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Wer würde nicht gerne locker und eloquent smalltalken, unterhaltsam und spritzig präsentieren, souverän die nächste Gehaltserhöhung aushandeln? Wer kann sich selbst oder sein Produkt ganz gelassen verkaufen, überzeugt nein sagen oder empathisch zuhören? Dieses Buch stellt eine Methode vor, mit der jeder sein Repertoire deutlich erweitern kann. Im Gegensatz zu anderen Kommunikationsmodellen darf dabei jeder so bleiben, wie er ist, und lernt, Körper und Stimme wie ein Instrument einzusetzen. Was ist besonders? Mit diesem Buch erweitern Sie das Handlungsspektrum Ihrer Kommunikationsmuster Wer liest? • Alle, die sich für das Thema Kommunikation interessieren • Jeder, der auf der Bühne besser wirken will • Alle, die verhandeln müssen
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Das Buch
Isabel García lehrt in ihrer Ich REDE-Akademie seit Jahren überzeugendes Präsentieren und souveränes Auftreten. Dabei hat die erfahrene Rednerin festgestellt, dass ihre Kunden häufig an ihren eigenen Emotionen scheitern. Weil ihnen jeder sofort ihre Stimmungslage ansehen kann. Oder weil sie keinen Weg finden, aus gewohnten Kommunikationsmustern auszubrechen. Deswegen hat sie die elementaren Kommunikationstypen entwickelt. Mit diesem nach den vier Elementen organisierten Persönlichkeitsmodell können Sie nicht nur Stärken und Schwächen der eigenen Kommunikation erkennen, sondern auch bisher vernachlässigte Potentiale aktivieren. Denn wir alle haben jeden Kommunikationstypen in uns. Hier lernen Sie, auf das jeweils passende Element und damit auf alle Ihre Stärken zuzugreifen. Zum Buch gehört eine online abrufbare Videoreihe, in der Isabel García wichtige Gesten vorführt – ein essentieller Bestandteil Ihres zukünftigen Repertoires. Denn allein eine Geste löst sofort eine Emotion und damit die passende Mimik, Körpersprache, Stimme und Wortwahl aus. García zeigt zum Beispiel, wie man mit der Sympathie-Geste eine gute Zusammenarbeit erreicht. Andere Gesten helfen bei einem bewusst entspannten Auftreten oder beim Verhandeln. Mit dieser Methode können Sie Ihr Repertoire deutlich erweitern. Und im Gegensatz zu anderen Kommunikationsmodellen dürfen Sie dabei so bleiben, wie Sie sind.
Die Autorin
Isabel García, geboren 1969, studierte Gesang und arbeitete von 1997 bis 2007 als Radio- und Fernsehmoderatorin. Als ausgebildete Diplomsprecherin hört man sie in Werbung, Hörbüchern und Hörspielen. 2004 gründete sie ihr eigenes Lehrinstitut Ich REDE. Zu ihren Kunden gehören unter anderem Bertelsmann, Commerzbank, Otto Versand, Panasonic und Siemens. Isabel García lebt in Hamburg.
Isabel García
Ich kann auch anders
Von freundlich bis unbarmherzig – wie Sie das Repertoire Ihrer Kommunikationsmuster wirksam erweitern
Econ
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ISBN 978-3-8437-1373-3
© 2016 © der deutschsprachigen Ausgabe 2016 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Covergestaltung: FHCM GRAPHICS, Berlin
E-Book: L42 AG, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.
Der Morgen ist immer am schönsten. Da hat er seine Ruhe, und niemand nervt mit einem Bedürfnis nach Kommunikation.
Herr Stegmann sitzt an seinem Schreibtisch im Architekturbüro der Kraft GmbH im fünften Stock. In einem halben Jahr wird er die Führung eines völlig neuen Teams übernehmen. Herr Kraft möchte eine Abteilung ins Leben rufen, die nur umweltfreundliche, autarke Wohngebäude entwickelt. Und Herr Stegmann wird dieses Team leiten. Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet er ausgewählt wurde. Er ist einer der kreativsten Köpfe, die der Chef in seinem Unternehmen sitzen hat.
Nur deswegen wurde er ausgewählt. Bestimmt nicht, weil er gut mit Menschen umgehen kann. Die stille Übereinkunft ist allerdings, dass der Stegmann das noch lernen wird. Welcher Führungskraft wird schon Führung beigebracht. Das lernt man einfach so nebenbei, indem man es macht.
Zumindest ist es bei Herrn Kraft so gewesen, und er kam damit super klar. Herr Kraft sitzt im neunten Stock. Ein kleiner, älterer, weißhaariger Herr mit zig Familienbildern auf dem Schreibtisch von seiner Frau, seinen fünf mittlerweile erwachsenen Kindern und den drei Enkelkindern. Pino, Mali, Paula und Struppi nicht zu vergessen. Alle Hunde, die sie bisher schon hatten.
Auf dem Schreibtisch von Herrn Stegmann sind keine Fotos. Im Gegensatz zu seinem Chef herrscht bei ihm ein heilloses Durcheinander. Fotos würden ihn nur ablenken. Herr Stegmann nennt das Chaos eine kreative Ordnung, die allerdings nur er zu verstehen scheint.
Er ist völlig versunken in seine Arbeit, bis er auf einmal Gemurmel um sich herum wahrnimmt. Die Kollegen sind da. Er geht in die Küche und macht sich einen Kaffee. Allgemeine Berichterstattung, wie das Wetter am Wochenende war und warum und wieso und weshalb wer mit wem was und wie gemacht hat. Kommunikation eben. Anstrengend.
Herr Stegmann fokussiert den Kaffeeautomaten und überlegt kurz, ob er etwas dazu sagen soll. Herr Kraft meinte, er solle sich mehr öffnen und mehr aufs Beziehungskonto einzahlen, indem er sich häufiger mit den Kollegen unterhält. Gute Idee, nur interessiert ihn leider nicht, wie das Wetter am Wochenende war und warum und wieso wer mit wem was und wie gemacht hat. Während er auf den heißen Kaffee wartet, überlegt er immer mal wieder, wo er einsteigen und auch etwas dazu sagen könnte. Schließlich gibt er resigniert auf, lässt es bei dem gegrummelten Hallo in alle Richtungen bewenden und verschwindet mit dem dampfenden Kaffee in seinem Büro.
Es gibt viele gute Kommunikationsmodelle, mit denen Sie ergründen können, was für ein Typ Sie sind. Die Ihnen erklären, wie Sie Ihre Kunden in Kommunikationstypen aufteilen und jeweils angemessen ansprechen können. Sie können natürlich auch anhand solcher Modelle die oder den richtigen Lebenspartner auswählen. Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Wissen zu nutzen, und es gibt viele lustige Tests in Zeitschriften, viele gute Bücher über dieses Thema und sehr gute Trainer.
Warum also noch ein neues Modell auf den Markt werfen? Die Antwort ist zugleich einfach und komplex. Das Kommunikationsmodell, das ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, basiert zwar auf demselben Grundstein wie alle anderen. Doch dann schlägt es nicht nur einen anderen Weg ein, sondern geht auch ein paar Schritte weiter als alle bisherigen. Das Fundament ist dasselbe, das Haus ein völlig anderes: Es ist das Modell der Elementaren Kommunikationstypen.
Die Grundlage bildet, wie bei allen anderen Modellen zur Ermittlung der Kommunikationstypen, die Vier-Säfte-Lehre von Hippokrates von Kos. Das war ein griechischer Arzt, der 460 bis 370 vor Christus gelebt hat. Später wurde seine Lehre dann auch die Vier-Elemente-Lehre genannt und noch später die Temperamenten-Lehre.
Wie das Modell auch genannt wird, der Grundgedanke ist meistens folgender: Es gibt vier Temperamente von Menschen, die sowohl deren Charakter als auch deren äußere Erscheinung beschreiben. In vielen Modellen werden die Temperamente Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker und Choleriker genannt. Wobei der Sanguiniker als heiter und aktiv beschrieben und mit dem Saft des Blutes in Verbindung gebracht wird. Der Phlegmatiker ist dagegen passiv und schwerfällig und wird mit dem Saft des Schleims verglichen. Melancholiker sind traurig und nachdenklich und wurden mit der schwarzen Gallenflüssigkeit assoziiert. Und der Choleriker ist reizbar und erregbar, mit dem Vergleich zur gelben Gallenflüssigkeit.
Da es bei den meisten Modellen nur ein Entweder-oder gibt, wünschen sich viele spontan, ein Sanguiniker zu sein. Denn wer möchte schon schwarze oder gelbe Gallenflüssigkeit oder sogar Schleim sein? Wenn Sie derartige Kommunikationsmodelle gelernt haben, um Ihre Kunden schneller zu erkennen und passend anzusprechen, dann haben Sie jeden Kunden in eine dieser vier Schubladen gesteckt. Und sobald Sie analysiert haben, ob Ihr Kunde Blut, Schleim, schwarze oder gelbe Gallenflüssigkeit ist, gibt es bei den meisten Regelwerken eine Vorlage, wie welcher Typ gerne angesprochen werden möchte.
Vor allem bei Telefonzentralen sehe ich immer wieder vier verschiedenfarbige Zettel herumfliegen, auf denen steht, welcher Kommunikationstyp Smalltalk braucht und welcher ihn nicht ausstehen kann, wer bewundert werden möchte und wer klare Ansagen braucht. Danach enden viele dieser Denkmodelle. Was ich schade finde, weil es der persönlichen Weiterentwicklung wenig Raum lässt. Einfach nur zu sagen: »Du bist, was du bist!«, das ist mir zu wenig. Kommunikation kann mehr. Mehr noch: Sie und ich können mehr – mit den Mitteln der Kommunikation.
Auf dem festen Sockel der Lehre des Hippokrates von Kos steht jede Theorie zur Ermittlung der Kommunikationstypen. Jedes individuelle Theoriegebäude mit seinen praktischen Anleitungen ruht auf diesem Fundament.
Bei meinem Modell der Elementaren Kommunikationstypen hat ein Clown das Erdgeschoss gestaltet, während ich mich im ersten und zweiten Stock ausgetobt habe, bis mein Modell ausgereift war.
Der Clown hieß Frieder Nögge und lebte von 1955 bis 2001. Er arbeitete nicht nur mit weiß geschminktem Gesicht und rot geschminkten Lippen, sondern auch als deutscher Bühnenkünstler und Schauspiellehrer. Er kreierte etwas ganz Besonderes, indem er die vier ursprünglichen Temperamente nahm und sie mit den Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft verglich. Darüber hinaus dachte sich Frieder Nögge sechs Gesten aus, die er immer in derselben Abfolge durchspielte und mit jedem einzelnen Element verband, um die unterschiedlichen Charaktere zu üben.
Dem Clown ging es dabei nicht um die richtige Kundenansprache, sondern darum, alles und jeden auf der Bühne spielen und parodieren zu können. Das war für ihn der Sinn und Zweck hinter den Gesten. Und deshalb sind sie für uns auch so wertvoll.
Die Gesten lauten:
– Deuten,
– Innenraum,
– Zweifel,
– Antipathie,
– Sympathie und
– Neutral.
Diese sechs Gesten spielte er extrem und groß, wie wir es von einem Clown erwarten. Wenn er deutete, dann reckte er seinen Arm so weit nach vorne, dass er am Ende nur noch auf einem Bein stand und selbst dort ganz weit vorn auf den Zehenspitzen. Bei der Innenraum-Geste zog er sich in sich selbst zurück und machte gar keine Bewegung mehr. Beim Zweifeln hüpfte er von einem Fuß auf den anderen und schaute immer wieder von links nach rechts. Den Rest können Sie sich vorstellen.
Dieses Vorgehen bildete die Basis zur klassischen Konditionierung. Das ist die Technik, mit der viele Schauspieler Rollen einüben, die ihrem eigentlichen Naturell widersprechen. Sie dient dazu, eigene Verhaltensreflexe zu überwinden und durch andere zu ersetzen, die der Rolle entsprechen. Nur beim Üben machte Nögge die Gesten so groß. Später reichte es, wenn er an ein Element und eine Geste dachte, und schon hatte er die passende Stimmung in seinem Körper, in der Mimik und in der Stimme. Frieder Nögge führte eine Kleinkunstschule in Stuttgart und lehrte die vier Elemente in Kombination mit den sechs Gesten. Dort lernte sie auch die Schauspielerin Deirdre Goodman, und von ihr lernte sie mein Schauspiellehrer Jens Richter, der sie mir wiederum bei meinem Gesangsstudium in Hamburg beibrachte. Da Nögge nie ein erklärendes Sachbuch über die Elemente und Gesten geschrieben hat, gibt es bisher keine Literatur darüber.
Ich habe dieses Modell gelernt, damit ich melancholisch eine Liebesballade singen konnte, ohne selbst einen Kloß im Hals zu haben. Hätte ich an etwas Trauriges gedacht, um in die entsprechende Stimmung zu kommen, hätte das genau dazu geführt. Mit diesem Modell schaffte ich es also, mich traurig zu fühlen, ohne traurig zu sein. Ich schaffte es, mich fröhlich zu fühlen, ohne fröhlich zu sein. Eine wichtige Kompetenz für professionelle Bühnenpräsenz.
Nachdem ich im Anschluss an mein Studium jahrelang im Radio gearbeitet habe, fing ich an, Seminare zu geben. Und ich erlebte immer wieder, dass Mitarbeiter und Führungskräfte an ihren Emotionen scheiterten. Entweder, weil ihre Mimik wie ein offenes Buch war und jeder ihnen sofort ihre Stimmungslage ansehen und an der Stimme hören konnte. Oder weil sie aus gewohnten Kommunikationsmustern einfach nicht ausbrechen konnten und immer wieder an sich selbst scheiterten. Ich entwickelte daher das Modell von Frieder Nögge weiter und machte daraus ein Kommunikationsmodell. Mit dessen Hilfe lernten meine Teilnehmer, ihre Emotionen in wichtigen Situationen im Griff zu haben, ohne dabei ihre Authentizität zu verlieren. So albern sich manche Teilnehmer am Anfang auch vorkamen, umso begeisterter waren sie am Ende regelmäßig. Noch heute rufen mich Führungskräfte aus der ganzen Welt an und erzählen mir, wie gerne sie immer noch mit den Elementen arbeiten, selbst wenn das Training schon zehn Jahre her ist. Es ist ein machtvolles Werkzeug. Und in diesem Buch erfahren Sie, wie es funktioniert.
Vielleicht haben Sie sich schon gefragt, wie ich von Authentizität schreiben kann, wenn meine Theorie doch in hohem Maße von den Geheimnissen der Schauspielerei zehrt. Eine berechtigte Frage.
Genau an diesem Punkt habe ich mich vom Nögge-Modell verabschiedet. Ich bin der festen Meinung, dass wir alle jedes Element in uns haben. Sonst könnte auch der beste Schauspieler sie nicht überzeugend spielen. Wir leben sie nur nicht alle vier im selben Maße aus. Hinter der Floskel »Der hat auch gute Seiten« zum Beispiel steckt derselbe Gedanke: Wir alle tragen unterschiedliche Facetten in uns, die wir je nach Situation oder Lust und Laune hervorblitzen lassen. Mal freiwillig, mal unfreiwillig.
Ich stelle mir gerne vor, dass jedes Element ein Superheld ist, der mir hilft, wenn ich nicht weiterweiß. Ich fühle mich ausgenutzt? Dann kommt ein Superheld geflogen und setzt Grenzen. Ich fühle mich unsicher? Dann steht wie aus dem Nichts ein Superheld hinter mir und gibt mir Rückendeckung. Mir fehlen die Worte? Dann sitzt auf einmal ein Superheld neben mir und reicht mit einen Spickzettel. Ich fühle mich unendlich traurig? Dann reicht mir ein Superheld ein Taschentuch und nimmt mich tröstend in den Arm.
Jeder einzelne Superheld hat seine Stärken. Wie bei den Fantastischen Vier aus der Marvel-Comicreihe. Da gibt es Mr. Fantastic, der sich gummiartig verbiegen und verlängern kann. Die Unsichtbare kann um sich herum ein Kraftfeld erzeugen, das Geschosse abwehrt. DieMenschliche Fackel kann das Feuer kontrollieren, und Das Ding ist ein machtvolles Ungetüm aus Stein. Jeder dieser Superhelden hat seine individuelle Stärke, und gemeinsam sind sie in den Comics unschlagbar.
Natürlich hat auch jeder Superheld seine Schwächen. Deswegen sind sie allein verletzlich, weil sie dann vom Gegner genau dort angegriffen werden, wo es wehtut. Sind sie allerdings zusammen, dann gleichen die anderen diese Schwäche aus.
Wir tragen all diese Superhelden in uns. Und wie stark wir sind, in jeder beliebigen Situation, hängt allein davon ab, ob wir im richtigen Moment den richtigen davon zum Vorschein kommen lassen und einsetzen können.
Unsere Freundeskreise sind häufig ähnlich zusammengesetzt, ohne dass uns das bewusst wäre. Ich habe eine tolle Freundin, mit der ich immer jede Menge Blödsinn anstelle. Nach einem Tag mit ihr habe ich vor Lachen Bauchschmerzen. Dann habe ich eine Freundin, die ich immer anrufe, wenn ich traurig bin und emotional total im Eimer. Ein anderer Freund ist immer da, wenn ich mal zwei starke Arme brauche. Und dann habe ich noch einen Freund, der so viel Präsenz hat, dass ich von seinem Licht etwas abbekomme, wenn ich mit ihm eine Feier betrete. Mit der lustigen Freundin kann ich nicht so gut über meine melancholischen Tiefs reden, und mit der emotionalen Freundin fällt das Pferdestehlen schwer, weil sie dafür kein Verständnis hat. So gibt es für viele Facetten in mir die passenden Freunde und Bekannten, und alle zusammen bilden ein unschlagbares Isabel-Team, mit dem ich mich sicher und geborgen fühle.
Und genau so ein Team hat jeder von uns in sich. Wenn wir die vier Superhelden in uns zu koordinieren wissen, können wir auch allein stark sein – ein ganzer Kerl oder eine ganze Frau.
Ich verabschiede mich bei den Elementaren Kommunikationstypen somit vom Schubladendenken und entscheide mich: für alle. So wie ich es im Laden machen würde, wenn ich vier großartige Kleider sehe und auf keines verzichten will. Wenn ich sie mir leisten kann, dann nehme ich alle vier, denn jedes Kleid wird für ein anderes Event perfekt sein. Wenn sie günstig genug sind, warum soll ich mich dann entscheiden?
Auch bei den Superhelden bzw. den Elementen müssen Sie keine Entscheidung fällen. Da gibt es den Erde-Supermann, die Luft-Superfrau, den Feuer-Supermann und die Wasser-Superfrau, und Sie haben alle vier Superhelden in sich. Eine Führungskraft ist vielleicht im Büro eher trocken, sachlich und kurz angebunden und somit typisch Erde. Doch wenn ihr Team einen Termin nicht einhalten kann, dann geht sie cholerisch in die Luft und wird zum Feuer. Wobei sie zu Hause ganz entzückend mit dem kleinen Ziehsohn aus der ersten Ehe ihres Mannes mit der Modelleisenbahn spielt, für ihn in Kindersprache vor sich hin brabbelt und dabei komplett Luft ist. Und wenn sie den entscheidenden Anruf bekommt, dass ihr Vater nach langer Krankheit gestorben ist, dann wird sie ganz weich, traurig, nachdenklich und landet im Wasser.
Auch wenn Sie noch zweifeln: Lösen Sie sich von dem Vorurteil, dass Sie etwas vorspielen sollen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie jeden Superhelden in sich haben und deswegen auch aktivieren können. Wenn Sie etwas aktivieren, das schon in Ihnen ist, dann hat das mit Schauspielerei nichts mehr zu tun, und Sie bleiben bei einem authentischen Auftreten. Schon früher wurde die Temperamenten-Lehre als Persönlichkeitsmodell aufgefasst, und genau das ist sie auch.
Sie können an Ihrer Persönlichkeit arbeiten, indem Sie Ihre eigenen Stärken bewusster wahrnehmen und aktivieren. Natürlich nur, wenn Sie wollen. Sie können dieses Buch aus reinem Interesse lesen oder es nutzen, um sich weiterzuentwickeln, indem Sie sich noch besser kennenlernen. Und Sie können jederzeit bei anderen die richtige Ansprechhaltung finden. Sowohl privat als auch beruflich.
Wie schon angedeutet, hat jeder Superheld auch seine schwache Seite. Der Feuer-Supermann kann zum Beispiel begeistern, indem er den Funken überspringen lässt. Er kann aber auch bei einem cholerischen Anfall alles um sich herum niedermachen und nur noch verbrannte Erde hinterlassen. Die Luft-Superfrau ist sehr kreativ, hält jedoch leider auch unberechenbar ihr Meinungs-Fähnchen in den Wind und wird dadurch zum Luftikus, den keiner zu fassen bekommt. Der Erde-Supermann kann mit seiner ruhigen Art komplizierte, sachliche Zusammenhänge perfekt auf den Punkt bringen, doch er ist des Smalltalks unfähig, weil ihn solche Banalitäten wie das Wetter nicht interessieren. Und die Wasser-Superfrau bringt die Tiefe, die Weisheit und die Gefühle in Projekte und Gespräche. Das ist großartig. Allerdings ist sie dafür auch für viele der emotionale Abfalleimer und wird mit Problemen anderer Leute zugeschüttet, weil sie kein Stoppzeichen kennt.
Falls Sie sich in einer der obigen Beschreibungen wiedererkannt haben und sich nun fragen, ob Sie im falschen Körper geboren sind: Keine Sorge, alles in Ordnung. Ich habe die Riege der Superhelden deshalb in zwei Männer und zwei Frauen unterteilt, weil die Elemente Feuer und Erde die traditionell männlich assoziierten Anteile in uns verkörpern und die Luft sowie das Wasser die traditionell weiblich besetzten Anteile symbolisieren. Das bedeutet aber nicht, dass die Damen nur Wasser oder Luft sein können oder die Herren ausschließlich zu den männlichen Elementen greifen. Herrn Stegmann zum Beispiel lebt, wie Sie im nächsten Kapitel erkennen werden, bisher ein weibliches und ein männliches Element aus. Die Unterteilung nach Geschlechtern ist somit eine Unterteilung in die weiblichen und männlichen Anteile, die wir alle in uns haben.
Kein Superheld ist besser als der andere. Und am stärksten sind alle vier zusammen. Wobei es – mindestens für den Anfang – auch völlig ausreicht, wenn Sie zwei oder drei der Superhelden aktiv mit ihren Stärken nutzen. Wir wollen ja nicht gleich übertreiben. Es geht nicht darum, perfekt zu werden, sondern darum, sich selbst noch besser kennenzulernen, optimal auf andere zuzugehen und mit ihnen zu kommunizieren.
Fassen wir noch einmal zusammen: Wir haben alle Stärken in uns, von denen wir bisher dachten, dass nur andere sie hätten. Wir können unsere Stimmung wechseln und dabei authentisch bleiben. Und ganz wichtig ist, dass kein Superheld besser ist als der andere. Jeder hat seine Stärken und Schwächen.
Sie entscheiden aus dem Bauch heraus, mit welchen Helden Sie sich am wohlsten fühlen, und leben bewusst deren Stärken aus. Bei den früheren Modellen gab es häufig schon Antipathien zum Beispiel aufgrund der Bezeichnung »schwarze Galle«.
Ab sofort sind Schubladen passé, und Sie können bewusst von einer in die andere springen. Denn: Sie können auch anders.
Herr Stegmann hält das Pappmodell des neuen, autarken, umweltfreundlichen Hauses in beiden Händen. Er steht mit hochrotem Kopf breitbeinig über dem Papierkorb und überlegt, ob er es einfach dort reinfallen lässt. Am liebsten würde er es gegen die Wand knallen. Am meisten ärgert er sich, dass er den Bau des Modells an Frau Winter delegiert hat. An diese stumpfsinnige Melancholikerin, die mehr damit beschäftigt ist, über die Ungerechtigkeiten in der Welt nachzudenken, als mal so ein simples Pappmodell nach seinen Wünschen anzufertigen. Dabei hat er ihr doch genau erklärt, wie sie es machen soll, was die wichtigsten Bausteine sind und warum es für die Präsentation heute perfekt sein muss.
Er hat es ihr erklärt. Haarklein.
Warum macht sie dann alles falsch? Entweder ist sie zu blöd für diesen Job, oder sie hat ihm nicht zugehört, was auf dasselbe hinausläuft.
Oder war er vielleicht doch nicht in der Lage, es ausreichend zu erklären?
Er überlegt kurz, während das Pappmodell noch immer über dem Papierkorb schwebt.
Nein. Er hat es gut erklärt. An ihm liegt es nicht.
Doch nun hat er ein Problem. In fünf Stunden soll er Herrn Kraft und seinem Beraterteam dieses neue Modell präsentieren. Auf PowerPoint wollte er verzichten, weil er immer mit dem blöden Klicken und gleichzeitigen Reden und dem Erstellen der Folien völlig überfordert ist. Deswegen kam er auf die grandiose Idee, das fertige Modell im Mini-Format vorzuführen. Keine wirklich neue Idee, okay, aber etwas anderes ist ihm nicht eingefallen. Nur warum hat er diese Aufgabe delegiert? Warum hat er es nicht gleich selbst gemacht? Warum kann Frau Winter nicht einmal die Dramen des Lebens vergessen und vernünftig arbeiten?
Er stellt das Pappmodell mit Wucht auf den Schreibtisch. Dort lässt es die Unordnung noch ein wenig chaotischer aussehen. Stegmann seufzt tief und setzt sich auf seinen Schreibtischstuhl.
Was jetzt?
Ja, was jetzt? Der arme Herr Stegmann kann einem leidtun. Er hat zwei tolle Superhelden in hoher Ausprägung in sich, doch er lebt leider eher ihre Schwächen aus als ihre Stärken. Die Elemente Luft und Feuer sind stark ausgeprägt bei Herrn Stegmann. Großartige Superhelden: die Luftfrau und der Feuermann.
Luft ist sehr kreativ. Auch der Smalltalk ist eindeutig eine ihrer Stärken. Diese kleinen oberflächlichen Gespräche liegen ihr.
Das mit der Kreativität bekommt Herr Stegmann auch super hin. Dafür winkt bald die Beförderung. Doch den Smalltalk mag er gar nicht, obwohl es eine Stärke ist, die in ihm steckt. Auf Frau Winter hat er dagegen ohne Punkt und Komma eingeredet und sie damit völlig überfordert. Frau Winter bräuchte eine komplett andere Ansprache, und der Sprechdurchfall von Herrn Stegmann hilft ihr kein Stück, weswegen sie seine Aufgaben auch nicht korrekt umsetzt. Diese unklaren Ansagen sind in der Tat eine Schwäche von der Luft.
Vom Feuer lebt Herr Stegmann eher die cholerischen Wutanfälle aus und nicht die Kunst, andere zu begeistern, den Funken bei einer Präsentation förmlich überspringen zu lassen. Auch diese Stärke schlummert in ihm, doch er ist sich dessen überhaupt nicht bewusst.
Das Element Wasser lebt er so gut wie gar nicht aus, weswegen ihm auch Gespräche mit Frau Winter schwerfallen, die im beruflichen Alltag definitiv stark Wasser ist. Solange er nicht ihre Sprache spricht bzw. die passende Ansprechhaltung findet, wird sie ihn weiterhin falsch verstehen.
Ich will hier keine Verantwortung verteilen, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass Herr Stegmann dies ändern könnte, wenn er es ändern wollte. Und zwar ohne sich zu verbiegen und ohne Schauspielerei.
Auch zum vierten Element Erde hat er kaum einen Bezug. Schade, denn Erde kann sachliche Inhalte sehr schlüssig präsentieren und erklären und ist der Weltmeister in Konflikten, um nur einige Stärken zu nennen.
Kein Problem, Herr Stegmann kann auch mit zwei Superhelden glücklich werden und eine gute Führungskraft abgeben. Dafür wäre es allerdings wichtig, sich aller Stärken bewusst zu werden, die schon in ihm schlummern. Und natürlich auch aller Schwächen, damit er in so einer Situation bewusst einem anderen Superhelden die Führung übergeben kann.
Bei seinem Wutanfall hätte es ihm schon sehr geholfen, wenn er bewusst in das Element Luft gegangen wäre. Luft bringt mehr Leichtigkeit. Luft ermöglicht das Querdenken. Luft steigert die Kreativität, die er für die Neuerstellung der Präsentation definitiv braucht. Luft schmollt mal kurz wie ein kleines Kind, aber dann sprüht es wieder vor Ideen, Leichtigkeit und Lebenswillen. Es wäre ein Leichtes, dieses Element zu aktivieren, um aus dem Feuer rauszukommen, welches ihm bei Konflikten überhaupt nicht hilft. Bei der Präsentation hingegen könnte das Feuer ihm helfen, damit er sowohl ohne PowerPoint als auch ohne Papp-Haus begeistern und überzeugen kann.
Das alles sind authentische Facetten von Herrn Stegmanns Persönlichkeit, die er im Moment leider noch nicht auslebt, weil er sich dieser Stärken überhaupt nicht bewusst ist.
Bevor ich Ihnen erkläre, wie Sie ganz leicht von einem Element und somit von einer Emotion bzw. einer Stärke zur anderen kommen, schauen wir uns erst einmal die Elemente im Einzelnen an. Sie dürfen während des Lesens gerne überlegen, welche Elemente wohl in welcher Ausprägung in Ihnen schlummern. Und lassen Sie sich dabei nicht irritieren, wenn Sie sich nur in ein paar Facetten eines Elements wiederfinden. Selbst ein paar kleine Facetten zeigen deutlich, dass Sie dieses Element nutzen. Wer vor lauter Wut ein Papp-Haus gegen die Wand knallen kann, der kann auch bei einer Präsentation begeistern. Beides ist Feuer. Es ist ein Element, das nur darauf wartet, voll ausgelebt zu werden. Es wäre doch schade, wenn Herr Stegmann und Sie auch weiterhin nur die Kehrseite der Medaille ausleben würden.
Bei den Beschreibungen der Elemente werde ich mich nur auf jeweils ein Element konzentrieren. Ich mache also nur die Schublade Erde oder die Schublade Wasser oder die Schublade Feuer oder die Schublade Luft auf. Und dann werde ich nur über das reden, was in dieser einen Schublade drin ist, damit Sie einen guten Eindruck von diesem einen Element bekommen.
Da wir alle mehrere Elemente im täglichen Leben nutzen, brauchen Sie keinen Respekt davor zu haben, in so einer Schublade zu versinken. Wenn die Erde keinen Smalltalk mag, dann gehen Sie später einfach in das Element Luft und bekommen es mit Leichtigkeit hin. Wenn das Wasser mal wieder in einem Problem ertrinkt, dann wechseln Sie in Erde, um sich mit den sachlichen Fakten über Wasser zu halten und eine Lösung zu suchen. Es steckt alles in Ihnen. Und wie Sie den Schritt vom einen ins andere schaffen, zeigen ich Ihnen später.
Behalten Sie das im Hinterkopf, wenn ich Ihnen nun in typischer Schubladendenken-Manier die einzelnen Elemente vorstelle. Über diese extrem fokussierte Vorstellung, was in jeder einzelnen Schublade drin ist, können Sie erstens leichter entscheiden, welche der Elemente Sie schon leben. Zweitens bekommen Sie über diese überzogene und klischeehafte Vorstellung sofort ein klares Bild von jedem Element. Je stärker diese Bilder sind, desto leichter können Sie sich daran erinnern und das Bild immer dann aktivieren, wenn Sie Hilfe von diesem Superhelden brauchen.
Auch wenn das Leben eine große Grauzone ist, so ist es lerntechnisch schlau, im ersten Schritt mit Klischees und übertriebenen bildhaften Vorstellungen zu arbeiten. Und genau damit fange ich jetzt an.
In meiner Kindheit habe ich viele Erde-Männer getroffen, die als Landwirte gearbeitet haben. Sie kamen mit ihrem Trecker vorbeigefahren, hielten an, setzten sich mit meinem Vater auf die Bank, tranken ein Bier und einen Korn und beantworteten alle Fragen so wortkarg wie möglich. Fragte mein Vater: »Und? Wie geht es?«, dann kam gerne mit einem neutralen Gesichtsausdruck die Antwort: »Ja, muss ja. Die Kartoffeln bekommen grade zu wenig Wasser. Das vertrocknet alles auf den Feldern, wenn es nicht bald wieder regnet.« Oder: »Ja, muss ja. Es ist trocken, und wir können die Ernte ohne Unterbrechung reinholen.« Es spielte keine Rolle, ob der Antwortende glücklich oder traurig war, der neutrale Gesichtsausdruck blieb derselbe.
Wobei Erde auch ein Meister des trockenen Humors ist. Fragte meine Mutter den Landwirt Reinhard, wie es ihm gerade ging, dann meinte er häufig: »Nicht so gut. Die Rinder wurden alle am Hals operiert.« Meine Mutter schaute ihn dann ganz bekümmert an und fragte: »Echt? Und? Haben sie es überlebt?« – »Nein. Alle gestorben.« Sprach's mit neutralem Gesichtsausdruck und hielt sein Glas hin, um noch einen Korn eingeschenkt zu bekommen.
Erst ein paar Jahre später hat meine Mutter dann endlich verstanden, dass mit der Halsoperation die Schlachtung gemeint war. Für Reinhard muss es innerlich ein Fest gewesen sein, meine Mutter so hinters Licht zu führen, doch an seinem Gesichtsausdruck war das nicht zu erkennen.
Ähnliches berichtet die Glücksexpertin Maike van den Boom von den Finnen. Sie bereiste für ihr Buch Wo geht's denn hier zum Glück? die 13 glücklichsten Länder der Welt – darunter auch Finnland. Was manchen wundern mag, denn für ihre Fröhlichkeit sind die Finnen ja nicht unbedingt bekannt. Auch die Autorin kam ins Zweifeln, als sie einen jungen Finnen vor laufender Kamera befragte: Sind Sie glücklich? Ihr Gesprächspartner schaute mit Pokerface in die Kamera und meinte: »Ja.« Als er auch nach einer quälend langen Pause nichts mehr hinzufügte, fragte Maike, wie glücklich er sich einschätzen würde auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 total unglücklich sei und eine 10 mega-glücklich bedeuten würde. Wieder schaute der junge Mann neutral in die Kamera, überlegte kurz und meinte: »8,4.« Was im internationalen Vergleich übrigens eine sehr hohe Zahl ist, an welche die meisten Deutschen nicht heranreichen. Trotzdem verzog der junge Mann dabei keine Miene. Als die Autorin die Aufnahme später einem Fernsehsender zeigte, erklärte ihr der Redakteur, das könne man so nicht senden. Der junge Mann sehe schließlich kein bisschen glücklich aus.
Oh, doch. Nur in Erde-Manier. Bei einem großen Unternehmen wurde mal eine Dame in mein Kommunikationsseminar geschickt, weil sie sich zu wenig der Blümchensprache bediente. Sie saß vor mir und sprach unglaublich klar und kam sehr schnell auf den Punkt. Dies wird bei Männern häufig nicht nur akzeptiert, sondern auch als Stärke angesehen. Nur war diese Dame eindeutig eine Frau und von denen wurde in diesem Unternehmen mehr Weichheit erwartet. Daher sollte sie lieblicher, weicher und einfühlsamer mit ihrem Team reden. Sie sah mich mit bittendem Blick an und bat mich, ihr zu zeigen, wie sie häufiger um den heißen Brei herum reden könne, damit sie als weiblicher und weicher wahrgenommen werden könne. Diese Frau war und ist weiblich. Nur schnörkellos, klar und direkt im Erde-Kostüm.
Was assoziieren wir mit Erde? Fruchtbare Muttererde, Wüste, wenig Emotionen, eine solide deutsche Eiche, Souveränität, Bewegungslosigkeit, Sachlichkeit, Stärke, Garten, Sturheit, etc. Sehr widersprüchliche Aspekte, und doch ist das alles wahr und gehört zum Konzept der Erde dazu. Ihnen fallen bestimmt noch viele weitere Assoziationen ein; vor allem, wenn Sie jemanden kennen, der Erde ist.
Ob nun Mann oder Frau: Nach der Erde sehnen wir uns alle. Er kommt und hilft uns in jeder Situation. Er stellt sich zwischen uns und das Problem, und allein dadurch wird alles gut. Er ist ein Rudelführer, der Ruhe ausstrahlt und Souveränität. Sie ist die Chefin, die sich bei einer erhitzten Diskussion in einem Meeting die ganze Zeit zurücklehnt und nur die Beobachterin spielt. Bis zu dem Moment, wo sie aufsteht, was alle anderen verstummen lässt, und kurz sagt: »Vorschlag A fand ich gut, das machen wir. Was der Meyer gesagt hat, geht im Moment noch nicht, aber da sollten wir am Ball bleiben. Und alles andere können Sie in die Tonne treten.« Sprach's und verließ den Konferenzraum. Sie ist keine Frau vieler Worte, weil für sie in solchen Situationen auch kein ausschweifender Wortsalat angebracht ist.
Er ist der Nachbar, mit dem man – wortkarg – Pferde stehlen kann. Der immer da ist und immer zur Stelle, wenn Not am Mann ist. Mit diesem Freund können Sie zusammen schweigen, bis der Arzt kommt. Es mag langweilig aussehen, aber der Erde-Supermann langweilt sich nicht. Er denkt nach oder genießt auch mal die Leere im Kopf. Denn Leere schafft Ordnung.
Was ich persönlich übrigens gut nachvollziehen kann. Je minimalistischer Sie leben, desto leichter fällt es, den Überblick zu behalten. Ich besitze zum Bespiel kaum Gegenstände. Jeder, der meine Wohnung zum ersten Mal betritt, fragt mich, ob ich gerade eingezogen bin oder schon alles für den nächsten Umzug eingepackt habe. Ich besitze keine Schränke, weil ich nichts besitze, was ich da reinstellen könnte. Im Schlafzimmer gibt es ein Bett und eine Kommode. Im Wohnzimmer ein Sofa mit einem Couchtisch und noch einen Esstisch mit zwei Stühlen. Im Badezimmer nur zwei kleine spanische Nachttische und im Flur: gar nichts. Dadurch ist ein Frühjahrsputz sehr simpel und schnell erledigt. Wenn ich etwas nicht finden kann, gibt es nur wenige Suchmöglichkeiten. Ist meine Kommode voll, sortiere ich aus und verschenke einiges. Ich empfinde meine Wohnung so als sehr gemütlich, und die Ordnung verschafft meinem Kopf Ruhe, da nirgendwo Putz- oder Aufräumbaustellen auf mich warten.
Diese minimalistische Ordnung genießt die Erde auch im Kopf. Schön aufgeräumte Gedanken, solide in Schubladen verpackt, und wenige störende Emotionen.
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