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Elf Touren durch alle Jahreszeiten. Auch wenn die Strecke immer dieselbe ist, so hält doch jede Tour neue Erlebnisse bereit. Die Autorin berichtet von ihrem Alltag als Reiseleiterin, dem Wandel der Reise durch die Jahreszeiten hindurch, aber auch von unvergesslichen Momenten, die jede Tour zu bieten hat. So entstand ein Tagebuch, das zusätzlich viele Tipps enthält, welche Ausflüge sich lohnen und was es auf der Reise alles zu sehen gibt. Wer bereits mit Hurtigruten gereist ist, wird unzählige Momente seiner Tour wiedererkennen.
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Seitenzahl: 270
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Meinen Eltern gewidmet
Nordlicht und Sterne oder: wo geht´s denn hier zum Wetter
Von Kiel bis Kiel oder: wer schickt den Winter in die Sommerpause
Jetzt wird es traditionell oder: norwegische Nationalfeiertagsfreuden
Mitternachtssonnenzeit oder: wenn der Winter endlich aufgibt
Wenn der Sommer kommt oder: Hochsaison mit Hochzeit
Der Kampf des Wetters oder: der Sommer in der Sommerpause
Lost and Found Freuden oder: die Spur der Tasche
Social Media Marathon oder: in jedem Hafen ein Date
Der Herbst ist da oder: wenn Norwegen golden leuchtet
Der Polarnacht engegen oder: wenn der Winter sich häuslich einrichtet
Jahreswechsel auf hurtigrutisch oder: hello 2018!
MS Nordkapp, 26. März
Der Anreisetag ist da. Und mit ihm die Idee, ein Jahr lang so etwas wie ein Tagebuch auf meinen Touren zu führen. Natürlich ist die Reiseroute jedes Mal fast dieselbe, aber immer wieder entdecke auch ich an der Strecke neue Highlights oder es passiert das ein oder andere, was so nicht geplant war. Ich bin sehr gespannt, ob es mir neben meinem Job als Reiseleiterin gelingt alles festzuhalten.
Natürlich ist der Tag, an dem die Gäste kommen, immer besonders spannend und aufregend. Am Flughafen warten wir, bis der erste Flieger in Bergen landet. Begrüßen, auf der Liste abhaken, Schlüsselbänder aushändigen. Der große Schwung kommt meist geballt mit demselben Flug und alle sind gespannt auf die Reise, die vor ihnen liegt. Da wir diesmal mit der Themenreise „Nordlicht & Sterne“ unterwegs sind, haben wir zwei Lektoren dabei, die während der Tour zahlreiche Vorträge halten über alles, was das Universum zu bieten hat. Auf dem Weg zum Schiff machen wir noch eine kleine Rundfahrt durch Bergen, damit die Gäste wenigstens einen kleinen Eindruck von der Stadt gewinnen können. Am Schiff heißt es Bordkarten aushändigen, Sicherheitsübung, erste Fragen klären. Alles wuselt wie üblich durcheinander und die Gäste erkunden fleißig das Schiff. Diesmal fahren wir mit der MS Nordkapp. Wir Gruppenreiseleiter sind nicht an ein Schiff gebunden, sondern werden dort eingesetzt, wo eben die Gruppenreisen stattfinden. Im Laufe des Jahres kommt da so ziemlich die ganze Flotte zusammen. Da wir uns im Moment noch im Winterfahrplan befinden, bleibt bis zum Ablegen noch genug Zeit um die erste Runde am Buffet zu starten. Um 22:30 Uhr geht es dann endlich los. Bergen verschwindet langsam in der Dunkelheit. Kurs Nord.
MS Nordkapp, 27. März
Der erste volle Bordtag. Wetter gut, alles gut. Nach den Zwischenstopps am Morgen sind wir pünktlich in Ålesund. Nachdem wir ja am Sonntag gestartet sind, füllen wir hier erstmal unsere Getränkevorräte auf. Klar gibt es die auch auf dem Schiff, aber es geht einfach nichts über Supermarktpreise. Tag zwei ist immer sowas wie der richtige Kennenlerntag. Langsam bekommen wir Reiseleiter ein Gefühl dafür, wer zu unserer Gruppe gehört. Die Gesichter prägen sich ein und auch Kollegen und Lektoren lernt man jetzt richtig kennen. Auch wir treffen uns erst am Anreisetag, aber gerade das ist das Spannende und macht den Job nie langweilig.
Kurz bevor wir in Ålesund anlegen, fängt es an zu regnen, also begraben wir unsere Absicht, heute wieder einmal auf den Hausberg Aksla zu klettern. Wie gut, dass in der Fußgängerzone ein Outlet wohnt. Da sich in der unteren Etage ein riesiger Souvenirshop befindet, nimmt man das Paradies, das im Obergeschoss wartet, nicht gleich wahr. Ich habe ja generell kein Shopping-Gen, aber bei 50% Preisnachlass auf Dale, Bergans und Helly Hansen kann ich meist nicht widerstehen, die ein oder andere Krone hier zu lassen. Den Gästen geht es übrigens ähnlich und ich überlege mir schon, ob ich vielleicht über Provision verhandeln sollte. An Tag drei laufen jedenfalls auffällig viele durch das Schiff, die mit einem neuen Dale-Pullover ausgestattet sind.
Am Abend deponiere ich in Molde ein Päckchen unseres kleinen privaten Postservices. Wir Reiseleiter bringen uns immer mal gegenseitig kleine Lieferungen mit, vor allem aus Deutschland. Eben das, was in Norwegen teuer oder nicht erhältlich ist. Dieses Mal bin ich der Postkurier und das Hotel Alexandra in unmittelbarer Nähe zum Kai ist sozusagen unser Postamt. Schließlich sind wir ja auch ein Postschiff, da kann man die Tradition gleich aufrecht erhalten. Zuweilen stapeln sich an der Rezeption im Hotel die hinterlegten Kleinigkeiten.
Ich laufe gleich weiter zum Scandic Seilet Hotel. Es ist ja mittlerweile das Wahrzeichen von Molde geworden und ich finde es wunderschön, wenn sich unser Schiff beim Einlaufen darin spiegelt. Der halbstündige Aufenthalt reicht heute jedoch nicht um ganz zum Hotel zu kommen. Unglücklicherweise liegt das Stadion davor und der Weg zieht sich. Und die Uhr hat man ja auch noch im Nacken. Bei einer der nächsten Touren will ich südgehend noch einmal hier vorbei schauen und unbedingt in die oberste Etage fahren. Von hier blickt man direkt ins Stadion und auf Molde.
MS Nordkapp, 28. März
Heute in Trondheim liegt die MS Vesterålen neben uns. Irgendwie bin ich auf dieses Schiff abonniert, denn es vergeht zur Zeit fast keine Tour, auf der sie nicht zeitgleich mit mir in Trondheim oder Rørvik ist. Die Sonne übt sich in Zurückhaltung, aber natürlich starten alle nach dem Frühstück in die Stadt. Mit meinem Kollegen mache ich mich auf zur Festung Kristiansten, ich war lange nicht oben, denn meistens scheue ich den Anstieg, da ich von der Sorte „unsportlich“ bin. Heute will ich aber von hier den Ausblick auf die Stadt genießen. Wir wählen den Einstieg, der am nächsten zum Anleger ist. Die Bäume haben sich ja noch nicht in ihr grünes Blätterkleid gehüllt und so liegt der Dom imposant hinter den Baumgipfeln. Damit wir nicht zu lange verharren, schickt uns der Himmel gleich mal einen kräftigen Graupelschauer. Iiiiiiiiiiiiiiih. Wir stapfen natürlich weiter. Mächtig kalt hier oben. Aber der Blick auf Trondheim ist einfach immer wieder fantastisch. Wen stört es da schon in knöchelhohem Matsch zu waten.
Wo wir schon einmal hier oben sind, schauen wir uns die Abfahrt der MS Vesterålen auch an. Sie lässt sich ewig Zeit, aber dann sehen wir sie Richtung Munkholmen gen Süden fahren. Auf einen Abstecher wollen wir noch zum Nidarosdom. Aus dem Himmel graupelt es weiter. Mit der vagen Hoffnung, dass es wieder besser wird, warten wir im gegenüber liegenden Innenhof eine gefühlte Ewigkeit, bis wir befinden, dass der Nidarosdom heute doch nicht so wichtig ist. In drei Wochen sind wir ja wieder hier. Also zurück zum Schiff. Es graupelt weiter. Trotz Kapuze sind wir irgendwann nass geregnet und stellen uns zum ungefähr tausendsten Mal unter. Eine gute Gelegenheit um sich die Vårfruekirke von innen anzuschauen. Die mittelalterliche Steinkirche liegt mitten in der Stadt und in ihr erhalten Bedürftige Kaffee und Kuchen. Das Ganze findet wegen Platzmangel direkt im Kirchenschiff statt. Das mag ich an Norwegen. Für alles gibt es eine unkomplizierte Lösung. Und die Kirche ist wirklich sehenswert. Prächtig ausgestattet mit einem fulminanten Altar und einer wunderschönen Orgel. Nebenbei können wir uns hier halbwegs trocken legen, allerdings ist der Nachteil, dass man danach noch viel weniger hinaus in die Kälte möchte. Immerhin hat sich zwischenzeitlich der Graupelschauer verzogen. Für fünf Minuten. Also wieder unterstellen. Diesmal an einem kleinen Second-Hand-Laden. Und während wir bereits davor stehen, erzählt mir mein Kollege vom trash-verdächtigsten Laden in Trondheim, ohne zu merken, dass wir bereits seit zwei Minuten durch die Scheibe von selbigem glotzen. Also nichts wie hinein. Ich glaube ich habe noch nie so viel altes Geraffel auf einem Haufen gesehen. Von Klamotten bis Geschirr gibt es hier alles, allerdings frage ich mich ernsthaft, ob es für dieses Katastrophenangebot wirklich Käufer gibt. Der Laden ist so vollgestopft, dass man sich kaum bewegen kann, ohne die Auslage zu zerstören und der aromatische Geruch von Mottenpulver löst in mir auch keinen exzessiven Shopping-Wahn aus. Nach fünf Minuten weiß ich nicht, was ich schlimmer finde. Trocken im Laden oder nass draußen. Die Abfahrtszeit unseres Schiffes nimmt uns die Entscheidung ab, da die wir uns zwölf Uhr nähern. Graupel hin oder her, schließlich gibt es auf dem Schiff Duschen.
MS Nordkapp, 29. März
Schon wieder ist es so weit. Wir überschreiten den Polarkreis. Der hat sich heute besonders herausgeputzt. Ich gebe zu, dass ich nordgehend nicht grundsätzlich an Deck bin, wenn der Moment da ist, aber heute kann auch ich nicht widerstehen, mir bereits um 7:15 Uhr den arktischen Wind um die Nase wehen zu lassen. Sonne und Wolken fügen sich heute zum sensationellen Licht-Mix ineinander. Auch ein Großteil unserer Gruppe hat sich an Deck begeben, fast niemand kann sich der wunderschönen Lichtstimmung entziehen. Kameras und Handys sind gezückt und insgeheim überlegt jeder schon, ob er eine Chance auf die Fahne hat, der erste Preis beim Polarkreisüberschreitungstipp-Wettbewerb. Ich gebe zu, dass ich jedes Mal versucht bin, mitzumachen. Ich will die Fahne. Auch wenn ich auf das Autogrammfestival, das sich darauf befindet, verzichten kann. Aber die Fahne eben. Rein theoretisch dürfen wir Reiseleiter am Ratewettbewerb, wann wir denn nun den Polarkreis überschreiten, teilnehmen. Denn auch wir wissen nicht genau, wann es denn so weit ist. Von 7:03 Uhr bis 8:15 Uhr habe ich schon alles erlebt. Trotzdem sähe es irgendwie eigenartig aus, wenn wir als Gewinner die Fahne in Empfang nehmen würden. Also üben wir uns in vornehmer Zurückhaltung.
Etwas später wird der Gewinner dann auch bekannt gegeben. Die Polartaufe steht an. Jetzt im Winter bringen die Temperaturen uns nicht gerade dazu in der ersten Reihe zu stehen. Kalt und so. Vorsichtshalber verziehe ich mich nach ganz hinten, denn wir Reiseleiter bekommen ja gerne mal den ganzen Eimer Eiswasser ab. Das Vergnügen hatte ich bei meiner ersten Tour überhaupt, auch eine Winterreise. Heute habe ich Glück. Unser Bordreiseleiter hat mit unserer Tour seinen Dienst auf der Nordkapp angetreten und muss dran glauben. Ich bin nicht neidisch.
Hier am Polarkreis sichten wir auch die alte Lady MS Nordstjernen, die brav bis zum Nachmittag hinter uns her fährt. Alle stehen wir am Heck um die besten Fotos des eleganten Schiffes zu erhaschen, schließlich sieht man die ehemals Flottenälteste nicht alle Tage. Seit das Schiff verkauft wurde, kommt der MS Lofoten der Titel Flottenälteste zu. Wir hoffen alle, dass die Nordstjernen bis Bodø mitfahren möge und ein kleiner Besuch drin ist. Als wir in Bodø anlegen, haben wir sie aus den Augen verloren, dafür liegt die AIDAcara gleich neben uns. Kein adäquater Ersatz, finden wir. Doch man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben. Tatsächlich schwebt sie dreißig Minuten nach uns in den Hafen und macht ebenfalls neben der AIDA fest. Es hat ein bisschen was von David gegen Goliath. Natürlich machen wir uns gleich auf zur MS Nordstjernen. Die Passagiere, die mit ihr zur Tour aufbrechen, kommen erst morgen und so wenden wir das allseits bekannte Augenklimpern an, um zu einer kleinen Schiffsbesichtigungstour zu starten. Die Holzplanken an Deck sind so glatt, dass es quasi einer Schlittschuhbahn gleich kommt, aber wir hangeln uns erfolgreich die Reling entlang. Und sind sofort Fans des nostalgischen Designs. Da die Nordstjernen genau unterhalb des Scandic Hotels liegt, befinden wir, dass wir von der Aussichtsterrasse das Schiff von oben fotografieren und nebenbei den Ausblick auf die Stadt Bodø im Sonnenschein genießen können.
Der Winter gibt weiterhin tüchtig Gas und so präsentiert sich der Ausblick auf die Stadt in schneebedeckter Pracht. In einem Reiseführer habe ich einmal gelesen, Bodø sei eine sachliche Stadt ohne optische Höhepunkte. Ja, das kann man nicht ganz von der Hand weisen. Aber der Blick auf den Yachthafen von der Hotelterrasse ist wirklich hübsch. Bodø punktet eben mehr durch seine Umgebung.
Nachdem der Vestfjord uns wohl gesonnen ist und sich mit Schaukelwetter zurück hält, beschert uns die Einfahrt im Hafen von Stamsund allerschönste Wetterherrlichkeit. Blöderweise genau zum Abendessen. Da Lichtstimmungen die unangenehme Angewohnheit haben, nur von kurzer Dauer zu sein, rutscht so ziemlich jeder unruhig auf seinem Stuhl rum, während die Hauptspeise serviert wird und die großartigsten Fotomotive an uns vorbei ziehen. Wir sind ab sofort dafür die Mahlzeiten an Deck einzunehmen, die Kamera in der Hand. Nach dem Essen stürmen wir alle raus - aber - das Licht hat sich verzogen. Die Sonne ist bereits hinter den Horizont gehüpft. Heute wird das also nichts mehr. Am späten Abend schaukeln wir in den Raftsund, aber der ist uns heute nicht wohl gesonnen. Zu windig um an die Mündung des Trollfjords zu fahren. Da außerdem ein eisiger Wind pfeift, verziehen sich alle schnell ins Schiffsinnere. Zu kalt, zu ungemütlich. Morgen ist ja auch noch ein Tag.
MS Nordkapp, 30. März
Wir nähern uns dem Nordlichtoval und damit steigt unsere Hoffnung, dass es endlich losgeht mit dem Feuerwerk am Himmel. Wenigstens der KP-Index beglückt uns schon mal mit fotofreundlichen Werten. Jetzt muss nur noch der Himmel seinen Teil dazu beitragen und die Wolkendecke irgendwo anders hinschicken. Nach langer Zeit steige ich heute mal wieder in Finnsness aus. Ein paar Schritte laufen tut auch ganz gut. Am Pier herrlich blankes Eis und die Spikes liegen auf der Kabine. Also rutschen wir die hundert Meter und begutachten unser Schiff von hinten. Fotos machen, quatschen. Wie schnell doch eine halbe Stunde rumgehen kann. Als wir das obligatorische „tut“ hören, müssen wir uns der Herausforderung stellen, uns in Windeseile zurück zur Gangway zu hangeln. Bloß nicht als Reiseleiter das Schiff verpassen. Und wo wir doch den Gästen immer einbleuen, dass man unbedingt pünktlich wieder da sein muss, sind uns tagesfüllende ironische Bemerkungen sicher. Aber wir schaffen es unter Inkaufnahme von Hinfallen und blauen Flecken. Kaum sind wir drin, geht die Gangway hoch. Glück gehabt.
Je weiter wir nach Norden kommen, je mehr wird der Schnee. War doch im Januar in Tromsø von der weißen Pracht nichts zu sehen, dreht der Winter jetzt im März noch mal so richtig auf. In der Stadt türmt sich der Schnee auf fünfzig Zentimeter, Sitzbänke und alles andere, was bodennah ist, liegt begraben. Alle paar Meter liegt ein Berg aus zusammen gekehrter Winterseligkeit und von oben schneit es gleich kräftig nach. Die AIDAcara scheint uns zu verfolgen, auch heute hat sie neben uns fest gemacht. Heute werden wir ihr aber davon fahren, denn an der Tromsøbrücke muss sie höhenmäßig kapitulieren. Das Wetter ist so schmuddelig, dass ich mich heute nicht motivieren kann, einen Abstecher Richtung Polarmuseum oder sonst wohin zu machen. Da ist es doch viel besser, den Blick auf die Eismeerkathedrale vom Schiff aus zu genießen. Außerdem ist das Expeditionsteam der Nordlys heute bei uns auf der Nordkapp unterwegs und dreht ein Commercial, auch für die Gäste ein Anziehungspunkt. Schließlich wird nicht jeden Tag auf dem Schiff gedreht. Für uns heißt das Kollegen begrüßen und mit dem ein oder anderen einen kleinen Plausch halten. Ein schöner Moment auf jeder Tour, wenn man sich trifft.
Weiter geht es Richtung Skjervøy. Mittlerweile sind die Tage schon so lang, dass Nordlicht vor 22 Uhr kaum noch drin ist. Nachtschicht also. Um ein Uhr geben die meisten auf. Der Himmel will uns einfach nicht mit sternenklar erfreuen. Vor unseren Lektoren ziehe ich wirklich den Hut, denn sie unterbrechen jede Stunde ihren Schlaf um nach der grünen Pracht Ausschau zu halten. Vergebens. Diese Nacht wird nichts aus Nordlichtern.
MS Nordkapp, 31. März
Nordkapptag. Die wichtigste Frage heute: werden wir zum Kapp fahren können? In den letzten Wochen ist die Insel Magerøya mit reichlich Sturm gesegnet und das ein oder andere mal waren die Schneeverwehungen so gewaltig, dass die Straße zum Nordkapp gesperrt blieb. Als wir in Honningsvåg anlegen lacht die Sonne vom Himmel, was so gut wie gar nichts heißt, denn das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch am Nordkapp gutes Wetter herrscht. Gerade hier im Norden ist das Wetter launisch. Aber diesmal klappt es. Wie immer fahren wir mit reichlich Bussen, denn die meisten Gäste wollen den Nordrand Europas sehen. Die Fahrt dorthin genieße ich heute besonders, alles liegt tief verschneit da, unter zwei Meter Schnee begraben. Wunderschön. Am Kapp angekommen, entscheidet sich die Sonne hinter dunklen Wolken zu verschwinden und ein paar kräftige Graupelschauer vorbei zu schicken. Zusammen mit dem Wind ist das wie sandgestrahlt werden. Gut, dass es die Nordkapphalle gibt, in der man sich immer wieder aufwärmen kann. Das tue ich dann auch dreimal, ungefähr alle zwanzig Gaste, die ich am Globus fotografiere. Finger sind vor Kälte irgendwann nicht mehr zu gebrauchen. Zwei Norweger haben sich mit dem Schneemobil bis zum Nordkapp vorgekämpft und fahren auf dem Rückweg sozusagen als unsere Eskorte mit. So ziemlich alle im Bus möchten gerne tauschen und mit über die Insel sausen.
Nach den Stopps in Kjøllefjord und Mehamn haben wir uns am Abend in Berlevåg zum Winken versammelt. Die Vinkekonkurranse ist im Winter zwar ein eher zurückhaltendes Ereignis, aber wir wollen die MS Nordlys begrüßen, die ein Schiff vor uns ist. Außerdem ist eine Kollegin von uns auf der MS Nordlys mit einer Gruppe unterwegs und das ist eben unter uns Reiseleitern die klassische Verabredung. Ein Dreißig-Sekunden-Appointment sozusagen. Es windet und es schneit und als wir in Berlevåg anlegen, sehen wir die Nordlys bereits draußen auf der Barentssee schwimmen. Es ist so ungemütlich an Deck, dass wir nur hoffen das Winken möge bald kommen.
Als wir wieder hinaus fahren, ahnen wir es schon: winken versackt heute eher in der Kategorie „meilenweit entfernt“. Gut, dass die Lektoren ihre Laserpointer dabei haben und wir malen rote Strahlen in den Himmel. Die Nordlys kümmert es wenig und lässt Berlevåg aus. Im Winter nichts ungewöhnliches. Nicht umsonst heißt es beim örtlichen Radiosender oft: die Hurtigrute fuhr heute wieder pünktlich an uns vorbei.
MS Nordkapp, 1. April
Wendetag. Rollo hoch und: gutes Wetter. Ich blinzle um 6:30 Uhr mal aus dem Fenster. Die Sonne lacht vom Himmel. Das ist doch ein guter Moment um zum ersten Mal Vadsø zu sehen. Sieben Uhr morgens ist ja nicht meine bevorzugte Zeit um beim Anlegen zuzuschauen, aber das klare Winterwetter ist dann heute doch zu verlockend. Ich stapfe also raus. Haare und Schminke müssen heute warten bis wir wieder ablegen. Wie alle Städte hier im Norden ist auch Vadsø keine architektonische Perle, aber es schmiegt sich kuschelig in die Hügel. Die gegenüberliegende Kirche ist hübsch anzuschauen und die Boote liegen noch im Winterschlaf. Viel Schnee hier. Und der allseits beliebte arktische Wind bläst auch ganz schön. Nach dem morgendlichen Rundgang auf Deck fünf ist man auf jeden Fall wach.
Weiter geht es Richtung Kirkenes. Unsere Verspätung bauen wir etwas aus, der Wind scheint gegen uns zu arbeiten. Dafür empfängt uns Kirkenes mit strahlend blauem Himmel. Wie immer steigen hier viele aus und starten zurück Richtung Heimat. Da mein Kollege mit zum Schneehotel fährt, beschließe ich Prestøya zu erobern. Auch unsere Lektoren wollen die Halbinsel auf Fototauglichkeit überprüfen. Also runter vom Schiff. Kaum draußen befinde ich, dass der Wind mich heute nicht motivieren kann, mich längerfristig außerhalb des Schiffes aufzuhalten. An sich bin ich ja ein Winterfan, aber jetzt giere selbst ich nach ein wenig Frühling. Ich reduziere das Außenprogramm also auf den Weg zum nahegelegenen Supermarkt. Schließlich muss auch der Getränkevorrat wieder aufgefüllt werden. Herrlich glatt in Kirkenes. Man muss mehr von schlittern als von gehen reden. Und Kirkenes wäre nicht Kirkenes, wenn das Wetter nicht auch einmal im Handumdrehen wechseln würde. Nach gefühlten dreißig Sekunden im Supermarkt finde ich mich im Schneesturmchaos wieder. Hilfe. War da nicht eben noch Sonne? Jetzt tobt es draußen und der Schnee kriecht wirklich in jede Jackenritze. Zweihundert Meter zurück zum Schiff können ja so lang sein, vor allem wenn der Wind einen bevorzugt in die falsche Richtung schiebt. Natürlich wechselt das Wetter zwei Minuten nachdem ich mich zur Gangway vorgekämpft habe, wieder zu Sonnenschein. Nordnorwegen eben.
Als wir ablegen, wird uns wieder bewusst, dass wir ab jetzt südgehend sind. Da ist man eben erst in Bergen gestartet und schon ist der Wendepunkt da. Ich bin gespannt, ob sich am Nachmittag jemand zum Eisbaden in Vardø angemeldet hat. Bisher war der Teilnahme-Elan auf meinen Touren eher zurückhaltend bis nicht vorhanden, wobei ich dafür vollstes Verständnis habe, da mich nichts und niemand dazu bringen könnte, freiwillig in zwei Grad warmes Wasser zu steigen und das auch noch bei lauschiger Außentemperatur von minus fünf Grad. Aber unser Schiff ist das Schiff der Mutigen. Elf trauen sich und natürlich mischen auch wir Reiseleiter uns unter die Schaulustigen. Einer nach dem anderen hüpft tatsächlich rein. Hut ab.
Am Nachmittag folgt auch gleich die Ankündigung, dass der Wind uns in der Barentssee nicht so wohlgesonnen ist, es wird also wieder mal schaukeln. Auch die Nordlichtvorhersage lässt uns eher nicht in Jubelstürme ausbrechen. Der KP-Index sagt zwar eine hohe Nordlichtwahrscheinlichkeit voraus, aber die Wolken sind wieder mal unser Feind. Die Show droht also wieder mal ohne uns statt zu finden. Auch aus Winken in Berlevåg wird heute nichts, die MS Finnmarken kuschelt immer noch in der Werft in Trondheim mit der MS Spitsbergen. Wir schaukeln uns also ohne Schiffsbegegnung Richtung Honningsvåg. Die Hoffnung auf besseres Wetter stirbt zuletzt.
MS Nordkapp 2. April
Endlich lacht die Sonne wieder. Dementsprechend versammelt sich heute alles an Deck um die Landschaft zu genießen. Beim Halt in Honningsvåg am frühen Morgen kann mich aber noch keiner zu einem Gang nach draußen bewegen. Bald ist Hammerfest in Sicht. Und kein Wölkchen am Himmel. Der Ausstieg ist heute auf Deck zwei verlegt, die Gangway will schon seit Tagen nicht so richtig funktionieren. Heute wird sie repariert und wir nehmen den Ausgang über das Autodeck. In der Stadt knarrt der Schnee unter unseren Füssen und wir werden noch mal so richtig winteraffin. Bestimmt ist der Ausblick vom Salen heute atemberaubend, aber unsere Idee, den Zick-Zack-Weg zu erobern, wird im Keim erstickt. Geschlossen. Kein Wunder, denn vom Hinweisschild sieht man aufgrund der Schneemassen nur noch die obere Kante. Und durch hüfthohe weiße Pracht wollen wir uns dann doch nicht kämpfen. Also stapfen wir eine Weile auf dem Rathausplatz herum bis einer unserer Lektoren das Geocaching aufleben lässt. In Hammerfest gibt es den ein oder anderen „Schatz“, den man suchen kann. An der Kaimauer stochern wir im Schnee und suchen nach einem magnetischen Gegenstand, der da irgendwo versteckt sein soll und nach kurzer Zeit suchen auch ein paar der Gäste fleissig mit. Alle anderen fragen sich wahrscheinlich, ob wir an leichter Verstörung leiden, wie wir da Zentimeter für Zentimeter alles absuchen. Irgendwann geben wir dann aber doch auf, unter den Schneemassen ist heute einfach nichts zu finden.
MS Nordkapp, 3. April
Vesterålen-Lofoten-Tag. Nachdem uns auch letzte Nacht die Nordlichter wieder mal haben hängen lassen, freuen wir uns auf den Tag voller Highlights. Also Rollo hoch und: Regen. Ja was hat sich Neptun da ausgedacht. Bereits am Morgen in Harstad möchte man lieber im Bett bleiben als hinaus in den Regen zu gehen. Ich hoffe für die Gäste, dass der Vesterålen-Ausflug nicht total ins Wasser fällt. Wie wir später erfahren, ist das persönliche kleine Wolkenloch den Ausflug über neben dem Bus hergeflogen und es wurde eine tolle Tour. Wir auf dem Schiff halten uns heute eher drinnen auf, aber als die Risøyrenna naht, zieht es uns doch alle wieder an Deck. Der Regen peitscht, der Wind pfeift. Ideales Foto-Wetter also. Trotzdem klicken natürlich die Kameras. Vor allem als wir in Risøyhamn anlegen. Wir versammeln uns am Bug, da wir unbedingt die ramponierte Kaimauer sehen wollen, auf der sich die MS Trollfjord ein paar Tage zuvor verewigt hat. Und auch wir zittern heute ein wenig, als wir uns vor dem Kai um die eigene Achse drehen um backbord anzulegen. Aber alles geht gut und wir schauen am Schiff herunter auf das geborstene Metall der Kaimauer. In Strömen regnet es immer noch. Bald schon ist es Zeit sich zum Winken fertig zu machen. Die Ausflugsbusse der Vesterålen-Tour fahren über die Sortlandbrücke, während wir mit dem Schiff drunter durch fahren. Das wird bei dem Wetter heute ein besonderes Vergnügen. Aber wozu gibt es wasserfeste Kleidung. Der Kern unserer Truppe ist natürlich mit von der Partie. Schon weit im Voraus ist die Sortlandbrücke in Sicht und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich näher kommt. Wir warten wirklich bis zum Schluss damit, uns gegen den Wind an den Bug zu kämpfen. Man kommt kaum um die Ecke und wir platzieren uns breitbeinig mit Fahnen, Handtüchern und allem, was sonst noch zum Winken geeignet ist. Natürlich weht der Wind uns auch so richtig schön den Regen ins Gesicht. Nach zehn Sekunden sind wir von hinten trocken und von vorne geduscht. Egal. Endlich kommt die Brücke, also winken. Wir krallen die Fingernägel in die Handtücher, damit wir wir nicht unweigerlich eine Handtuchspur im Wasser hinter uns herziehen. Die zwei Busse fahren dann auch brav über die Brücke, während wir drunter durch gleiten. Fertig gewunken, trocken legen in der Kabine. Wenn man das ganze nasse Zeug dort lagert, kreiert man sich so auch einen effektiven Luftbefeuchter. Die Schleimhäute freut es.
Auch in Stokmarknes wird es mit dem Wetter nicht besser. Glücklicherweise ist da ja das Hurtigrutenmuseum und drinnen regnet es bekanntlich nicht. Der Schnee ist mittlerweile in den Taumodus verfallen und beschert uns knöchelhohe Pfützen beim Ausstieg. Dazwischen glänzt noch blankes Eis, das sich gegen das Ende des Winters wehrt. Wahrscheinlich machen wir alle eine etwas eigenartige Figur wie wir uns zum Museum hangeln. Aber besser als Knochenbrüche. Natürlich schauen sich viele Gäste die alte MS Finnmarken an, die hier zu besichtigen ist. Da kann man auch gleich den Komfort von vor einigen Jahrzehnten mit dem von heute vergleichen.
Es regnet konsequent weiter. Auch im Raftsund. Wir versammeln uns also auf Deck fünf im Treppenhaus, damit wir an den markanten Stellen gleich rausstürmen können. Bereits die Seeadlersafari hat aufgrund des Wetters schlapp gemacht und wir sind alle gespannt, ob wir zumindest an die Mündung des Trollfjords fahren. Aber nein, es wird heute nichts. Zu windig, zu schmuddelig. Schade. Am Bug stehen fällt unter: geht nicht. Der allseits bekannte Wind vereint sich mit seinem Freund Kälte und keiner von uns hat den Elan diesen Bedingungen zu trotzen. Backbord und Steuerbord kann man ja schließlich auch genug sehen. Nur heute nicht. Die Regenwolken kriechen fast zu uns an Deck und jeder, der für ein paar Minuten raus geht, kommt wenig später wieder fröstelnd ins Schiffsinnere. Nicht unser Wettertag heute. Wir nehmen es also mit Humor und überlegen uns schon ein mobiles Regendach für Svolvær. Und wie könnte es anders sein: es regnet auch dort in Strömen. Ausnahmsweise bin ich froh, dass man als Reiseleiter auch Berichte schreiben muss und so bekommt mich dann auch heute keiner mehr vor die Gangway. Unsere Lektoren wagen sich zum obligatorischen Bierchen im „Anker“ hinaus ins Nass und auch die Gäste drehen vereinzelt eine Runde um den Hafen. Die meisten kuscheln sich jedoch in den Panoramasaal und finden es entspannter, hinaus zu schauen ohne sich nassregnen zu lassen. Der ein oder andere wappnet sich bereits mit Tabletten gegen Seekrankheit, denn heute winkt ja noch der Vestfjord.
Bereits als wir Svolvær verlassen schaukelt es heftig. Wird das heute was mit Stamsund? Der natürliche Hafen ist bei bewegter See nicht gerade für seine Anlegefreundlichkeit bekannt. Aber diesmal klappt es. Danach starten wir zur Überfahrt nach Bodø und es dauert nicht lange, bis sich das Schiff leert und die meisten auf ihre Kabine verschwunden sind. Antischaukeltherapie im Liegen. Auch ich habe heute Schwierigkeiten in den Schlaf zu finden. Wir schaukeln uns von Welle zu Welle und nachdem dreimal ein Querschläger den Fenstersims abgeräumt hat, beschließe ich, dass bis morgen früh alles auf dem Boden liegen bleibt.
MS Nordkapp, 4. April
Neuer Morgen, neues Wetterglück. Nach dem gestrigen Regenfestival haben wir die vage Hoffnung, dass uns Neptun heute wieder hold ist. Schließlich gehört die Helgelandküste zu den schönsten Streckenabschnitten. Aber erst einmal steht nach dem Frühstück der Polarkreis an. Und natürlich der obligatorische Löffel Lebertran. Ich entscheide mich heute mal den Löffel zu verschmähen. Der ein oder andere liegt ja schon in meiner Küchenschublade. Natürlich hoffe ich auf noch ein paar gute Szenen für unseren Tourfilm, den die Gäste heute bei unserem Abschlusscocktail bekommen. Also Jacke an und raus auf Deck sieben. Und nein, Neptun hat sich kein gutes Wetterprogramm überlegt. Fröstelnd stehen wir am Heck und beten, dass der Polarkreis doch bitte in Sicht sein möge, bevor wir von Bord geweht werden. Nach zwei Minuten ist man konsequent nass. Noch fünf Minuten bis zum kleinen Globus. Wie endlos ein paar Minuten sein können. Immerhin eine Handvoll Tapfere harren ganz hinten aus um das Inselchen ohne regentropfengeschwängerte Scheibe aufs Bild zu bekommen. Der Rest drängelt sich unter den überdachten Bereichen. Kein Durchkommen mehr. Die Bordreiseleitung entscheidet kurzfristig, dass sich Lebertran eindeutig besser im überdachten Bereich macht, auch wenn der Platz dort nur bedingt überzeugt. Aber besser sich zu drängeln, als wenn der Wind den Lebertran vom Löffel weht. Und Regen im Prosecco ist ja auch dem Geschmack nicht unbedingt zuträglich.
Nachdem jeder sein Löffelchen bekommen hat, zieht es alle auch schnell wieder rein. Ungemütlich draußen. Und bald steht der Halt in Nesna an. Regen, Regen, Regen. Da der Aufenthalt überschaubar ist, entscheiden auch wir, dass wir hier mit dem Blick durch die Fensterscheibe sehr gut leben können. Trocken gewinnt. Ob von den sieben Schwestern heute etwas zu sehen ist? Immerhin hat Neptun noch zwei Stunden Zeit ein paar Sonnenstrahlen zu uns zu schicken. Oder wenigstens Wolkenlücken. Aber nein. Er ist uns auch heute nicht hold. Die Helgelandbrücke vor Sandnessjøen, gibt es die noch? Zumindest ist von ihr heute nichts zu sehen, eher ein irgendwas, das sich hinter dichtem Nebel verborgen hält. Auch auf Steuerbord ist es nicht wirklich besser. Sieben Schwestern? Nein! Und dabei liegen sie doch so herrlich bereits hinter Sandnessjøen, wenn man in den Hafen einläuft. Wolken hängen ja gerne mal in den Gipfeln, aber heute hat sich die Nebelregensuppe soweit herunter bequemt, dass es ein wahres Trauerspiel ist. Nun ja, man kann nicht alles haben.
Kurz vor Brønnøysund reißt dann der Himmel endlich auf. Also genießen wir alle die Einfahrt durch die Schären. Und schon wieder keimt Hoffnung auf. Den Torghatten sieht man ja bereits von hier aus hinter der Brücke liegen. Sollte er uns heute mit einem Schönwetteranblick entzücken? Das Wetter wechselt in Norwegen ja so schnell, dass man zuweilen kaum hinterher kommt. Außerdem habe ich meine Kamera dabei und meine persönliche Torghattenstatistik besagt, dass grundsätzlich schlechtes Wetter herrscht, wenn ich bereit zum guten Fotoschuss bin. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch hervorragend. Nur das Handy dabei? Da herrscht Sonnenschein und man kann sich über Bilder freuen, auf denen der Torghatten ungefähr die Größe eines Stecknadelkopfs hat und über das Loch will ich erst gar nicht reden.
Die Statistik scheint heute wieder einmal zu stimmen. Kaum legen wir in Brønnøysund an, erfreut uns der Himmel mit einem neuen Regenguss. Das köstliche Softeis am Kai? Heute nicht. Zu ungemütlich. Also schnell das tun, was die Crew auch immer gerne im Hafen tut: einkaufen. „Smash“ ist die neue Passion bei uns im Reiseleiter- und Lektorenteam. Ich bin ja so froh, dass ich meine Leidenschaft für mit salziger Schokolade überzogene Waffeln entdeckt habe. Als wenn man noch nicht genug der Völlerei am täglichen Buffet hätte. Ach, ich schiebe einfach jedes zusätzliche Kilo auf die Lektoren.
Bleibt der Torghatten. Wie war das noch mit der Statistik? Schönes Wetter und Kamera dabei? Also nichts wie raus. Und da denkt man, dass man den Lochberg doch bald erreicht haben muss, und dann dauert es ewig. Fährt man auf ihn zu, liegt er kompakt da und sobald man ihn passiert, gerät er völlig aus der Form. Die bekannteste Ansicht präsentiert er ja auch von der Rückseite, da kann man das Loch am besten sehen und die Schären drapieren sich hübsch davor. Und tatsächlich hält das Wetter. Steuerbord pfeift der Wind und zwar so, dass man nicht mehr zum Bug gelangt. Alle stehen wir breitbeinig an Deck um uns irgendwie in dem Luftchaos zu stabilisieren. Da schafft man selbst bei einem tausendstel Belichtungszeit die Bilder zu verwackeln. Der Wind bläst unsere Jacken auf, so dass wir eine herrliche Michelinmännchenmannschaft abgeben. Wer Brille trägt, muss heute die Hände zu Hilfe nehmen, sonst ist das Ding weg und am besten tackert man auch die Mütze gleich am Kopf fest. All das hält uns aber nicht davon ab, den tollen Ausblick zu genießen, denn nach eineinhalb Tagen lechzen wir förmlich nach wolkenfrei und Sonnenschein.