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Ich habe einen Traumjob ergattert! Ich soll an den schönsten Orten der Welt shooten, um Werbung für eine Hotelkette zu machen. Es könnte nicht besser laufen, wäre da nicht ein Haken: Der Fotograf Rhys Marchand ist ein reicher und komplett unausstehlicher Kerl. Doch ich brauche das Geld und ich möchte mir die Chance, um die Welt zu reisen auch nicht entgehen lassen. Und wer hätte schon ahnen können, was auf dem Trip alles passieren wird …
Alle Titel der Reihe "Paradise Brothers" können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Seitenzahl: 439
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Ich habe einen Traumjob ergattert! Ich soll an den schönsten Orten der Welt shooten, um Werbung für eine Hotelkette zu machen. Es könnte nicht besser laufen, wäre da nicht ein Haken: Der Fotograf Rhys Marchand ist ein reicher und komplett unausstehlicher Kerl. Doch ich brauche das Geld und ich möchte mir die Chance, um die Welt zu reisen auch nicht entgehen lassen. Und wer hätte schon ahnen können, was auf dem Trip alles passieren wird …
Alle Titel der Reihe "Paradiese Brothers" können unabhängig voneinander gelesen werden. Der vierte Band der Reihe "Paradise Brothers" erscheint im Frühjahr 2023.
Olivia Hayle ist eine hoffnungslose Romantikerin mit einer großen Vorliebe für Milliardäre. Da sie leider noch keinen in der der Realität getroffen hat, erschafft sie sie kurzerhand selbst – auf dem Papier. Ob sexy, charmant, cool oder verletzlich – bislang hat sie noch keinen (fiktiven) Milliardär getroffen, den sie nicht mochte.
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Olivia Hayle
Red Hot Rebel
Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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Zitat
1: Ivy
2: Rhys — Zwei Wochen später
3: Ivy
4: Ivy
5: Ivy
6: Rhys
7: Ivy
8: Ivy
9: Rhys
10: Ivy
11: Rhys
12: Ivy
13: Ivy
14: Ivy
15: Rhys
16: Rhys
17: Ivy
18: Ivy
19: Ivy
20: Ivy
21: Ivy
22: Rhys
23: Ivy
24: Ivy
25: Rhys
26: Ivy
27: Rhys
Ivy — Ein Jahr später
Impressum
Lust auf more?
»Das einzig wahre Abenteuer im Leben ist die Liebe.«
Nikki Giovanni
1
Mit klopfendem Herzen blicke ich zu der riesigen Villa in den Hamptons hinauf. Zum ersten Mal hat mich meine Modelagentur zu einem Live Modeling Gig geschickt. Schon ziemlich bizarr, was da so abläuft. Herumstehen und hübsch aussehen. Es hat seinen Grund, warum ich bislang immer abgelehnt habe, aber nachdem Tina mir die Höhe des Honorars verraten hatte, stand das nicht mehr zur Debatte.
Melissa gesellt sich neben mich. »Wir fahren zusammen nach Hause?«
»Genau«, antworte ich. »Gleich nach unserem Einsatz. Ich hab auch eine Powerbank in der Tasche.«
»Gute Idee.« Vor zwei Monaten kamen wir von unserem Shooting nicht mehr weg, weil die Akkus unserer Handys leer waren und wir nicht mal mehr ein Uber rufen konnten.
Bei dem Klackern von High Heels auf dem Weg hinter uns drehen wir uns um und entdecken die restlichen Models, die sich uns anschließen. Manche von ihnen kenne ich. Die meisten dieser Frauen halten nicht viel von Melissas und meinem … na ja, nennen wir es Eifer, auf dem rechten Weg zu bleiben. Normalerweise muss man nämlich nur das Wort »Model« in den Mund nehmen, und schon erhält man Zutritt zu jeder Menge exklusiver Etablissements. In denen die Drinks teuer und die Drogen noch teurer sind.
»Vor zwei Jahren war ich das Gesicht einer landesweiten Jeans-Kampagne«, murmelt Melissa neben mir. »Und jetzt posiere ich auf der Party eines Modeschöpfers vor seinen versammelten Freunden.«
Ich lächele ihr zu. »Es dauert nur drei Stunden, und die Bezahlung ist gut.«
»Gott sei Dank.« Sie schlingt sich die Tasche über die Schulter und geht ins Haus voran, von wo aus eine mit Headset und Clipboard bewaffnete Frau uns hereinwinkt. »Bringen wir’s hinter uns.«
Zehn Minuten später streiche ich mir das Kleid glatt, das kaum meinen Hintern bedeckt. Das kurze, hauchdünne und bunte Stück gehört zur diesjährigen Frühlings- und Sommerkollektion des Modeschöpfers.
»Los, los!«, ruft die Clipboard-Lady. Eins der neueren Models von meiner Agentur, eine junge Frau, die ich nicht kenne, kämpft gerade mit den winzigen Verschlüssen ihrer Riemchenschuhe.
Ich beuge mich vor, um ihr zu helfen. »Mach sie lockerer als nötig«, rate ich ihr. »Auf dem Catwalk ist es sinnvoll, sie festzuzurren. Aber wenn du nur herumstehst und bei einem Shooting posierst, sollten die Riemchen eher locker sitzen, sonst schneiden sie dir ins Fleisch, wenn die Knöchel anschwellen.«
Sie wirft mir ein schüchternes Lächeln zu. »Danke.«
»Jederzeit. Ich bin Ivy.«
»Jordan«, antwortet sie und begleitet mich aus dem Poolhaus hinaus, das zum Umkleideraum umfunktioniert wurde.
Das Haus ist atemberaubend: Das türkisblaue Wasser des Pools strahlt in der Sommersonne, und die Open-Air-Bar ist randvoll mit Alkohol. Der Barkeeper sieht uns hinterher und grinst anerkennend.
»Na los doch, Beeilung«, ruft die Clipboard-Lady und presst ihr Arbeitsgerät fest an die Brust. »Die ersten vier von euch will ich da hinten haben … dich, dich, dich und dich.«
Zu der Gruppe, die ins Haus gescheucht wird, gehört auch Melissa. »Ihr flankiert den Zugang – bin in einer Sekunde bei euch.« Dann wendet sie sich an uns, die übrigen fünf. »Am Poolrand findet ihr kleine Kreuze. Sucht euch jeder eins und stellt euch dort auf.«
Mehr Anweisungen bekommen wir nicht.
Ich werfe Jordan ein bekümmertes Lächeln zu nach dem Motto: Was tut man nicht alles. Dann umrunde ich den Pool und mache mich auf die Suche nach einem X aus Klebeband.
Ich finde eins an einer Ecke in einem abgelegenen Bereich des Gartens, der mit ein paar Liegestühlen bestückt ist. Es kann nicht lange dauern, bis sich Gäste hier einfinden.
»Genau so!«, ruft die Clipboard-Lady. »Bleibt da. Und wenn ihr etwas zu trinken braucht oder auf die Toilette müsst, könnt ihr abwechselnd im Poolhaus verschwinden.«
Mit einem Ausdruck rechtschaffener Betriebsamkeit stapft sie davon, um eine weitere logistische Herausforderung dieser Hamptons-Party zu lösen.
Wir fünf schauen einander an.
»Hat irgendwer von euch Sunblocker aufgetragen?«, rufe ich.
Ein paar der anderen Models lachen.
Dann beginnt die Langeweile.
Genau deshalb meide ich diese Live Modeling Gigs bei ultramodernen Unternehmen, Clubs oder Modeschöpfern.
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar, vergewissere mich, dass mein Kleid vernünftig sitzt. Dann gehe ich im Kopf die Teile des menschlichen Skeletts durch, die ich für meine Prüfung in Physiotherapie in zwei Tagen können muss.
Die Wirbelsäule, die aus Halswirbeln, Brustwirbeln und Lendenwirbeln besteht sowie aus Kreuzbein und Steißbein. Bald ertönen Tropenklänge aus Lautsprechern, die geschickt in Haus und Garten platziert waren.
Ich mache weiter.
Zum Becken gehören Hüfte, Schambein und Sitzbein.
Nun treffen die ersten Gäste ein, sie treten in Anzügen und mit Sonnenbrillen auf die Terrasse hinaus. Ich schiebe das Bein nach vorn, lege die Hand auf die Hüfte und stelle eine sorgfältig einstudierte, wunderschön gelangweilte Miene zur Schau.
Dann widme ich mich gedanklich wieder meinem Studium. Diese Praxis habe ich im Laufe der Jahre perfektioniert. Ob ich bei Modeschauen hinter der Bühne warte oder bei Castings anstehe … im Geiste gehe ich ständig den Stoff durch. Zuerst für meinen Bachelor, den ich online absolvieren konnte. Ja, es hatte fünf Jahre gedauert, weil ich immer nur halbtags studieren konnte, aber ich hatte es geschafft und mir derweil mit dem Modeln meinen Lebensunterhalt verdient. Außerdem hatte der Job auch noch ein paar andere Vorteile. Das Kleid, das ich momentan trage, passt mir wie angegossen – und in der Branche geht das Gerücht um, dass der fragliche Modeschöpfer, bei dem wir gerade arbeiten, die Stücke aus seiner Kollektion gern an seine Models verschenkt.
Ich hätte nichts dagegen, dieses hier mit nach Hause zu nehmen.
Mein Blick schweift zu dem Meer von Gästen hinüber, die sich um den Pool drängen. In den Händen halten sie bunte Drinks oder Teller mit Häppchen von einem Buffet irgendwo im Haus. Ich sehe kleine Portionen Filet Wellington. Austern auf Eis. Etwas, das aussieht wie winzige Chickenburger.
Bei diesem Anblick knurrt mir lautstark der Magen.
Ich lege die Hand in die Seite, so dass es aussieht wie eine Pose, und schaue kurz zu den Gästen hinüber, die neben mir auf den Liegestühlen Platz genommen haben. Aber sie haben nichts bemerkt.
Alle tragen Anzüge. Na ja, alle bis auf einen. In der Mitte sitzt ein Mann in Button-Down-Hemd aus Leinen, dessen oberster Knopf geöffnet ist. Ein langes Bein hat er lässig über das andere geschlagen. An den Füßen trägt er abgewetzte, aber teure Bootsschuhe.
Schweigend sitzt er da, während ein anderer auf ihn einredet – die Übrigen sehen ihn unverwandt an.
Er betrachtet den Redner mit einer Mischung aus überheblicher Verachtung und kühler Gleichgültigkeit. Alles an ihm schreit förmlich: Beeindrucke mich.
Dann wandert sein Blick zu mir herüber. Eine dunkle Haarlocke fällt ihm in die sonnengebräunte Stirn. Der Ausdruck seiner Augen verändert sich. Was willst du?, scheinen sie zu fragen.
Ich reiße den Blick los.
Andere anzustarren, ist unprofessionell. Man hat nichts anderes zu sein als eine lebende Statue, ein Kunstwerk. Ich stelle die Kleider aus, mehr nicht.
Also richte ich den Blick auf die Gästeschar weiter drüben, verändere meine Pose, schiebe die Hüfte vor. Und doch fesselt die Gruppe der Männer neben mir jetzt meine ganze Aufmerksamkeit.
Wenn ich die Ohren spitze, kann ich sogar hören, worüber sie reden. Als Model am Pool kann man bei Events wie diesem mit Leichtigkeit Mäuschen spielen.
»Australien ist genau die richtige Entscheidung«, sagt ein Mann. »Ihr solltet dort bis Jahresende eröffnen.«
»Sydney?«, erkundigt sich ein anderer.
»Ja.«
Ein tiefes Brummen.
»Skeptisch, Rhys?«, erklingt die erste Stimme.
Ich wage einen weiteren Blick hinüber.
Der Mann, der mich eben noch beobachtet hat, beugt sich nun vor, die Hände auf den Knien. Ich schätze ihn auf Anfang dreißig.
»Das weißt du doch. Du machst es den Leuten viel zu leicht.«
Ein anderer Mann lacht. »Ja, wo kämen wir da hin, wenn alles leicht wäre? Und wo warst du gerade? In den Anden?«
»Ja.« Ein wildes, spöttisches Grinsen. »Das mit dem Wandern solltest du vielleicht auch mal ausprobieren.«
»Nein danke. Das überlasse ich den Kunden.«
Der dunkelhaarige Mann namens Rhys schnaubt verächtlich. »Als ob die ihr Fünfsternehotel jemals verließen.«
»Manche schon. Das ist Teil ihres Abenteuers.«
»Ihres sorgfältig zusammengestellten und vorausgeplanten Abenteuers, meinst du wohl.« Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und sieht erneut zu mir herüber, so dass er mich beim Lauschen erwischt. Unsere Blicke treffen sich.
Schon wieder.
»Können wir Ihnen bei irgendetwas behilflich sein?« Seine laute Stimme klingt alles andere als freundlich. Wieder hat er die Augenbraue höhnisch nach oben gezogen. Als stehe er der ganzen Welt skeptisch gegenüber.
Mist.
»Nein.« Ich werfe das Haar zurück. Eine affige Geste, aber sie gehört zu der Rolle, die ich heute spiele. »Sorry.«
»Kein Wunder, dass die Frau sich langweilt«, meint einer seiner Freunde. Er richtet die vom Alkohol glasigen Augen auf mich und mustert mich von Kopf bis Fuß. An solche Blicke bin ich gewöhnt.
Aber deshalb sind sie nicht minder unangenehm.
»Wie lange müssen Sie hier herumstehen, Süße?«
Ich muss mich beherrschen, um bei diesem Ton und der Bezeichnung nicht mit den Zähnen zu knirschen. Immer professionell bleiben, mehr verlangt man nicht von mir.
»Bis zum Ende der Party«, sage ich und deute mit der Hand auf mein Kleid. »Wir führen die kommende Kollektion vor.«
Das war ein Fehler.
Alle vier Männer betrachten nun mein winziges Kleid – und das wohl kaum, um das raffinierte Muster des Stoffes zu bewundern. Rhys behält seine lässige Körperhaltung bei, sagt jedoch kein Wort, obwohl er doch derjenige war, der mich vorhin ansprach, als ich die Gruppe anstarrte.
»Dürfen Sie denn wenigstens was trinken?«, fragt einer seiner Freunde. »Dürfen Sie überhaupt reden?«
Ich lächele höflich. »Hinten stehen Erfrischungen für uns bereit. In Bezug auf das Reden gibt es keine Vereinbarung, aber ich vermute, dass das nicht zu meinen Aufgaben gehört, nein.«
»Keine Ahnung, wie Sie das schaffen. Ich würde schon nach wenigen Minuten sterben vor Langeweile.«
»Du langweilst dich nach ein paar Minuten doch immer«, gibt Rhys gedehnt zu bedenken. »Wäre also nichts Ungewöhnliches.«
Mit entschuldigendem Lächeln wende ich mich wieder der Menge auf der anderen Seite zu. Die Sonne geht gerade unter, und im Pool spiegeln sich die prächtigen Farben des Himmels. Ein typischer Sommer in den Hamptons mit all diesen reichen Leuten, die sich hier amüsieren. Nur den Designer habe ich noch nicht gesehen, obwohl das hier doch seine Party ist.
Die Unterhaltung der Männer geht unüberhörbar weiter.
»Ganz schön heftig, Models zu engagieren und ihnen zu verbieten, sich unter die Gäste zu mischen. Warum hat man sie dann überhaupt hier?«
»Um sie anzusehen, natürlich.« Wieder Rhys’ Stimme. Sie ist sardonisch – als hasste er diese Gepflogenheit oder hielte sie für unter seiner Würde.
»Bezahlte Hingucker«, meint ein anderer. »Hier, um uns in Versuchung zu führen, ohne dass wir sie anfassen dürfen.«
Okay.
Widerlich.
Ich sehe gerade rechtzeitig wieder hin, um Rhys dabei zu ertappen, wie er eine wegwerfende Handbewegung macht. »Sind doch bloß Models.«
»Oh?«, gibt sein Freund grinsend zurück. »Sorry, was hab ich mir nur bei dieser Bemerkung gedacht? Dich führt offensichtlich so schnell nichts in Versuchung.«
»Stimmt genau«, bestätigt Rhys und ignoriert den Sarkasmus seines Gegenübers. »Ich war mein Leben lang von schönen Frauen umgeben und bin daher immun.«
»Na ja, ich nicht. Die Dunkelhaarige da drüben zum Beispiel hat es mir echt angetan.«
Ohne hinzusehen, weiß ich, dass er über Jordan an der anderen Seite des Pools spricht. Ich beiße die Zähne zusammen und blicke zu den versammelten Gästen hinüber.
Die Worte der Männer sollten mir nichts ausmachen. Es sind Fremde. Reiche Arschlöcher, aber dennoch Fremde. Trotzdem gleiten mir ihre Worte wie Splitter unter die Haut.
»Unsere ist besser«, antwortet der vierte Mann. »Blond, große Brüste – und seht euch diese Beine an.«
Es erfordert meine ganze Selbstbeherrschung, mich nicht erneut zu ihnen umzudrehen und ihnen einen zornigen Blick zuzuwerfen. Ich stehe ganz in der Nähe, und sie wissen, dass ich sie hören kann.
Aber es ist ihnen scheißegal.
Man kann ihre privilegierte Aura förmlich riechen wie ein zu schweres Parfüm, das ihren maßgeschneiderten Klamotten und ihren überheblichen Stimmen entströmt.
Ich kann es kaum erwarten, bis diese Party vorbei ist und ich wieder in die reale Welt, meine Welt, zurückkehre, mit ihrem billigen Kaffee, den Lehrbüchern und dem Training im Fitnessstudio.
Rhys’ Stimme ist hart wie Stahl, als er wiederholt: »Es sind bloß Models. Hohlköpfig und oberflächlich und nur hier, um ihren Job zu erledigen und sich dann wieder zu verziehen.«
Mein Kopf wirbelt herum, und ich funkele ihn wütend an. Er selbst ignoriert mich, aber die anderen Männer registrieren meine Reaktion. Die beiden, die sich über Jordan und mich ausgetauscht haben, lachen nur über meinen Zorn.
»Es gibt wichtigere Themen«, fährt Rhys nun fort. Sein Ton erstickt jede weitere Diskussion im Keim.
Die Männer verstummen.
Zorn brodelt in meinem Magen, noch heftiger als zuvor. Für wen hält er sich, dass er sich Bemerkungen über unseren angeblichen Mangel an Intelligenz erlaubt, obwohl er weiß, dass ich ihn hören kann?
Eine Bewegung zu meiner Rechten. Ich schaue gerade noch rechtzeitig hin, um zu sehen, wie Jordan von ihrer Position am Pool nach vorn und ins Wasser fällt.
Sie geht sofort unter und bewegt sich nicht mehr.
Ich reagiere instinktiv. Kopfüber springe ich in das kalte Wasser. Der Pool ist nicht allzu groß, so dass ich Jordan schnell erreicht habe und sie umfasse.
Ihr Körper ist vollkommen schlaff. Der fließende Stoff ihres Kleides hat sich vollgesogen und zieht sie herab, und zu allem Überfluss ist sie auch noch in das tiefe Ende des Pools gefallen. Mit kräftigen Beinbewegungen kämpfe ich gegen das Gewicht des Wassers an, um wieder mit ihr an die Oberfläche zu gelangen. Verblüfft beobachten uns die Gäste vom Poolrand aus.
Keiner hilft.
Da berühren mich starke Arme unter der Wasseroberfläche und packen Jordan. Sie wird mir vollends entzogen.
Dann entdecke ich Rhys. Den Mann, der mich als oberflächlich und hohlköpfig bezeichnet hat. Sein dunkles Haar klebt ihm in widerspenstigen Locken an der Stirn. Mit zwei starken, geschickten Zügen hat er die Pooltreppe erreicht.
Ich schwimme ihm hinterher, den Blick auf Jordans Gesicht gerichtet. Ihr Kopf hängt schlaff an seiner Schulter.
»Jordan?« Ich knie auf der Treppe nieder, zur Hälfte noch im Wasser. »Jordan, wach auf.«
Sie blinzelt zweimal, dann hustet sie und setzt sich mühsam auf. Rhys lässt sie los, bleibt aber neben uns im Wasser.
»Ohnmächtig geworden«, flüstert sie, und dann wird ihr Körper von einem Hustenanfall geschüttelt. Ich lege ihr einen Arm um die Schultern und blicke zu Rhys hinüber. Ernst erwidert er meinen Blick. Sein abfälliger Spott von vorhin ist verschwunden.
»Helfen Sie mir, sie ins Poolhaus zu schaffen«, sage ich zu ihm.
Er gibt keine Antwort, sondern schiebt die Arme unter Jordan und hebt sie mühelos aus dem Wasser. Die umstehenden Gäste machen Platz, so dass er sie ungehindert zu dem angrenzenden Gebäude hinübertragen kann.
Ganz zittrig vor Aufregung eile ich ihm hinterher. Das Kleid klebt mir wie eine zweite Haut am Körper. Dann öffne ich ihm die Tür. »Legen Sie sie auf die Couch.«
Ich schnappe mir ein paar Handtücher, hülle sie darin ein und streiche ihr das Haar aus der Stirn. Sie fängt an zu zittern.
»Jordan? Geht es dir gut?«
Sie nickt und schließt die Augen. »Ich kann nicht glauben, dass ich ausgerechnet hier ohnmächtig geworden bin.«
»Glücklicherweise sind Sie nur in den Pool gefallen«, sagt Rhys. Er ist einen Schritt zurückgetreten und hat die Hände tief in den Taschen seiner nassen Chinos vergraben. Das Shirt klebt an seinen breiten Schultern und bildet Tröpfchen auf seiner sonnengebräunten Haut. »Ein Sturz auf die Steine hätte erheblich schlimmer ausgehen können.«
Jordan sieht ihn an, und ihre Augen weiten sich. Plötzlich dämmert es ihr. »Tina wird mich rausschmeißen«, flüstert sie.
»Nichts dergleichen wird sie tun«, versichere ich ihr entschieden. »Die Agentur hätte dich nicht hergeschickt, wenn ihnen deine Arbeit nicht gefiele.«
»Das hier ist mein erstes Engagement«, haucht sie.
Ihre Angst ist natürlich berechtigt. Außerdem befällt mich der Verdacht, dass sie ohnmächtig wurde, weil sie nichts gegessen und nicht genug getrunken hat und dazu noch in der prallen Sonne herumstehen musste.
Ich beiße die Zähne aufeinander. »Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«
Ihre schuldbewusste Miene sagt alles, so dass keine Antwort nötig ist.
»Na gut.« Ich schalte automatisch in den professionellen Physiotherapeutenmodus. »Zunächst einmal musst du etwas Warmes anziehen. Im Bad findest du weitere Handtücher. Meinst du, du schaffst das?«
Sie nickt, und ich begleite sie zum Waschraum. »Schließ nicht ab«, befehle ich ihr. »Ich halte Wache, aber wenn dir auch nur ein bisschen schwindelig wird, ruf mich sofort.«
»Mach ich«, flüstert sie und schließt die Tür hinter sich.
Frustriert stoße ich die Luft aus und fahre mit der Hand durch mein langes, jetzt nasses Haar. Über diesen Vorfall wird Tina alles andere als erfreut sein, so viel steht fest. Die Chefin unserer Modeling-Agentur regiert mit eiserner Hand. Außerdem erinnert mich jedes Model, das nichts isst, daran, warum ich diesen Teilzeitjob eigentlich nicht mag.
»Sie sollten sich ebenfalls umziehen«, meint Rhys und deutet mit einem taktvollen Kopfnicken auf mein Kleid, das mir an der Haut klebt. Ein Blick nach unten bestätigt meine Vermutung: Meine Nippel sind hart und durch den Stoff deutlich erkennbar. Danke schön, unbeheizter Pool!
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Sie sind uns nachgesprungen.«
Er nickt. »Natürlich.«
»Danke«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Immer noch habe ich seine Worte zu seinen Freunden im Kopf. Hohlköpfig. Oberflächlich. Bloß Models. Als könnte man unseren Beruf mit unserer Persönlichkeit gleichsetzen. Ich hasse es, wenn die Leute das machen.
Sein Mundwinkel zuckt, als lächelte er über einen Witz, den nur er gehört hat. »Na gut«, sagt er. »Brauchen Sie sonst noch etwas?«
Sonst noch etwas? Als hätten Jordan und ich ihn um seine Hilfe gebeten! »Nein danke«, antworte ich. »Immerhin sind wir doch bloß Models.«
Er fährt sich mit der Hand durch das feuchte Haar, und sein Lächeln wird breiter. »Das stimmt.«
Er schämt sich noch nicht mal.
Dieses Lächeln ist so entwaffnend, dass ich unvermittelt ein paar Schritte zurückweiche. Er hat mich überrumpelt. Das stetige Tropfen des Wassers aus meinem Haar auf den Boden hallt im Raum wider.
»Ich sollte mich umziehen.«
»Natürlich.« Er wendet sich ab, bleibt aber dann mit der Hand auf der Türklinke zum Poolhaus noch einmal stehen. »Sie hatten eben schnelle Reflexe.«
Die Worte klingen wie das tollste Kompliment.
»Äh … ja.«
Er nickt noch einmal kurz, dann verschwindet er, und die Tür schließt sich hinter ihm.
Als Jordan und ich später wieder herauskommen, wartet auf uns draußen ein übervoller Teller mit Essen, das jemand vom Buffet stibitzt hat. Aber derjenige, der ihn dort hingestellt hat, ist nirgends zu sehen.
2
Zwei Wochen später
»Unsere letzte Wette dieser Art ist schon eine ganze Weile her«, bemerke ich und folge Ben in seiner Agentur für Luxusreisen den Flur hinab. Er war es leid, sich mein ständiges Gemecker darüber anzuhören, dass dieses kommerzielle Zeug unter meiner Würde sei. Glaubst du etwa, du kannst bessere Fotos für meine nächste Reisekampagne machen als unsere Marketingagentur?
Darauf gab es nur eine einzige Antwort.
Natürlich kann ich das.
Ben lacht leise. »Zehn Jahre, vielleicht sogar länger.«
»Erinnere mich daran, dass ich nicht mehr mit dir ausgehe«, erwidere ich. »Sonst verwette ich noch weitere wertvolle Wochen meines Lebens.«
»Gib’s zu. Du liebst die Herausforderung.«
Ich spare mir eine Antwort. Stattdessen betrachte ich die glänzenden gerahmten Fotos, die die Wände seiner Agentur säumen. Stark bearbeitet. Übersättigte Farben. Wunderschöne Strände und spiegelglattes türkisfarbenes Wasser. Das ist einfach. Simpel.
Eine schöne Landschaft kann schließlich jeder fotografieren, so dass sie – nun ja – eben schön aussieht. Zielen und schießen. Mehr als ein iPhone ist dafür nicht nötig, Herrgott nochmal. Was soll daran Kunst sein?
»Das da soll ich fotografieren?«
Ben schlägt mir mit der Hand auf die Schulter, wofür er den Arm jedoch nach oben ausstrecken muss. Sein beschissenes Lächeln ist zum Kotzen. »Ja. Du zweifelst doch nicht etwa an deinem Talent, oder?«
»Nein, und meine Fotos werden ganz anders aussehen als dieser dämliche Mist.« Ich deute auf das Foto einer Kokosnuss, die jemand in den weißen Sand gelegt hat, um sie dann aus der Nähe und mit dem Ozean im Hintergrund abzulichten. »Sei auf ein Meisterwerk vorbereitet.«
So verhasst mir Bens Kunden auch sind, eigentlich verstehe ich sie genau. Sie sind wie meine Eltern. Meine Geschwister. Sie sind wie die Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, die Menschen, die ich durch meine Arbeit treffe.
Ich weiß genau, was sie wollen.
»Ich bin vorbereitet«, antwortet er. »Denk bitte nur dran, dass es sich um eine Marketing-Kampagne handelt. Die Fotos sollen nicht im Louvre landen.«
»Oh, glaub mir, das hab ich nicht vergessen.«
»Du kriegst das gleiche Briefing wie die Marketing-Agentur, die wir unter Vertrag genommen haben.«
»Klingt fair.«
»Eure Reiseroute verläuft in umgekehrter Richtung, so dass ihr nie im gleichen Resort seid.« Er wirft mir ein breites Grinsen zu. »Noch nie hatte ich zwei Kandidaten gleichzeitig unter Vertrag, die gegeneinander antreten.«
»Aufregend?«
»Könnte ich glatt zum Standardprozedere machen.«
»Und die bessere Marketing-Kampagne gewinnt die Wette«, betone ich noch mal.
»Ja. Wir werden intern abstimmen: ich, mein Finanzchef und der Leiter der PR-Abteilung.«
Ich lasse den Kopf kreisen, um meine Nackenverspannungen zu lösen. »Perfekt.«
»Unser Artdirector wird dir eine Liste mit den spezifischen Motiven zumailen, die wir benötigen, ein bisschen Inspiration und Infos, was wir von dir erwarten. Aber der Rest? Da hast du freie Hand, genau wie du es verlangt hast. Wir werden dir weder Stylistin noch Assistentin mitgeben.«
»Will ich ja auch gar nicht«, bekräftige ich. Jener Teil meiner selbst, der von meiner überhöflichen Mutter erzogen wurde, drängt mich zu einem Dankeschön. Aber eigentlich handelt es sich nur um eine Wette zwischen uns beiden. Geld spielt dabei keine Rolle.
Und den Benimmregeln meiner Mutter zu folgen, gehörte noch nie zu meinen herausragenden Fähigkeiten.
»Die Leiterin der Modeling-Agentur ist ebenfalls hier, ebenso wie das Model, das wir ausgewählt haben.« Seine Stimme klingt selbstgerecht. Er scheint sich auf die ganze Sache zu freuen. »Bereit, deine Komplizin kennenzulernen?«
»Wenn’s sein muss.«
Er verdreht die Augen. »Versuch doch wenigstens, etwas weniger genervt auszusehen, ja? Du wohnst in meinen besten Resorts, und du reist mit einer absolut atemberaubenden Frau.«
Ich bringe ein schiefes Grinsen zustande. »Wenn du meinst …«
»Denk nur einfach dran, dass die Kampagne in trockenen Tüchern sein sollte, bevor du irgendwelche Grenzen überschreitest.«
»Würde ich nie.«
»Klar, von wegen«, schnaubt er. »Du hältst das alles vielleicht für unter deiner Würde, aber ich kenne dich. Du bist schon mit vielen Models ausgegangen. Wer war die Letzte?«
»Ich rede nicht über meine Eroberungen«, antworte ich. In Wahrheit habe ich keine Ahnung, welche er meint – Bens Informationen sind mit Sicherheit nicht auf dem neuesten Stand. Ich mag Frauen, und Frauen mögen mich. Meine Affären sind immer einvernehmlich, immer kurz und immer ehrlich.
»Die Frau, die wir ausgesucht haben, ist verdammt gut. Gleichzeitig verrucht und niedlich. Spitzenklasse, aber dennoch nicht unnahbar. Wild entschlossen, hilfsbereit und tough. Könnte ein gutes neues Gesicht für Rieler Travels sein.«
»Ich dachte, das Aushängeschild von Rieler Travels sollten die Locations sein.«
»Hab ich dir schon mal gesagt, wie sehr du mich nervst?«
»Schon häufiger, ja.«
Wir biegen in einen Gang ein, gehen vorbei an unzähligen Bürotüren. Unternehmens-Gefängnisse. Aber ich würde, ohne zu zögern, eines dieser Büros gegen die Strände auf den retuschierten Fotos eintauschen.
Ben grinst, während seine Hand auf der Tür zum Konferenzsaal ruht. »Das Model? Sie ist jemand … wie soll ich es formulieren? Sie gehört zu den Menschen, die, ohne lange nachzudenken, ins kalte Wasser springen, um einer Freundin zu helfen.«
Ich verenge die Augen. »Ben, was hast du getan?«
Wortlos stößt er die Tür zum Konferenzsaal auf: beigefarbene Wände, an denen bunte Fotos hängen. Alles für Rielers Luxus-Kundschaft. Und am Tisch, flankiert von einer Frau mittleren Alters und einem Mann, sitzt sein neuester Streich.
Es ist das blonde Model von der Hamptons-Party, das mich mit solcher Verachtung gemustert hat. Und das nach dem kleinen Bad im Pool in diesem winzigen Kleid vor sich hin gebibbert hat.
Verdammter Mist.
Ben ist nun ganz und gar Geschäftsmann und stellt uns einander vor. Wenn man ihn nicht wie ich schon mal um zwei Uhr nachts betrunken in einem Club in New York erlebt hätte, würde man nicht glauben, dass er sich jemals anders als professionell verhalten könnte.
»Das ist Rhys Marchand«, stellt er mich mit überschwänglicher Geste vor, aber ich höre, wie er innerlich feixt. »Er ist der Fotograf, den wir für diese Kampagne engagiert haben.«
»Sehr erfreut. Ich bin Tina.« Eine dunkelhaarige Frau streckt mir die Hand entgegen. Sie trägt einen praktischen Bob-Schnitt, und ihr Blick ist abschätzig. Anscheinend die Leiterin von Star Model Management. Wir schütteln uns die Hände.
Dann strecke ich dem bekannten Gesicht neben ihr die Hand entgegen. Das blonde Haar ist zurückgekämmt und gibt den Blick auf ein Gesicht frei, das wie geschaffen für die Kamera ist, wenn auch leicht gerötet und erregt. Sie sieht mir in die Augen, und ihre Miene enthüllt mehr als nur einen einfachen Schrecken. Entsetzen ist es auch nicht. Vielleicht Wut? Abscheu?
Dann besinnt auch sie sich auf ihre Professionalität, und sie ergreift meine Hand. »Ivy Hart. Nett, Sie kennenzulernen.«
Ich erwidere ihren Händedruck fest. »Das glaube ich gern.«
Ihre Augen blitzen, aber vor allen anderen kann sie nichts sagen.
Ich wähle den Stuhl ihr gegenüber und wende meine Aufmerksamkeit Ben und dem Artdirector zu, ohne sie weiter zu beachten.
Sie heißt also Ivy.
Anscheinend hat Ben Kontakt zu dem Designer von der Party aufgenommen und den Namen ihrer Agentur in Erfahrung gebracht. Hat sie irgendwie ausfindig gemacht und sie engagiert, um mich zu ärgern. Das entspricht genau seinem Sinn für Humor.
Unwillkürlich balle ich die Hand zur Faust.
Ich hatte irgendeine geistlose junge Frau erwartet, die an jedem Ort, den wir bereisen würden, feiern gehen will. Jemanden, mit dem ich so wenig Zeit wie möglich verbringen muss.
Aber nein. Es muss ja ausgerechnet diese honigblonde Sexbombe sein, die ich nur deshalb beleidigt habe, um Bens hirnverbrannte Freunde zum Schweigen zu bringen.
»Das hier ist Ihr Reiseplan.« Auf einem riesigen Bildschirm öffnet der Artdirector nun eine Liste. Seine übertrieben gestylte Frisur sitzt wie ein Helm auf dem Kopf, und zwar so fest, dass sich bei keiner Bewegung auch nur das kleinste Härchen bewegt.
Und ausgerechnet dieser Typ soll mir Anweisungen geben?
»Sie starten in unserem Resort in der Karibik und beenden die Reise in unserem neusten Hotel in Sydney, Australien, das immer noch im Bau befindlich ist. Das heißt, Sie werden fünfzehn Tage unterwegs sein und Aufnahmen machen. Uns ist klar, dass es sehr anstrengend wird, weshalb wir hier und da ein paar Ruhetage vorgesehen haben.«
Ben zwinkert mir zu.
Ich schüttele nur den Kopf.
»Star Model Management liefert die Garderobe für Ivy. Jedes Teil wird für den jeweiligen Tag und das entsprechende Shooting genau gekennzeichnet sein.«
»Man hat mich bereits gebrieft«, sagt Ivy. Sie hat ihre Fassung wiedererlangt und strahlt nun ruhige Professionalität aus. Dennoch klingt ihre Stimme eine Spur verärgert.
Ja, ich bin auch nicht allzu glücklich über diese Geschichte.
»Die Logistik übernimmt Rieler. An jedem Ort werden Ihnen entsprechende Kontaktpersonen zur Verfügung stehen; sie werden Sie vom Flughafen abholen, sich um Ihr Gepäck kümmern und den Transport zu den Locations organisieren, an denen Sie womöglich Fotos machen wollen. Für jeden Ort haben wir verschiedene Vorschläge für Sie vorbereitet, Rhys.«
Ich nicke verhalten. Ganz sicher werde ich mir meine eigenen Locations suchen.
Helm-Haar schluckt und fährt fort. »Wie man Ihnen beiden sicher bereits erläutert hat, benötigen wir nicht nur Fotos, sondern auch bewegte Bilder. Clips, die man für ein Reisevideo nutzen kann. Man hat mich informiert, dass Rhys sich auch darum kümmern wird?«
Schon verdammt ungewöhnlich, dass Ben mir so viel Freiraum gewährt. »Ja«, sage ich.
Und trotz Ivys Anwesenheit bin ich von dieser Herausforderung wie elektrisiert. Ich kann die Shots und Filmsequenzen bereits vor meinem geistigen Auge sehen. Eine meiner Drohnen habe ich schon eingepackt, um damit Luftaufnahmen von den Locations machen zu können.
»Hervorragend. Wenn Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen natürlich jederzeit zur Verfügung. Nur einen Anruf weit entfernt. Sie können uns gar nicht genug Fragen stellen.« Helm-Haar lacht, um seinen Worten die Spitze zu nehmen. Er weiß nicht so recht, was er von diesem Arrangement halten soll – und wahrscheinlich geht es dem Kreativteam von Rieler genauso. Gleich zwei Marketing-Agenturen zu engagieren, ist ungewöhnlich.
Insbesondere, wenn einer der Konkurrenten der Freund des Besitzers ist.
Ivy ist diejenige, die nun das Wort ergreift und ihm dankt. »Das wissen wir zu schätzen«, antwortet sie aalglatt. »Danke für den detaillierten Reiseplan und die Vorschläge hinsichtlich der Locations, Shoots und Blickwinkel. Wir werden uns regelmäßig bei Ihnen melden.«
Helm-Haar blinzelt zweimal verwirrt.
Ivy lächelt noch breiter. Offensichtlich ist sie sich ihrer überwältigenden Wirkung bewusst.
Meine Kiefermuskeln spannen sich an. Ich brauche und will niemanden, der für mich spricht.
Der Rest des Meetings besteht aus Formalitäten und Papierkram sowie der ständigen Wiederholung des Wortes Zusammenarbeit. Das Wichtigste ist Ihre Zusammenarbeit. Wie oft wollen sie mir dieses Wort noch um die Ohren hauen, um es mir einzutrichtern?
Endlich erhebt sich Ben. »Ich denke, wir haben sämtliche Einzelheiten abgeklopft. Ich schlage vor, wir lassen Rhys und Ivy allein, um sich näher kennenzulernen. Wie wär’s, wenn ich Ihnen einige der neueren Projekte der Firma Rieler vorstelle?«
Und ehe ich mich’s versehe, bin ich in dem plötzlich klaustrophobisch engen Konferenzsaal allein mit einem Model, das mich mit Blicken förmlich erdolcht.
Ich verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich an eine Wand der Unternehmens-Bastion. »Freut mich, dass man Ihnen heute das Reden erlaubt hat.«
Da. Damit dürfte das Eis doch gebrochen sein.
Ivy mustert mich aus verengten Augen. »Konnte die Reiseagentur keinen qualifizierteren Fotografen finden?«
Süß, dass sie mich damit zu verletzen glaubt.
Also weiß sie nichts von der Wette, genauso wenig wie von den beiden konkurrierenden Marketing-Teams … oder von der Tatsache, dass wir das B-Team sind.
»Anscheinend nicht«, antworte ich. »Und die Modeling-Agentur hatte ja offenbar auch gerade niemand Besseren an der Hand.«
Ihre Augen blitzen. Was ihrer Schönheit keinen Abbruch tut. Diese Frau könnte vor Wut schreien und wäre immer noch fotogen. Dieses Maß an Perfektion ist geradezu widerlich. Und kommt mir wie die künstlich vergrößerten Fotos an den Wänden wie eine Fata Morgana vor.
»Ich glaube, dafür dass Sie in den Pool gesprungen sind, um uns zu helfen, habe ich Ihnen bereits gedankt, oder?«
»Ja, ich weiß.«
An ihrem Kinn zuckt ein Muskel, als bisse sie sich auf die Zunge. »Ich bin überrascht, dass Sie sich auf dieses Projekt überhaupt eingelassen haben«, sagt sie. »Angesichts Ihrer schlechten Meinung über Models ist es sicher eine Tortur für Sie, fünfzehn Tage am Stück mit so jemandem zusammenzuarbeiten.«
Ein Funken der Belustigung durchzuckt mich. Sie teilt genauso gut aus, wie sie einsteckt, diese Frau. »Danke, dass Sie so besorgt um mich sind«, antworte ich. »Aber ich glaube, ich komme klar.«
Sie schnappt sich ein Hardcover-Buch vom Tisch und presst es an die Brust. Ihr Portfolio? »Gut, denn ich bin fest entschlossen, meinen Teil zu unserer Zusammenarbeit beizutragen.«
»Gut.«
»Toll.«
»Hervorragend«, sage ich und blicke von ihr zum Foto eines Smoothie-Glases vor dem Sonnenuntergang in Bali hinüber. Das ist mehr als kindisch.
Ihre Stimme klingt wieder gefasst. »Wir müssen einander nicht mögen, um vernünftig zusammenzuarbeiten. Wir müssen uns lediglich professionell verhalten.«
Stimmt. Denn Fotografie hat schließlich nichts mit Vertrauen zu tun. Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar und verfluche diese Frau, weil sie mich so leicht auf die Palme bringt.
Wenn ich diese Wette gewinnen will, muss ich einen Weg finden, das Gute in ihr aufzuspüren.
»Ich werde mich professionell verhalten.« Ich greife nach einem der ausgedruckten Reisepläne auf dem Tisch und lese auf dem Weg zur Tür die erste Eintragung. »Dann sehe ich Sie nächste Woche um halb vier im Diplomatic Hotel in St. Barths.«
Wieder verengt sie die Augen. »Bis dann also.«
…
Ich erwache, als gleißend helles Licht durch meine Fenster fällt. Die New Yorker Sonne wird durch die Außenjalousien nicht im Mindesten abgehalten. Hinzu kommen hämmernde Kopfschmerzen, weil Ben darauf bestanden hat, zur Feier des Tages noch etwas trinken zu gehen.
Ich ertrage ihn nur in kleinen Dosen, wie eigentlich jeden anderen auch. In großen Mengen geht mir jeder auf die Nerven, sogar ich mir selbst.
Mühsam wälze ich mich aus dem Bett und durchquere meine Wohnung. Bücherstapel säumen die Wand zu meinem Büro. Manuskripte, mögliche Projekte. Ich koche mir eine Tasse Kaffee, während ich die E-Mails auf meinem Handy checke. Ein paar von meinen Lektoren, die total begeistert von meinem neuesten Fotografie-Buch sind, das demnächst herauskommt. Die Leitung eines kleinen Verlages ist definitiv keine One-Man-Show, auch wenn meine Familie das annimmt.
Mein Finger verharrt über einer E-Mail von Ben.
Wir waren gestern Abend doch gerade erst zusammen aus.
Ich will gerade weiterscrollen, als ich die Betreffzeile lese. Ivy Harts Kontaktdaten.
Da fällt es mir langsam wieder ein. Unsere Unterhaltung, der Zorn in ihren dunkelblauen Augen. Die berufliche Herausforderung, auf die ich mich eigentlich gefreut hatte, wird durch sie zu einem waschechten Problem.
Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht und begebe mich ins Wohnzimmer. Vor der großen Vitrine, in der ich meine Kameras aufbewahre, bleibe ich stehen.
Die unverwüstliche, alte Canon liegt ganz oben. Mein Lieblingsapparat, denn nur sie verheißt die von mir bevorzugte grobkörnige Authentizität.
Mein Blick wandert weiter zu der glänzenden Kamera auf dem untersten Regalbrett. Um Fotos für Bens Kampagne in all ihrer High-Quality-Pracht zu schießen, werde ich wohl sie benutzen müssen.
Ich packe die alte Canon DSLR für alle Fälle trotzdem ein.
In den nächsten zwei Wochen werde ich für diese Kampagne sämtliche anderen Termine absagen müssen. Trotzdem bin ich viel zu stolz, um von dieser Wette zurückzutreten. Ich drehe eine meiner Kameras in den Händen. Außerdem ist es schon eine Weile her, dass mich jemand aus meiner Komfortzone herausgedrängt hat. Wird sicher mal wieder ein Abenteuer.
Ich werde Menschen kennenlernen mit einem richtigen Leben und richtigen Problemen statt der Art von Leuten, die man im Sommer auf Partys in den Hamptons trifft. Eine Party, auf der eigens dafür engagierte Models herumlungern. Was für eine eitle Protzerei.
Hinzu kam die Untätigkeit all dieser ach so erfolgreichen Gäste, als eine Frau in den Pool gefallen war und ihre Freundin Mühe hatte, ihr zu helfen … widerwärtig. Wahrscheinlich hatten sie alle viel zu viel Angst, sich die Frisur oder ihr Make-up zu ruinieren.
Ivy war total sauer auf mich gewesen. Das hatte ich deutlich in ihren Augen gelesen, als sie mich angefunkelt hatte, zuerst, als ich versucht hatte, die Aufmerksamkeit der Männer von den Models abzulenken, und dann hinterher im Poolhaus. Sie trat mir entgegen wie eine Königin, obwohl der dünne, durchweichte Stoff sie beinahe nackt wirken ließ.
Ich lege die Kamera wieder in die Vitrine zurück und schließe die Tür, um sie vor Staub zu schützen. Zwei Wochen herumreisen und Fotos für eine Kampagne zu machen, ist jetzt genau das, was ich brauche. Mir die Hände schmutzig zu machen und fremde Sprachen zu hören.
Mein Handy klingelt. Ich überlege, ob ich die Mailbox drangehen lassen soll, entscheide mich nach einem kurzen Blick aufs Display aber dagegen. »Hi, Lily.«
Die Stimme meiner kleinen Schwester klingt fröhlich. »Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?«
»Warum willst du das wissen?«
»Gleich schon wieder misstrauisch«, rügt sie mich. »Ich könnte ja auch mal anrufen, ohne etwas von dir zu wollen.«
»Wenn du dich nach meinem Befinden erkundigst, dann willst du immer irgendwas. Ich kenne dich seit … neunundzwanzig Jahren.«
Ein leises Gurgeln, dann ein kindliches Kichern. Lily gibt ein gurrendes Geräusch von sich. »Na komm. Jamie will dir Hallo sagen«, meint sie.
»Hi, Kumpel.«
Das fröhliche Gebrabbel meines kleinen Neffen dringt an mein Ohr. Ich höre Laute wie row, row, row, und als ich es erwähne, muss Lily lachen.
»Wir haben die ganze Zeit ›Row Your Boat‹ gesungen«, erklärt sie. »Hayden ist ganz wild darauf, Jamie das Segeln beizubringen.«
»Guter Mann«, antworte ich. Damit hat er gleich drei Onkel, die das gleiche Ziel verfolgen.
»Kommst du bald zurück nach Paradise?«
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar. Im Sommer ist es in Paradise Shores immer am schönsten, und nie sehne ich mich mehr nach meiner Heimatstadt als jetzt. Aber ich bin schon lange ein Meister darin, dem Sirenengesang zu widerstehen.
»Eigentlich verreise ich jetzt erst mal für ein paar Wochen.«
»Wirklich?«
»Eine Kampagne für eine Reise-Agentur. Ich kann dir den Reiseplan schicken.«
»Bitte«, sagt sie. »Ich bin immer nur zu Hause oder in der Galerie und stets mit einem Kleinkind im Schlepptau.«
»Du kannst stellvertretend durch mich leben.«
»Danke«, sagt sie. »Du denkst doch an die Party zu Dads Siebzigsten, oder?«
Ich schließe die Augen. »Wahrscheinlich bin ich nicht dabei.«
»Rhys …« Ihre Stimme klingt nicht verurteilend, sondern nur liebevoll besorgt.
»Du weißt doch, wie sehr ich so was hasse. Dieses ganze substanzlose Statusgehabe.«
Ganz zu schweigen davon, dass wir bei diesem Event meinen Dad feiern, den ich schon seit über zehn Jahren nicht mehr in den Himmel heben will.
»Komm nicht seinetwegen«, antwortet sie. »Komm für uns. Für die Familie. Du weißt doch, wie gern wir Zeit mit dir verbringen würden. Und hey, Jamie hat auch Sehnsucht nach seinem Onkel.«
»Lily, hör auf, mir ein schlechtes Gewissen zu machen.«
»Na gut«, meint sie. »Ich finde schon noch eine andere Taktik.«
»Das hab ich befürchtet.«
»Denk wenigstens darüber nach, okay? Du weißt doch, dass das Strandhaus leer steht. Bleib eine Woche. Einen Monat. Oder für immer.«
»Ich denke drüber nach.«
»Um mehr bitte ich dich ja gar nicht«, sagt sie. »Ich vermisse dich.«
Ich schließe die Augen. »Ja, Lils. Ich vermisse dich auch.«
Aber als wir aufgelegt haben und die Schuldgefühle, die sie mir einzureden versucht hat, ihre Klauen tiefer in meine Brust schlagen, weiß ich bereits, dass ich nicht zu dieser Party gehen werde. Ich habe Fotos für eine Kampagne zu machen, mich mit einem Model herumzustreiten und Abenteuer zu bestehen. Und die Kluft zwischen meinem Vater und mir zu überwinden, ist keins davon.
3
Penny blickt von dem riesigen, fertig gepackten Koffer zu mir auf. »Bitte«, sagt sie.
»Auf gar keinen Fall. Die Kleider sind gebügelt und ordentlich zusammengefaltet. Wenn wir irgendetwas wieder herausholen, passt es mit Sicherheit nicht mehr hinein.«
Meine kleine Schwester streicht mit den Fingern über ein Stück rote Seide. Ein Kleid? Ein Shirt? Ich habe keine Ahnung – und werde es erst an der dafür vorgesehenen Location herausfinden, wenn ich das korrekte Outfit mit entsprechender Beschriftung zu finden versuche – St. Barths, Tag 2.
»Dieser Koffer ist so groß, dass ich womöglich auch noch reinpassen würde«, verkündet Penny. »Eigentlich bin ich sogar sicher.«
Lachend schnappe ich mir eine Jeans, die ich in meinen privaten Koffer packen will, und schlage ihr damit auf den Kopf. Schnaubend zieht sie sich zurück und streckt sich auf meinem flauschigen Wohnzimmerteppich aus. »Man wird dich keinesfalls einreisen lassen. Du bist viel zu gefährlich.«
Sie hebt den Kopf, und ihre blonden Locken stehen in sämtliche Richtungen ab. »Ich?«
»Ja. Du wärst diejenige, der es letztlich gelingen würde, den Schiefen Turm von Pisa umzuwerfen. Und auch die Sphinx würde weitere Gliedmaßen verlieren, sobald du in der Nähe bist.«
Mit einem weiteren Schnauben setzt sich Penny auf und grinst. »So ungeschickt bin ich nun auch wieder nicht.«
»Klar. Ist schließlich ganz normal, sich so viele Knochen zu brechen wie du.«
Sie greift nach meiner Jeans und revanchiert sich. Geschickt fange ich sie auf und wickele sie zu einer festen Rolle zusammen. Für diese Monsterreise habe ich mir professionelle Packmethoden angeeignet, habe mir YouTube-Videos angesehen und sogar online Packtaschen bestellt. Keinesfalls soll sich das Innere meines Koffers schon am zweiten Tag in einen chaotischen Stoffhaufen verwandeln.
Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben.
Penny räuspert sich und liest mir weiter den Reiseplan vor. »Rom. Paris. Singapur. Bali. Sydney – Ivy, du fliegst nach Australien!«
Ich schaue von meiner sorgsam zusammengerollten Kleidung auf. »Ich weiß. Kaum zu glauben, was?«
»Der Hammer! Du musst unbedingt alles fotografieren.«
»In gewisser Weise gehört das zu meinem Job.« Aber ich grinse bei meinen Worten. »Ich bring dir auch was Schönes mit. Süßigkeiten von jedem einzelnen Reiseziel.«
»Mein Gott, das klingt absolut fantastisch. Aber weißt du eigentlich, was mir daran am besten gefällt?«
Ich lächele. »Dass du quasi durch mich am Leben teilhast?«
»Na ja, schon, aber was sonst noch?«
»Sag schon.«
»Dass du bei deinen Shootings auch ausländische männliche Models treffen wirst. In Rom.« Ihre Augen werden groß und rund wie Untertassen. »Und du weißt, was das heißt. Irgendein heißes italienisches Model wird dich in ein süßes, kleines ristorante einladen und dir Pasta und Wein spendieren.«
»Das bezweifle ich doch sehr.« Und dann schaffe ich es doch nicht mehr, die Rolle der großen Schwester weiterzuspielen. Also kreische ich ebenfalls. »Aber ich weiß. Stell dir doch nur mal vor! Rom! Ich kann kaum glauben, dass ich all diese Orte sehen werde. Penny, was werde ich es mir gutgehen lassen!«
Sie fasst meine Hand und wirbelt mich herum. Gar nicht so einfach in meinem winzigen Apartment in Manhattan, aber es klappt. »Du musst dich einfach mit dem ein oder anderen einlassen. Zumindest mit einem. Das ist die Chance deines Lebens.«
Ich lache sie aus. »Das wäre mehr als unprofessionell.«
»Unprofessionell? Du bist im Ausland! Niemanden wird es interessieren. Außerdem erzählst du mir nie was von Männern.«
Mein Lachen klingt jetzt etwas gezwungen, und ich versetze ihr einen kleinen Nasenstüber. »Ist halt nicht alles für deine Ohren gedacht.« Aber im Grunde habe ich auch nichts zu erzählen. Überhaupt nichts. Was in meinem Alter an und für sich schon peinlich ist.
Penny verdreht die Augen. »Was du nicht sagst. Als würde ich dir nicht sämtliche Peinlichkeiten im Hinblick auf Jason erzählen? Pfft.« Sie lässt sich auf mein Sofa zurücksinken und fischt ein Paar wunderschöne Schuhe aus dem Berühren-verboten-Koffer der Agentur.
»Heels von Dolce & Gabbana«, seufzt sie. »Ivy, warum habe ich nicht dein Leben?«
»Weil du erheblich klüger bist als ich.«
Sie streckt sich wieder auf der Couch aus und schließt die Augen, so dass ich mich weiter dem Packen widmen kann. Was braucht man alles, wenn man sieben verschiedene Länder bereist? Meist werde ich die Klamotten der Agentur tragen, aber während der restlichen Zeit? Ach je! Bis heute war ich noch nie im Ausland.
»Ich werde es genießen, während deiner Abwesenheit hier zu wohnen«, überlegt sie. »An einem Wochenende will auch Jason herkommen. Er hat versprochen, sich mit mir eine Broadway-Show anzusehen.«
»Gut.« Ich schnappe mir meine Sneakers und stopfe sie in eine Plastiktüte. »Und was sagt Dad dazu?«
»Oh, du weißt schon. Dass ich in dieser großen Stadt bloß aufpassen soll. Dass ich nicht auf die Schnapsidee kommen soll, beruflich in deine Fußstapfen zu treten. Das Übliche.«
Pennys Stimme klingt fröhlich, weshalb ich mich auf ihren leichten Ton einzulassen versuche. Dad war nie besonders begeistert von meiner Entscheidung gewesen, als Model zu arbeiten. Ich nehme die Physiotherapie-Lehrbücher zur Hand, die ich für die Reise ausgesucht habe. Drei sollten reichen, um mich auf den langen Flügen zu beschäftigen, auch wenn sie zusammen das Gewicht eines Kleinkindes haben.
»Du nimmst allen Ernstes deine Bücher mit?«, fragt Penny. »Ivy, du wirst an den schönsten, exotischsten Orten sein, und zwar mit heißen Models aus dem Ausland. Du kannst doch nicht wirklich vorhaben, dich in dieser Zeit dem Lernen zu widmen.«
»Ich muss. Ein paar Wochen nach meiner Rückkehr habe ich eine Zwischenprüfung«, antworte ich und quetsche Buch um Buch in meinen übervollen Koffer. »Aber keine Sorge. Ich werde trotzdem jede einzelne Sekunde meiner Reise genießen. Ich hab schon angefangen, eine Liste zu schreiben …« Penny stöhnt, aber ich rede unbeirrt weiter »… von all den Dingen, die ich an jedem Reiseziel keineswegs verpassen darf. Ein Croissant in Frankreich essen, mir das Kolosseum in Rom ansehen. Ein Foto am Trevi-Brunnen machen.«
»Gott sei Dank hast du auch das auf die Liste gesetzt!«, ruft Penny in dramatischem Ton. »Sonst hättest du es womöglich noch vergessen.«
»Ganz genau«, bestätige ich. »Außerdem habe ich mir beim Schreiben der Liste vorgestellt, wie ich all das mache. Visualisierung nennt man das, weißt du?«
»Schreib noch drauf, dass du dich in Paris küssen lassen musst.«
»Was?«
»Es ist die Stadt der Liebe, Ivy!«
Lachend schüttele ich den Kopf. »Wen sollte ich denn überhaupt küssen?«
»Einen geheimnisvollen Franzosen?«, schlägt Penny vor. »Und hast du nicht vor ein paar Tagen diesen Fotografen kennengelernt? Wie ist er?«
Mit einem lauten Klack knalle ich den Koffer zu.
»Autsch. So schlimm? Ist doch nicht etwa so ein alter Widerling, oder?«
»Nein. Ich kann ihn nur nicht leiden.«
»Aber du magst sonst doch jeden«, sagt Penny. »Wie heißt er? Lass mich googeln.«
»So berühmt ist er nicht«, antworte ich. »Ich weiß nicht mal, warum man ausgerechnet ihn ausgewählt hat. Bis vor ein paar Tagen wusste ich nicht einmal, dass er überhaupt Fotograf ist.«
»Klingt komisch.«
»Ja, aber überrascht hat es mich trotzdem nicht. Er besitzt diese typische Arroganz, weißt du? Wie fast alle Fotografen.« Viel zu viel Arroganz. Mehr, als angebracht wäre. Ich runzele die Stirn, als ich plötzlich Rhys’ Bild vor Augen habe: dunkle Locken, sardonisches Lächeln, das harte Glitzern seiner Augen. Ich reise also mit einem Zyniker, der mich für hohlköpfig hält.
Na toll.
»Und warum genau magst du ihn nicht?« Penny dreht sich auf den Bauch und wirft den Heels von Dolce & Gabbana, die nun vor ihr auf dem Boden stehen, einen sehnsüchtigen Blick zu.
»Na ja, ich mag ihn nicht, weil er mich nicht mag. Er fühlte sich von Anfang an von mir auf den Schlips getreten. Als wäre allein schon meine Anwesenheit eine Beleidigung. Übrigens hält er alle Models für oberflächlich.« Ich verstumme und blicke zum Fenster hinaus. Der Sommer ist nun vollends in New York angekommen, und seine tropische Hitze raubt der Stadt den Atem. »Ich weiß genau, was die Männer, mit denen er befreundet ist, denken. Weißt du, die Art von Typen, die nie für irgendetwas arbeiten mussten. Sie werfen fünfhundert Dollar für eine Flasche Champagner zum Fenster heraus und reißen einen selbstironischen Witz darüber, dass sie damit schließlich die Wirtschaft ankurbeln. Dass sie damit ihren Beitrag leisten. Und dieser Kerl hat schon aus Prinzip was gegen Models.«
»Mmh«, macht Penny. »Anscheinend hast du ja viel darüber nachgedacht.«
»Hab ich nicht.«
»Und ist er attraktiv?«
»Ich denke schon, zumindest nach konventionellen Maßstäben.« Obwohl das Wort konventionell wohl kaum auf Rhys Marchand anzuwenden ist. Wahrscheinlich würde er sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, entrüstet und wütend darüber, jemals mit einem so durchschnittlichen Attribut in Verbindung gebracht worden zu sein. Bei dem Gedanken muss ich lächeln.
»Aha«, sagt Penny. »Du sitzt in der Tinte. Er ist attraktiv, und er stellt eine Herausforderung für dich dar.«
Ich lege meine Handtasche ab. »Ich sitze nicht in der Tinte.«
»Natürlich tust du das. Wann hast du dich das letzte Mal von einem Mann herausgefordert gefühlt?« Meine kleine Schwester grinst wie eine Katze, die gerade einen besonders saftigen Kanarienvogel verspeist hat. »Wie lange ist es her, dass ein Mann dich nicht um deine Telefonnummer angebettelt hat? Wann hat dich zum letzten Mal jemand gereizt, den du nicht sofort kriegen konntest?«
Stirnrunzelnd sehe ich sie an. »Zahnpasta. Ich habe vergessen, Zahnpasta einzupacken.«
Ihre Stimme ist auch in meinem kleinen Badezimmer noch deutlich vernehmbar. Alles in diesem Apartment ist klein. Quadratmeter gehören in Manhattan zu einer bedrohten Spezies. »Die Antwort lautet: noch nie!«, ruft sie. »Dauernd fragen dich irgendwelche Typen, ob du mit ihnen ausgehen willst. Und sie alle beurteilen dich nach deinem Aussehen, was dir verhasst ist, Ivy. Aber genauso hasst du es, wenn jemand wütend auf dich ist oder dich nicht mag. Demzufolge ist dieser Fotograf so etwas wie dein ganz persönliches Kryptonit. Ein Mann, der dir nicht gleich automatisch zu Füßen liegt. Du sitzt in der Tinte.«
»Mach dich nicht lächerlich. Stell dir doch nur vor, wie unprofessionell das wäre.« Mühsam öffne ich meinen Koffer wieder, um die Zahnpasta hineinzuquetschen. »Ganz zu schweigen davon, dass ich ihn nicht mag. Er ist so ein typischer Sprössling aus gutem Hause, der sich was auf seinen Treuhandfonds einbildet. Von solchen Typen habe ich schon mehr als genug kennengelernt.«
»Mmh.«
»Und eins musst du mir zugutehalten, Penny. Sich mit einem Fotografen einzulassen, wäre total verantwortungslos.«
»Aber doch auch romantisch, oder?«
Ich wuchte meinen Koffer zur Tür. Im Vergleich mit dem gigantischen Samsonite, den die Agentur mit meinen Outfits geschickt hat, ist er winzig. »Wie viel Uhr haben wir?«
»Viertel vor neun.«
»In zehn Minuten müsste der Wagen da sein.« Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in meine Handtasche – Brieftasche, Pass, Schlüssel. »Ich werde dich vermissen.«
Penny springt vom Sofa hoch und nimmt mich in die Arme. Ihr Haar duftet wie immer nach Papaya und Kokosnuss. Seit sie vierzehn war, benutzt sie immer das gleiche Shampoo. »Ich wünsch dir die weltbeste Zeit überhaupt«, verkündet sie. »So eine Reise macht man nur einmal im Leben.«
»Und ich werde jede einzelne Minute davon genießen«, gelobe ich.
»Gut. Und denk dabei weder an diesen verwöhnten Fotografen noch an unseren lieben Dad.« Sie löst sich von mir und grinst. »Oder an mich. Ich bleibe hier und passe derweil für dich auf deine Wohnung auf.«
»Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.« Auch ich lächele und zerzause ihr das Haar. Sie duckt sich unter meiner Hand weg und bekommt dieses Monster von einem Koffer zu fassen.
»Ich helfe dir, alles nach unten zu bringen. Und du reist wirklich allein? Sie haben keine Begleitung für dich organisiert?«
»Nein, nur ich und der Fotograf. Aber an jeder Location wartet irgendwelches Bodenpersonal auf uns.«
Schnaufend hievt sie das Riesenteil in den Aufzug. »Das ist ja der reinste Workout, Ivy.«
»Sportklamotten. Hab ich die eingepackt?«
»Ja, ich hab gesehen, wie du sie ordentlich eingerollt hast.«
»Sicher?«
»Ja.« Penny zwinkert mir zu. »Aber du kannst dich auch auf andere Weise sportlich betätigen. Heiße, fremdländische Models, heiße Fotografen, denen schwer beizukommen ist …«
Ich versetze ihr einen Stoß, und sie tut es mir gleich. Aber als ich in die schwarze Limousine draußen steige, bleibt sie auf dem Bürgersteig stehen. Sie winkt mir hinterher, während ich auf den JFK zurase. Fort von Manhattan und meinem Leben, fort aus dem einzigen Land, das ich kenne.
Auch wenn dieser Fotograf mich tausendmal nicht mag, ich werde mir keine einzige Minute dieser Reise von ihm vermiesen lassen.
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