Ticking Time Boss - Olivia Hayle - E-Book

Ticking Time Boss E-Book

Olivia Hayle

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Beschreibung

Der Feind in meinem Büro.

Journalistin Audrey hat eine Abneigung gegen Dates, doch als ein gutaussehender Fremder sie aus einem besonders katastrophalen Treffen rettet, ist sie überglücklich. Mit seiner Nummer im Handy verbringt sie die folgenden Nächte damit, ihm Nachrichten zu schreiben und entdeckt immer mehr seine humorvolle und charmante Art. Doch dann erhält Audrey den Auftrag, den neuen Geschäftsführer ihrer Firma zu interviewen – einen Mann, der gleich zu Beginn zahlreiche Mitarbeiter entlassen hat.

Zu ihrem Entsetzen steht ihr genau der Mann gegenüber, dem sie in ihren nächtlichen Texten all ihre Gedanken anvertraut hat.

Wer ist Carter Kingsley? Ein Mann voller Charme oder derjenige, der droht alles zu zerstören?

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Seitenzahl: 402

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Der Feind in meinem Büro.

Journalistin Audrey hat eine Abneigung gegen Dates, doch als ein gutaussehender Fremder sie aus einem besonders katastrophalen Treffen rettet, ist sie überglücklich. Mit seiner Nummer im Handy verbringt sie die folgenden Nächte damit, ihm Nachrichten zu schreiben und entdeckt immer mehr seine humorvolle und charmante Art. Doch dann erhält Audrey den Auftrag, den neuen Geschäftsführer ihrer Firma zu interviewen – einen Mann, der gleich zu Beginn zahlreiche Mitarbeiter entlassen hat.

Zu ihrem Entsetzen steht ihr genau der Mann gegenüber, dem sie in ihren nächtlichen Texten all ihre Gedanken anvertraut hat.

Wer ist Carter Kingsley? Ein Mann voller Charme oder derjenige, der droht alles zu zerstören?

Über Olivia Hayle

Olivia Hayle ist eine hoffnungslose Romantikerin mit einer großen Vorliebe für Milliardäre. Da sie leider noch keinen in der der Realität getroffen hat, erschafft sie sie kurzerhand selbst – auf dem Papier. Ob sexy, charmant, cool oder verletzlich – bislang hat sie noch keinen (fiktiven) Milliardär getroffen, den sie nicht mochte.

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Olivia Hayle

Ticking Time Boss

Aus dem Englischen von Katja Wagner

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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1: AUDREY

2: CARTER

3: AUDREY

4: CARTER

5: AUDREY

6: AUDREY

7: CARTER

8: AUDREY

9: CARTER

10: AUDREY

11: CARTER

12: AUDREY

13: AUDREY

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15: CARTER

16: AUDREY

17: AUDREY

18: CARTER

19: AUDREY

20: AUDREY

21: CARTER

25: AUDREY

23: AUDREY

24: AUDREY

25: CARTER

26: AUDREY

27: CARTER

EPILOG — AUDREY

Impressum

Lust auf more?

1

AUDREY

Es ist das Warten, das ich am meisten hasse. Mittlerweile bin ich so nervös, dass mir fast schlecht wird, und meine Hände, mit denen ich das Glas umklammere, fühlen sich feucht an. Wieso musste ich einen Cosmo bestellen? Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen getrunken.

Brian verspätet sich. Wie viel Verspätung ist akzeptabel, bevor ich mich aus dem Staub machen darf? Es wäre so viel leichter, einfach zu gehen. Eine schnelle Nachricht: Lass es uns verschieben. Aber das wäre wie eine Flucht, und ich hatte mir selbst versprochen, mich meinen Ängsten zu stellen.

Idiotin, denke ich. Ich hätte mit was Kleinerem anfangen sollen.

Enge Räumen, Spinnen oder das Konzept der Unendlichkeit.

Aber doch nicht mit Blind Dates.

Mit Peinlichkeiten kann ich nicht umgehen. Zu sehen, wie er auf sein Handy starrt, oder noch schlimmer, wie ich auf meins starre auf der Suche nach einer Ausrede. Was, wenn er sichtlich enttäuscht von mir ist? Oder, o Gott: Was, wenn er noch einen Schlummertrunk nehmen will und ich nicht?

Ich nehme einen großen Schluck von meinem rosa Getränk. Nur ein Drink, länger muss es nicht dauern, bevor ich sagen kann, dass ich nach Hause muss, weil morgen Arbeit auf mich wartet. Und auf dem Heimweg bestelle ich mir was zu essen, um zu feiern, dass ich das hier überlebt habe.

Zumindest sieht die Bar gut aus. Er hat sie empfohlen, nachdem wir eine Woche lang unbeholfene Nachrichten ausgetauscht hatten. Gedämpftes Licht und schick gekleidete Gäste. Musik in genau der richtigen Lautstärke. Nicht zu laut und nicht zu leise. Die Preise hier treiben einen nicht völlig in den Ruin, was für Manhattan schon was heißen will.

Mein Handy auf dem Tisch kündigt mir vibrierend eine Nachricht an. Brian verspätet sich, was ich ja schon weiß, und er entschuldigt sich ausdrücklich.

Er benutzt tatsächlich das Wort »ausdrücklich«.

Ich lege das Handy weg und nehme fünf beruhigende Atemzüge. Vielleicht hätte ich nach meinem Bewerbungsgespräch und bevor ich hierherkam, etwas essen sollen. Vielleicht waren ein Blind Date und ein Bewerbungsgespräch für meinen Traumjob am selben Tag einfach zu viel. Aber in einem Rausch aus Adrenalin und Mut hatte ich es nun mal so geplant.

Und jetzt zahle ich den Preis dafür.

»Es ist nur ein Date«, murmele ich. Das Nervenknäuel in meinem Magen hört nicht auf mich und schlägt weiter Purzelbäume. »Nur ein Date. Ich kann gehen, wenn es mir nicht gefällt. Einfach gehen.«

Dadurch fühle ich mich aber nicht besser, also versuche ich es mit einem anderen Argument. Eines, das Nina mir gestern Abend wieder und wieder vorgebetet hat, als sie mir ausreden musste, für heute abzusagen.

Der einzige Weg, sich damit wohler zu fühlen, ist, sich den Dingen zu stellen.

Aber das scheint heute Abend gar nicht so leicht zu sein. Nicht jetzt, da Brian mir gerade noch mal fünfzehn Minuten gegeben hat, in denen ich wie eine Idiotin allein herumsitzen muss, während der unschuldige Schmetterlingsschwarm in meinem Magen die Ausmaße von Hitchcocks Vögeln annimmt.

Ein Glas kaltes Wasser könnte helfen.

Ich lasse meinen Cosmo auf dem Tisch stehen und gehe zur Bar. Sie ist fast leer, nur ein paar Geschäftsmänner in Angeberanzügen lehnen daran. Aufzustehen und sich zu bewegen fühlt sich gut an.

Ich beuge mich vor und klopfe mit den Fingern auf den gläsernen Bartresen.

Der Barkeeper bemerkt mich. »Ja?«

»Ein Glas kaltes Wasser, bitte«, sage ich. »Mit viel Eis.«

»Still oder sprudelnd?«

»Still.«

»Geht klar.« Er dreht sich weg, hält aber in der Bewegung inne. »Hätten Sie gern etwas Zitrone?«

»Nur Wasser, bitte.«

Wieso sind Verabredungen so furchtbar nervenaufreibend für mich? Alle anderen scheinen sich dabei bestens zu amüsieren. Sie tanzen von einem Date zum nächsten, als wäre es ein Spiel.

Der Barkeeper stellt ein großes Glas Wasser vor mich hin. Ich stürze es hinunter, bis nur noch klirrende Eiswürfel übrig bleiben.

»Alles in Ordnung?«, fragt eine Stimme neben mir.

Ich erhasche einen Blick auf einen Arm in einem Anzugjackett neben mir und eine große Hand, die ein Glas Scotch hält, halte die Augen aber weiter auf mein Glas gerichtet. Meine Brust hebt und senkt sich heftig. »Ja. Alles in Ordnung, danke.«

»Brauchen Sie noch ein Glas Wasser?« Die Stimme ist männlich, ruhig und tief.

Ich schüttele den Kopf und schließe die Augen. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist jemand, an den ich meine ganze aufgestaute Small-Talk-Energie verschwenden muss. »Nein. Alles gut.«

Eine kleine Schale mit Gratis-Erdnüssen wird in mein Blickfeld geschoben. »Nur für den Fall.«

Die Geste lässt mich auflachen. Es ist mehr ein nervöses Quieken, aber es setzt etwas von der Anspannung frei, die in mir hochkocht wie in einem Teekessel.

»Vielen Dank.« Ich drehe mich zu ihm.

Ein Blick aus hellen goldbraunen Augen trifft mich. Solche Augen habe ich noch nie bei einem Mann gesehen. Dunkles kastanienbraunes Haar, das ihm über einem kantigen Gesicht aus der Stirn gestrichen ist. »Wenn Sie vorhaben, eine Panikattacke zu bekommen, kann ich mir bessere Orte vorstellen als diese Bar«, sagt er.

»Ich habe keine Panikattacke. Außerdem, wer kann sich so was schon vornehmen?«

»Ist nur so eine Redewendung.«

»Eine dämliche«, entgegne ich und streiche über mein Kleid. Dann wird mir klar, was ich gerade gesagt habe. »Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«

Er dreht sich zu mir, die Lippen amüsiert verzogen. Jetzt, da er sich aufgerichtet hat, bemerke ich, wie groß er ist. »Ich bin nicht beleidigt.«

»Gut. Tja … vielen Dank für die Erdnüsse.«

»Gern geschehen, auch wenn ich was gestehen muss: Die standen schon hier.«

Ich schnaube. Vielleicht tut mir das ja gut. Bei diesem Wall-Street-Banker kann ich ein bisschen Dampf ablassen. »Dachte ich mir schon. Trotzdem eine nette Geste.«

Er winkt dem Barkeeper, der sich mitten im Gehen umdreht, um sich anzuhören, was immer der Erdnuss-Typ ihm zu sagen hat. Ich werfe einen Blick auf seinen Anzug. Er sieht teuer aus. Man erkennt es an dem gut sitzenden Stoff, der im gedämpften Licht schimmert. Kerlen, die so aussehen, traue ich nicht. Zu charmant, um echt zu sein, und zu reich, um bescheiden zu sein.

»Noch ein Wasser für die Dame«, sagt er. »Viel Eis, keine Zitrone. Sie wissen ja Bescheid.«

Der Barkeeper nickt. »Kommt sofort.«

Er verschwindet hinter der Bar, und der Erdnuss-Typ wendet sich wieder zu mir um.

Ich runzle die Stirn. »Sie haben nicht ›bitte‹ gesagt.«

Seine Augenbrauen wandern in die Höhe. »Verzeihung?«

»Zum Barkeeper.« Ich rede gerade deutlich ungezwungener als gewöhnlich, und das auch noch mit einem Fremden, aber meine Nervosität hat alles auf den Kopf gestellt. Meine Wangen werden heiß. »Ich meinte nur, dass es höflicher wäre, ›bitte‹ zu sagen.«

»Ist notiert.« Der Erdnuss-Typ lehnt sich an die Bar, den Mund immer noch amüsiert verzogen. »Auch wenn ich sicher bin, dass dieser Barkeeper schon weitaus unhöflichere Leute gesehen hat als mich.«

»Das ist keine Entschuldigung dafür, selbst unhöflich zu sein.«

»Ich gebe großzügiges Trinkgeld. Habe ich immer schon.«

»Mit Geld um sich zu werfen entschädigt nicht für einen Mangel an Manieren.«

»Ach, jetzt mangelt es mir auch noch an Manieren? Interessant.«

Ich schüttele den Kopf. »Das wollte ich damit nicht sagen. Himmel, können wir einfach vergessen, dass ich Sie kritisiert habe? Es tut mir leid. Das war unhöflich von mir.«

Er wirkt kein bisschen gekränkt. »Nicht sonderlich.«

Der Barkeeper kehrt mit einem vollen Glas Eiswasser zurück und stellt es vor mir ab. Ich öffne schon den Mund, um mich zu bedanken, aber der Erdnuss-Typ kommt mir zuvor.

»Vielen Dank«, sagt er mit gesenkter Stimme. »Wir wissen Ihren Service hier heute Abend wirklich zu schätzen.«

Das hält den Barkeeper nicht vom Weitergehen ab. »Jederzeit«, wirft er uns über die Schulter zu.

Mit einem triumphierenden Lächeln wendet sich der Erdnuss-Typ wieder zu mir um. »Bin ich jetzt wieder in Ihrer Gunst gestiegen?«

»Ja. Tut mir leid.«

Er legt einen Arm auf dem Bartresen ab. »Also, was hat Sie heute so aus der Bahn geworfen?«

»Aus der Bahn geworfen«, wiederhole ich und greife nach meinem Eiswasser. Ich stürze die Hälfte davon hinunter, bevor ich es zugebe. »Ich warte auf jemanden.«

»Dachte ich mir. Verspätet er sich?«

»Genau. Ist das so offensichtlich?«

»Tja, Sie sind hier und er nicht, also Ja. Ihr Freund?«

»Nur ein Date.« Ich drehe das Glas hin und her. »Ein erstes Date, um genau zu sein.«

»Und da verspätet er sich? Das ist ja kein gutes Zeichen.« Er nimmt sich eine Erdnuss, und seine Hand gerät kurz in mein Sichtfeld. Sie ist groß und vereinzelt mit dunkelbraunen Haaren bewachsen. Eine maskuline Hand mit langen Fingern. »Wie spät ist zu spät?«

»Ich weiß nicht. Dafür habe ich noch keine feste Regel aufgestellt.«

»Haben Sie für viele Dinge feste Regeln?«

Ich sehe ihn an. Eine schlechte Idee, denn er sieht verdammt gut aus. Kantiges Kinn und Augen, die mich mit stetigem Charme betrachten. Merkwürdigerweise macht es mich nicht nervös, mit ihm zu reden. Wir passen so offensichtlich gar nicht zusammen. Er amüsiert sich nur, und ich lenke mich nur ab.

Stell dich den Dingen, denke ich. »Für einige schon. Zumindest habe ich Kriterien.«

»Lassen Sie hören.«

»Also, er muss Nichtraucher sein.«

Der Erdnuss-Kerl nickt. »Klar.«

»Es wäre schön, wenn er mir ab und zu Abendessen kochen könnte.«

»Dann muss er also ein berühmter Chefkoch sein. Hab verstanden.«

Ich muss lachen. »Richtig. Oh, und er muss eine Zeitung oder eine Zeitschrift abonniert haben. Mindestens eine, vorzugsweise mehrere, und zwar nicht nur in elektronischer Form.«

»Merkwürdig konkret«, erwidert er. Seine Augen haben die Farbe von Whisky. Mit seinen langen Fingern umfasst er sein Glas. »Ist das ein Test für seine Lese- und Schreibfähigkeit? Denn ich glaube, Sie können davon ausgehen, dass ein Kerl Ihres Alters des Lesens mächtig ist.«

»Nein, ich bin Journalistin.«

»Ach ja?«

»Ja. Ich brauche jemanden, der das geschriebene Wort zu schätzen weiß, wissen Sie. Ich möchte meine Sonntagmorgen damit verbringen, darüber zu streiten, wer von uns welchen Teil der Zeitung haben darf.« Bei meinen Worten röten sich wieder meine Wangen. »Ich weiß, wie ich mich anhöre. Wie eine hoffnungslose Romantikerin.«

»Sind Sie denn eine?«

»Ich bin eine realistische Romantikerin. Deswegen habe ich mich wohl auf ein Date mit einem Fremden eingelassen.«

Er zieht wieder eine Augenbraue hoch. »Das hier ist ein Blind Date?«

»Ja.«

»Bei dem er sich verspätet. Kein wirklich guter Anfang.«

Ich zucke die Achseln und spüre, wie die Nervosität in meinem Magen zu einem ruhigeren, steten Strom wird. Es hilft also, mit diesem Kerl hier zu reden. »Na ja, ich lasse es ihm mal durchgehen. Auf seinem Weg hierher kann ja irgendwas passiert sein, wissen Sie.« Ich blicke über die Schulter, aber die Geschäftsmänner am Ende des Bartresens unterhalten sich und kümmern sich nicht um den Mann neben mir. »Und wieso sind Sie hier? Warten Sie auch auf ein Blind Date?« Ich muss lächeln. Als ob.

»Nein«, erwidert er und lässt die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas kreisen. »Ich kenne sie schon.«

Ich rolle mit den Augen. »Natürlich. Verspätet sie sich auch?«

»Ja. Und das tatsächlich ziemlich oft.«

»Dann nehme ich an, dass das kein Kriterium für Sie ist?«

»Nein. Und wenn ich so darüber nachdenke … Ich weiß nicht, ob sie eine Zeitung abonniert hat.«

»Das sollten Sie sie heute Abend fragen. Wie ich hörte, ist das für einige ein Ausschlusskriterium.«

Sein Lächeln wird breit. »Das hörte ich auch, Kleines. Erzählen Sie mir, wieso Verabredungen Sie nervös machen.«

»Kleines? Wir sind praktisch im selben Alter!«

Er lächelt immer noch. »Sind wir das? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so nervös war wie Sie, als ich auf jemanden gewartet habe.«

Dieser Typ ist die reinste Achterbahnfahrt. »Das sagt nichts über meine Reife aus. Ich bin sechsundzwanzig. Na ja, in vier Monaten jedenfalls«, füge ich aufrichtig hinzu. »Wie alt sind Sie?«

»Zweiunddreißig.«

In diesem Moment vibriert mein Handy. Eis schießt durch meine Adern und lässt mich auf der Stelle erstarren. Wahrscheinlich ist Brian eingetroffen. Waren das schon fünfzehn Minuten? Gott, wie ich das hier hasse. Hasse, hasse, hasse.

Ein Blick auf mein Handy bestätigt meine Vermutung. Ich bin draußen. Hast du einen Tisch bekommen?

»Ist er das?«, fragt der Erdnuss-Typ.

»Ja«, murmele ich. »Showtime.«

»Für ihn, nicht für Sie. Seien Sie einfach Sie selbst.«

»Genau.« Meine Finger fliegen über mein Telefon. Ich habe drinnen einen Tisch.

»Viel Glück, Kleines. Ich bin hier drüben, falls Sie mich brauchen.«

»Hören Sie auf, mich Kleines zu nennen.« Meine Nerven liegen wieder blank und lassen mich um mich schlagen. »Und starren Sie mich ja nicht mein ganzes Date über an. Das ist unheimlich.«

Er lächelt breit, und ich sehe die Andeutung eines Grübchens unter dem dunklen Bartschatten, der seine Wangen bedeckt. »Wenn Sie mir ein Zeichen geben, liefere ich Ihnen eine plausible Ausrede.«

»Äh, danke. Einen schönen Abend noch.« Auf meinem Tisch wartet einsam mein widerlicher Drink auf mich. Ich setze mich und streiche mein Kleid glatt. Ich schaffe das. Als ich wieder hochsehe, schaue ich mich nach einem Mann um, der in meine Richtung geht.

Stattdessen trifft mich ein Blick aus whiskyfarbenen Augen.

Der Erdnuss-Typ lehnt mit seinem Glas in der Hand an der Bar und nickt mir fast unmerklich zu. Auf seinem Gesicht liegt der Anflug eines Lächelns.

Dieser arrogante Mistkerl.

Aber er wird schnell ausgeblendet von dem Mann, der auf mich zukommt. Das muss Brian sein. Nina hat mich mit ihm verkuppelt. Er ist ein ehemaliger Arbeitskollege von ihr. Sie hat versprochen, er wäre nett. So hat sie es ausgedrückt. Nett.

Er sieht auch nett aus, finde ich. Auf eine freundliche Art. Er trägt eine Mütze, die tief auf seinen dunklen Locken sitzt. Am Tisch angekommen, entledigt er sich seiner Jeansjacke. »Hey«, sagt er. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin.«

»Kein Problem.«

Er sieht auf meinen Drink, und ein Stirnrunzeln verunziert sein Gesicht. »Du hast schon bestellt?«

Ja, Junge. Ich habe hier zwanzig Minuten allein gewartet. »Ja, habe ich. Ich hoffe, das ist okay.«

Er zuckt mit den Schultern und setzt sich mir gegenüber hin. »Na klar. Also … Nina hat mir erzählt, du wärst Journalistin.«

»Ja, bin ich. Irgendwann würde ich gern als Investigativjournalistin arbeiten.« Hoffentlich früher als später, wenn das Bewerbungsgespräch heute so gut gelaufen ist, wie es mir vorkam. Ich habe gerade mehr als zwei Stunden im Büro des New York Globe verbracht.

»Also schreibst du diese Enthüllungsgeschichten über Korruption und Skandale in Regierungen?« Er lümmelt sich in seinen Stuhl, aber seine Augen glühen vor Enthusiasmus. Wie vielversprechend.

Nickend drehe ich meinen ekligen Drink hin und her. »Zumindest würde ich das gern.«

»Weißt du, ich habe so meine Meinung über die Presse.«

»Ach ja?«

Er hebt einen Finger, fast so, als würde er mir eine Strafpredigt halten wollen. »Ihr müsst mal anfangen, euch mehr an die Fakten zu halten, anstatt euch von euren Gefühlen leiten zu lassen.«

Äh … »Ja. Na ja, über die Fakten so, wie sie sind, zu berichten, ist schließlich das Markenzeichen guter, journalistischer Integrität.«

»Klar, aber das ist oft eben nicht der Fall. Weißt du, ich habe seit Jahren keine Zeitung mehr abonniert. Die Fakten, die mich interessieren, gibt es alle online. Ich kann sie mit einem Klick finden.«

Ich reibe mir den Nacken. »Tja, das tun viele heutzutage. Aus genau diesem Grund haben es die Printmedien ja gerade so schwer.«

»Es ist doch eher so, dass sie aussterben. Aber wenn ihr mehr über Fakten berichten würdet, wärt ihr besser dran.« Er hebt eine Hand, um der Kellnerin ein Zeichen zu geben. »Hier drüben!«

Oh Mann. Das ist echt nicht okay. Aus meiner Nervosität wird Verärgerung. »Sag ›bitte‹«, murmele ich. Aber er hört mich nicht.

»Ich bekomme ein Bier«, sagt er der Kellnerin. »Nicht zu viel Schaum, okay? Und kein Weizenbier. Alles, nur kein Weizenbier.« Er dreht sich wieder zu mir um, als hätte er unsere Unterhaltung nie unterbrochen. »Deswegen vertrauen viele Leute den Journalisten nicht mehr. Der Job kann doch nicht so schwer sein, oder? Über Fakten zu berichten. Ist ja nicht so, als würde man in einer Brauerei arbeiten.«

»Nicht so schwer wie dein Job, meinst du?« Ich umklammere mein Glas fester.

Er zuckt mit den Schultern und lächelt mich an, als würden wir nur Spaß machen. »Das hast du gesagt, nicht ich. Hey, ich habe da ein paar Geschichten, über die du schreiben solltest. Klar, das sagt wahrscheinlich jeder, aber es ist mein Ernst. Ich glaube, die könnten dir echt was bringen.«

Oje. »Wirklich? Worum geht’s dabei?«

»Ich bin Mitglied einer Online-Gemeinschaft. Wir verraten anderen nicht viel darüber, aber wir tauschen untereinander Vorkommnisse aus, über die die regulären Medien nicht berichten. Ich weiß schon genau, wie du reagieren wirst … aber hör einfach mal unvoreingenommen zu. Bigfoot ist neulich im Hinterland gesichtet worden. Farmer in der Gegend haben es bestätigt, und ein Freund von mir hat online die FBI-Fahrzeuge gesehen.« Seine Augen weiten sich. »Das wird eine Riesensache.«

Ich nehme einen großen Schluck von meinem ekligen Drink. Ach du heiliges Kanonenrohr.

Über Brians Schulter sehe ich, wie der Erdnuss-Typ mit einer langbeinigen Blondine redet. Das Haar fällt ihr in Wellen über eine Schulter, und sie hat ihm eine Hand auf den Arm gelegt. Er sagt etwas, und sie wirft lachend den Kopf zurück.

Wenigstens einer von uns hat Spaß.

»Das ist eine Sensationsstory«, sagt Brian. »Könnte echt gut für deine Karriere sein. Ich meine, wenn du mithelfen willst.«

Eine Stunde später habe ich es immer noch nicht geschafft, mich zu verdrücken. Brian hört einfach nicht auf zu reden. Darüber, wie meine Karriere eine ganz andere Richtung nehmen könnte, wenn ich nur den Mumm hätte, über die Fakten zu berichten. Sein zehnminütiger Monolog könnte fast charmant sein, wenn er nicht ein so offenkundiges Beispiel dafür wäre, wie Männer gern Frauen unaufgefordert die Welt erklären.

Er rückt seine durchsichtig eingefasste Brille zurecht, und ich frage mich, ob er sie nur aus modischen Gründen trägt. »Deswegen also musste ich meinen Job da kündigen«, sagt er und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.

»Weil sie deinen Einsatz nicht zu schätzen wussten.«

»Genau.« Er wirkt, als ob er sichtlich Spaß hat.

Wahrscheinlich, weil sein Date ihm überwiegend beim Reden zugehört hat.

»Aber starke Menschen mögen solche, die die Initiative ergreifen. Sie erkennen sich gegenseitig«, sagt er.

Sein Ton ist merkwürdig sanft geworden, und sofort verkrampft sich mein Magen wieder nervös. Nein, nein, nein. Genau das mag ich nicht. Jemandem eine Abfuhr erteilen oder ihn zurückweisen zu müssen. Ich bin zutiefst konfliktscheu.

»Besonders Frauen«, fährt er fort. »Sie stehen auf Männer, die wissen, wie man gemeinsam Spaß hat.«

»Ich nicht …«

Plötzlich beugt er sich über den Tisch und presst seine Lippen auf meine. Es kommt so unerwartet, dass ich zurückzucke. Aber mit einem Mund wie ein Blutegel kommt er mir hinterher.

Und, o Gott, ist das seine Zunge?

Ich erwidere den Kuss nicht, sondern sitze nur zwei sehr lange Sekunden da, die Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt, bevor ich ihn von mir schiebe. Er lehnt sich zurück und sieht mich mit warmen Augen an.

»Tja«, sagt er. »Wenigstens küsst du gut.«

Wenigstens? Wenigstens?? Dieser Mann ist unglaublich.

»Vielen Dank für heute Abend«, sage ich, weil ich nicht anders kann, als höflich zu sein. »Aber ich denke, ich sollte jetzt gehen.«

»Zu mir?«, fragt er. »Oder zu dir?«

Ich greife nach meiner Handtasche. »Äh, ich muss morgen früh zur Arbeit. Ich glaube also, das wird nichts.«

»Morgen ist Samstag«, entgegnet er.

Ach wirklich? Verflixt.

Mein Blick gleitet über seine Schulter und fällt auf den Mann von vorhin. Der Erdnuss-Typ, der mich zwar Kleines genannt, aber auch versprochen hat, mir zu helfen. Er steht allein an der Bar. Keine Blondine in Sicht. Und er erwidert meinen Blick.

Er zieht eine Augenbraue hoch. Brauchen Sie mich?

Ich nicke fast unmerklich.

»Komm schon, Audrey«, sagt Brian. »Nehmen wir noch einen Schlummertrunk. Lass mich dich wenigstens nach Hause bringen. Du darfst auch mein Gehirn nach noch mehr Geschichten anzapfen.«

Das Einzige, was schlimmer wäre, als das Gehirn von diesem Typen hier anzuzapfen, wäre sein erneuter Versuch, meins durch meine Zähne herauszusaugen.

»Oh, toll. Aber ich glaube nicht …«

Der Erdnuss-Typ steht plötzlich vor uns. Sein großer Körper überschattet unseren Tisch. »Da bist du ja«, sagt er und legt eine Hand auf die Rückenlehne meines Stuhls. Sein Gesicht wirkt ernst, kein Grübchen oder charmantes Lächeln in Sicht. »Wir haben schon überall nach dir gesucht.«

»Ach ja?«

»Ja. Deine Mom ist außer sich. Komm schon, wir müssen los.«

»Sofort?«, quietsche ich und blicke von ihm zu Brian, der meinen Retter im Anzug mit großen Augen anstarrt.

»Ja«, erwidert der Erdnuss-Typ. »Draußen wartet schon ein Wagen auf uns. Wenn wir gleich gehen, können wir es noch schaffen. Na los.« Er dreht sich zu Brian um. »Ich bin sicher, Sie verstehen das.«

»Ja«, sagt der schwach. »Geh nur, Audrey.«

Ich stehe auf, und der Erdnuss-Typ hält mir meinen dünnen Blazer hin. Ich schlüpfe hinein. »Tut mir so leid. Danke für heute Abend.«

Brian nickt, erwidert den Dank aber nicht. Der Blödmann. Vielleicht ärgert es ihn, dass er nicht damit weitermachen kann, jemandem den eigenen Beruf zu erklären.

»Beeil dich«, sagt der Erdnuss-Typ und packt mich am Handgelenk. Ich versuche, bei seinen langen Schritten mitzuhalten, während wir durch die Bar Richtung Ausgang laufen.

»Meine Rechnung«, flüstere ich. »Ich muss …«

»Habe ich erledigt. Kommen Sie, er beobachtet uns.«

Wir treten in die warme New Yorker Luft hinaus, und er lässt mein Handgelenk los. Dort, wo er mich festgehalten hat, prickelt meine Haut.

»O mein Gott«, sage ich und blicke über die Schulter zur geschlossenen Eingangstür der Bar zurück. »Das war furchtbar.«

»Sah nicht so toll aus«, stimmt er mir zu, wirkt dabei aber mächtig selbstzufrieden. Hier draußen ist er sogar noch größer als drinnen, wo er über die Bar gebeugt war. Er thront geradezu über mir.

In meinem Magen entsteht ein nervöses Flattern.

»Okay, was hat er alles falsch gemacht?«, fragt er. »Zu viel über seine Mutter geredet? Sie mit seinen vorherigen Dates verglichen? Sie gebeten, mit zu ihm zu kommen, um sich seinen Kräutergarten anzusehen?«

Meine Nervosität verschwindet, und ich muss lachen. »Das wäre wohl noch schlimmer gewesen. Nein, das hat er nicht getan. Er hat mir Ratschläge für meine berufliche Karriere gegeben.«

»Ist das was Schlechtes?« Der Erdnuss-Typ zieht eine Augenbraue hoch.

»Ja! Er weiß nichts darüber!«

»Ach so. Also hat er nur Schwachsinn von sich gegeben.«

»Ja. Er war so bevormundend, dass ich vergessen habe, nervös zu sein. Ich kann kaum glauben, dass ich mich hierfür so schick gemacht habe.« Ich sehe auf meine unbequemen Schuhe hinunter. »Sie hatten offenbar mehr Glück.«

Er reibt sich den Nacken, fast so, als wäre es ihm peinlich, und deutet Richtung Straße. »Wir sollten gehen. Er könnte jede Minute rauskommen.«

»Ach ja. Und dann wäre ich noch gar nicht auf dem Weg zu meiner … Was war es? Meiner kranken Mutter?«

»Ich habe es vage gehalten. Lügen funktionieren so normalerweise besser.«

»Sind Sie darin Experte?«

»Leider ja«, schnaubt er.

»Und?«, frage ich und stecke die Hände in die Taschen meines Jacketts. »Wie war Ihr Date?«

Er zuckt die Achseln. »War okay.«

»Tut mir leid, wenn ich Sie unterbrochen habe, weil ich Hilfe brauchte.«

»Ach, es war schon vorbei. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nicht wiedersehen will.«

Ich bleibe stehen und starre ihn an. Als er es bemerkt, rollt er mit den Augen. Sein kastanienbraunes Haar ist ihm in die Stirn gefallen, und sein Kinn wirkt aus diesem Blickwinkel wie gemeißelt.

»Sehen Sie mich nicht so an«, sagt er. »Sie wusste selbst, dass es nirgendwohin führt.«

Ich denke zurück an die begeisterte Blondine, mit der er an der Bar geredet hat. »Na klar.«

»Wenigstens habe ich ihr keinen Vortrag gehalten, wie sie ihren Job machen soll«, sagt er und lächelt schief. »Ich weiß, dass das keine gute Idee ist.«

Ich reibe mir über den Mund. »Gott, und dann hat er mich auch noch geküsst. Besser gesagt, sich auf mich gestürzt.«

»Das habe ich gesehen.« Mitleid schwingt in seiner Stimme mit. »Sah nicht gut aus.«

»Das war es auch nicht.« Wir sind an meiner U-Bahn-Station angekommen, und ich bleibe stehen, um nach meiner Fahrkarte zu kramen. Ich bezweifle, dass er mit runtergeht. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

Er nickt, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Jederzeit, Kleines.«

»Nicht das schon wieder«, stöhne ich.

»Sie auf den Arm zu nehmen, macht Spaß.«

»Legen Sie sich ein Hobby zu.« Jetzt bin ich schon wieder unhöflich, aber irgendwie fühlt es sich mit ihm lustig an. In dem Wissen, dass er es einstecken und genauso zurückschlagen kann.

Er lehnt an einer Straßenlaterne, ruhig und beherrscht, scheinbar ohne die Menschen wahrzunehmen, die an uns vorbeilaufen. »Aber das ist doch mein Hobby«, sagt er. »In Bars Jungfrauen in Nöten zu retten, die sich auf schlechte Blind Dates eingelassen haben.«

»Dann passiert das oft?«

»Öfter, als Sie denken. Wo finden Sie diese Typen nur? Auf Dating-Apps?«

»Von denen habe ich einige ausprobiert«, gebe ich zu. »Ich benutze sie nicht gern, aber … wenigstens kommt man so zu Verabredungen.«

»Sie ganz sicher.«

Auf das rätselhafte Kompliment gehe ich nicht weiter ein. »Aber dieser Typ war jemand, mit dem meine Freundin mich verkuppeln wollte.«

»Überdenken Sie diese Freundschaft gerade?«

»Das sollte ich wirklich. Jedenfalls, das hier war … schön. Nicht das Date, meine ich. Aber das davor und danach.«

Er grinst. »Gern geschehen.«

»Ich sollte vermutlich nach Hause. War ein ziemlich voller Tag. Ich hatte heute auch noch ein Bewerbungsgespräch. Für meinen Traumjob.«

»Ach, wirklich?«

»Ja.« Schluss mit dem Geschwafel. Ich bewege mich auf die U-Bahn-Treppe zu. »Ich habe noch gar nicht Ihren Namen erfahren.«

Er greift in sein Jackett und holt einen kleinen Notizblock und einen Stift heraus. Es ist eine geübte Geste und passt zu seinem Anzug, seinem Auftreten und seiner wohlhabenden Ausstrahlung. Typen wie ihn mag ich nicht. Noch nie, seit meiner Kindheit schon nicht. Aber irgendwas an ihm verleiht mir einen Energieschub.

Ein Gefühl der Lebendigkeit.

»Carter«, sagt er und kritzelt etwas aufs Papier. »Es hat Spaß gemacht, sich mit Ihnen zu unterhalten. Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, aber wenn Sie mal wieder das Gehirn von einem Kerl anzapfen wollen oder aus einem schrecklichen Blind Date gerettet werden müssen …«

Ich starre auf das Stück Papier, das er mir hinhält. »Carter« steht darauf.

Und darunter sieben Zahlen. »Ihre Telefonnummer?«

»Genau die.«

Ich nehme den Zettel und frage mich, wieso ich nicht nervös bin. Er ist ein Mann. Sogar ein außerordentlich attraktiver. Aber ich habe die Frau gesehen, der er heute Abend einen Laufpass gegeben hat, und sie könnte leicht als Model durchgehen. Außerdem hat sie glücklich gewirkt.

Diese Sache zwischen uns ist also eindeutig was Freundschaftliches. Deshalb bin ich kein bisschen nervös, als ich den Zettel an mich nehme. »Danke. Könnte eine gute Idee sein, manche Dinge aus der Sicht eines Mannes zu sehen.«

»Jederzeit«, erwidert er und nickt mir zu. Wie ein altmodischer Gentleman, der sich von einer Dame verabschiedet. »Kommen Sie sicher nach Hause.«

»Danke«, murmele ich wieder und gehe die Treppe hinunter. Erst als ich schon halb zu Hause bin, noch ganz benommen von all den Eindrücken des Tages, fällt mir ein, dass ich ihm gar nicht meinen Namen genannt habe. Mit zitternden Fingern füge ich seine Nummer meinen Handykontakten hinzu und verpasse ihm den glorreichen Namen Carter Erdnuss.

Dann schicke ich ihm eine Nachricht.

Ich heiße Audrey. Danke für die Erdnüsse.

Seine Antwort kommt in dem Moment, als ich die Tür zu dem Zimmer öffne, das ich im zweiten Stock eines Sandsteinhauses gemietet habe. Ich lehne mich gegen die geschlossene Tür und lese sie. Endlose Möglichkeiten schwirren mir durch den Kopf.

Carter: Jederzeit, Kleines. War schön, dich kennenzulernen.

2

CARTER

Carter: Wann ist denn dein nächstes Date mit der Hyperventilation?

Audrey: Ich habe nicht hyperventiliert, jedenfalls nicht richtig. Und tatsächlich bin ich gerade mit jemand Neuem in Kontakt.

Carter: Erzähl mir von dem Typen.

Audrey: Ist nur jemand, mit dem ich in einer App ein Match hatte. Unsere Unterhaltung ist eher mau, aber er scheint ganz süß zu sein, und er hat einen Hund.

Carter: Wie gut, dass Unterhaltungen in Beziehungen keine große Rolle spielen.

Audrey: Sehr witzig. Nicht jeder Kerl redet gern, weißt du. Oder ist gewillt, mit einer völlig Fremden in einer Bar eine Unterhaltung anzuleiern.

Carter: Verstehe. Ich für meinen Teil würde so was nie tun.

Audrey: Ich auch nicht. Was, wenn das Gegenüber ein Spinner ist?

Carter: Oder noch schlimmer. Serienkiller laufen ja zuhauf herum.

Audrey: Deswegen habe ich die Erdnüsse nicht angerührt, die du mir angeboten hast. Hattest du da vorher was drübergekippt?

Carter: Langsam kommst du mir auf die Schliche. Ich trage immer ein Fläschchen Arsen mit mir herum.

Audrey. Wusste ich’s doch. Du hattest diese Ausstrahlung. Aber jetzt sag mal, was machst du bei einem ersten Date?

Carter: Außer zu hyperventilieren, meinst du?

Audrey: Genau. Erzähl mir, wie ein Mann sich vorbereitet.

Carter: Was für eine Frage. Das sagt mir doch alles, was ich wissen muss.

Audrey: Wie das denn??

Carter: Du bereitest dich also vor? Dann bringst du dich selbst in diesen Zustand. Der Trick ist, sich gar nicht vorzubereiten. Ich tu’s nicht.

Audrey: Also … einfach auftauchen?

Carter: Ja. Er ist da, um dich kennenzulernen, nicht dein Kleid, das du vier Stunden lang ausgesucht hast. Tauch einfach in guter Stimmung auf. Mehr Vorbereitung sollte nicht nötig sein.

Audrey: Das ist ja so ein Männerrat.

Carter: Ist es nicht das, was du wolltest? Die Sichtweise eines Mannes?

Audrey: Ja. Aber, wow, das ist so typisch Mann. Trotzdem, mach weiter. Die schlimmsten Fehler, die eine Frau machen kann?

Carter: Die sind von Mann zu Mann unterschiedlich, Kleines. Ich kann dir nur sagen, was mich abtörnt.

Audrey: Raus damit. Ich kann das ertragen, versprochen. Ist es das aggressive Essen von Gratis-Erdnüssen? War dein arsenvergiftetes Geschenk in Wirklichkeit ein Test?

Carter: Ich glaube nicht, dass du angesichts neulich Abend ein Problem damit hast, einen Mann zu bezaubern.

Audrey: Aber der war definitiv ein Spinner. Komm schon. Raus mit der Sprache.

Carter: Na schön. Leute, die alles an ihrem Essen umbestellen wollen, ärgern mich. Ich meine, wenn du Laktose nicht verträgst, okay. Aber wenn eine Frau zwei Gerichte miteinander kombinieren will, bitte genau nach Norden ausgerichtet serviert und mit Sesamsamen bestreut? Das stört mich total.

Audrey: Oh, verstehe. Das würde ich nie tun. Also, ich weiß ja schon, dass Pünktlichkeit dir nicht wichtig ist. Aber was ist dir wichtig?

Carter: Du vergisst Unhöflichkeit. Offensichtlich liebe ich es, zur Bedienung unhöflich zu sein.

Audrey. O Gott. Es tut mir immer noch leid, dass ich das gesagt habe. Ich würde es ja gern auf meine Nervosität schieben, aber vielleicht bin ich einfach furchtbar. Sorry!!

Carter: Diese Antwort hier beweist, dass du es nicht bist.

Carter: Also. Was ist mir wichtig? Dass sie lachen kann. Wenn ich eine Frau nicht zum Lachen bringen kann, war’s das für mich.

Audrey: Das verträgt dein Ego nicht?

Carter: Kleines, das ist doch meine Superpower. Wenn ich sie nicht regelmäßig trainiere, sterbe ich.

Audrey: Aber bist du nicht auch beruflich ziemlich erfolgreich?

Carter: Wenn wir uns nicht gerade erst kennengelernt hätten, hätte ich ein echtes Problem mit dem Wort »ziemlich«.

Audrey: LOL. In Ordnung. Also bist du sehr erfolgreich und witzig. Dating muss ein Spiel für dich sein, eins, das du immer gewinnst.

Audrey: Das hier ist toll. Ich werde dich mit Männerfragen überschütten. Du wirst es noch bereuen, mir deine Nummer gegeben zu haben.

Carter: Bisher habe ich’s nicht bereut. Du bist witzig, Kleines.

Audrey: Ich bin immer noch nur ein paar Jahre jünger als du.

Carter: Aaaaber du bittest mich um Rat. Also bin ich ganz klar der Mentor hier.

Audrey: Uuuund schon bist du wieder unausstehlich.

Carter: Das wird auch so weitergehen. Gewöhn dich also besser dran.

Audrey: Ich betrachte mich als gewarnt.

Carter: Wann triffst du dich denn mit dem Kerl mit Hund?

Audrey: Nächsten Donnerstag. Ich habe einen neuen Job. Da will ich mich erst mal eingewöhnen, bevor ich gleich wieder ins kalte Wasser springe.

Carter: Glückwunsch. Und dieses Mal wird es bestimmt nicht so schlimm. Erzähl mir hinterher, wie’s war.

Audrey: Mach ich. Danke hierfür. So komisch sich das auch anhört, ich bin froh, dass ich in der Bar ausgeflippt bin.

Carter: Ich auch, Kleines.

3

AUDREY

Mein Wasserhahn leckt schon wieder.

»Mist.« Ich haue ein paarmal drauf, während ich mich mit meiner Tasche vor Spritzwasser schütze. Aber es ändert nichts an dem langsamen, stetigen Tropfen. Mein Reparaturversuch mit Klebeband von gestern Abend ist offensichtlich gescheitert. Das Wasser sickert wieder durch.

Shit, ich verspäte mich noch … und das in meiner zweiten Woche beim Globe. Ich bücke mich und öffne den Unterschrank. Wo bist du? Ach, da! Ich schnappe mir das Klebeband und wickele es um das Rohr. Hoffentlich hält das die nächsten zwölf Stunden. Dann lege ich ein sauberes Handtuch darunter und bete, dass es nicht völlig durchweicht ist, wenn ich nach Hause komme.

Ich verlasse mein winziges gemietetes Zimmer und laufe an der Tür von meinem nie wachen und ständig Gras rauchenden Nachbarn vorbei die Treppe hinunter.

Auf der Treppe vor dem Haus liegt Post. War ja klar.

Ich schnappe sie mir und eile zurück in den ersten Stock, wo mein Vermieter wohnt. Pierce gehört dieses Sandsteinhaus, und er vermietet die umfunktionierten Schlafzimmer im Obergeschoss an Studenten oder mittellose junge Berufstätige.

»Mr. Pierce?!«, rufe ich laut. Er hört nicht sehr gut. »Sie haben Post! Ich lege Sie vor Ihre Tür!«

Drinnen rumst es. »Bist du das, Audrey?«

»Ja!«

»Verstanden«, ruft er zurück. Seine Stimme klingt so rostig wie immer, und seine Wortwahl bringt mich zum Lächeln. Der alte Mann bedankt sich so gut wie nie.

Zeit für das schwierige Gespräch. »Mein Wasserhahn tropft schon wieder! Wann kommt denn der Klempner?«

Wieder ein Rums, dann seine schweren Schritte. »Jaja, ich habe ihn gestern angerufen. Er kümmert sich drum«, sagt Pierce.

Was – wenn man meinen Vermieter kennt – bedeutet, dass er es vergessen hat und den Klempner erst jetzt anrufen wird.

»Vielen Dank!«

Dann muss ich zur U-Bahn rennen.

Aber ich komme sogar ein paar Minuten zu früh beim Globe an. Als ich durch die prestigeträchtige Lobby gehe, vorbei an den goldgerahmten, legendären Artikeln, dem eleganten Logo hinter der Rezeption und meine Mitarbeiterkarte herausziehe, bin ich selbst jetzt, nach zwei Wochen, immer noch völlig euphorisch. Dieser Job ist wie ein Lottogewinn, und nicht einmal das mickrige Gehalt kann mich vom Gegenteil überzeugen.

Mit einem Lächeln fahre ich mit dem Fahrstuhl in mein Stockwerk hoch. Vielleicht ist das lächerlich, und ich bin sicher, dass die gestressten Journalisten und Abteilungsleiter, mit denen ich zusammenarbeite, mich für irre halten. Aber ich bin eben nur eine Nachwuchsreporterin für Investigativjournalismus beim Globe, die gerade grünes Licht bekommen hat, ihre erste Story zu recherchieren. Und die wahrscheinlich auch ein bisschen irre ist.

In meiner Tasche brummt mein Handy, und mein Lächeln wird noch breiter. Es ist halb neun durch, und er ist gerade bei seiner ersten Tasse.

Carter: Du lagst falsch. Aromatisierter Kaffeezusatz macht es schlimmer, nicht besser, und ich werde mich mit jedem anlegen, der mir das Gegenteil erzählt.

Während ich durch den langen Flur auf meiner Etage laufe, tippe ich eine Antwort.

Audrey: Ich sagte doch, du darfst nur anderthalb Pumpstöße reintun. Hast du etwa zwei reingetan? Bei zwei ist der Kaffee ruiniert.

Carter: Glaubst du, ich habe Zeit, einen halben Pumpstoß abzumessen?

Audrey: Du hast Zeit, mir zu schreiben, also Ja.

Carter: Touché.

Während der letzten Wochen hat sich unsere Kommunikation von zaghaften Hallos zu eifrigem Geplänkel entwickelt. Nie geht es dabei um etwas Ernstes und selten um unser eigenes Leben.

Aber wir haben unterschiedliche Auffassungen von fast allem.

Ich setze mich an meinen Schreibtisch in dem Großraumbüro und schicke ihm eine weitere Nachricht, während mein Computer hochfährt.

Audrey: Ich weiß übrigens immer noch nicht, was du beruflich machst. Ist das nicht merkwürdig?

Carter: Wie schon gesagt: Ich rette Frauen aus schlechten Blind Dates.

Audrey: Nein, du sagtest, das wäre dein Hobby. Du bist nicht so gut darin, dir all deine Lügen zu merken, oder?

Carter: Das ist tatsächlich das Hauptproblem von uns Superhelden. Wir haben Schwierigkeiten, uns unsere vielen Identitäten zu merken. Was zu einer Menge vorgezogener Verrentungen führt.

Ich grinse mein Handy an. Er sagt nie das, was ich von ihm erwarte, sondern überlegt sich immer was anderes, Unerwartetes. Er mag nicht, wie ich meinen Kaffee trinke, und hat den Ort kritisiert, an dem ich mich letztes Wochenende verabredet habe.

Seit meinem miesen Date haben wir uns nicht wiedergesehen.

Und ich weiß auch nicht, ob ich das will. Dies hier, unsere Chat-Freundschaft ist … perfekt. Genau das, was ich brauche. Jemand, der mich aus meinem Trott reißt. Eine Belastungstherapie.

»Du wirkst glücklich«, sagt eine Stimme zu meiner Linken. »Zu glücklich. Weißt du noch, an was für einer Story du eigentlich arbeiten solltest?«

Ich drehe mich zu Declan um. Er hat den Schreibtisch neben mir, und er ist immer, wirklich immer früher als alle anderen in der Redaktion. Über seine tief auf der Nase sitzende Brille mit den runden Gläsern wirft er mir einen leicht missbilligenden Blick zu.

Declan ist wie ich Junior Reporter. Er kommt mit einem Lederranzen zur Arbeit, und gestern hat er mit seinem Pullunder den Vogel abgeschossen. Ich glaube, er hält sich für einen Journalisten der 1940er. Aber ich hoffe ja auch, eines Tages den Pulitzer-Preis zu gewinnen, also haben wir weiß Gott beide unsere journalistischen Träume.

»Weiß ich«, entgegne ich. »Wie läuft’s denn mit deiner Story?«

Er schiebt seine Brille hoch. »Super. Nach dem Mittagessen ziehe ich los und interviewe die Kirchenmitglieder.«

»Sie haben auf deine Anfrage hin zugesagt?«

Er zögert, hebt dann aber das Kinn. »Das werden sie.«

Ich lächle angesichts seiner Entschlossenheit und öffne meinen E-Mail-Posteingang. Den Tag beginne ich immer damit, mich durch die ganzen offiziellen Memos zu arbeiten, die vom Chefredakteur und vom Managementteam kommen.

Heute ist die Liste kurz. Es gibt eine Info darüber, dass The New York Globe von Acture Capital, einer Risikokapitalfirma, übernommen worden ist. Die Ankündigung wird mit blumigen Worten beschrieben, aber beim Lesen beschleicht mich zunehmend Verzweiflung.

Alle Printmedien werden nach und nach von Investorengruppen aufgekauft, und wir wissen, wie die schlimmsten von ihnen mit Zeitungsunternehmen umgehen. Sie entlassen Mitarbeiter, erhöhen die Abopreise und lassen die Firmen ausbluten, bis sie pleitegehen.

Declan unterbricht mich bei meiner morgendlichen Lektüre. »Booker hat sich den Entwurf über den Johnson-Artikel durchgelesen, bei dem du gestern mitgeholfen hast.«

»Ach, wirklich?«

Er nickt, wirkt aber ausgesprochen selbstzufrieden. »Ja.«

»Hast du gesehen, wie sie ihn gelesen hat?«

»Jep.«

»Declan, bitte. Wie schien sie ihn zu finden?«

Endlich gibt er nach und dreht sich mit einem Schulterzucken zu mir um. »Sie sagte, er wäre ganz anständig.«

»Anständig«, keuche ich. »Wirklich?«

»Ja.«

Das hört sich nicht nach viel an, aber »anständig« bedeutet bei Booker im Prinzip so viel wie »großartig«. Tara Booker ist Redakteurin im Investigativressort und meine direkte Vorgesetzte, auch wenn sie sich sonst nur mit Reportern beschäftigt, vor deren Bezeichnung nicht das Wort »Junior« steht.

»Hast du Stellungnahmen von den Familienangehörigen der Opfer bekommen?«, fragt Declan.

Ich nicke. »Ja. Ich tippe heute noch alles ab.«

»Sollte eine gute Story werden«, erwidert er, und das ist das Freundlichste, was ich von Declan jemals zu hören bekommen habe.

Hallo? Habe ich heute Geburtstag?

Erst mal widme ich mich eine Stunde lang meinem Soloprojekt, einer Story, die ich schon seit Monaten verfolge. Es geht um eine Bodega in Queens, die gerade aufgrund von steigenden Mietpreisen illegal geschlossen werden soll. Die Betreiber hatten versucht, die Sache vor Gericht zu bringen, aber weil sie nicht die richtigen Papiere vorgelegt hatten – und kein Geld, um die Hilfe eines Anwalts zu bezahlen –, waren sie nicht mal über die erste Hürde gekommen. Also wird die Baufirma, die sie raus haben will, damit davonkommen.

Es ist die Art von David-gegen-Goliath-Story, die mein Blut zum Kochen bringt. Ich arbeite die ganze Mittagszeit hindurch. Die Worte sprudeln nur so aus mir heraus, und ich bekomme kaum mit, wie sich jemand an meinen Schreibtisch lehnt.

»Audrey«, sagt eine Frauenstimme scharf. »Machen Sie eine Pause.«

Ich blicke hoch. Neben mir steht Booker. Sie hat die Arme vor ihrer pfirsichfarbenen Bluse gekreuzt. Die Farbe betont ihren dunkelbraunen Hautton. Ihr Blick aus braunen Augen, mit dem sie in schöner Regelmäßigkeit erfahrene Reporter aufspießt, trifft mich.

»Ist gut«, sage ich. »Sowie ich die Protokolle meiner Interviews abgetippt habe.«

»Machen Sie jetzt eine Pause.« Ihr Ton duldet keinen Widerspruch. »Ich muss mit Ihnen reden.«

»Oh.« Ich schließe meinen Arbeitslaptop und drehe mich auf meinem Stuhl zu ihr um.

»Schlechte Neuigkeiten«, sagt sie. »Ihre Solostory wird auf Eis gelegt.«

»Wie … bitte?«

Sie legt den Kopf schräg, ihre Stimme klingt angespannt. »Ich wünschte, es wäre anders, aber das sind die neuen Anweisungen aus der Geschäftsleitung. Der Globe ist aufgekauft worden. Offenbar weht da oben jetzt ein anderer Wind.«

»Ich habe vorhin darüber gelesen … aber das ist doch sicher ein stiller Teilhaber, oder? Jemand, der nur mit im Vorstand sitzt?«

»Nein. Das Management wurde ausgetauscht. Seit zwei Tagen haben wir einen neuen Geschäftsführer.«

Ich sinke in meinem Stuhl zusammen. Mein Artikel … verloren. An den nächsten Goliath. »Wieso streichen sie meinen Artikel?«

»Es ist nichts Persönliches«, erwidert Booker, »aber die gesamte Berichterstattung aus Eigeninitiativen wurde auf Eis gelegt, solange die Geschäftsführung strukturelle Änderungen vornimmt.«

Der letzte Teil hört sich an, als würde er ihr sauer aufstoßen, und in ihren Augen erkenne ich stille Panik.

»Das wird schlimm«, mutmaße ich.

»Das könnte es werden«, stimmt sie mir zu, und ihre Offenheit ängstigt mich mehr als alles andere. Booker wirkte immer wie eine Königin auf dem Thron, die – stets ihrer Zeit voraus – die Storys wie eine Kommandantin auf ihre Legionen in der Redaktion verteilt.

»Jedenfalls ist das alles, was wir vorerst wissen«, sagt sie seufzend. »Es ist die Rede von der Streichung ganzer Abteilungen und jeder Menge Abfindungen, aber noch gibt es nichts Konkretes.«

»Ganze Abteilungen«, wiederhole ich ungläubig. »Aber das können sie doch nicht machen, oder?«

»Acture Capital hat den Mehrheitsanteil gekauft. Sie können mit dem Globe tun und lassen, was sie wollen.«

Ich öffne den Mund, aber ihr Blick hat sich auf einen Punkt hinter meiner Schulter geheftet. Ich drehe mich um und sehe, wie ein Mann mit einem Karton in der Hand den Flur entlangläuft. Aus dem Karton ragt ein Bilderrahmen.

»O Gott«, flüstere ich. Er ist gefeuert worden.

»Shit«, sagt Booker. »Das ist Phil, unser Musikkorrespondent.«

»Sie feuern jetzt schon Mitarbeiter?«

»Sieht so aus. Er ist seit Jahrzehnten hier.« Ihre Stimme klingt, als käme sie von weit entfernt, während sie auf die Tür starrt, hinter der Phil verschwunden ist. »Ich habe einen neuen Auftrag für Sie, Audrey.«

»Ach, ja?«

»Es ist nichts Extravagantes, und ich werde nicht so tun, als wäre es anders«, sagt sie so nüchtern wie immer. »Jemand muss den neuen Geschäftsführer für den Firmennewsletter interviewen.«

»Denjenigen, der für all das hier verantwortlich ist«, erwidere ich. »Richtig?«

»Ja.« Ihr Tonfall ist hart. »Die Geschäftsführung selbst hat es angeordnet. Etwas darüber, den neuen Manager der Belegschaft vorzustellen. Das soll zweifellos eine Lobeshymne werden, Audrey. Wahrscheinlich reden Sie nur mit einem Assistenten. Vielleicht gibt es sogar vorab aufgezeichnete Antworten.«

Ich nicke. Das ist Routinearbeit, ganz im Gegensatz zu meinem Soloartikel, aber ich bin Junior Reporterin und mache das. Ich werde alles an journalistischer Arbeit übernehmen, was sie mir geben. Aber es muss mir ja keinen Spaß machen. »Ich kümmere mich sofort darum«, sage ich.

»Gut. Man erwartet Sie oben im fünfzehnten Stock.«

»Jetzt gleich?«

»Jetzt gleich«, wiederholt sie grimmig. Kopfschüttelnd geht sie davon, und ich habe das Gefühl, dass sie noch jede Menge mehr über das neue Management zu sagen hätte.

Sie haben Phil entlassen. Sie haben meinen Artikel und die vieler anderer gestrichen, obwohl sie gar nicht wissen, worum es darin geht, sondern einfach einen generellen Stopp für die Eigeninitiativen aller Mitarbeiter ausgerufen.

Vielleicht würden bald komplette Abteilungen und ganze Teams Phils Schicksal erleiden.

Ich schnappe mir meinen Notizblock und mache mich auf den Weg Richtung Aufzüge. Kann sein, dass sie eine Lobeshymne erwarten, aber ich will verdammt sein, wenn ich dem neuen Geschäftsführer nicht wenigstens eine Frage darüber stelle, was hier vor sich geht. Mit trommelndem Herzen fahre ich in den fünfzehnten Stock hoch. Ich mache das gern: unbequeme Fragen stellen, um aufrichtige Antworten zu bekommen. Aber ich werde auch jemandem gegenübersitzen, dem jetzt die Firma gehört, für die ich arbeite.

Das ist die Realität.

Ein falsches Wort, und ich könnte die Nächste sein, die ihre Sachen packen und gehen darf. Nicht dass ich schon viele Dinge zum Packen hätte. Und wenn sie vorhaben, die Redaktion zu entkernen und den Globe zu verkleinern, werden Nachwuchsreporter sicher nicht oben auf der Liste derer stehen, die bleiben dürfen. Diese ganze Sache, mein Traumjob, der Beginn meiner beruflichen Karriere, all das könnte vorbei sein, bevor es überhaupt angefangen hat.

In der Vorhalle werde ich von einem Assistenten mit sanfter Stimme begrüßt. Ausweislich des Namensschilds auf seinem Schreibtisch heißt er Timothy und ist Empfangsmitarbeiter der Geschäftsleitung.

»Ich bin Audrey Ford«, sage ich. »Ich soll mit dem neuen Geschäftsführer ein Interview für den Firmennewsletter machen.«

»Ach ja. Danke, dass Sie so schnell kommen konnten«, erwidert Timothy. »Mr. Kingsley wartet schon hier im Zimmer nebenan auf Sie.«

Ich brauche einen Moment, um das zu verarbeiten. Also werde ich tatsächlich gleich dem neuen Geschäftsführer gegenüberstehen. Kein Redeschwall irgendeines Assistenten, keine vorab aufgezeichneten Antworten.

Ich umklammere meinen Notizblock wie einen Schild und gehe auf die geschlossene Tür zu. Durch zweimaliges Klopfen kündige ich mich an. »Audrey Ford aus der Investigativabteilung für das Interview!«

»Kommen Sie rein«, ruft eine Stimme.

Ich drücke die schwere Tür auf und betrete das lichtdurchflutete Büro. Der Geschäftsführer hat natürlich das beste Büro, denke ich. Typisch.

Dann erst bemerke ich, wer da hinter dem gläsernen Schreibtisch sitzt.

Kastanienbraunes Haar, das über einem kantigen Gesicht zurückgestrichen ist. Ein Mund, der wirkt, als wäre er immer bereit, jemanden zu bezaubern, ein Lächeln, das sich in den Augenwinkeln versteckt. Und vertraute goldbraune Augen, die mich anstarren.

»Carter?«, frage ich.

4

CARTER