Ich fühle, was ich will - Julia Weber - E-Book

Ich fühle, was ich will E-Book

Julia Weber

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Beschreibung

Mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) zur selbstgesteuerten Gefühlskompetenz Woher kommen Gefühle? Was genau ist der Sinn und Nutzen von Gefühlen? Und wie können Gefühle besser wahrgenommen werden? Viele Menschen sind von "Gefühlsblindheit", der sogenannten Alexithymie, betroffen. Dabei handelt es sich um Schwierigkeiten bei der Identifikation und?/?oder der Beschreibung von Gefühlen. Julia Weber geht den Gefühlen mithilfe des Zürcher Ressourcen Modells (ZRM®) auf den Grund. Sie erklärt leicht verständlich und fundiert das Konzept der Alexithymie und ihrer Entstehung. Welchen Anteil haben das Unbewusste und der Verstand? Nach einem theoretischen Teil folgen zwei praktische -Trainingsabschnitte, die auf dem ZRM® basieren. Dabei werden im ersten Schritt Übungen erklärt, die die Gefühlswahrnehmung verbessern, und im zweiten Schritt folgen Übungen zur Verbesserung der selbstbestimmten Gefühlssteuerung. Für die zweite Auflage wurde der Inhalt aktualisiert. Die Arbeitsmaterialien zu diesem Buch können nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.

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Ich fühle, was ich will

Ich fühle, was ich will

Julia Weber

Julia Weber

Ich fühle, was ich will

Wie Sie Ihre Gefühle besser wahrnehmen und selbstbestimmt steuern

2., aktualisierte Auflage

Dr. Julia Weber

Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich

Spin-off der Universität Zürich

Scheuchzerstrasse 21

8006 Zürich

Schweiz

[email protected]

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Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

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Tel: +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images / CatLane

Gesamtgestaltung, Illustrationen und Umschlag: Claude Borer, Riehen

Format: EPUB

2., aktualisierte Auflage 2023

© 2017, 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96296-2)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76296-8)

ISBN 978-3-456-86296-5

https://doi.org/10.1024/86296-000

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Inhalt

Inhalt

Vorwort zur 2. Auflage

Einleitung

I Gefühlstheorie

Woher Gefühle kommen

Was Gefühle sind

Wie Gefühle Handlungen steuern

Schwierigkeiten mit Gefühlen

Die Entstehung der Gefühlsblindheit

Keine Gefühle

Nachteile der Gefühlsblindheit

II Gefühlspraxis

Gefühlswahrnehmung

Gefühlssteuerung

Literaturverzeichnis

Die Autorin

Hinweise zu Zusatzmaterialien

Für Verena, weil du immer für mich da bist.

Du bist zwar nicht auf meiner Haut, dafür tief in meinem Herzen.

Vorwort zur 2. Auflage

Am Ende dieses Buches, habe ich den Wunsch geäußert, dass dieses Werk dazu beitragen möge, dass immer mehr Menschen den Zugang zu ihren Gefühlen finden, den Umgang mit ihnen verbessern und ihre Lebensqualität dadurch steigern können. In den letzten sechs Jahren habe ich diesbezüglich viele positive Rückmeldungen erhalten – sei es per Mail, Telefon, in meinen Seminaren oder auch persönlich.

Auch freute ich mich sehr, als ich eines Tages eine Mail von Professor Michael Rufer und Professor Hans Jörgen Grabe in meinem Postfach fand. Sie sind die Herausgeber des deutschsprachigen Standardwerkes zur Alexithymie „Alexithymie: Eine Störung der Affektregulation. Konzepte, Klinik und Therapie“ (RUFER & GRABE, 2022). Wissenschaftlich interessierten Personen kann ich dieses Werk zur Vertiefung gerne empfehlen. Sie hatten mein Buch gelesen und fragten mich an, ob ich in der Neuauflage ihres Buches ein Kapitel schreibe. Mein Kapitel lautet „Selbstmanagement-Training bei Alexithymie: Das Zürcher Ressourcen Modell“ (WEBER, 2022). Ich freue mich, wenn dadurch die Methoden des ZRM® noch mehr im klinischen Bereich zur Anwendung kommen.

In dieser Neuauflage habe ich die Literatur zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen aktualisiert und auf den momentanen Stand gebracht. Bei meinen Recherchen ist mir ein Thema ins Auge gesprungen, auf welches ich in meinen Seminaren häufig angesprochen wurde: Was ist der Unterschied zwischen Alexithymie und Autismus? Deshalb habe ich dies im Theorieteil neu kurz thematisiert.

Über Kommentare und Anregungen zu diesem Buch freue ich mich sehr.

Moosleerau im Oktober 2023

Julia Weber

Einleitung

Mit diesem Buch möchte ich das Verständnis für die Welt der Gefühle verbessern. Für viele Menschen sind Gefühle ein Buch mit sieben Siegeln. Ihnen ist nicht klar, wie Gefühle entstehen, woher sie kommen und was der evolutionsbiologische Zweck der Gefühle ist. Gefühle sind nicht einfach nur um ihrer selbst willen toll, sie haben keinen Selbstzweck, sondern eine wichtige Bewertungsfunktion im Leben. Gefühle sind das Kommunikationsmittel unseres Selbst. Sie ermöglichen es, Entscheidungen auf der Basis der gesamten Lebenserfahrungen zu fällen und darauf aufbauend selbstbestimmte Ziele zu verfolgen. Dazu ist es notwendig, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und richtig deuten zu können.

Der Titel „Ich fühle, was ich will“ beinhaltet zwei Punkte. Erstens geht es darum zu fühlen, was man will. Also um das Wahrnehmen der eigenen Gefühle und darum, diese subjektiv richtig zu interpretieren. Wird beispielsweise ein negatives Gefühl wahrgenommen, ist es für Entscheidungen im Leben wichtig, unterscheiden zu können, ob es sich um Wut, Angst, Traurigkeit oder Müdigkeit handelt. Diese Unterscheidung ist auch für den Bereich der Kommunikation wichtig, insbesondere wenn es darum geht, mit dem Gegenüber über die eigenen Gefühle zu reden.

Das Wahrnehmen, Identifizieren und Kommunizieren der Gefühle fällt nicht allen Menschen gleich leicht. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass rund zehn Prozent der Normalbevölkerung gefühlsblind ist. Im Fachjargon wird von Alexithymie gesprochen. Gefühlsblinde Menschen haben Schwierigkeiten in der Wahrnehmung und / oder Versprachlichung von Gefühlen. Dieses Persönlichkeitsmerkmal wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt und wird seither rege beforscht.

Der zweite Punkt des Titels bezieht sich auf die Selbstbestimmung der eigenen Gefühlswelt. Er betrifft die selbstbestimmte Gefühlssteuerung, also die Fähigkeit, ein Gefühl wie beispielsweise Angst herunter zu regulieren und sich selbst zu beruhigen. Verfügt ein Mensch nicht über diese Fähigkeit, so nutzt es ihm recht wenig, wenn er gelernt hat, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und richtig zu interpretieren. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass dieser Mensch seinen Gefühlen ausgeliefert ist. Er bleibt in der wahrgenommenen Angst stecken und findet keinen Ausweg.

Dies ist kein „Fühl mal, spür mal“-Buch, es geht nicht darum, Gefühle um des Fühlens willen zu spüren. Wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen liefern ein wichtiges Fundament dieses Buches und meiner Arbeit als Coachin und Trainerin. Es ist mir wichtig, dass Sie, lieber Leser und liebe Leserin, die theoretischen Hintergründe der praktischen Methoden kennen und verstehen. Diese werden Sie vor allem im ersten Teil – der Gefühlstheorie – kennenlernen. In zweiten Teil – der Gefühlspraxis – geht es dann um konkrete Methoden, mit denen die Gefühlswahrnehmung, -identifizierung, -benennung und -steuerung trainiert und verbessert werden. Anhand von Lisa und Moritz, den Protagonisten dieses Buches, werden Sie die einzelnen Arbeitsschritte der Methoden kennenlernen, die Sie dann für sich selbst anwenden können. Alle Methoden, die ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, sind wissenschaftlich fundiert und sowohl im praktischen Einsatz als auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Es sind Methoden aus dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®; Storch, Krause& WEBER, 2022) oder Methoden, die im Rahmen der Arbeit mit dem ZRM® entwickelt wurden.

In meiner Tätigkeit als Coachin, Trainerin, Ausbilderin und Geschäftsführerin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation Zürich (ISMZ) arbeite und forsche ich mit dem ZRM® und schätze an dieser Methode vor allem die Klarheit und Struktur, insbesondere im Zusammenhang mit Gefühlen. Ich selbst hatte lange Zeit Schwierigkeiten in der Wahrnehmung von Gefühlen und im Umgang mit ihnen. Das Thema dieses Buches liegt mir daher sehr am Herzen, da gefühlsblinde Menschen häufig Probleme in der Welt der Gefühle haben und von ihrer Umwelt oftmals missverstanden werden.

Ich habe dieses Buch einerseits für Betroffene geschrieben, die den Zugang zu ihren Gefühlen und den Umgang mit ihnen verbessern wollen, und andererseits für alle Menschen, die an Gefühlen interessiert sind und sich in diese Thematik vertiefen möchten. Sei es aus reinem Interesse an Gefühlen oder weil sie gefühlsblinde Menschen besser verstehen wollen.

Die Welt der Gefühle ist kein Mysterium. Dank unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen lässt sich heutzutage deutlich erklären, was Gefühle sind, woher sie kommen und was der Sinn von Gefühlen ist. Es ist mir ein Anliegen, mit diesem Buch die Welt der Gefühle verstehbar und überschaubar zu machen. Der Umgang mit den eigenen Gefühlen ist wichtig für das Treffen von Entscheidungen und der Gestaltung des Lebens. Nur durch den Einbezug von Gefühlen kann es gelingen, ein selbstbestimmtes, zufriedenes und sinnerfülltes Leben zu führen.

Ich wünsche Ihnen spannende Erkenntnisse und viel Spaß beim Lesen!

Julia Weber

I Gefühlstheorie

Warum fühlen Menschen, und was ist der evolutionsbiologische Sinn von Gefühlen? Das Kapitel zur Gefühlstheorie gibt Ihnen einen Einblick in und einen Überblick über das große Feld der Gefühle. Zu diesem Zweck machen wir einen Ausflug in die Psychologie, genauer gesagt zu den Zwei-Prozess-Theorien, und widmen uns der Frage, woher Gefühle kommen und was Gefühle sind. Daraufhin betrachten wir die Bereiche des menschlichen Lebens, in denen Gefühle von Vorteil sind und berücksichtigt werden sollten. Sie werden drei Arten der Selbststeuerung kennenlernen und verstehen, welche Rolle Gefühle dabei spielen.

Mit diesen erworbenen Grundlagen wenden wir uns dann dem Thema „Schwierigkeiten mit Gefühlen“ zu. Manchen Menschen fällt die Wahrnehmung von Gefühlen und der Umgang mit ihnen leicht, manche Menschen tun sich damit schwer. Bei letztgenannten kann es sein, dass eine Gefühlsblindheit, die sogenannte Alexithymie, vorliegt. Sie werden erfahren, was wissenschaftlich unter Gefühlsblindheit verstanden wird und wie sie entsteht. Abschließend werden Sie die Nachteile der Gefühlsblindheit in verschiedenen Bereichen des menschlichen Lebens kennenlernen.

Woher Gefühle kommen

Jeder Mensch hat in seinem Gehirn zwei Systeme, die uns zur Verfügung stehen, um im Leben Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln. Diese beiden Systeme unterscheiden sich stark in ihren Arbeitsweisen, die auf hirnanatomisch verschiedenen Strukturen und Lagen beruhen (LeDoux, 2016). Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen ersten Überblick über diese beiden Systeme und deren unterschiedliche Arbeits- und Funktionsweisen, die wissenschaftlich gut untersucht sind (STORCH& ROTH, 2021; Stanovich, West& Toplak, 2014). Tabelle 1

Tabelle 1

Das eine System ist der Verstand, der allen bekannt ist. Mit dem Verstand können wir Aufgaben planen, zeitliche Abläufe berechnen und Vor- und Nachteile eines Verhaltens abschätzen. Der Verstand erinnert uns an Anstehendes und warnt uns bei Unvernünftigem. Wenn der Verstand arbeitet, ist uns dieser Vorgang bewusst. Haben wir mit dem Verstand etwas begriffen, so sind wir in der Lage, darüber mittels Sprache Auskunft zu geben. Wir können sagen: Ich habe mich dafür oder dagegen entschieden, weil... Bis der Verstand jedoch die Bewertung einer Sache oder den Vorschlag für eine Entscheidung schickt, kann einige Zeit vergehen. Der Verstand arbeitet langsam. Im schnellsten Fall vergehen 900 Millisekunden, bis er etwas begriffen hat. Es können aber auch Stunden, Tage oder Wochen vergehen, bis ihm klar ist, wie sein durchdachter Vorschlag lautet. Die Informationsverarbeitung dieses Systems ist seriell, das bedeutet, dass der Verstand immer nur eine Sache nach der anderen be- und verarbeiten kann. Am ehesten wird Ihnen diese Verarbeitungsweise klar, wenn Sie versuchen, gleichzeitig zwei Gedanken zu denken. Das geht nicht. Der Verstand arbeitet nach dem Motto: Immer schön eins nach dem anderen! Mithilfe des Verstandes ist es uns Menschen möglich, Dinge zu tun, nach denen uns eigentlich nicht der Sinn steht, die aber trotzdem gemacht werden müssen. Der Verstand lässt uns Zahnarzttermine vereinbaren, hilft uns bei unserer Steuererklärung und lässt uns regelmäßig Geld auf die Seite legen, damit wir in ein paar Monaten das neueste Smartphone kaufen können. Seine Bewertung erfolgt nach den Kriterien: Was ist richtig und was ist falsch. Hierbei spielen soziale und gesellschaftliche Normen und auch Erziehung eine entscheidende Rolle.

Das andere System ist das Unbewusste. Dieses System erledigt seine Aufgaben im Verborgenen, sodass wir davon kaum etwas mitbekommen. Wie sein Name schon sagt, arbeitet es unbewusst. Der Ausdruck „das Unbewusste“ löst bei Menschen die unterschiedlichsten Assoziationen aus: geheimnisvoll, Sigmund Freud, unbeherrschbar, esoterisches Zeugs, unbekannte Kraft, innerer Schweinehund und vieles mehr. In der Geschichte der Psychologie hatte das Unbewusste lange einen schweren Stand, und oftmals geriet man schnell in die Esoterik-Ecke, wenn man sich auch nur getraute, das Wörtchen auszusprechen. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei! Die Arbeit mit dem eigenen Unbewussten ist mittlerweile salonfähig geworden, auch wenn wir damit gerade erst am Anfang stehen (Storch, Krause& WEBER2022; STORCH& ROTH, 2021). Bedeutende Beiträge zu dieser veränderten Wahrnehmung und Neupositionierung des Unbewussten kommen aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen (Kahnemann, 2012; Deutsch, 2017; Baumeister& Bargh, 2014).

Das Unbewusste arbeitet extrem schnell. Es passiert etwas, und innerhalb von 200 Millisekunden ist eine Bewertung aus dem Unbewussten vorhanden. Diese Reaktionszeit konnte in Studien nachgewiesen werden (Ferguson& Porter, 2009; Wilson et al., 2000). Im Moment ihres Entstehens können Sie diese Bewertung allerdings noch nicht in Sprache fassen. Die Bewertungen des Unbewussten werden über die sogenannten somatischen Marker (Damasio, 2003) kommuniziert. Somatische Marker sind diffuse Gefühle und / oder Körperempfindungen. Diese werden beispielsweise als mulmiges Gefühl im Bauch, Freude im Herzen oder Kloß im Hals wahrgenommen und beschrieben. Mit diesen Signalen kommuniziert das Unbewusste seine Bewertung einer Situation, unsere Rolle dabei und den möglichen Ausgang der Situation. Diesen Kommentar generiert es aus sämtlichen Erfahrungen, die wir bereits in unserem Leben zu dem betreffenden Thema gesammelt haben. Es wird zwischen positiven und negativen somatischen Markern unterschieden. Tabelle 2 gibt Ihnen ein paar Beispiele für somatische Marker. Tabelle 2

Tabelle 2

Abbildung 1 Ansicht des menschlichen Gehirns mit den wichtigsten bewussten und unbewussten Zentren (aus Roth & Ryba, 2016)

Die Informationsverarbeitung dieses Systems ist parallel, das bedeutet, dass das Unbewusste in der Lage ist, mehrere Informationen auf einmal wahrzunehmen, zu verarbeiten und in seine Bewertung mit einzubeziehen. Wenn Sie beispielsweise einen Raum betreten, dann scannt dieses System die Umgebung auf verschiedenen Ebenen ab: Wie ist die Helligkeit und Temperatur des Raumes, wie ist die Einrichtung, welche Personen sind anwesend, und wie riecht es hier? Aber auch innere Zustände werden erfasst: Wie fühle ich mich, bin ich müde oder fit, hungrig, durstig, ausgeschlafen? Ist mir nach Reden zumute, oder will ich lieber meine Ruhe? Aufgrund der vielen gleichzeitig verarbeiteten Informationen erhalten Sie dann einen ersten Eindruck von der Situation, was sich im positiven Fall beispielsweise durch ein „Ach schön, hier fühle ich mich wohl“-Gefühl äußern kann, ohne dass Ihnen alle Gründe für dieses Gefühl bewusst sein müssen.

Das unbewusste System hat evolutionsbiologisch die eine große Aufgabe: uns möglichst sicher und wohlbehalten durchs Leben zu führen und dabei das momentane individuelle Wohlbefinden im Auge zu haben. Die unbewusste Bewertung erfolgt dementsprechend nach „mag ich“ und „mag ich nicht“ – was ist gut für mich und mein Wohlbefinden, und was ist schlecht für mich und mein Wohlbefinden. Diese Bewertungen können auch manches Mal den Bewertungen des Verstandes widersprechen.

Dank der bildgebenden Verfahren wie Hirnscan oder Magnetresonanztomographie ist es möglich, die beiden Systeme sichtbar zu machen und zu unterscheiden. Neurologisch betrachtet sitzt der Verstand im präfrontalen Cortex, direkt hinter unserer Stirn. „Der Cortex gilt als Entstehungsort von allem, was nach üblicher Meinung uns Menschen zu Menschen macht, nämlich Bewusstsein, Denken, Vorstellen, Erinnern, Handlungsplanung und Sprache“ (Roth& Ryba, 2016, S. 95). Ist Aktivität im Cortex zu verzeichnen, so sind diese Aktivitäten bewusstseinsfähig. Die Person kann dann Auskunft über ihre Gedanken, Gefühle und Ähnliches geben.

Neurologisch wird das Unbewusste in einem aus Sicht der Evolution sehr alten Hirnteil lokalisiert, den wir mit den Tieren gemeinsam haben. Es ist ein ausgedehntes Netzwerk von kleineren und größeren Hirngebieten, die mit Gefühlen zu tun haben (STORCH& ROTH, 2021). Diese Hirngebiete werden auch als limbisches System bezeichnet. Zu diesem System zählen unter anderem der Nucleus accumbens, die Amygdala, der Hippocampus und der Hypothalamus. Nach dem deutschen Hirnforscher Gerhard Roth ist das limbische System „(...) der Entstehungsort von Affekten, Gefühlen, Motiven, Handlungszielen, Gewissen, Empathie, Moral und Ethik, und damit diejenige Instanz, die weitgehend unsere Persönlichkeit bestimmt einschließlich unseres individuell-egoistischen und sozialen Handelns“ (Roth& Ryba, 2016, S. 129). Abbildung 1 gibt Ihnen einen Überblick, wo im Gehirn diese beiden Systeme angesiedelt sind. Abbildung 1

Von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass der Verstand nur wenige direkte Verbindungen zum Unbewussten hat. Umgekehrt kontrolliert und beeinflusst das Unbewusste die bewussten Ebenen jedoch stark. Die Großhirnrinde als Sitz von Verstand und Intelligenz hat also nur geringen Einfluss auf das limbische System als Instanz für das Unbewusste, die Gefühlssteuerung, Risikobewertung und moralisch-ethische Kontrolle. Der umgekehrte Einfluss kann dagegen massiv sein (STORCH& ROTH, 2021). Dies erklärt, warum vernünftige Ratschläge und Einsichten allein häufig nicht in der Lage sind, Menschen nachhaltig zu beeinflussen, während unsere Gefühle, besonders auch in Form von Stress, Angst und Schmerz, starken Einfluss auf unser Denken und Handeln haben können.

Während Ihnen nun die beiden Systeme und deren Funktionsweisen bekannt sind, schauen wir uns die Gefühle beziehungsweise die sogenannten somatischen Marker genauer an.

Was Gefühle sind

Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Gefühlen und somatischen Markern, und wie verwende ich sie in diesem Buch? In der Psychologie wird das Wort „Gefühl“ oft für bewusst erlebte angenehme oder unangenehme Empfindungen verwendet. Das Wort „Emotion“ wird synonym dazu eingesetzt. Ich benutze in diesem Buch das Wort „Gefühl“ als Oberbegriff für alle emotionalen Empfindungen, egal ob sie bewusst oder unbewusst sind. Auf der bewussten Ebene kann man mittels Sprache über die Gefühle Auskunft geben, auf der unbewussten Ebene geht dies nicht so einfach.

Um den Begriff des somatischen Markers zu erklären, der ursprünglich vom Hirnforscher Antonio Damasio (2003) stammt, machen wir einen kleinen Ausflug. Jede Erfahrung, die Sie in Ihrem Leben machen, wird in Ihrem Unbewussten abgespeichert und mit einer Markierung versehen. Erfahrungen, die für Ihr Wohlbefinden und Ihren Organismus positiv waren, werden mit einer positiven Markierung abgespeichert. Erfahrungen, die für Ihr Wohlbefinden und Ihren Organismus abträglich und negativ waren, werden mit einer negativen Markierung versehen. Das unbewusste Bewertungssystem befindet sich in einem evolutionsbiologisch sehr alten Hirnbereich. Bereits im Mutterleib werden im Unbewussten Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke gesammelt und als Bilder, Gerüche, Geräusche und Gefühle gespeichert. Wie ist die Nahrungs- und Sauerstoffversorgung im Mutterleib? Wie viel Stress hat die Mutter, wie viel Cortisol (Stresshormon) bekommt das Baby im Bauch ab? Wenn das Baby auf die Welt kommt, macht es weitere Erfahrungen, und jede einzelne wird im Unbewussten aufbewahrt und entsprechend markiert. Die Art, wie diese Bewertung und Abspeicherung erfolgt, ist recht einfach, da täglich tausende solcher Bewertungen vorgenommen werden. Die Fülle von täglichen Datensicherungen muss sehr schnell und effizient vor sich gehen. Das Erlebte wird lediglich im Hinblick darauf bewertet, ob es unserem Wohlbefinden zuträglich oder abträglich war (FRANZ& SCHÄFER, 2022). So kann unser Gehirn immer den bisher zuverlässigen und bewährten Weg finden und einschlagen und so das Überleben sichern. Im Unbewussten ruht ein schier unerschöpflicher Speicher an Wissen davon, was gut und was schlecht für uns ist.

Im Alter von circa zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren kommt der Verstand hinzu (Roth, 2019). Das bedeutet, dass der Cortex, in dem hirnanatomisch der Verstand angesiedelt ist, zu wachsen und sich zu formen beginnt. Der Moment der frühsten Kindheitserinnerung ist ein Anhaltspunkt für die Entwicklung des bewussten Bewertungssystems. Das Unbewusste arbeitet jedoch davon unbeeinträchtigt weiter und sammelt Erfahrung um Erfahrung. Bewusste und unbewusste Erfahrungen mit einer Situation werden getrennt voneinander gebildet und gespeichert (LeDoux, 2016). Kommt ein Mensch in eine neue Situation, so schaut das unbewusste System in seinem riesigen Erfahrungsspeicher, ob bisher im Leben schon einmal eine vergleichbare Situation erlebt wurde. Bewertungen setzen Erfahrungen voraus, die Sie zuvor bezüglich dieser oder einer ähnlichen Situation gemacht haben. Wenn Sie zu einer Situation noch keine Erfahrungen gesammelt haben, können Sie nur raten oder auch gleich eine Münze werfen. Wird jedoch eine vergleichbare Situation gefunden, so wird in einem zweiten Schritt geschaut, wie diese Situation in der Vergangenheit markiert wurde. Wurde diese positiv markiert, so wird Ihnen ein positiver somatischer Marker – ein gutes Gefühl – geschickt. Wurde diese negativ markiert, so wird Ihnen ein negativer somatischer Marker – ein schlechtes Gefühl – geschickt. Ein positiver somatischer Marker zeigt Ihrem Organismus an: Go! Alles in Ordnung, weiter so. Ein negativer somatischer Marker sagt Ihnen: Stopp! Warte! Da haben wir in der Vergangenheit keine gute Erfahrung gemacht.

Den hier beschriebenen Vorgang können Sie am Bespiel von E-Mails schön nachvollziehen. Sie bekommen von einer Ihnen unbekannten Person eine Mail, sagen wir von Herrn Müller. Bei der ersten Mail von Herrn Müller im Maileingang steht keine Gefühlsbewertung zur Verfügung, da Sie noch keine Erfahrungen mit ihm gemacht haben. Herr Müller löst höchstens ein Schulterzucken oder eine leichte Neugierde in Ihnen aus. Mit jeder neuen Mail von Herrn Müller sammeln Sie Erfahrungen. Je nachdem, wie der Mailverkehr mit Herrn Müller verläuft, kommt es zu einer blitzschnellen Bewertung des Unbewussten, wenn in Ihrem Maileingang eine neue Mail von ihm erscheint. Dabei müssen Sie die Mail noch nicht einmal gelesen haben. Absender und Betreff reichen schon aus für die Bewertung. War der Mailverkehr bisher eher kompliziert, nervig und zeitraubend, so schickt Ihnen Ihr Unbewusstes einen negativen somatischen Marker beim Eingang einer neuen Mail von Herrn Müller. War der Mailverkehr hingegen angenehm, bereichernd und interessant, so schickt Ihnen Ihr Unbewusstes einen positiven somatischen Marker. Abbildung 2

Abbildung 2

Diese Art der Erfahrungssammlung und -abspeicherung kann auch als Lernen bezeichnet werden. Roth und Ryba (2016) verstehen unter Lernen die Eigenschaft des Gehirns, das Verhalten den wechselnden Lebens- und Überlebensbedingungen sowohl kurz- als auch langfristig anzupassen. Lernen beruht auf der Bewertung von Erlebnissen und Verhalten im Hinblick auf die Sicherung des eigenen Lebens und Überlebens. Diese Bewertungsfunktion ist die Grundlage von Gefühlen und von Motivation als Verhaltensantrieb.

Korrekterweise müssten die somatischen Marker als somato-affektive Marker bezeichnet werden, da sie auf einer körperlichen und / oder affektiven Ebene auftreten können (Storch, Krause& WEBER2022