Ice Cold Boss - Olivia Hayle - E-Book

Ice Cold Boss E-Book

Olivia Hayle

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Beschreibung

Es geht mir auf die Nerven, wenn Männer immer nur in meinen Ausschnitt starren, während ich versuche, ihnen etwas zu erklären. Der Architekt Henry Marchand ist da bestimmt keine Ausnahme. Doch ihm werde ich zeigen, was ich wirklich über die Männer denke, die nur meinen Körper sehen und nicht, was für eine wirklich gute Architektin ich bin. Dann hat er mich trotz meiner frechen Bewerbung eingestellt. Nun wird es allerdings für mich schwierig, bei seinem sexy Aussehen, den Gesprächen zu folgen …

Alle Titel der Reihe "Paradise Brothers" können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Es geht mir auf die Nerven, wenn Männer immer nur in meinen Ausschnitt starren, während ich versuche, ihnen etwas zu erklären. Der Architekt Henry Marchand ist da bestimmt keine Ausnahme. Doch ihm werde ich zeigen, was ich wirklich über die Männer denke, die nur meinen Körper sehen und nicht, was für eine wirklich gute Architektin ich bin. Dann hat er mich trotz meiner frechen Bewerbung eingestellt. Nun wird es allerdings für mich schwierig, bei seinem sexy Aussehen, den Gesprächen zu folgen …

Alle Titel der Reihe »Paradiese Brothers« können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Olivia Hayle

Olivia Hayle ist eine hoffnungslose Romantikerin mit einer großen Vorliebe für Milliardäre. Da sie leider noch keinen in der der Realität getroffen hat, erschafft sie sie kurzerhand selbst – auf dem Papier. Ob sexy, charmant, cool oder verletzlich – bislang hat sie noch keinen (fiktiven) Milliardär getroffen, den sie nicht mochte.

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Olivia Hayle

Ice Cold Boss

Aus dem Amerikanischen von Sabine Neumann

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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24: Faye

25: Faye

26: Henry

27: Faye

28: Henry

29: Faye

30: Faye

EPILOG

Impressum

Lust auf more?

1

Faye

Was macht man als abgebrannte Architektin, der zu Unrecht gekündigt wurde? Wenn dann noch ein Riesenhaufen Schulden vom Studium, eine noch größere Portion Ehrgeiz und die Demütigung, von einem der größten Architekturstudios New Yorks abgelehnt worden zu sein, dazukommen?

Die Antwort? Man ertränkt seine Sorgen in Wein.

Meine beste Freundin ist da, und wir machen eine Flasche Weißwein auf. Genau genommen zwei, doch es ist ein besonders leichter Wein, also zählt er nur zur Hälfte.

»Auf die neueste Jobabsage«, verkünde ich und hebe mein Glas.

Jessie tut es mir nach. »Immerhin bist du aus Elliot Ferris’ Büro raus. Schlimmer wäre es, wenn du immer noch für dieses Arschloch arbeiten müsstest, Faye.«

»Wenigstens würde ich dafür bezahlt werden«, sage ich traurig. »Aber du hast recht. Trinken wir aufs Pleitesein – aber immerhin glotzt mir niemand mehr auf den Hintern!«

»Aufs Nichtglotzen!«

Wir stoßen an, kichern und verlieren uns in den üblichen Verrücktheiten. Albern und witzig und vollkommen harmlos.

Na ja.

Zumindest beginnt es harmlos.

Doch dann geht Jessie nach Hause, und ich öffne meinen Laptop für ein bisschen Mitternachtsspaß. Vielleicht werde ich meinen Lieblings-YouTubern bei einem weiteren Shopping-Haul zusehen oder mir ein Flecht-Tutorial angucken, das so kompliziert ist, dass ich genau weiß, ich werde es selbst niemals hinkriegen. Vielleicht ist es auch mal wieder Zeit, ein wenig betrunken online zu shoppen.

Die Jobsuche-Webseite poppt auf – ich hatte sie offen gelassen. Da ist eine neue Stellenanzeige, die letztes Mal noch nicht da war.

Der Name des Studios ist Marchand & Rykers. Ein kleines, exklusives Architekturbüro im nördlichen Manhattan, von dem ich zwar schon mal gehört habe, aber auch nicht mehr. Es zählt nicht zu den ganz Großen, ist jedoch für teure Prestigeprojekte bekannt. Und außerdem ein Studio, von dem ich noch keine Absage erhalten habe.

Enttäuschung macht sich in mir breit, als ich die Stellenanzeige lese. Sie suchen noch nicht einmal eine Architektin, sondern eine Assistentin für den Geschäftsführer.

Die Stelle beinhaltet das Übliche – Veranstaltungsmanagement, Terminplanung, E-Mails und Telefon. Verdammt. Diese Stadt bringt mich noch um, ganz zu schweigen von diesem Beruf. Ich war fünf Jahre bei Elliot Ferris, und was hat es mir letztendlich gebracht?

Nichts. Kein Empfehlungsschreiben. Keine Beförderung. Nada. Niente.

Reicht es nur noch für einen Job als Assistentin? Bin ich wirklich so tief gesunken?

Weinselige Wut steigt in mir hoch, als ich den blauen Button anklicke, auf dem »Bewerben« steht. Mein Lebenslauf ist fertig und aktuell, also dauert es nicht lange, ihn hinzuzufügen und meine Bewerbung fertig zu machen.

Bitte fügen Sie ein Anschreiben hinzu. Ha. Als ob sie mich dann einstellen würden!

In meinem Kopf nimmt eine Idee Formen an. Sie ist so albern, dass ich eine Weile lang nur das leere Dokument auf meinem Bildschirm angrinsen kann.

Ja. Warum sollte ich ihnen nicht meine Gedanken mitteilen? Realistisch betrachtet werde ich den Job sowieso nicht bekommen. Als Assistentin habe ich keinerlei Erfahrung und habe auch kein einziges Empfehlungsschreiben vorzuweisen. Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt und wohne in einem Einzimmerapartment in Brooklyn.

Ich beginne zu schreiben. Sehr geehrter … verdammt. Wer ist der Geschäftsführer des Studios? Eine kurze Google-Suche spuckt den Namen aus. Henry Marchand. Wahrscheinlich ein fieser alter Bastard mit Plauze und schütterem Haar. Ein weiterer Elliot Ferris mit Krallenhänden und einem widerlich süßlichen Grinsen. Bäh. Das sind die elitären Drachen, die Wächter der New Yorker Baubranche, die es jungen weiblichen Architektinnen unmöglich machen, Fuß zu fassen. Arschlöcher.

Sehr geehrter Mr. Marchand (was für ein Schickimicki-Name ist das eigentlich?), tippe ich.

Sie werden mich nicht einstellen, Sie alter Sack. Lassen Sie mich die Gründe aufzählen, warum nicht. Neugierig geworden? Sollten Sie auch. Ich werde Ihnen jetzt alles erzählen, was in dieser Branche schiefläuft. Nichts zu danken.

— • —

Als ich aufwache, dröhnt mein Kopf, und mein Mund ist so trocken wie die Sahara. Meine Decke klebt an meiner Wange, und ich weiß, dass meine Haare eine Katastrophe sind, ohne sie auch nur zu berühren.

Sonnenlicht fällt durchs Fenster. So wie es aussieht, ist es schon spät.

»Verdammt«, murmele ich und setze mich auf, die Hand gegen die Stirn gepresst. Ich wusste, dass es keine gute Idee war, mit Jessie zu trinken, aber dann war die Absage von Ford & Sons eingetrudelt …

Gott. Das waren jetzt insgesamt sechs Absagen. Alle großen Architekturbüros in New York haben mir eine Abfuhr erteilt. Mir. Der Jahrgangsbesten meiner Uni. Klar, es war keine Eliteuniversität, doch es war die Beste, die ich mir mit meinem Stipendium und meinem Studentendarlehen leisten konnte.

Ich stehe auf und schaffe es auf wackeligen Beinen in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Dabei fällt mein Blick auf die Topfpflanze in der Zimmerecke. »Wenn es so weitergeht, müssen wir vielleicht zurück nach Ohio, Süße«, sage ich zu ihr.

Sie schaut missmutig zu mir herüber. Trotz meiner liebevollen Pflege werden ihre Blätter an den Rändern langsam braun. Bisher habe ich jede Pflanze, die ich jemals gekauft habe, auf dem Gewissen, aber ich bin fest entschlossen, dass diese hier nicht das gleiche tragische Schicksal erleiden wird.

»Halte durch«, sage ich zu ihr. »Ich finde etwas für uns. Ich weiß, dass es dir besser gehen wird, wenn ich einen Job habe.«

Ganz zu schweigen von mir selbst.

Ich setze mich an den Küchentisch und öffne meinen Laptop. In meinem Posteingang wartet eine neue E-Mail.

Automatische Antwort: Vielen Dank für Ihre Bewerbung!

Ich runzele die Stirn und gucke genauer hin. Ich habe mich nirgends beworben.

Marchand & Rykers hat Ihre Bewerbung erhalten. Wir werden uns so schnell wie möglich bei Ihnen melden, um –

Nein. Nein, nein, nein, nein, nein. Auf keinen Fall.

Das war ein Witz. Ein dämlicher kleiner Witz im Suff, nur um mich selbst zu amüsieren.

Nacheinander öffne ich die Dokumente, die ich mitgeschickt habe.

Mein Herz hämmert, als ich das Anschreiben öffne. Ich erinnere mich nur vage daran, eines mit der selbstgerechten Wut einer Betrunkenen getippt zu haben.

O Gott. Ich habe es wirklich weggeschickt.

2

Henry

»Mr. Marchand, Ihr Termin um eins verspätet sich um fünfzehn Minuten. Soll ich die Termine danach nach hinten verschieben?«

Ich drücke auf den Knopf der Gegensprechanlage und antworte meiner Assistentin barscher, als es unbedingt nötig gewesen wäre. Wann ist Pünktlichkeit eigentlich aus der Mode gekommen?

»Nein, ich werde das Meeting mit ihm entsprechend verkürzen.« Wenn du zu spät kommst, kommst du zu spät und musst dann eben mit den Konsequenzen rechnen.

Meine Assistentin flötet zurück: »Soll ich Mittagessen für Sie bestellen?«

»Ja. Das Übliche.«

»Mache ich.«

Sie ist effektiv. Immer pünktlich. Kompetent.

Und sie ist nur noch eine Woche hier. Sie war diejenige, die gekündigt hat. Damit bin ich mal wieder in der gleichen fürchterlichen Situation, in die ich anscheinend immer wieder gerate. Erneut auf der Suche nach einer Assistentin. Irgendwie bleiben sie nie lange, selbst wenn sie eigentlich großartig sind. Ich bin auch kein furchtbarer Chef. Anspruchsvoll vielleicht. Akribisch. Aber nicht furchtbar.

Ich rufe bei Melissa in der Personalabteilung an. Die Stellenanzeige für die neue persönliche Assistentin ist gestern erst geschaltet worden, doch Geduld ist eine Tugend, die ich nicht besitze.

»Mr. Marchand?«

»Haben Sie schon irgendwelche Bewerberinnen für die neue Stelle?«

»Ja«, sagt sie. »Ein paar. Aber die Anzeige ist noch keine vierundzwanzig Stunden alt. Ich erwarte noch mehr.«

»Schicken Sie sie mir.«

Kurzes Zögern. »Ich habe sie noch nicht geprüft. Soll ich Ihnen eine Auswahl schicken? Ich gucke sie mir an und könnte in zwei Stunden fertig sein.«

»Nein, schicken Sie mir alle, die wir bis jetzt haben.«

Sie ist ganz offensichtlich perplex, fängt jedoch keine Diskussion an. »Ich schicke sie Ihnen sofort rüber.«

Perfekt. So habe ich wenigstens etwas Produktives zu tun während der fünfzehn Minuten, die ich jetzt gezwungenermaßen auf einen meiner leitenden Architekten warten muss.

Melissas E-Mail blinkt in meinem Posteingang auf. Im Anhang die Unterlagen von sieben Bewerberinnen in sieben Ordnern. Hervorragend. Ich scrolle durch die Liste und öffne den ersten Ordner. Faye Alvarez. Ein ungewöhnlicher Name.

Ihr Lebenslauf ist exzellent. Jahrgangsbeste. Ein Bachelor in Architektur. Fünf Jahre Berufserfahrung bei Elliot Ferris. Ich knirsche mit den Zähnen, als ich den Namen lese. Er ist kein Freund von mir, aber sein Studio ist zweifelsohne erfolgreich.

Ich öffne ihr Anschreiben und traue meinen Augen kaum.

Sehr geehrter Mr. Marchand (was für ein Schickimicki-Name ist das eigentlich?),

Sie werden mich nicht einstellen, Sie alter Sack. Lassen Sie mich die Gründe aufzählen, warum nicht. Neugierig geworden? Sollten Sie auch. Ich werde Ihnen jetzt alles erzählen, was in dieser Branche schiefläuft. Nichts zu danken.

Erstens habe ich keinerlei professionelle Empfehlungsschreiben. Das liegt nicht daran, dass ich nie in einem renommierten Studio gearbeitet hätte – das habe ich –, sondern daran, dass mein ehemaliger Chef ein lüsterner Fiesling ist. Extrem lüstern. Das ist ein gutes Wort. Na ja, nein, es ist ein schlimmes Wort, aber es ist nachdrücklich. Er weigert sich, mir ein Empfehlungsschreiben zu verfassen, weil wir eine sogenannte Meinungsverschiedenheit hatten. Ich gebe Ihnen einen Hinweis: Ich hatte recht. Also sitze ich jetzt hier ohne Empfehlungsschreiben. Das liegt nicht daran, dass ich nicht gut in meinem Beruf wäre. Sondern daran, dass ich zu gut war. Ich bin verdammt nochmal die beste Architektin, die Sie je gesehen haben.

Aber Sie werden es mir nicht glauben, weil Sie Beweise brauchen und ich die nicht liefern kann. Das ist ein Dilemma. Wie Sie diesem wundervoll geschriebenen Brief entnehmen können, bin ich sehr gebildet. Sie werden mich trotzdem nicht einstellen, weil ich nicht auf einer Elite-Universität war. So wie Sie wahrscheinlich und all die anderen Architekten in Ihrem Studio. Vermutlich stellen Sie ausschließlich Elite-Uni-Absolventen ein. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, richtig? Ich weiß, wie es in New Yorks Architekturstudios läuft. Tja, ich konnte mir keine Eliteuni leisten. NICHTMEINESCHULD!

Zweitens: Ich sehe nicht aus wie eine Architektin. Ich sage es hier mal ganz offen, denn warum nicht? Es ist die Wahrheit. Mir wurde gesagt, ich sei »eine Ablenkung am Arbeitsplatz«. Zu kurvig, zu sinnlich, zu exotisch, was auch immer das heißt. Habe ich alles schon gehört. Nur weil mein Vater aus Mexiko stammt, heißt das noch lange nicht, dass ich irgendein fremdländisches Gericht bin, von dem man mal kostet. Aber genau so sehen es die ganzen hohen Tiere. Sie sehen nicht meine perfekt durchgeführten Berechnungen, sondern nur meinen Ausschnitt. Den ich normalerweise zu bedecken versuche. Auch hier: NICHTMEINESCHULD!

Wollen Sie den letzten Grund wissen, warum Sie wahrscheinlich nicht mal daran denken werden, mich einzustellen oder auch nur zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen? Ich habe überhaupt keine Erfahrung als Assistentin, auch wenn ich absolut überqualifiziert für die Stelle bin, die Sie ausgeschrieben haben. Ich lasse mich auf das Niveau einer Assistentenstelle herab und werde noch nicht mal diese bekommen. Aber aufgrund der bereits aufgeführten Aspekte bin ich wohl unterqualifiziert, um als Architektin in Ihrem renommierten Studio zu arbeiten, Sir. Also bin ich so oder so im Arsch.

Diese Branche ist sexistisch, elitär und protektionistisch. Ich dachte, ich könnte es trotzdem schaffen, aber anscheinend kann ich es nicht. Lehnen Sie meine Bewerbung ab, und bestätigen Sie meine These. Danke im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Faye Alvarez

Ich lese das Anschreiben einmal.

Und noch einmal.

Und danach stelle ich fest, dass ich grinse. Diese Frau ist wütend. Mehr als das – sie ist zornig. Mich hat noch niemand alter Sack genannt, und ganz sicher niemand, den ich noch nie gesehen habe. Der Teil, der mich am meisten zum Grinsen bringt, ist das Ende. Sie hat ihr Anschreiben tatsächlich mit Mit freundlichen Grüßen beendet, kurz nach dem Ausdruck im Arsch. Unmöglich. Wahnsinnig.

Ich schaue mir ihren Lebenslauf noch einmal an.

Sie ist wirklich mehr als qualifiziert. Hat ihr Studium mit summa cum laude absolviert. Ein Praktikum in einem der größten Studios gemacht, bevor sie einen Job als Nachwuchsarchitektin an Land zog. Sie war Teil des Century-Dome-Projekts.

Mhm, ein beeindruckendes Bauwerk. Ich war bei der Eröffnung.

Aber sie hat recht. Sie ist definitiv überqualifiziert für die Stelle als Assistentin. Auf der anderen Seite … müsste man sie bezüglich des Architektur-Teils ihres Jobs kaum schulen. Sie würde all meine Anmerkungen sofort verstehen. Die Systeme, die Projekte … klar, sie würde vielleicht erst lernen müssen, wie man mit einem Terminkalender umgeht, doch das ist der einfache Part. Das Bauen, Entwerfen und Entwickeln ist der schwierige Teil, und das kann sie wie aus dem Effeff.

Ich lese ihr Anschreiben noch einmal.

Es bringt mich wieder zum Lächeln. Das ist ein gutes Wort. Na ja, nein, es ist ein schlimmes Wort. Diese Frau klingt halb verrückt und halb brillant, und ich will verdammt sein, wenn das nicht die erste Bewerberin ist, die wirklich heraussticht. Ich kann sie nicht einstellen – natürlich nicht. Aber es schadet nicht, sie telefonisch zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen und ihre letzte Voraussage zu widerlegen. Marchand & Rykers ist nicht elitär oder sexistisch. Und wenn das Anschreiben einen Anhaltspunkt liefert, wird dieses Telefonat vielleicht das Witzigste, das ich seit Monaten geführt habe.

Darüber hinaus ist der Anfang ihres Schreibens erschütternd. Der alte Elliot Ferris, von dem sie aus den angedeuteten Gründen kein Empfehlungsschreiben bekommt …

Ich wähle die Nummer, die sie in ihrem Lebenslauf angegeben hat.

Eine atemlose Frauenstimme antwortet nach dem zweiten Klingeln. Sie klingt sanft und fest. »Faye Alvarez hier?«

»Ich bin Mr. Marchand von Marchand & Rykers.«

Absolute Stille am anderen Ende.

»Der alte Sack«, füge ich hinzu. Immer hilfsbereit.

»Hallo«, flüstert sie. »Gott, dieses Anschreiben ist mir wirklich peinlich.«

»Tatsächlich? Das konnte ich dem Text selbst nicht entnehmen.«

»Nein, na ja, ich war nicht gerade bei klarem Verstand, als ich das abgeschickt habe.«

»Wollen Sie mir sagen, dass Sie sich unter dem Einfluss von Alkohol auf eine Stelle in meinem Unternehmen beworben haben?«

»Vielleicht«, sagt sie. »Die Antwort hängt davon ab, ob sie mich entlastet oder nicht.«

»Entlastet«, wiederhole ich. »Das ist ein weiteres objektiv gutes Wort, finden Sie nicht?«

Am anderen Ende ertönt ein entsetztes Stöhnen. »Das mit dem Anschreiben tut mir wirklich leid.«

»Ich verstehe, dass es Ihnen leidtut«, sage ich, »aber mir nicht. Es war sehr unterhaltsam.«

Ein weiteres Stöhnen. »Oh, da bin ich mir sicher. Macht es bereits die Runde im Büro? Klebt es schon am Wasserspender?«

»Noch nicht, allerdings habe ich große Pläne damit«, sage ich ernst. »Ich denke, ich werde es als E-Mail-Anhang weiterleiten.«

»Das tun Sie nicht«, flüstert sie, und der entrüstete Ton bringt mich zum Lächeln. Gott, macht es Spaß, diese Frau zu ärgern.

»Nein, mache ich nicht. Nicht, wenn Sie zu einem Vorstellungsgespräch kommen.«

Wieder absolute Stille am anderen Ende.

»Miss Alvarez? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.«

»Sie wollen wirklich, dass ich zu einem Vorstellungsgespräch komme?« Jetzt klingt ihre Stimme heiser. »Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum.«

»Wie ich bereits sagte: Ihre Bewerbung war sehr unterhaltsam. Außerdem haben Sie exzellente Qualifikationen. Können Sie morgen zu Marchand & Rykers kommen? Sagen wir um …« Ich schaue auf meinen Kalender. »Neun Uhr?«

»Ja, kann ich.«

»Dann bis morgen, Miss Alvarez. Und seien Sie pünktlich.«

»Danke.«

»Auf Wiedersehen.«

»Tschüss.«

Ich lege auf und verbringe weitere fünf Minuten damit, ihr Anschreiben durchzugehen.

Es ist lächerlich.

Und dabei mitzuspielen, ist ebenfalls ausgesprochen dämlich. Aber es ist auch ein Termin, auf den ich mich freue, und so etwas hatte ich lange nicht.

3

Faye

Das mit dem Vorstellungsgespräch muss ein Witz sein.

Kein vernünftiger Mensch würde jemanden einstellen, der sich mit einer solchen Katastrophe von Anschreiben beworben hat. Das weiß ich. Und das weiß er ganz sicher auch. Warum soll ich also doch kommen? Wahrscheinlich zu Belustigungszwecken. Er will sehen, mit was für einer lächerlichen Person er es zu tun hat. Ein bisschen lachen, so wie am Telefon.

Ich betrachte mich noch einmal im Spiegel. Tja, da hat er Pech gehabt.

Für ihn mag es vielleicht nur ein Witz sein, aber ich werde nicht die Gelegenheit verspielen, ein winziges bisschen Glaubwürdigkeit zurückzubekommen. Ich sehe professionell aus, von den schwarzen Pumps bis hin zum geglätteten Pferdeschwanz. Ich trage mein seriösestes Kostüm – der Bleistiftrock reicht mir bis zu den Knien, und die Seidenbluse wird fast vollständig von dem passenden Blazer bedeckt. Mein Make-up habe ich auch einfach gehalten. Alles getan, um die Merkmale herunterzuspielen, denen Männer wie er gerne nachstellen – oder die sie gegen mich verwenden.

Ich betrete das Studio von Marchand & Rykers mit meinem Architekturportfolio unter dem Arm. Ich musste es einfach mitbringen, auch wenn die Stelle, um die es geht, nur eine Assistentinnenstelle ist.

Die Empfangsdame lächelt mich unsicher an. »Miss Alvarez?«

»Ja, die bin ich«, sage ich. »Ich habe ein Vorstellungsgespräch bei Mr. Marchand.«

»Ja, ich hörte davon. Ausgezeichnet. Ich zeige Ihnen den Weg.« Ich folge ihr eine breite Glastreppe hinauf. Es ist unverkennbar, dass wir hier in einem Architekturstudio sind: leere weiße Wände, Spotlights, die kunstvoll platzierte Winkel beleuchten. Alles ist puristisch und stylish.

»Arbeiten Sie schon lange hier?«, frage ich sie.

»Seit fast drei Jahren. Es ist ein tolles Unternehmen.« Am Aufzug verstummt sie kurz, während sie mit ihrer Schlüsselkarte hantiert. Dann drückt sie den Knopf zum achten Stock, und wir setzen uns in Bewegung.

»Wie ist Mr. Marchand so?« Ich weiß selbst nicht, was für eine Antwort ich auf diese Frage erwarte. Mein Herz klopft nervös in meiner Brust, aber ich achte darauf, meinen Gesichtsausdruck neutral zu halten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er nur über mich lachen will.

»Nun«, sagt sie bedacht, »er ist ein sehr talentierter Architekt.«

Mehr fügt sie nicht hinzu, und es ist nicht schwierig, die unterschwellige Botschaft zu kapieren. Aber er ist ein Arschloch. Wie die meisten Bauingenieure und Architekten seines Kalibers. Und davon kenne ich weiß Gott genug.

Man braucht eine bestimmte Art von Ego, um Bauwerke durchzuboxen, die einen sehr wahrscheinlich überleben werden.

Sie öffnet eine Glastür und führt mich einen langen Flur entlang. Am Ende steht ein leerer Schreibtisch, direkt vor einem raumhohen Fenster.

»Hier sitzt seine Assistentin«, sagt sie, »und Mr. Marchands Büro ist hinter dieser Tür.«

Sie deutet auf eine große Eichentür, die mit ihrem massiven und verwitterten Look so gar nicht zum restlichen minimalistischen Büro passen will. Interessant.

»Okay«, sagt sie. »Dann viel Glück.«

Ich halte vor der riesigen Tür inne. »Weiß er, dass ich hier bin?«

»Oh, da bin ich mir sicher. Sie sollten um neun Uhr hier sein, oder?«

»Ja«, entgegne ich, aber sie ist schon wieder halb den Flur runter, als würde sie vor der Situation fliehen. Das stimmt nicht gerade zuversichtlich. »Okay«, murmele ich und straffe die Schultern. Ich bin Faye Alvarez. Ich war Jahrgangsbeste. Habe fünf Jahre lang an einigen der herausforderndsten Entwürfe in Manhattan mitgearbeitet. Ich bin eine großartige Architektin.

Ich klopfe an die Tür.

Keine Antwort. Es ertönt nur ein leises, elektronisches Klicken, und dann öffnet sich die Tür automatisch.

Das Büro ist gigantisch. In der Mitte steht ein riesiger Schreibtisch, supermodern und stylish, und dahinter befinden sich reihenweise Bücherregale. In einer Ecke sehe ich einen klassischen Architektentisch mit Skizzenblättern und einer Klemmleuchte.

An dem Tisch sitzt ein Mann.

Oha, denke ich. Der ist überhaupt nicht alt.

Er ist auf keinen Fall älter als vierzig, und er trägt sein dichtes braunes Haar zurückgekämmt. Eine verirrte Strähne jedoch weigert sich, ihm zu gehorchen, und fällt ihm in die breite Stirn. Er trägt keinen Anzug, sondern ein dunkelblaues Hemd, das er in graue Chinos gesteckt hat. Ein lässiger Look, der an ihm umwerfend aussieht. An seinem Handgelenk funkelt eine teure Uhr.

Er erwidert meinen Blick. In seinen Augen spiegelt sich nichts – keine Überraschung, keine Belustigung, nichts, was irgendeine Art der Begrüßung ausdrücken würde. Ich weiß nicht, ob er versucht, mich zu verunsichern, aber ich denke gar nicht daran, ihm zu zeigen, dass es funktioniert.

»Hallo«, sage ich. »Mein Name ist Faye Alvarez. Ich bin für ein Vorstellungsgespräch hier.«

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und mustert mich. Alles andere als anzüglich, sondern sachlich. Ich werde taxiert.

»Miss Alvarez mit dem berühmten Anschreiben«, sagt er. »Setzen Sie sich.«

Ich nehme ihm gegenüber Platz und scheitere an dem Versuch, meine Überraschung zu verbergen. Er ist überhaupt nicht so, wie ich erwartet habe. Dieser Mann ist gut aussehend, wenn auch auf eine ganz eigene Art und Weise.

»Zuallererst vielen Dank, dass Sie mich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben«, sage ich. »Trotz meiner blumigen Sprache.«

»Ja, Ihre Bewerbung war ungewöhnlich. Bewerben Sie sich öfter auf Jobs, während Sie … welchen Euphemismus haben wir verwendet? Unter dem Einfluss von Alkohol sind?«

»Nein, eigentlich nicht.«

»Sie haben für mein Unternehmen eine Ausnahme gemacht.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Neckt er mich? Schwer zu sagen bei dem teilnahmslosen Gesichtsausdruck.

»Alles für Marchand & Rykers«, entgegne ich leichthin. »Und auch wenn ich Sie bitte, mein Anschreiben zu ignorieren, beweist mein Lebenslauf, dass ich mehr als qualifiziert für diese Stelle bin.«

»Ja.« Er sieht die Unterlagen auf seinem Schreibtisch durch und zieht meine Bewerbung hervor. Ich sehe, wie er meinen Lebenslauf durchgeht. »Es ist offensichtlich, dass Sie sehr gut ausgebildet sind. Aber«, fügt er hinzu und blickt zu mir hoch, »das haben Sie mir auch schon im Anschreiben mitgeteilt.«

Nicht rot werden. Ich zwinge mich dazu, seinem Blick standzuhalten. »Ja, das habe ich. Ich bin vielleicht noch jung, doch ich habe eine Menge Erfahrung auf dem Gebiet. Angefangen habe ich mit einem fünfmonatigen Praktikum im Stadtplanungsbüro. Sie können gerne Anita Roberts anrufen. Sie war dort meine Vorgesetzte.«

Henry Marchand lehnt sich in seinem Stuhl zurück und trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Einmal. Zweimal. »Und dann haben Sie für Elliot Ferris gearbeitet.«

»Ja.«

»Aber von ihm gibt es kein Empfehlungsschreiben. Sie wurden gefeuert?«

Es wird immer schwieriger, ihm in die Augen zu sehen, so grün und durchdringend, doch ich zwinge mich dazu. »Ja, leider.«

»Wie Sie in Ihrem Anschreiben mehr als deutlich gemacht haben, glauben Sie, dies sei einer der zentralen Gründe dafür, dass ich es nicht in Betracht ziehen würde, Sie einzustellen. Und mit Sicherheit einer der Gründe, warum Sie bereits von mehreren Studios abgelehnt wurden, da Sie bereit sind … wie haben Sie das so schmeichlerisch genannt? Sich auf diese Stufe herabzulassen.«

Dieses Mal kann ich ein verlegenes Glühen meiner Wangen nicht verhindern. »Ja. Aber ich versichere Ihnen, dass es nichts mit meiner Arbeitsleistung zu tun hatte. Und auch wenn mir klar ist, dass Sie keinen Grund haben, mir diesbezüglich zu glauben, bitte ich Sie, es zu tun. Ich habe Kollegen dort, die sich mit Sicherheit für meine Arbeitsleistung verbürgen würden.«

Mr. Marchand sieht wieder auf mein Anschreiben hinunter. Es ist, als würde mir das Wort von dort förmlich entgegenspringen. Lüstern.

Bitte frag nicht, flehe ich stumm.

Er fragt nicht. Stattdessen schweift sein Blick hinunter zu meinem Schoß und dem in Leder gebundenen Architekturportfolio. Es mitzubringen, war ein Schuss ins Blaue gewesen.

»Sie haben Ihr Portfolio mitgebracht, Miss Alvarez.«

»Ja. Fragen Sie mich irgendetwas.« Ich straffe die Schultern. »Ich möchte Ihnen zeigen, dass ich mich in dieser Branche auskenne.«

»Wir bauen auf regelmäßiger Basis für Kunden mit sehr starken Meinungen«, sagt Mr. Marchand. »Wie bringen Sie Funktion mit Ästhetik ins Gleichgewicht?«

Ah. Das ist ein Klassiker. Da muss er sich schon etwas Besseres einfallen lassen.

»Der Wunsch des Kunden steht natürlich an erster Stelle. Wir entwerfen und bauen für ihn. Aber am Ende des Tages sind wir diejenigen, die die Ausbildung in diesem Bereich haben, und wenn wir die Kunden nicht auf offensichtliche Schwachstellen in ihren Wünschen hinweisen, werden wir ihnen nicht gerecht.«

»Und bei Ihren eigenen Entwürfen?«, fragt er. »Wie machen Sie persönlich die Unterscheidung?«

Etwas an seinem intensiven Blick ist extrem verunsichernd.

»Sofern ein Kunde nicht etwas anderes wünscht, strebe ich nach Einfachheit«, antworte ich. »Es ergibt keinen Sinn, aufwendige Details ins Spiel zu bringen, die wahrscheinlich in zehn Jahren schon wieder überholt sind.«

Er trommelt erneut mit den Knöcheln auf die Tischplatte. Damit treibt er mich jetzt schon in den Wahnsinn.

»Ich beginne ein neues Projekt. Tag eins. Was mache ich?«

»Sie konzentrieren sich auf die Logistik«, antworte ich mit ruhiger Stimme. »Wo verlaufen die Grundstücksgrenzen? Wie kommen Sonne, Wind und Wasser zum Tragen? Welche Eigenschaften der Umgebung könnten zu einem Problem oder zu einem Pluspunkt werden?« Meine Hände umfassen die Armlehnen des Stuhls. Ich bin voll dabei, halte seinem Blick felsenfest stand. »Sie beginnen, an Genehmigungen und dem zeitlichen Rahmen zu arbeiten. Wahrscheinlich teilen Sie auch bereits im Geiste bestimmten Mitgliedern Ihres Teams bestimmte Aufgaben zu.«

»Sie haben am Century Dome mitgearbeitet«, sagt er, »wenn man Ihrem Anschreiben Glauben schenken darf.«

»Ja, habe ich.« Und ich bin verdammt stolz auf dieses Bauwerk. Trotz der Wischiwaschi-Anweisungen des Kunden, trotz des schwierigen Arbeitsumfelds ist es ein tolles Gebäude geworden. Nach der Eröffnung hat es fast ausschließlich Lob eingeheimst, und auch wenn mein Name nicht ansatzweise damit in Verbindung gebracht wurde, weiß ich, dass Elliot Ferris ohne mich niemals in der Lage gewesen wäre, es fertigzustellen.

Ich frage mich, ob Mr. Marchand diesen Stolz in meinem Gesicht sieht, denn seine Augen funkeln vor Belustigung, als er mir die nächste Frage stellt. »Was würden Sie ändern?«

»Am Dome?«

»Ja.«

Instinktiv will ich protestieren. Er ist perfekt. Aber ich merke, dass ich damit durch diesen besonderen Test durchfallen würde.

Stattdessen sehe ich mich nachdenklich in seinem Büro um, überlege, was ich antworten soll. Er ist eindeutig ein Mann, dem der Ehrgeiz aus allen Poren tropft, so viel wie er in seinem Alter bereits erreicht hat. Was würde so einen Mann beeindrucken …

»Den Namen auf der Plakette«, sage ich.

Er zieht eine Augenbraue hoch, und eine ganze Weile lang starren wir uns einfach nur an.

»Die Stelle, um die es hier geht, ist die einer Assistentin, nicht die einer Architektin.« Seine Stimme klingt wie eine Kampfansage. »Es ist Ihnen klar, dass Sie keinerlei praktische Architektenarbeiten erledigen würden? Ich habe hier eine ganze Liste von Architekten an Bord und keinen Platz für eine weitere. Ich kann Ihnen überhaupt nichts versprechen.«

Etwas in mir zieht sich bei diesen Worten schmerzhaft zusammen. »Dessen bin ich mir bewusst, und ich bitte Sie auch nicht darum. Aber ich denke, durch meine Erfahrung als Architektin kann ich eine bessere Assistentin sein.«

»Tatsächlich denke ich das auch.« Er trommelt zum dritten Mal mit den Knöcheln auf die Tischplatte. »Ich habe keine Zeit, Ihnen Dinge beizubringen.«

Meine vorherige Bewunderung für ihn schwindet bei diesen Worten ein wenig. Was für ein unerträglicher Typ. »Das ist schon in Ordnung.«

»Meine bisherige Assistentin wird Ihnen eine Übergabe mit Anweisungen hinterlassen, und Rykers’ Assistentin kann Ihnen dabei helfen, sich zurechtzufinden. Aber das meiste werden Sie während der Arbeit lernen müssen.«

»Das kann ich.«

»Wäre es Ihnen möglich, nächsten Montag anzufangen?« Er verschränkt die Arme auf dem Tisch. Sie wirken ungewöhnlich muskulös für einen New Yorker Architekten. Diese Zunft verlässt normalerweise nur selten das Büro.

»Ja. Auf jeden Fall. Ja.«

»Wir beginnen mit einer sechswöchigen Probezeit, bevor wir Ihnen einen Vollzeitvertrag anbieten. Die Personalabteilung wird sich um den Papierkram kümmern und Ihnen alles noch heute per E-Mail zukommen lassen. Sollten Sie irgendwelche Bedenken oder Fragen hinsichtlich des Gehalts oder der Arbeitszeiten haben, wenden Sie sich direkt an sie.«

»Mache ich.« Großer Gott, passiert das hier gerade wirklich? »Danke, Sir.«

Er nickt und streckt die Hand aus, um meine zu schütteln. Seine fühlt sich stark und trocken an und hat Schwielen in der Handfläche. Auch das ist ungewöhnlich für eines dieser hohen Tiere. »Willkommen an Bord, Miss Alvarez. Ich gehe mit Ihnen ein Risiko ein. Sorgen Sie dafür, dass ich es nicht bereue.«

»Das werden Sie nicht«, sage ich, sehe ihm direkt in die Augen und hoffe, dass auch ich es nicht bereuen werde.

4

Faye

»Sie sind Mr. Marchands neue Assistentin?«

»Ja«, entgegne ich. So langsam wird es frustrierend. »Ich wurde letzte Woche eingestellt.«

Kyle, einer der leitenden Architekten bei Marchand & Rykers, mustert mich mit offensichtlicher Ablehnung von Kopf bis Fuß, bevor er zum Kaffeeautomaten zurückkehrt. »Er musste wohl irgendjemanden nehmen.«

Diese Dreistigkeit.

Ich werfe ihm ein strahlendes Lächeln zu und schalte den Wasserkocher an, um mir einen Tee zu machen. »Ja, musste er. Und mit meinem Abschluss in Architektur kann ich mit Sicherheit hilfreich sein.«

Kyle zieht lässig eine Augenbraue hoch. Seine Frisur ist kunstvoll gestylt, seine kantigen Gesichtszüge werden von einer knallorangefarbenen Brille betont. »Wie reizend. Ich bin mir sicher, dass Sie uns Architekten dann mit unseren Entwürfen helfen können, wenn Sie ein bisschen Zeit totschlagen müssen.«

Ich beiße die Zähne zusammen. »Wenn es mit Mr. Marchand abgeklärt ist, natürlich.«

»Natürlich«, wiederholt er betont freundlich. »Wie nett.«

Er verlässt den Pausenraum, und ich atme erleichtert durch. Eine weitere Attacke abgewehrt. Wenn dieses Studio etwas im Überfluss hat, sind es aufgeblasene und selbstherrliche Egos. Erst hat Kelly, die Empfangsdame, überrascht geguckt, als ich wieder auftauchte und ihr mitteilte, ich sei eingestellt worden. Dann hat Christine, Rykers’ Assistentin, mich eindeutig missbilligend gemustert. Und jetzt Kyle.

Ich hänge einen Beutel Earl Grey in meine Tasse, schließe einen Moment lang die Augen und genieße die Stille. Gleich muss ich wieder zurück an meinen Schreibtisch und mich dem undurchdringbaren Chaos von Henrys Terminkalender widmen.

Ausgerechnet ich, der desorganisierteste Mensch von allen, habe jetzt einen Job, bei dem Organisation der zentrale Punkt ist. Super hingekriegt, Faye.

Eine tiefe Stimme unterbricht meine Gedanken. »Was machen Sie hier?«

Ich öffne die Augen und sehe ausgerechnet Henry im Türrahmen stehen. »Ich stelle mir vor, wie schön ein Büro ohne Büroklüngelei sein könnte.«

Henry runzelt die Stirn und geht zur Kaffeemaschine hinüber. »Ich bezahle Sie nicht fürs Tagträumen.«

»Nein, das ist ein Bonus Feature«, entgegne ich. »Ende des Monats bekommt man bei mir immer zwei zum Preis von einem.«

Nichts. Kein Lächeln. Kein amüsiertes Funkeln in den Augen. Er schaltet einfach nur die Kaffeemaschine aus und bedeutet mir mit einer Geste, ihm aus dem Pausenraum zu folgen. Wir gehen in Richtung des hinteren Flurs, des Zugangs zu seinem gigantischen Büro.

Mehrere der Architekten und Büromitarbeiter mustern uns, als wir sie passieren. Henry würdigt keinen von ihnen eines Blickes, schreitet mit geradem Rücken und hoch erhobenem Haupt weiter. Kalter Mistkerl.

Heute trägt er einen Anzug, aber ohne Sakko und Krawatte. Die Ärmel hat er gewissenhaft und ordentlich bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Sie entblößen seine gebräunten und muskulösen Unterarme. Ich frage mich, wie alt er ist. Ich schätze mal, Mitte dreißig, auch wenn er so wirkt wie ein Mann mit jeder Menge Lebenserfahrung. Einige der Architekten im Team müssen älter sein als er. Das ist ungewöhnlich.

»Suchen Sie Ihre Sachen zusammen, und dann reden wir über Ihre Aufgaben hier. Kommen Sie so schnell wie möglich in mein Büro.« Er hält inne, die Hand an der Eichentür. »Und ich würde es sehr wertschätzen, wenn Sie sich angewöhnen könnten, mir Kaffee zu bringen.«

»Das werde ich.«

Er nickt und verschwindet in seinem Büro, noch immer ohne auch nur die Spur eines Lächelns.

Verdammt.

Der Mann ist eiskalt.

Als ich heute Morgen zur Arbeit kam – ich habe einen Job! –, habe ich ein vollständiges Willkommenspaket vorgefunden. Eine Schlüsselkarte, den Log-in für das Computersystem, eine neue E-Mail-Adresse. Die Leiterin der Personalabteilung warf mir einen mürrischen Blick zu und murmelte irgendetwas von Das geht zu schnell. Vielleicht hatte sie Überstunden machen müssen, um alles Notwendige für mich vorzubereiten.

Als ich kam, fand ich Henry bereits im Büro vor, obwohl ich zu früh dran war. Und die vielen Kaffeebecher auf seinem Schreibtisch zeugten davon, dass er bereits eine ganze Weile dort verbracht hat.

Ich schnappe mir meinen Laptop und meinen Block. Als ich das Büro betrete, sitzt Henry an seinem Schreibtisch. Es ist nicht das erste Mal am heutigen Tag, dass wir über die Arbeit reden, aber wir werden jetzt zum ersten Mal aktiv meine Aufgaben besprechen.

Er nickt mir zu, als ich hereinkomme, sieht jedoch nicht von seinem Bildschirm hoch. Okay. Ich nehme ihm gegenüber Platz und öffne meinen Laptop mit der Liste meiner Fragen.

»Es sind ein paar Reisen für mich gebucht. Gehen Sie alles durch und sorgen Sie dafür, dass Transport und Unterkunft organisiert sind.«

»Schon dabei.« Damit habe ich bereits begonnen.

»Kümmern Sie sich um meine Einladungen zu Veranstaltungen und so. Wir werden sie einmal wöchentlich zusammen durchgehen.«

Ich schreibe es mir auf. »Notiert.«

»Was gehört noch zu Ihrem Job? Reservierungen für Mittag- und Abendessen, Catering für Veranstaltungen, Telefonate. Begleitung zu Terminen – manchmal werde ich Sie dabeihaben wollen.« Plötzlich schaut er mit seinen unerklärlich grünen Augen zu mir hoch. »Sind Sie gut darin, mitzuschreiben?«

»Ja.« Ich versuche angesichts dieser elementaren Frage nicht gekränkt zu sein.

»Gut. Ich werde Sie dann darüber informieren. Was noch? Die Koordination mit dem Architektenteam, das Weiterleiten von Entwürfen. Das Führen eines Registers all unserer Kunden – ich glaube, das hat Sara begonnen, die vor Ihnen hier gearbeitet hat … Gucken Sie mal, ob Sie es finden. Sie hat mich immer über die Geschichte und die persönlichen Details eines Kunden informiert, bevor ich mich mit ihm getroffen habe. Das war hilfreich.«

Ich schreibe alles auf. »Sara hat mir die Informationen hinterlassen, ja.«

Ich habe einen kleinen Spickzettel von ihr gefunden. Mit einer Menge hilfreicher Informationen, von denen mir einige recht … bizarr vorkamen. So hat sie präzise aufgeschrieben, was Henry gerne zu Mittag isst und von welchen Restaurants in der Nachbarschaft ich sein Essen kommen lassen soll. Bestelle nicht öfter als zweimal in der Woche ein Sandwich bei Reuben. Immer mit Weizenvollkornbrot, und auf keinen Fall mehr als zwei Gurken. Niemals etwas mit Sesam. Das Wort »Sesam« hat sie unterstrichen. Außerdem hat sie seine Schuh- und Konfektionsgröße notiert. Wo er seine Kleidung reinigen lässt. Ehrlich gesagt wirken ihre Notizen auf mich entweder panisch oder besessen.

Ist er ein so furchterregender Chef?

Bisher macht er mir keine Angst, auch wenn ich ihn noch nicht ein Mal habe lächeln sehen.

Auch wenn die anderen im Büro eindeutig Abstand halten.

»Sie wissen Bescheid, also werde ich nicht detailliert darauf eingehen, was ich auf Architekturseite von Ihnen brauche. Ich vertraue darauf, dass Sie Baupläne katalogisieren und dafür sorgen können, dass meine AutoCAD-Software immer auf dem neuesten Stand mit den aktuellen Entwicklungen des Unternehmens ist.«

Bei dieser Aussicht steigt Freude in mir hoch. »Ja, das kann ich.«

»E-mailen Sie mir, wenn Sie Fragen haben.«

Obwohl ich direkt vor der Tür sitze? Das kommt mir … übertrieben vor, aber was weiß ich schon? Ich habe noch nie als Assistentin gearbeitet, ganz zu schweigen davon, jemals selbst eine gehabt zu haben.

»Alles klar.«

Henry widmet sich wieder seinem Bildschirm, und es ist offensichtlich, dass unser Gespräch beendet ist. Ich sehe auf die Fragen hinunter, die ich aufgeschrieben habe … und merke, dass ich keine einzige davon stellen kann. Im Wesentlichen hat er mir gerade gesagt, dass ich die meisten Antworten selbst finden muss.

In der Woche zwischen dem Vorstellungsgespräch und meinem ersten Tag habe ich alles gegoogelt, was es zum Aufgabenbereich einer Assistentin zu wissen gibt. Tipps und Tricks, Dinge, die man tut oder auf keinen Fall tut. Anscheinend dreht sich alles darum, seine Bedürfnisse vorauszuahnen und seine Gedanken zu lesen.

Tja. Dann wird es wohl Zeit, dass ich Gedankenleserin werde.

— • —

Als ich am Abend das Büro verlasse, ist es schon spät.

Ich habe den ganzen Tag damit zugebracht, seinen Kalender zu organisieren – hallo Farbcodierung! – und mir jedes Fitzelchen Information durchzulesen, das Sara mir hinterlassen hat. Außerdem habe ich dem gesamten Büro eine E-Mail geschrieben, um mich vorzustellen und darum zu bitten, dass sämtliche nicht essenziellen Sachen zukünftig mir geschickt werden und nicht Henry.

Zwei Personen von siebenundzwanzig haben mit einem Hallo! Willkommen! geantwortet.

Ein guter Anfang.

Ich warte auf den Aufzug und massiere mir dabei den Nacken, der ein wenig wehtut, weil ich den ganzen Tag auf den Bildschirm gestarrt habe. Meine Füße schmerzen auch von den Absätzen. Anscheinend verlernt man es, den ganzen Tag in hochhackigen Schuhen zu laufen, wenn man es mal ein paar Wochen nicht gemacht hat.

Rykers’ Assistentin Christine bleibt neben mir stehen. Sie lächelt mich an. »Guter erster Tag?«

»Ja. Auch wenn es … echt viel ist.«

»Das stimmt«, sagt sie lachend. »Hier ist eine Menge los. Kein Ort zum Faulenzen, das kannst du mir glauben.«

»Das glaube ich.« Ich widerstehe dem Drang, meine Haare aus dem straffen Pferdeschwanz zu befreien. Mein Kopf tut weh. »Arbeitest du schon lange für Rykers?«

»Acht Jahre. Fast seit Gründung des Unternehmens.«

»Wow.« Sie kennt das Studio bestimmt in- und auswendig. »Und wie viele Assistentinnen hatte Mr. Marchand in dieser Zeit?«

Wir betreten den Aufzug, und Christine drückt auf den Knopf für das Erdgeschoss. Ihr Gesichtsausdruck wird nachdenklich und unsicher, und ich kann ihn nicht so recht deuten. »Sechs«, meint sie schließlich. »Ich sage das nicht, um dich zu entmutigen, aber sie bleiben meist nicht lange.«

Wow.

Worauf habe ich mich da eingelassen?

Ich schenke ihr mein gewinnendstes Lächeln. »Warum nicht? Ich möchte nicht die gleichen Fehler machen.«

»Er ist … anspruchsvoll«, erklärt sie. »Nicht alle Assistentinnen können da mithalten oder haben die Stärke, damit umzugehen, wenn er sie korrigiert.«

Um sich das vorzustellen, muss man nicht viel Phantasie haben. Den ganzen Tag habe ich nur die ausdruckslose, nichtssagende Maske gesehen, die er zu tragen scheint. Nichts von dem Mann, der Spaß daran hatte, mich während des Vorstellungsgesprächs zu provozieren.

»Hat sich deshalb kaum jemand die Mühe gemacht, mir heute auf meine Mail zu antworten und sich vorzustellen?«, frage ich, als die Erkenntnis eintritt. »Weil sie glauben, dass ich sowieso nicht lange bleibe?«

»Hm, ich weiß nicht, warum«, sagt sie vorsichtig, »aber es könnte sein, ja.«

Ich erschaudere. Ich hatte geglaubt, ein Job als Assistentin sei unter meiner Würde – dass ich den ganzen Tag Däumchen drehen würde. Aber wenn ich Christine Glauben schenke, kann ich mich glücklich schätzen, wenn ich die sechswöchige Probezeit überstehe.

»Wow.«

»Lass dich davon nicht entmutigen. Ich bin mir sicher, du machst das großartig. Er hat dich selbst eingestellt, oder? Normalerweise überlässt er die Vorstellungsgespräche der Personalabteilung.«

Ich muss mir das Lachen verkneifen. Ich wäre niemals eingestellt worden, wenn die Personalabteilung mein Anschreiben richtig gelesen hätte. »Du hast recht.«

Christine verabschiedet sich von mir, als wir auf die Straße treten. Es ist nach sieben, und ich bin so müde, dass ich nur noch auf Autopilot funktioniere. Ab in die U-Bahn, rein mit den Kopfhörern, hoch die Treppen. Dann schließe ich die Tür meiner kleinen Wohnung auf und ziehe mir endlich die Schuhe aus.

Ich ignoriere den Haufen Schmutzwäsche in der Ecke und gehe stattdessen direkt in die Küche.

»Hi, Süße«, sage ich zu der Zimmerpalme. »Ich bin wieder zu Hause. Wie war dein Tag?«

Sie antwortet nicht, aber die Blätter scheinen ein bisschen weniger zu hängen als gestern. »Richtig gut, was?«

Sie stimmt mir stumm zu, und ich seufze angesichts meiner eigenen Albernheit.

Sechs Assistentinnen in acht Jahren. Sie bleiben also kaum länger als ein Jahr. Ich frage mich, warum seine letzte Assistentin gegangen ist. Ihren peniblen Aufzeichnungen zufolge muss sie eine exzellente Assistentin gewesen sein. Das sind große Fußstapfen, in die ich da trete.

Ich fläze mich mit einer Schüssel Nudeln auf die Couch. Meine Wohnung mag klein sein, aber sie gehört mir. Jeder Quadratzentimeter davon. Das erste Stück Ich, das ich jemals wirklich hatte. An den Wänden hängen kunstvoll gerahmte Baupläne. Ich habe Jahre gebraucht, um sie zu finden, manche davon sind Kopien alter Versionen, andere künstlerische Drucke. Eine Seitenansicht des Kolosseums mit den imposanten Säulen und der genialen Konstruktion, die dafür sorgt, dass es heute noch steht, fast zweitausend Jahre nach seinem Bau. Das Empire State Building. Die Sagrada Familia. Lauter Bauten, die ich liebe, seit ich denken kann.

Es war immer mein Traum gewesen, selbst einmal ein Baudenkmal zu entwerfen. Inzwischen kommt mir das albern vor. Nur sehr wenige Architekten erreichen so etwas.

Mein Handy piepst. Eine Nachricht von Jessie. Sie ist Barkeeperin im Norden Manhattans und arbeitet immer abends.

Jessie Moore:Ich weiß, du hast gesagt, ich soll ihn nicht fragen, aber ich habe es trotzdem gemacht. Travis hätte definitiv Lust auf ein Blind Date mit dir. Und bevor du Nein sagst: Du warst ewig nicht mehr mit einem Typen aus!

Ich werfe das Telefon weg. Sie nervt mich schon seit Monaten mit ihrem süßen Kollegen. Sagt mir ständig, ich solle mich weniger auf meine Karriere konzentrieren und mehr auf das Glücklichsein. Ich bräuchte eine Work-Life-Balance und Liebe in meinem Leben.

Als hätte ich Zeit für so etwas. Ich bin mitten in den wichtigsten Jahren meiner Karriere und habe Probleme. Ich habe absolut keine Zeit für Flirts oder Affären und ganz sicher nicht für eine echte Beziehung. Verdammt, wenn ich wirklich Henry Marchands anscheinend sehr anspruchsvollen Anforderungen gerecht werden will, dann werde ich in nächster Zeit wahrscheinlich noch nicht mal viel Zeit für meine Freunde haben.

Im Fernsehen läuft eine miese Serie, und ich bin schon fast auf der Couch eingeschlafen, als mein Handy klingelt. Als ich den Namen auf dem Display lese, bin ich schlagartig wach.

»Hallo?«

Henrys Stimme klingt tief vor Ärger. »Mein Kalender ist weg.«

»Was?«

»Er ist komplett aus dem System verschwunden. Haben Sie aus Versehen irgendwo draufgedrückt? Auf Löschen anstatt auf Synchronisieren?«

»Nein.« Ich denke an den Augenblick zurück, als ich die Änderungen gemacht habe, die ich vornehmen wollte. Was habe ich gedrückt …? Ich kann mich nicht erinnern. Ich hatte noch nie zuvor mit diesem System gearbeitet, doch es war mir einfach vorgekommen, sogar intuitiv. »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht.«

»Aber er ist weg. Komplett.«

»Ich bringe das in Ordnung«, verspreche ich, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie. »Jetzt sofort. Ich kann – «

»Ich bin noch im Büro.«

Er ist noch im Büro? Es ist fast Mitternacht. Das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt, greife ich nach meiner Hose. »Ich bin in zwanzig Minuten da. Keine Sorge – «

Er hat bereits aufgelegt.

5

Henry

Ich seufze und widerstehe dem Drang, mir mit der Hand durchs Haar zu fahren. Das ist eine Komplikation, die ich definitiv nicht gebrauchen kann. Die kommenden Tage werden arbeitsreich genug werden, ohne ein plötzliches Ratespiel, wo ich wen wann zu treffen habe.

Vielleicht war es ein Fehler, Faye einzustellen. Ich bin davon ausgegangen, es sei einfacher, zu lernen, was eine Assistentin macht, als Architektur zu lernen. Dass sie den Assistentinnenteil während der Arbeit lernen würde. Aber vielleicht habe ich da falschgelegen. Wie so oft, wenn es um Assistentinnen geht. Die verdammte Rykers hat gleich beim ersten Mal einen Glücksgriff gelandet.

Ich widme mich wieder dem Architekturmodell auf meinem Bildschirm. Irgendetwas fehlt, irgendetwas an der geschwungenen Außenfassade funktioniert nicht. Erst habe ich geglaubt, es läge an einem Problem mit den Proportionen, aber das auszugleichen, hat auch nicht geholfen.

Der Aufzug gibt ein Pling von sich. Ich schließe das Fenster mit dem Projekt und öffne stattdessen die Datei des Bürogebäudes, das wir in der Bronx entwerfen.

Faye steht im Türrahmen. Das schwarze Kleid und die passenden Pumps, die sie heute während der Arbeit getragen hatte, hat sie gegen eine dunkle Jeans und einen übergroßen Pullover getauscht. Ihr Gesicht sieht irgendwie nackt aus … ohne Make-up. Und ihre dunklen Haare fallen ihr lang und offen über den Rücken.

Ich schaue sie stirnrunzelnd an. Sie sieht wunderschön aus – eine weitere Ablenkung, die ich nicht gebrauchen kann. Natürlich ist mir das schon bei ihrem Vorstellungsgespräch aufgefallen. Aber da hat sie ihre Schönheit wie eine Rüstung getragen, mit präzise geschwungenem Eyeliner und zurückgebundenen Haaren. Dieses Mal wirkt sie eher entwaffnet – sie so zu sehen, wie sie wahrscheinlich an einem Sonntagmorgen aussieht.

Sie betritt unaufgefordert mein Büro, den Laptop unter dem Arm. »Noch einmal: Es tut mir leid. Ich gucke mir das noch mal an und habe es im Nu wiederhergestellt.«

»Sehen Sie zu, dass das klappt.«

Sie setzt sich an meinen großen Besprechungstisch, immer noch unaufgefordert. Mein Büro bekommen abgesehen von mir nur wenige Menschen zu Gesicht. Ich sehe, wie sie den Blick schweifen lässt, während sie den Laptop hochfährt. Er wandert über die Bücherregale hin zu dem großen Modell in der Ecke. Es ist zugedeckt, aber es stört mich irgendwie trotzdem, dass sie es ansieht.

Dieses Projekt ist nur für meine Augen bestimmt.

Sie fokussiert sich wieder auf ihren Bildschirm, tippt mit den Fingern auf der Tastatur herum. Ich schaffe es nicht, mich wieder auf meinen eigenen Bildschirm zu konzentrieren.

»Arbeiten Sie immer so spät noch?«, fragt Faye mit vergnügter Stimme. Ich kann nicht einschätzen, ob der heitere Unterton echt ist oder nicht. »Es ist nach Mitternacht.«

»Ja, oft. Eine Menge Leute verlassen sich darauf, dass wir unsere Deadlines einhalten.« Ich runzele erneut die Stirn. Warum gebe ich ihr freiwillig mehr Informationen preis?

Sie nickt, tippt weiter. »Das kann ich mir vorstellen.«

»Deshalb darf es auch nicht passieren, dass Kalender verschwinden.«

Fayes Schultern verspannen sich, aber sie erwidert nichts. Ein paar Minuten lang arbeiten wir beide in angespannter Stille, dann seufzt sie auf. »Er ist wieder da. Ich habe uns beide aus Versehen von diesem Kalender abgemeldet. Es war einfach wiederherzustellen. Alles ist noch intakt.«

Ich öffne das E-Mail- und Kalenderprogramm. Sie hat recht. Alle Informationen zu meinem Termin um acht Uhr sind wieder zugänglich. Meine Finger fliegen über die Tastatur, und ich mache schnell einen Screenshot, für den Fall, dass sie noch einmal so etwas macht.

»Sehen Sie zu, dass das nicht noch einmal passiert.«

»Das wird es nicht«, sagt Faye. Ihre Stimme drückt klares Missfallen aus – als wäre sie von mir enttäuscht. Ich schaue sie stirnrunzelnd an und sehe, dass sie das Gleiche tut. »Es tut mir leid. Es war ein simpler Fehler.«

»Kein Fehler ist simpel.«

Sie verschränkt die Arme vor der Brust. Die Ärmel ihres Pullovers sind so lang, dass sie ihre Hände bedecken. Ein verletzlicher Look, der im kompletten Gegensatz zu der grimmigen Entschlossenheit auf ihrem Gesicht steht. »Es tut mir leid, aber ich finde, ein Fehler am ersten Tag ist erlaubt.«

»Das ist er. Deshalb mache ich auch keine große Sache daraus.«

Faye verdreht die Augen – sie verdreht mir gegenüber tatsächlich die Augen! – und geht zur Tür hinüber. »Verschleißen Sie deshalb Ihre Assistentinnen so schnell?«

Ich starre sie an. Das hat sie gerade nicht zu mir gesagt. Talentiert hin oder her, wunderschön hin oder her, das ist einfach … bedrohlich nahe.

Sie hält meinem Blick stand. Einer von uns wird nachgeben müssen, und ihr Blick sagt mir, dass sie es nicht vorhat.

Wenn sie glaubt, dass ich derjenige sein werde, weiß sie nichts über mich.

Das geht eine ganze Weile so.

Faye wendet den Blick nicht ab, aber ihre Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich am ersten Tag ein Wettstarren mit meinem Chef haben würde.«

»Das hätte Ihr Chef auch nicht gedacht.«

Ihr Lächeln wird noch breiter. Das ist ein wundervoller Anblick, wie ihr Gesicht sich von schön zu fast schon strahlend verwandelt. Verdammte Scheiße. Warum habe ich es für eine gute Idee gehalten, sie einzustellen?

»Ich glaube, wir verlieren beide nicht gerne«, sagt sie.

»Das ist offensichtlich.« Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, versuche, in dieser Situation irgendein Maß an Autorität zu finden, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Es ist albern – so verdammt kindisch –, aber ich kann trotzdem nicht weggucken.

»Lassen Sie uns einen Deal machen«, schlägt sie vor.

»Während Sie mich in diesem Spiel als Geisel halten?«, frage ich. »Ich verhandele nicht mit Terroristen.«

Ihr Lächeln wird – fast unmöglich – noch breiter. »Ich weiß, dass ich vielleicht wieder Fehler begehen werde. Ihr Sandwich ohne Weizenvollkornbrot bestelle, zum Beispiel. Den Kaffee zu heiß mache. Aber ich will, dass Sie mir die vollen sechs Wochen Probezeit zugestehen. Mir eine echte Chance geben.«

»Und die Probezeit nicht abbreche?«

»Genau.«

Ich tue so, als würde ich nachdenken, trommele mit den Fingern auf die Tischplatte. Der Deal, den sie vorschlägt, ist sinnlos. Ich hatte nie vor, die Probezeit abzubrechen, erst recht nicht nach diesem kleinen Auftritt hier. Er ist unverschämt … und sehr unterhaltsam. Faye Alvarez ist anders als jede Assistentin, die ich jemals hatte. Da ist keine Furcht in ihrem Blick und keine Abneigung gegen meine direkte Art.

»In Ordnung«, sage ich langsam. »Wenn Sie meinen Aufgaben zustimmen. Sie haben mehr praktische Erfahrung als jede Assistentin, die ich je hatte.«

»Benutzen Sie mich«, sagt sie zustimmend und errötet wie auf Kommando. Ja, sie hat gehört, wie das klang – genauso wie ich. Ich ignoriere es.

»Gut. Sie haben Ihre sechs Wochen, Miss Alvarez, trotz aller Fehler, die Sie währenddessen vielleicht begehen werden. Jetzt raus aus meinem Büro, bevor ich dazu gezwungen bin, Sie bis zum Sonnenaufgang anzustarren.«

Faye nickt und schnappt sich ihren Laptop. Sie geht rückwärts aus dem Büro, um den Blickkontakt weiterhin nicht abzubrechen. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, und sie zuckt leicht mit den Achseln. Dabei fällt ihr noch mehr von ihrem vollen Haar über die Schulter. Es glänzt im Licht der Deckenleuchten.

»Ich bin ehrgeizig«, sagt sie mit entschuldigendem Unterton. »Gute Nacht, Mr. Marchand.«

»Gute Nacht.«

Die Tür fällt hinter ihr zu, und ich starre sie noch ein paar Sekunden ungläubig an. Tja, Faye Alvarez. Ich bin auch ehrgeizig.

Und ich gewinne immer.

— • —

Am nächsten Tag benimmt sie sich mustergültig.

»Hier ist Ihr Cortado, Mr. Marchand, aus dem Café die Straße runter, das Sie so mögen. Ich habe Mittagessen für Sie bestellt – einen Mohnbagel mit Schweizer Käse und Pastrami.«

Ich schaue auf den Becher in meiner Hand hinunter. Woher weiß sie das?

»Und Tanner vom Exon-Projekt hat angerufen. Er muss Ihren Vierzehn-Uhr-Termin leider um fünfzehn Minuten verschieben. Ich habe Ihren Termin mit den Architekten danach entsprechend nach hinten geschoben, damit das passt.«

»Haben Sie für heute Abend eine Limousine gebucht?«

»Ja. Sie werden um 18:45 Uhr abgeholt.« Kurze Pause. »Und Sie möchten sicher keine Reservierung zum Abendessen?«