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Dieses Buch basiert auf der Idee - zunächst nur zur Unterhaltung meines Schul-Kollegiums - satirische Sketsche zu verfassen, in denen ich mir mit Hilfe der Rolle des ewig grantelnden Käpt'ns, der seinen drei Enkelkindern ein Lügenmärchen nach dem anderen auftischt, meinen Frust an der heimatlichen Bildungspolitik und der damit zusammenhängenden Schulwirklichkeit von der Seele schrieb. In den Jahren 2007-2020 ist ein Großteil dieser kleinen Theaterstücke nicht nur entstanden, sondern auch in der Zeitschrift Der Leuchtturm erschienen, die von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bis zum Jahr 2020 für die ostfriesische Lehrerschaft herausgegeben wurde. Daraus habe ich eine Auswahl getroffen.
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Seitenzahl: 88
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Den Satiriker plagt die Leidenschaft, wenn irgend möglich das Falsche beim richtigen Namen zu nennen.
(Erich Kästner)
Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt (…) gegen alles, was stockt und träge ist.
(Kurt Tucholsky)
Oft ist Satire Wirklichkeit. Noch öfter ist jedoch die Wirklichkeit reinste Satire!
(Stefan Wittlin)
Während der drei Jahre, die ich als Auslandsschullehrer in Kapstadt verbrachte, fühlte ich mich in vielerlei Hinsicht befreit: Befreit von den Zumutungen der deutschen Schulbürokratie und befreit von den mit jedem Regierungs- oder Amtswechsel wechselnden Ansichten und Vorschlägen über die Ausgestaltung unseres Bildungssystems, die in der Regel von Politkern und Politikerinnen geäußert und umgesetzt wurden und werden, die meist ungetrübt von Sachkenntnis und geprägt von ihren ganz privaten Ansichten in ihr Regierungsamt gekommen sind. Zur Schule ist ja jeder schließlich mal gegangen!
Umso größer war der Schock bei der Rückkehr in den Schuldienst des Landes Niedersachsen. Und umso glücklicher war ich, als ich durch einen Zufall darauf gekommen war, für eine Weihnachtsfeier an meiner Schule in die Rolle des Käpt’n Blaubär zu schlüpfen. Dieser moderne „Lügenbaron“, der zur Unterhaltung von Kindern (und auch Erwachsenen wie mir) seit dem Jahr 1991 sein Seemannsgarn im deutschen Fernsehen spinnt, macht ja hin und wieder Anspielungen, die durchaus eine gewisse Gesellschaftskritik beinhalten, so wenn er zum Beispiel behauptet, ein „Walversprechen“ müsste man bekanntermaßen nicht einhalten. Der erwachsene Zuhörer denkt natürlich sofort an die übliche Nichteinhaltung von „Wahlversprechen“. Solchermaßen angeregt, kam ich auf die Idee – zunächst nur zur Unterhaltung meines Schul-Kollegiums – satirische Sketsche zu verfassen, in denen ich mir mit Hilfe der Rolle des ewig grantelnden Käpt’ns, der seinen drei Enkelkindern ein Lügenmärchen nach dem anderen auftischt, meinen Frust an der heimatlichen Bildungspolitik und der damit zusammenhängenden Schulwirklichkeit von der Seele schrieb. In den Jahren 2007 – 2020 ist ein Großteil dieser kleinen Theaterstücke nicht nur entstanden, sondern auch in der Zeitschrift „Der Leuchtturm“ erschienen, die von der Gewerkschaft „Erziehung und Wissenschaft“ bis zum Jahr 2020 für die ostfriesische Lehrerschaft herausgegeben wurde. Daraus habe ich eine Auswahl getroffen.
Damit dieses Bändchen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer anspricht, habe ich auf den Abdruck jener Sketsche verzichtet, die mir nach meiner Einschätzung zu berufsspezifisch erscheinen. So fielen der Streichung unter anderem mehrere Geschichten zum Opfer, in denen auf die Auseinandersetzungen zur Arbeitszeit von Lehrkräften eingegangen wird. Aber auch einen Blaubär-Text zum Thema „Bundeswehreinsatz in Afghanistan“, der durch den legendären Satz des Verteidigungsministers Peter Struck „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.“ initiiert wurde, fand keinen Eingang in meine Sammlung. Diese sollte überschaubar und zugleich thematisch zusammenhängend bleiben. So hoffe ich, dass der geneigte Leser oder die interessierte Leserin sich schmunzelnd, lächelnd und vielleicht auch einmal laut lachend, mit Hilfe der Käpt’n-Blaubär-Geschichten durch annähernd fünfzehn Jahre deutscher Bildungspolitik treiben lassen kann. Dass dabei das Lachen das eine oder andere Mal vielleicht im Halse stecken bleibt, ist unvermeidlich. Wie sagte Erich Kästner einst: „Dem Satiriker ist es verhasst, erwachsenen Menschen Zucker in die Augen und auf die Windeln zu streuen.“ Und weiter:
„Die satirischen Schriftsteller sind Lehrer. Pauker. Fortbildungsschulmeister. (…) Ja, und im verstecktesten Winkel ihres Herzens blüht schüchtern und trotz allem Unfug der Welt die törichte, unsinnige Hoffnung, dass die Menschen vielleicht doch ein wenig, ein ganz klein wenig besser werden könnten, wenn man sie oft genug beschimpft, bittet, beleidigt und auslacht. Satiriker sind Idealisten."
Käpt’n Blaubär und der Bi-Ba-Busemann
Käpt’n Blaubär und der Intelligenztest
Käpt’n Blaubär und die Schweinerei
Käpt’n Blaubär und die Delfine
Käpt’n Blaubär und die Gesamtschule
Käpt’n Blaubär hebt ab
Käpt’n Blaubär bleibt sitzen
Käpt’n Blaubär und die Vampire
Käpt’n Blaubär und die heilige Dreifaltigkeit
Käpt’n Blaubär und das Internetz
Käpt’n Blaubär und der Schummel-Erlass
Käpt’n Blaubär will Hein Blöd heiraten
Käpt’n Blaubär will Pirat werden
Käpt’n Blaubär und das liebe Gott
Käpt’n Blaubär und die Männerquote
Käpt’n Blaubär geht auf Klassenfahrt
Käpt’n Blaubär und die Sprachförderung
Käpt’n Blaubär erweitert den Bildungskanon
Käpt’n Blaubär versucht ein Comeback
Käpt’n Blaubär geht pleite
Hein Blöd kehrt zurück
Käpt’n Blaubär will auswandern
Blaubär: So liebe Kinder, nun wollen wir mal ein schönes altes Lied singen. Es geht ein Bi-Ba-Busemann in unserm Kreis herum, fidibum. Es geht ein ein Bi-Ba-Busemann in unserm Kreis herum. Er rüttelt sich, er schüttelt sich, er wirft sein Säcklein hinter sich. Es geht ein Bi-Ba-Busemann in unserm Kreis herum.
Enkel: Was singst du da, Opa? Können wir nicht etwas Modernes singen, nicht so ein Baby-Lied.
Blaubär: Was Modernes? Meint ihr z.B. was von den „Rolling Stones“, so was wie zum Beispiel „Angie“?
Enkel: „Rolling Stones“, wer soll das sein?
Blaubär: Ihr habt wirklich keine Ahnung von Pop-Musik! Aber lassen wir das. Habe ich euch schon erzählt, dass ich neulich vom Bi-Ba-Busemann eingeladen wurde?
Enkel: Nööö!
Der heißt allerdings nicht mehr Bi-Ba-Busemann, sondern hat sich umtaufen lassen.
Enkel: Wie heißt er denn jetzt?
Blaubär: Er nennt sich einfach nur noch Busemann.1 Und ihr
werdet’s nicht glauben. Er ist Minister geworden in Hannover.
Enkel: Minister, mit solch einem Namen? Opa, du willst uns wohl auf den Arm nehmen? Außerdem gibt es den Bi-Ba-Busemann doch gar nicht.
Blaubär: Erstens heißt er ja nur noch Busemann und zweitens habe ich ihn ja schließlich mit eigenen Augen gesehen. Ich bin doch sogar bei ihm gewesen!
Enkel: In Hannover?
Blaubär: Ja, in Hannover.
Enkel: Und was wollte er von dir?
Blaubär: Mich zu seinem Nachfolger machen.
Enkel: Zu seinem Nachfolger? Das sollen wir dir glauben, Opa? Du und Minister?
Blaubär: Ja, wenn ich es doch sage! Und wisst ihr, wie er das begründet hat?
Enkel: Natürlich nicht.
Blaubär: Er sagte, ich hätte viel Fantasie und könne mir so tolle Geschichten ausdenken. Das wäre genau das, was man als Minister brauche. Er spräche aus Erfahrung. Zum Beispiel müsse man jedes Jahr neue Geschichten erfinden, um zu erklären. warum immer weniger Lehrer eingestellt werden und trotzdem die Unterrichtsversorgung bei hundert Prozent bleibt.
Enkel: Und warum will er nicht Minister bleiben?
Blaubär: Er fühle sich zu etwas Höherem berufen, habe er gesagt. Und deshalb gehe er nach Berlin. Dort solle er die Mannschaft von Angie fit machen. Ich weiß zwar nicht, wer diese Angie ist, außer dass die Rolling Stones über sie gesungen haben, aber sie muss ein wirklich hohes Tier sein. Jedenfalls behauptet er, sein Fitness-Test2 wäre so gut angekommen, dass er jetzt Bundesgesundheitsminister werden solle
Enkel: Opa, Angie ist doch die neue Bundeskanzlerin und außerdem schwindelst du mal wieder.
Blaubär: Ich schwindel‘ nie, sonst hätte mich der Busemann ja nicht gefragt, ob ich sein Nachfolger werden will. Außerdem hat er noch einen Grund genannt, warum ich als Bildungsminister gut geeignet sei.
Enkel: Was kommt denn jetzt schon wieder für eine Lügengeschichte?
Blaubär: Lügengeschichte? Jetzt werdet ihr langsam unverschämt! Er hat gesagt, dass ich als Kapitän ja Erfahrung hätte mit dem Steuern von sinkenden Schiffen. Und das stimmt ja, oder etwa nicht?
Enkel: Wenn du so oft untergegangen wärst, wie du uns erzählt hast, Opa, wärst du doch gar nicht mehr am Leben!
Blaubär: Das liegt doch nicht an meinen Geschichten, die übrigens alle wahr sind. Das liegt an meinem genialen Talent als Überlebenskünstler. Und der Butzemann, äh der Busemann, hat gesagt, er bräuchte mich noch aus einem dritten Grund:
Enkel: Und der wäre?
Blaubär: Er braucht mich, weil ich einer der bekanntesten Nichtraucher bin.
Enkel: Aber das stimmt doch gar nicht, Opa. Du rauchst doch jeden Abend deine Pfeife.
Blaubär: Habe ich auch gesagt. Das wäre ihm egal, hat er gesagt. Wichtig sei nur, dass mich noch niemand rauchend im Fernsehen gesehen habe, also während meiner Dienstzeit gewissermaßen. Er hat nämlich wohl allen Lehrern untersagt, während der Dienstzeit zu rauchen.3
Enkel: Ist doch cool, dass er was gegen Drogen unternimmt.
Blaubär: Nun unterbrecht mich nicht dauernd. Ich werde ja noch ganz tüdelig! Er hat gesagt, ich müsste als Minister dafür sorgen, dass alle Abstell- und Nebenräume kontrolliert werden, weil die Lehrer dort immer heimlich rauchen würden, obwohl er es verboten hätte.
Enkel: Opa, das ist doch wieder gelogen! Das würden die Lehrer doch niemals tun. Die haben doch Angst ihre Pension zu verlieren, wenn sie gegen Gebote ihres Dienstherrn verstoßen.
1 Bernd Busemann, geboren im Emsland, CDU-Mitglied und Jurist, war von März 2003 bis Februar 2008 Kultusminister in Niedersachsen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen verbot er die weitere Gründung von Gesamtschulen.
2 Per Erlass wurde am 7. Oktober 2005 für alle Schülerinnen und Schülerinnen der Schuljahrgänge 1-10 die Teilnahme an einem Fitnesstest verpflichtend vorgeschrieben. Die GEW sprach von einer „Beschäftigungstherapie für Lehrer“.
3 Im Jahr 2005 wurde das Rauchverbot an den niedersächsischen Schulen eingeführt.
Enkel: Sag mal, Opa, warum bist du eigentlich doch nicht der Nachfolger vom Busemann geworden?
Blaubär: Tja, das ist eine lange Geschichte.
Enkel: Au ja, erzähl uns mal wieder eine Geschichte!
Blaubär: Wollt ihr die wirklich hören?
Enkel: Natürlich.
Blaubär: Aber nicht, dass ihr wieder behauptet, ich hätte alles nur erfunden.
Enkel: Ehrenwort, Opa, wir glauben dir alles.
Blaubär: Also, das war so. Kaum, dass ich in Hannover war, um dort meinen Dienst als Bildungsminister anzutreten, bekam ich fürchterliches Heimweh nach dem Meer und meinem Schiff.
Enkel: Das hätten wir dir gleich sagen können.
Blaubär: Nun unterbrecht mich doch nicht dauernd, ihr ollen Sabbel-Schnuten! Also, ich bin in Hannover und packe gerade meinen Seesack, weil ich diese große, graue Stadt mit einem Tempo von mindestens 20 Knoten wieder verlassen will, da kommt der Busemann in mein Hotel-Zimmer gesegelt und macht mir ein neues Angebot. Enkel: Was denn für ein Angebot?
Blaubär: Na, das will ich doch gerade erzählen. Er meinte, dass er sowieso viel lieber in Hannover bliebe, als zu Angie nach Berlin zu gehen, die wär’n ihm da alle viel zu langsam mit ihrem Reform-Tempo, und dass es aber schade sei, wenn ich mit meinen vielen Erfahrungen und Talenten gar nichts für die Bildung tun könne. Und deshalb schlug er mir etwas vor.
Enkel: Nun mach’s doch nicht so spannend, was schlug er denn vor.
Blaubär: Ja, er schlug mir vor, sofort in See stechen, um zu den berühmten Philologen-Inseln4 zu fahren.
Enkel: Zu den Philologen-Inseln? Leben da nicht so gefährliche Kopfjäger?
Blaubär: I-wo! Überhaupt nicht! Das sind ganz manierliche und gebildete Menschen, die da wohnen.
Enkel: Und warum solltest du da nun hinfahren?
Blaubär: Nun man nicht so ungeduldig, das kommt doch jetzt. Unser Freund, der Busemann, hatte nämlich gehört, dass die Bewohner der Philologen-Inseln eine Methode gefunden hätten, wie man gleich nach der Geburt bei den kleinen Kindern feststellen könne, was sie später für eine Schule besuchen sollten.