versuche deinen Hund zu sehen, wie er wirklich ist, und akzeptiere seine Andersartigkeit in diesem Punkt. Du brauchst nichts daran zu verändern und kannst dich einfach darauf einstellen, angemessen Kontakt für deinen Hund zu kontrollieren. Will jemand deinen Hund streicheln und du weißt genau, er wird es vielleicht dulden, mag es aber überhaupt nicht? Dann sage höflich, dass der Hund nicht angefasst werden darf, weil er es nicht mag, von Fremden gestreichelt zu werden. Es muss nicht jeder Mensch jeden Hund anfassen! Hunde haben ein Recht darauf, sich gegen denaufgezwungenen Körperkontakt zu fremdenPersonen zu wehren. Diese Regel gilt immer und sollte zum Wohl des Hundes beachtet werden. Liegt also kein Notfall vor, in dem es sich nicht vermeiden lässt, dann gilt es für dich, fremden Menschen direkt und deutlich zu verbieten, deinen Hund anzufassen oder ihren Hund zu ihm zu lassen, wenn dein Hund sich dadurch bedrängt fühlt.

Ganz anders ist die Situation bei Freunden, also bekannten und geliebten Personen. Du solltest also auf jeden Fall deinen Hund anfassen können und dürfen und auch darauf bestehen. Denn du bist seine Vertrauensperson und hast andere Möglichkeiten und Grundlagen, selbst wenn es mal bedeutet, dass du deinem Hund Kontakt aufzwingst. Die wichtigste Grundlage ist, dass ihr euch kennt, liebt und voller Zugewandtheit zueinander seid, dass ihr euch als Freunde seht und eure Freundschaft fest genug ist, um auch Auseinandersetzungen zu tragen und Konflikte miteinander zu einer festeren Beziehung und nicht zu einem Verlust der Freundschaft führen. Wenn du Sorge hast, dass dein Hund durch ein Festhalten und Erzwingen durch dich als Person sein Vertrauen verlieren könnte oder seine Liebe zerbricht, dann solltest du dringend über eure Beziehung reflektieren. Ist das Band so dünn, dass ein kleiner, hundgerechter Konflikt alles zerstören wird? Hast du die Fähigkeit, jemanden zu halten und dich auch körperlich durchzusetzen, ohne ihm dabei schaden zu wollen und ohne deine liebevolle Grundeinstellung zu verlieren?

Solange du unterbrechende Maßnahmen, Festhalten und Abhalten als etwas gegen den Hund Gerichtetes empfindest und auslebst, wird es sich falsch anfühlen und falsch sein. Wenn deine Berührung, egal ob von deinem Hund gewählt oder von dir entschieden, wie der feste, aber schützende Griff einer Mutter wirkt, die ihr Kind an der Straße festhält, wenn es gerade im Begriff ist, diese achtlos zu betreten, dann wird es eure Beziehung stärken.

Stell dir vor, dein Hund hat große Schmerzen und muss verarztet werden. Was denkst du, wer sollte ihn festhalten, während es weh tut? Was wäre für ihn am hilfreichsten, auch wenn er sicher nicht dableiben möchte? Dann doch zumindest du, die ihn hält und liebevolle Gedanken sendet. Gerade die Person, der man vertraut und die ihre Liebe auch im Halten und Erzwingen vermitteln kann, ist die Person, die jederzeit Körperkontakt einfordern darf und damit das Vertrauen in jeder Situation aufs Neue stärkt, indem sie den Beweis antritt, dass ihre Berührungen authentisch, durchdacht und zum Nutzen für ein größeres Ganzes sind und nicht für den Ausdruck einer individuellen Laune.

© Anna Auerbach/Kosmos

Hunde, die ohne Menschenkontakt aufgewachsen sind, wie z. B. manche Hunde aus dem Auslandstierschutz, brauchen eventuell eine andere, vorsichtigere Herangehensweise. Hol dir im Zweifel ein professionelles Coaching, bevor du mit den im Buch vorgestellten Techniken startest.

INDIVIDUALDISTANZ ODER KONTROLLE?

Hunde, die Berührungen nicht mögen oder gar Angst vor ihnen haben, müssen besonders behutsam an das Angefasstwerden herangeführt werden. Aber hat dein Hund wirklich ein Problem mit der Nähe?

© Anna Auerbach/Kosmos

Wer wem nahe kommen darf, sagt etwas über den sozialen Status aus.

© Anna Auerbach/Kosmos

Aus dem höheren Status heraus darf daher Abstand eingefordert werden.

„Er mag das nicht so nah!“ Eine gängige Aussage der Menschen, wenn der Hund sich gegen ein Festhalten oder Schieben wehrt. Nun ist es aber wertvoll und wichtig, genau hinzuschauen, was der Hund daran nicht mag. Wie sieht es denn mit der selbst gewählten Nähe aus? Ein Hund, der dem Menschen so nah kommt, dass er ihn berührt, ihm hinterherläuft, seinen Kopf auf ihn legt oder ihn anstupst, der hat ganz offensichtlich kein Problem mit körperlicher Nähe. Das, was ihn stören könnte, ist dann eher, dass es nicht zu seinen Bedingungen abläuft. Frei nach dem Motto: „Ich darf dich jederzeit anfassen, drängeln und stupsen, aber du darfst das nicht!“ Hinter der vermeintlichen Angst vor dem Festgehaltenwerden steht also eher die soziale Aussage, dass sich der Hund das nicht bieten lassen möchte, dass über ihn derart verfügt wird, wie er über andere verfügt. Das von echter Sorge oder wirklicher Abwehr gegen Kontakt zu unterscheiden, ist notwendig, um sich angemessen anzupassen. Ein wirklich ängstlicher Hund, der ernsthaft keine Berührungen erträgt, sollte nur mit großer Vorsicht, flachen Händen oder sogar erst einmal gar nicht angefasst werden. Erst wenn ein Vertrauensverhältnis entstanden ist, kann er anfangs mithilfe der Leine an den Körper herangezogen werden, bevor eine Hand nach ihm greift. Bei einer gewachsenen, liebevollen Beziehung ist es durchaus okay, einen Hund, der sich verweigert, zu nötigen, näher zu kommen. Wer keine Angst vor Nähe hat, der kann auch kein Vertrauen verlieren, wenn er Nähe aufgezwungen bekommt. Hunde, die die Regeln für Nähe ausschließlich selbst festlegen möchten, tun gut daran, sich mit durch den Menschen initiiertem Kontakt auseinanderzusetzen. Manchmal muss der Hund auch erst die Hilfe eines Festhaltens erfahren, bevor er es annehmen und aufsuchen kann. Im späteren Verlauf wirst du eine Technik kennenlernen, mit der du deinen Hund in Angst festhältst, wogegen er sich wahrscheinlich wehren wird, zum Beispiel bei Angst vor einem Geräusch. Nicht das Halten macht ihm dabei Angst, er hat sie vorher schon! Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Reaktion auf das Gehaltenwerden nicht die Angst ist oder der negative Reiz, der sie auslöst, sondern nur ein Kanal, durch den das Bedürfnis zu fliehen zum Ausdruck kommt. Er nimmt deswegen weder den haltenden Menschen noch das Anfassen als Bedrohung war, sondern das Geräusch, das seine Angst auslöst. Nur wenn der Hund explizit Angst vor dem Angefasstwerden hat, dann sollte dringend ein Profi hinzugezogen werden, der sich mit Körperarbeit bei ängstlichen Hunden auskennt und die hier vorgestellten Techniken begleitend coachen und anpassen kann.

Dabei werden alle Berührungen langsam und achtsam gesteigert und erst mit den anderen Techniken begonnen, wenn der Hund das Massieren, Kneten des Muskelmantels und das Dehnen ohne Gegenwehr und entspannt ertragen kann. Wenn du nicht sicher bist, dann nimm dir immer die Massage- und Dehnungsübungen als Anhaltspunkt. Kommt der Hund damit im entspannten Umfeld gut klar, dann hat er kein Problem mit der Berührung an sich und auch nicht mit dem Griff in den Muskelmantel. Sind diese Techniken für ihn unerträglich, dann lass ihn bitte untersuchen. Danach kannst du behutsam darauf hinarbeiten, dass sie zur Normalität werden, bevor du weitermachst.

WUSSTEST DU …

Viele Hunde machen alles so lange gern mit, wie es ausschließlich zu ihren Bedingungen geschieht. Dabei gelten für ihr eigenes Handeln oft andere Regeln. Wer über wen verfügen darf, ist für Hunde eine Frage sozialer Stellung und Position im Miteinander.

© Anna Auerbach/Kosmos

Das Durchsetzen von Pflegemaßnahmen ist immer auch ein Durchsetzen des Statusanspruche, auch wenn es ganz liebevoll durchgesetzt wird.

WARUM SIND MANCHE HUNDE KUSCHELIGER?

Ob dein Hund gern berührt wird, hat etwas mit deinem Umgang zu tun und kann sich im Lauf des Lebens ändern.

Je mehr du deinen Hund schon als Welpe streichelst und kuschelst, desto mehr wird er auf diesem Kanal sensibilisiert. Viele Hunde, die ohne Menschen aufgewachsen sind und keinen Kontakt kennen, verweigern zu nahes Liegen oder intensives Streicheln. Sie können manchmal einfach nichts damit anfangen.

Lernt der Welpe dagegen von Anfang an, viel berührt zu werden, dann sucht er erfahrungsgemäß auch später mehr die körperliche Nähe zum Menschen. Das bedeutet, dass liebevolles „Zwangskuscheln“ des Welpen neben anderen positiven Effekten auch dazu beitragen kann, dass der Hund im Erwachsenenalter verkuschelter wird. Dazu kommt, dass sich neuronale Verbindungen zu Haut und Tastsinn durch ihre Aktivierung aufbauen. Zu fühlen lässt sich also üben. Was nicht genutzt wird, wird auch nicht angesteuert und umgekehrt. Die Aufmerksamkeit der Sinne lässt sich aber wiedererwecken und durch Stimulation verbessern. Das bedeutet im Klartext, dass auch ein Hund, der es bisher nicht gewohnt war, viel angefasst zu werden, und daher den Kontakt eher ablehnt und als merkwürdig empfindet, lernen kann, ihn zu genießen.

Fühlen wir uns also nicht persönlich zurückgewiesen durch die Ablehnung und bleiben dran, dann wird sich das Empfinden auch eines erwachsenen Hundes ändern. Ist ein Hund dagegen ganz plötzlich empfindlich gegenüber Berührungen, dann muss unbedingt medizinisch abgeklärt werden, ob er Schmerzen hat. Auch sehr alte Hunde verweigern oft zunehmend den Kontakt. Liegt es in dem Fall nicht an körperlichen Wehwehchen des Alters, dann kann es sich um ein langsames Zurückziehen und sich Separieren handeln, was viele Hunde als Vorbereitung auf den Sterbeprozess nutzen, um sich in Ruhe aus dem Leben zu verabschieden. Ist dies der Fall, dann würde ich persönlich dazu raten, den Hund in Ruhe gehen zu lassen und nicht noch auf den letzten Metern des Lebens zu beginnen, ihn zu bedrängen. Ist dein Hund also sehr alt und nah am Lebensende, dann übe das Folgende bitte lieber mit dem nächsten Hund, der seinen Weg zu dir findet.

SOZIALE STELLUNG UND BERÜHRUNG

Ist dein Hund weit weg vom letzten Tag, dann gibt es noch einen weiteren Punkt, der darüber bestimmt, ob er gern oder ungern angefasst werden möchte: Sich anfassen zu lassen hat auch immer etwas mit der sozialen Stellung zu tun. So wird ein Hund, der dazu neigt, sich grundsätzlich in einer bestimmenden Position dem Menschen gegenüber zu sehen, Berührungen nur zulassen, wenn sie zu seinen strengen Bedingungen geschehen. Während er selbst Streicheleinheiten einfordert oder Menschen direkt nah kommt oder sich sogar grenzüberschreitend aufdringlich verhält, möchte er nicht angefasst werden, wenn der Mensch es möchte. Einerseits die Nase ziemlich direkt in den Schritt drücken, dann aber angeekelt den Kopf wegziehen, wenn der Mensch ebenfalls anzufassen versucht. Diese Form, den Zügel in die Hand zu nehmen, hat eine soziale Aussage und ist mehr, als einfach nur nicht wollen. Es ist der Wunsch, die Bedingungen bestimmen zu dürfen. Das ist auch ein Grund, weshalb einige Hunde bei den folgenden Übungen Konflikte der Beziehung, die vielleicht seit Jahren unterschwellig mitgetragen werden, auf den Tisch bringen. Oder dass sie wütend über die Anmaßung des Menschen reagieren und dieser zum ersten Mal sieht, was passiert, wenn er die Regeln bestimmt und den Anforderungen seines Hundes nicht gerecht wird. Da kann es schon mal zu einem unangenehmen Moment kommen.

© Anna Auerbach/Kosmos

Berührungen nutzen, um Stimmungen zu beeinflussen, ist ein Privileg und mit etwas Übung eine tolle Möglichkeit, artgerecht zu erziehen.

BEZIEHUNGEN SIND IMMER IM WANDEL UND VERÄNDERBAR

Solltest du also den Eindruck bekommen, dass dein Hund dir in den folgenden Übungen ziemlich unverblümt vermittelt, dass du es dir nicht leisten solltest, die Regeln zu bestimmen, dann halte dir bitte vor Augen, dass dies nur eine Momentaufnahme eurer Beziehung ist und du genau in diesem Augenblick dabei bist, die Weichen anders zu stellen. Wenn dein Hund also nicht gern angefasst wird, egal ob es daran liegt, dass er es nicht gut kennt oder ob er die Verfügung über die Entscheidung als Mittel nutzt, seine Position dir gegenüber zu stärken, bleibe dran und halte durch und fest. Zu kämpfen lohnt sich auch hier mehr als gleich aufzugeben.

ABSTUMPFUNG

Durch harte und unkontrollierte Berührungen können Hunde abstumpfen. Die gute Nachricht: Sie können auch wieder sensibilisiert werden.

SENSIBILITÄT WIEDERHERSTELLEN