Ich liebe wie ich will - Horst Werner - E-Book

Ich liebe wie ich will E-Book

Horst Werner

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Beschreibung

Ich liebe wie ich will! Nymphoman, pervers, sexuell unersättlich - die junge, hübsche Gaby weiß selbst nicht genau, ob man sie aufgrund ihrer plötzlich aufkommenden Neigungen zu sexuell Neuem so bezeichnen kann. Obwohl sie mit Bernd eine glückliche Ehe führt, überkommt sie das Verlangen nach sexuellen Spielen besonderer Art. Unterstützt wird ihr Drang nach anderen Männern durch die Tatsache, daß Bernd durch die Vorstellung, Gaby würde es mit einem anderen tun, über alle Maßen erregt wird - die eheliche Krise ist vorauszusehen! Ob stehend im Fahrstuhl, im Auto während einer Faschingsfete oder mit zwei Männern gleichzeitig - Gaby scheint hemmungslos alle sexuellen Variationen kennenlernen zu wollen. Sie durchbricht sowohl gesellschaftliche als auch ihre eigenen moralischen Tabus und ist letztendlich hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu Bernd und den unglaublich reizvollen Spielen, die andere Männer ihr bieten …

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Das Titelbild steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches.

eBook-Ausgabe 09/2016 © Carl Stephenson Verlag GmbH & Co. KG, Schäferweg 14, 24941 Flensburg Alle Rechte vorbehalten einschließlich der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien E-Mail: [email protected] Internet: www.stephenson.de Besuchen Sie uns auf www.stephenson.de Ein großes erotisches Verlagsprogramm erwartet Sie dort. eISBN 9783798607927

Ich liebe wie ich will

Horst Werner

Bernd stand einsam am Fenster. Die Zigarette drehte er versonnen zwischen seinen Fingern, vom Nikotin gelb gefärbt. Er hatte viel geraucht heute abend. Viel geraucht und nachgedacht. Nachgedacht über Gaby; seine Frau. Das hieß, war sie überhaupt noch seine Frau?

Gaby war heute abend nicht hier. Sie würde auch morgen abend nicht hier bei ihm sein. Und auch übermorgen nicht. Der unendlich traurige Ausdruck ihres Gesichtes, die fast flehentlich bittenden Augen waren das letzte gewesen, was er von ihr gesehen hatte. Sie war gegangen, und er wußte, daß es richtig war. Sie war gegangen, und er hätte nichts lieber getan, als sie in die Arme zu nehmen, sie zu bitten, daß sie doch bei ihm bleiben möge. Doch er konnte nicht. Er wußte, daß es zwischen ihnen stehen würde. Er wollte ihr verzeihen. Wie gerne hätte er ihr verziehen, doch es ging nicht. Seine Erziehung, sein Stolz, seine zutiefst verletzten Gefühle ließen nicht zu, daß aus dem Trümmerhaufen, zu dem ihre Ehe geworden war, etwas Neues entstand. Eine Brücke der Zuneigung und vor allem des Vertrauens.

Nein, Gaby war weg, und es war richtig so. In seinem Schmerz erkannte er, daß es trotz allem so sein mußte. Trotz ihres traurigen Ausdrucks, trotz ihrer flehentlich bittenden Augen verschwommen von stillen Tränen mit denen sie vor der offenen Tür stand, um sie dann doch zu schließen. Grußlos und für immer. Was hätte sie auch sagen sollen? Zu viele Worte hatten die Brücke, die einmal dagewesen war, zerstört. Streit und Vorwürfe, gegenseitige Vorwürfe hatten, zerstörerisch wie Hammer und Meißel, diese Brücke der Gefühle eingerissen. Die Tür war ins Schloß gefallen, und Bernd hatte sich umgedreht, hatte sich eine Zigarette angezündet und war zum Fenster gegangen. Er sollte noch viele Zigaretten rauchen heute abend. Rauchen und Nachdenken. Paßte sich das Wetter seiner Stimmung an? Oder ließ ihn seine Traurigkeit das Wetter draußen vor dem Fenster so grau, so öd, so traurig erscheinen? November. Der Monat der Traurigkeit, der Schwermut, des endgültigen Abschieds?

Das Kaminfeuer wütete, schien ihnen seine Hitze entgegenschleudern zu wollen. Bernd rauchte. Er rauchte viel. Zu viel, fand Gaby, seine hübsche, junge Frau. Seit vier Jahren waren Gaby und Bernd Nickel ein Ehepaar. Ein Paar waren sie schon um einiges länger. Genaugenommen kannten sie sich seit nunmehr sieben Jahren. In einer Discothek war die dunkel-blonde, sechzehnjährige Gaby dem zwei Jahre älteren Bernd damals aufgefallen. Ein wenig albern war sie ihm schon vorgekommen, aber mit einer traumhaften Figur und üppigen, festen Brüsten, die beim Tanzen keck nach dem Rhythmus der Musik mitschwangen, als wollten sie sich selbständig machen und einen eigenen, überaus erotischen und anziehenden Tanz vollführen. Die Bluse war oben gerade so weit aufgeknöpft, daß man nicht sicher war, ob es einfach nur Koketterie oder aber bewußte Provokation war. Für Bernd war es eine Provokation. Eine Provokation, die seine männlichen Instinkte anstachelte und ihn mit unsichtbaren Klauen in ihre Nähe zog, ihn verschwommen seine Aufforderung zum Tanz sagen hören und ihn dummes, sinnloses Zeug plappern ließ. Sicher, sie kicherte etwas albern, aber Bernd wollte ja auch etwas anderes. Er wollte noch mehr dieser Knöpfe offen sehen. Er wollte, daß diese Brüste, die scheinbar ein Eigenleben führten, sich ihm offenbarten. Er wollte sie fühlen und schmecken, wollte mit ihnen spielen und sie sich immer wieder ansehen. Stundenlang. Er wollte die Nippel liebkosen, sie küssen und beißen, mit seinen Zähnen hineinbeißen und ihnen

Schmerz zufügen. Aber nicht grausamen Schmerz, sondern süßen, wollüstigen Schmerz. Einen Schmerz, den diese Brüste genießen würden, den sie brauchten, der sie in immer höhere Sphären des Empfindens treiben würde und nach dem eine verspielte Zärtlichkeit in sie zurückkehren würde. Aber Gaby verwehrte ihm dieses Erlebnis. Sie tanzte mit Bernd, unterhielt sich und flirtete mit ihm.

Aber als sie sein Angebot, sie nach Hause zu fahren, abgelehnt hatte und allein in den letzten Bus gestiegen war, da waren ihm nur ein schöner Abend und ein flüchtiger Kuß auf die Wange zum Abschied geblieben. Die Knöpfe hatten sich aber noch nicht für ihn geöffnet. Noch nicht.

Das nächste Treffen war nicht mehr zufällig. Eine unausgesprochene Verabredung war zwischen ihnen geblieben und hatte sie am nächsten Abend wieder in das `Crazy Horse‘ geführt. Aus einem flüchtigen wurde ein intensiver, leidenschaftlicher Kuß, und beim Tanzen rückten ihre Körper enger zusammen. Doch auch an diesem Abend stand Bernd an der Bushaltestelle und winkte seiner neuen Freundin nach. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Bernd in Gabys kindischem Verhalten den Versuch erkannte, die eigene Unsicherheit zu verbergen und Gaby wiederum Bernd nicht mehr als Anmachertyp einstufte. Der letzte Bus fuhr schließlich ohne Gaby ab, und Bernds gebrauchter VW Golf war stiller Zeuge einer sich langsam festigenden Liebe. Nachdem anfänglich harmlose Schmuserei vor Gabys Elternhaus das einzige war, was der Wagen für sich behalten mußte, wurden Bernds Hände langsam, aber stetig und hartnäckig zu diesen üppigen Brüsten hingezogen. Eines Abends hatte sich ein Teil seiner Wünsche erfüllt. Die Knöpfe der Bluse waren geöffnet, und mit geschlossenen Augen empfand Gaby, was Bernds Hand in ihrer Bluse anzurichten vermochte. Langsam, stöhnend stieß sie die Luft aus ihrem halbgeöffneten Mund und wußte in diesem Moment, daß diese Hände auch andere Teile ihres Körpers erforschen durften. Doch Bernd traute sich an diesem Abend nicht, weiter zu gehen.

„Meine Eltern sind heute abend bei Freunden eingeladen. Dort wird es immer sehr spät. Manchmal übernachten sie sogar dort. Du kannst also ruhig noch ein wenig mit hinaufkommen.“

Das Poster von Broke Shields aus ‚Die blaue Lagune‘ hing über einem Bett, in dem sich zwei nackte Körper aneinanderschmiegten.

„Ich bin noch Jungfrau, Bernd.“

„Was?“

„Ja, ehrlich. Ich habe noch nie mit einem Jungen geschlafen.“

„Das glaube ich nicht. Das heißt, das kann ich nicht glauben.“ Bernd war ehrlich überrascht. „Ein Mädchen, das so aussieht wie du, so angezogen ist. So wie du dich gibst, wie du tanzt, deine Clique. Ich meine... Ich meine, das kann ich mir irgendwie einfach nicht vorstellen. Ehrlich, du meinst, du hast wirklich noch nie etwas mit einem anderen Mann gehabt?“

Er merkte, welch wirres Zeug er redete. Die Überraschung war viel zu groß gewesen. An so etwas hatte er überhaupt nicht gedacht. Aus irgend welchen Gründen hatte er diese Überlegung noch nie angestellt. „Es ist aber so. Siehst du, ich bin eben schüchtern. Das mag vielleicht komisch klingen, aber so einfach ist das. Ich habe auch ehrlich gesagt nie die Gelegenheit dazu gehabt. Weißt du, meine Eltern sind da sehr streng. Einen Jungen mit aufs Zimmer zu nehmen... die wären glatt ausgeflippt.“

„Ja, aber...“

Sie ließ ihn nicht ausreden, wußte, was er meinte: „Natürlich hatte ich schon einige Freunde. Aber wir haben nur rumgeknutscht. Ehrlich, sonst war da gar nichts.“

Bernd fühlte sich plötzlich unbehaglich. „Und wenn sie jetzt kommen? Ich meine, deine Eltern?“

Gaby lachte verschmitzt auf: „Ich habe dich nicht beschummelt. Sie sind heute abend wirklich bei Freunden in Mainz. Das sind sechzig Kilometer von hier. Mein Vater trinkt in geselliger Runde gerne mal etwas. Dann fahren sie nicht mehr heim.“

„Weißt du das genau, oder glaubst du das bloß?“ „Sie haben mir gesagt, daß sie erst morgen Mittag wiederkommen.“ Gaby lachte wieder dieses spitzbübische Lachen: „Und daß ich brav sein soll!“ Nun lachte auch Bernd. Er strich über ihr Haar, liebkoste ihre Lippen: „Aber das scheinst du nicht vorzuhaben, glaube ich“, neckte er sie.

Diese üppigen, festen Brüste erlebten all das, was sich Bernd damals in der Disco vorgestellt hatte. Wenig später ergoß sich Bernd in seiner geliebten Freundin, und Gabys Atem, die Ruhe, die sie plötzlich überfiel, zeigten ihm, daß auch sie an dem Punkt angelangt war, dem sie beide zugestrebt waren. Sein Kopf lag auf ihrer Brust. Verträumt sah er zur Decke. Gaby strich ihm sanft übers Haar, küßte seine Stirn.

„Es war unheimlich schön. Ich bin froh, daß ich mir heimlich die Pille habe verschreiben lassen. Karin, du kennst sie ja, hat mir erzählt, daß es bei ihr überhaupt nicht schön war. Es hat weh getan und war unheimlich schnell vorbei. Ich bin so froh, daß es bei uns so schön war. Ich hab‘ dich lieb.“

Wieder fanden sich ihre Lippen zu einem zärtlichen, verspielten Kuß.

„Karin hat wohl schon viele Freunde gehabt? Ich meine, sie hat schon mit vielen Jungs geschlafen?“ „Karin?“ Gaby lachte amüsiert. „Karin lebt nach dem Motto: Ein Abend ohne gebumst zu haben ist ein verlorener Abend. Ja, Karin hat schon viele gehabt. Obwohl sie einen festen Freund hat. Einen Studenten.“ „Warum willst du nicht wissen, ob ich schon mit anderen Mädchen geschlafen habe?“

„Du bist immerhin achtzehn, hast ein Auto und siehst gut aus. Warum solltest du also nicht schon andere Freundinnen gehabt haben? Aber wenn du es unbedingt hören willst: Hast du schon mit anderen Mädchen was gehabt?“

„Ja. Das heißt, nicht so, wie du dir das vorstellst.“ „So. Wie stelle ich mir das denn vor?“

„Meine erste Freundin war siebzehn. Ich war damals sechzehn. Wir haben nach einer Party miteinander geschlafen. Auf der Toilette, im Hause meines Freundes. Es war wie bei Karin zu kurz. Ich konnte mich nicht beherrschen. Meine zweite Freundin, das war ein Jahr später, hieß Britta. Wir gingen fünf Monate zusammen. Britta hat mir viel beigebracht. Sie war damals schon ganz schön erfahren auf dem Gebiet. Aber sie hielt es wie deine Freundin Karin. Sie war ein Flittchen.“ Bernd hatte Mühe, den Zorn, der immer, wenn er Britta erwähnte, in ihm hochstieg, unter Kontrolle zuhalten. Das war ja auch erst ein gutes Jahr her, und die Wunde war noch nicht verheilt, der Nerv lag noch offen.

„Sie hat mich betrogen, nicht nur einmal, und sie fand gar nichts dabei. Ich will Spaß haben, ich bin jung,‘ hat sie mir gesagt, als ich etwas merkte. Sprechen wir nicht mehr darüber.“

„Ich werde dich nie betrügen“, schwor Gaby. Und sie meinte es wirklich ernst.

Gabys Eltern gewöhnten sich langsam an den Freund ihrer Tochter. Ein solider junger Mann, Großhandelskaufmann in einem angesehenen Nahrungsmittelkonzern, dessen Zentrale in der Stadt lag. Drei Jahre später heiratete Bernd Nickel seine Verlobte Gaby, geborene Mronsky.

Dezember. Es war nicht nur die Hitze, es war auch der Anblick der Flammen, deren Schatten sich überall im Zimmer brach. Der offene Kamin sorgte für eine mollige Wärme im Wohnzimmer. Sie hatten ausgesprochenes Glück gehabt, diese Wohnung zu mieten. Es war eine Einliegerwohnung in einem neuen Haus am Rande der Stadt. Es war eine ruhige Wohnung. Ihre Vermieter sahen Gaby und Bernd selten. Er war oft auf Geschäftsreise, und seine Frau wohnte dann bei ihren Kindern. Sie hatten die Einliegerwohnung nur gebaut und vermietet, um dem Haus ständig den Anschein des Bewohntseins zu geben. Das Ehepaar Nickel war oft allein dort. Die Einliegerwohnung hatte zwei Zimmer, Gästezimmer und Schlafzimmer sowie das Bad im Souterrain und ein schönes Wohnzimmer mit Essküche im Erdgeschoss. Holzdecken, gekachelte Fußböden mit Fußbodenheizung und im Wohnzimmer ein offener Kamin hoben den Standard der Wohnung weit über das hinaus, was man für eine vergleichbare Mietleistung woanders bekommen würde. Aber den Vermietern ging es ja nicht darum, aus der Wohnung Profit zu schlagen, sondern sie sahen in ihren Mietern eine Art Hausmeister.

Gaby hatte mit ihrem guten Geschmack und ihrer Liebe zum Detail das ihrige dazu getan, um durch Möbel und gezielte Accessoires ihre kleine Wohnung zu einem gemütlichen Heim zu formen. Überhaupt hatten Bernd und Gaby Nickel bisher immer Glück gehabt. Sie führten eine harmonische Ehe und unternahmen viel zusammen. Bernd machte als Kaufmann Karriere und hatte es schon zum Abteilungsleiter für ein kleines Verkaufsgebiet gebracht. Und auch die Bürogehilfin Gaby verdiente mit. Sie arbeitete im Großraumbüro einer Leasingfirma. Das Einkommen der beiden ermöglichte ein Leben, wie es sich ein junges Paar nur wünschen konnte, und es reichte darüber hinaus noch, um genügend zu sparen, damit sie in einigen Jahren selbst als Bauherren ein schmuckes Häuschen in Angriff nehmen konnten.

„Ich habe heute Karin wiedergetroffen. Du, stell dir vor, sie arbeitet wieder in der Boutique in der Hauptstraße. Sie war aber sehr niedergeschlagen. Sie hat mir erzählt, ihr Mann wolle sich scheiden lassen. Schrecklich, nicht wahr?“ erzählte Gaby ihrem Mann.

Bernd hatte gemütlich in seinem Schaukelstuhl gesessen und gelesen. Er blickte über die Zeitschrift hinweg zu seiner Frau, senkte jedoch gleich wieder den Kopf und murmelte, als ob er zu sich selbst sprechen würde: „Ein kluger Mann, scheint mir.“

„Ach, Bernd, komm, ich weiß ja, daß du Karin nicht leiden kannst. Aber mir tut sie leid.“

„Und ihr Mann. Tut der dir auch leid?“

„Du bist ungerecht.“

„Nein, bin ich nicht. Aber sei doch mal ehrlich. Die ist doch mehr fremdgegangen als sonstwas. Das geile Biest hat doch jeden Mann angemacht. Mir tut der Mann leid. Denk besser mal an den. Der muß sich doch vorkommen wie ein Depp.“

„Du hast ja recht.“

„Ebend“, fiel ihr Bernd ins Wort. „Also wenn ich er wäre, hätte ich ihr schon lange in den Arsch getreten.“

… aber ob du es glaubst oder nicht, Karin liebt ihren Mann!“

„Wenn sie nicht gerade mit einem anderen bumst.“ Gaby zog die Augenbrauen hoch. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß sie sich ärgerte: „Das ist gemein. Du hast nie versucht, Karin auch nur im geringsten zu verstehen. Du machst es dir einfach. Man kann doch nicht alles nur auf diesen einzigen Punkt reduzieren. Das Bett ist doch nicht alles!“

„Du mußt es ja wissen.“ Bernd war dieses Thema lästig. Er solidarisierte sich mit Karins Ehemann, und überhaupt interessierte ihn das Ganze nur herzlich wenig. Das alles war doch lediglich Karins Problem; er begann weiterzulesen. Gaby jedoch wurde von Minute zu Minute zorniger. Sie registrierte zwar, daß Bernd an diesem Gespräch kein sonderliches Interesse hatte, aber sie ließ nicht locker. Die arrogante Art und Weise, mit der Bernd das Thema abhakte, ärgerte sie maßlos.

„Danke für das Kompliment“, nahm sie den Faden wieder auf, „Karin ist meine Freundin und damit basta“, schrie sie nun fast heraus.

Gut, Karin war vielleicht nymphoman oder vielleicht nur mannstoll. Aber sie fand, Bernd mache es sich zu einfach. Auch wenn Karin ein Mann nicht genügte, so liebte sie ihren Mann doch trotzdem und litt unter der jetzigen Situation. Bernd war für so etwas einfach nicht sensibel genug.

„Hat sie dich vielleicht auch angemacht“, fragte sie plötzlich und nun mit einem seltsamen Unterton. „Karin? Die blöde Kuh? Nein, da könnte ich mir was Besseres vorstellen.“

„Nur vorstellen?“ bohrte sie nach.

„Was heißt nur vorstellen?“ Bernd hatte im Moment noch keine Antenne für den lauernden Unterton, mit dem ihn Gaby provozierte. Er konnte sich nicht denken, auf was sie aus war.

„Na, ich meine, kannst du dir wirklich nicht vorstellen, einmal fremdzugehen? Ich meine, nicht nur so, sondern konkret? Mit einer bestimmten Person, aus einer bestimmten Stimmung heraus?“

Bernd blickte wieder hoch. Umständlich zündete er sich eine Zigarette an. Er sog den Rauch tief ein, fast schien es, als wolle er ihn schlucken. Doch dann blies er ihn langsam, genüßlich wieder aus. Er schaute dem Rauch nach, der sich auflöste, zu einer diffusen Wolke wurde und sich schließlich ganz im Raum verlor. Nein, es war kein Abend, um sich zu streiten.

„Natürlich kann ich mir vorstellen, mit einem anderen Partner ins Bett zu gehen. Ich meine, wirklich vorstellen“, sagte er langsam, fast abwägend. Es schien, als wiege er die Bedeutung des Wortes ab, um von vornherein auszuschließen, daß es zu Mißverständnissen kam.

„Ich meine, mit der Zeit legt sich das erotische Empfinden, wird stumpf. Der Reiz des Neuen geht verloren. Die Unsicherheit geht verloren. Erinnerst du dich noch an unser erstes Mal? Weißt du noch, wie du mir über den Bauch, den Nabel gestrichen hast? Ich war so nervös, meine Bauchmuskeln haben sich verkrampft. Wie hast du damals darüber gelacht. Ich war so erregt, so nervös. Heute passiert mir das nicht mehr. Unser sexuelles Zusammensein hat sich geändert. Es ist vertrauter geworden. Sicher, du erregst mich noch immer, aber es ist nicht mehr die gleiche Erregung, wie sie es am Anfang war. Darum kann ich mir schon vorstellen, daß ich dieses Gefühl gerne noch einmal erleben würde. Aber es ist eben nur eine Vorstellung, eine Phantasie, nichts weiter.“

„Nichts weiter?“

„Nein, natürlich nicht. Zwischen Vorstellung und Realität ist doch ein großer Unterschied. Ich setze doch nicht für ein flüchtiges Gefühl meine Ehe aufs Spiel.“

„Das heißt, du würdest es vielleicht schon tun, wenn du keine Gefahr für unsere Ehe sehen würdest?“ „Ich weiß gar nicht, was deine Fragerei soll. Wir sprachen doch von Karin. Und die vögelt doch mit jedem, der ihr über den Weg läuft. Das ist ja wohl ein Unterschied.“

Bernd merkte, daß ihn ein unangenehmes Gefühl beschlich. Er konnte sich partout nicht vorstellen, was Gaby mit dieser Fragerei bezweckte. Wollte sie vielleicht seine Treue testen? Er hatte seine Frau noch nie betrogen. Dazu war er nicht der Typ. Sicherlich, hin und wieder traf er schon eine Frau, die ihn sexuell anzog. Aber mit ihr ins Bett zu gehen, nur aus einer momentanen Lust heraus? Nein, dazu war er nicht der Typ.

Aber Gaby war fasziniert von diesem Thema. Obwohl sie merkte, daß er dieses Thema nur halbherzig aufgriff, war es so etwas wie ein innerer Zwang, was sie dazu brachte, das Gespräch nicht abbrechen zu lassen. Sie fühlte, wie ihre Gedankenspiele sie erregten. Und da n war da natürlich noch das andere. Das Geheimnis. Ihr Geheimnis.

„Nimm doch mal als Beispiel die Karin“, fuhr sie fort. „Gut, sie betrügt ihren Mann. Aber ich weiß, daß sie ihn trotz allem liebt. Ich meine, man kann das Gefühlsmäßige zwar nicht ganz vom rein Körperlichen trennen, aber wenn ich wirklich nur die mechanische Lust haben will, dann brauche ich doch den entsprechenden Bettpartner nicht auch zu lieben?“

„Aber gerade darum geht es doch!“

Bernd war überrascht von der Vehemenz, der Leidenschaft, mit der Gaby dieses Gespräch führte. Dies war kein Gespräch, wie sie es normalerweise führten. Gaby wollte irgendetwas damit bezwecken, aber was? „Du gehst doch nicht mit einem wildfremden Mann ins Bett, wenn er dir nicht gefällt.“

„Natürlich nicht, aber...“

„Na siehst du. Er muß dir also gefallen, er muß dich erregen. Sein selbstsicheres Auftreten, seine Erscheinung, irgend etwas muß dich doch erregen, dich neugierig machen. Da hast du also dein Gefühl, das du abstreiten willst.“

Er redete am Thema vorbei, wollte oder konnte nicht auf die Schiene kommen, die für sie so wichtig war. Ihr Geheimnis. Sie sprang auf. Er wollte nicht, er zeigte keinerlei Bereitschaft, auf ihre Erklärung einzugehen. Beinahe wütend stapfte Gaby einige Schritte vorn Kamin und von Bernd weg in die Mitte des Raumes, nur um sich dann doch wieder umzudrehen. Im Stehen sagte sie: „Aber das ist doch keine Liebe. Sieh doch mal. Karin sieht einen Mann, der ihr gefällt. Sie geht mit ihm ins Bett und hat eine schöne Zeit. Danach vergißt sie es wieder. Vergißt ihn wieder. Und danach hat sich auch an den Gefühlen zu ihrem Mann nichts geändert. Sie liebt es, wenn sie abends mit ihrem Mann zusammen ist. Sie schmusen, erzählen und was weiß ich noch. Ich meine, sie kann und will das eine von dem anderen trennen.“

Langsam setzte sie sich wieder. Ihre Blicke trafen sich für einen langen Augenblick, verweilten ineinander. Sie merkte, daß sie Bernd nun endlich dazu gebracht hatte, darüber nachzudenken. Ernsthaft nachzudenken. Und wieder trafen sich ihre Blicke. Gaby las in Bernds Augen die Neugierde. Die Neugierde, mehr zu erfahren. Er wollte, daß seine Frau ihm ihren Standpunkt deutlicher machte. Ja, seine Neugierde war endlich geweckt, und er wollte nun genau, sehr genau erfahren, wie seine Frau über all das dachte. In seinem Kopf bildete sich langsam und sehr diffus ein leiser Verdacht, der aber noch keine Form annahm. Herr Kommissar, was soll diese Frage? Das alles las Gaby aus seinen Augen, und sie spürte förmlich die Aufforderung weiterzusprechen.

„Weißt du... Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Es ist... Du hast vorhin das mit dem Reiz des Neuen, mit der Neugierde beschrieben, die mit der Zeit verlorengeht. Vielleicht empfindet jeder diesen Verlust anders, oder besser intensiver. Vielleicht gibt sie der eine, ohne es groß zu merken oder darüber nachzudenken, auf. Der andere empfindet diesen Verlust. Empfindet ihn fast schmerzhaft. Ja, schmerzhaft ist vielleicht das richtige Wort. Auf alle Fälle finde ich, daß du Karin nicht einfach in einen großen Topf mit einer ordinären Nutte stecken solltest.“

„Hast du mich betrogen?“ Fast schneidend fuhr Bernds Frage zwischen sie. „Bis du fremdgegangen?“ wiederholte er heftig.

Die Frage schien Gaby völlig unvorbereitet zu treffen, schien sie wie einen Boxer nach einem schweren Hieb taumeln zu lassen. Mit allem hatte sie gerechnet. Mit einer zynischen Bemerkung über ihre Freundin. Mit einer lang ausholenden moralischen Gegenrede, mit allem. Aber nicht mit dieser Frage.

Ihr Geheimnis. Sie spürte, wie eine tiefe Röte aus ihrem Herzen hochstieg, ihr Gesicht überzog und spürte, daß Bernd ihre Verlegenheit bemerkte. Schlage einen Haken, Hase. Schlage einen Haken, sonst packt er dich mit einem Satz!

„Quatsch. Natürlich nicht! Kann man mit dir nicht mal über ein solches Thema sprechen, ohne daß du gleich dumme Anspielungen machst?“

Ihre Verteidigung war geschickt und griff auch gleichzeitig Bernd an. Der aber saß nur unbeweglich da, schaute in das Gesicht seiner Frau, suchte den Blick ihrer Augen.

„Du hast mich betrogen“, sagte er leise. Seine Stimme zitterte. Das war die einzig logische Konsequenz. Der Gedanke, der vorhin schon einmal aufgeblitzt war, nun aber konkret Gestalt annahm. Wieso sonst sollte Gaby dieses Thema so hartnäckig diskutieren? Ja. Jetzt war es ihm klar. Gaby verteidigte in Wirklichkeit gar nicht Karin, sondern sich selbst. Sie wollte ihm, ohne konkret darüber zu sprechen, von einem Seitensprung beichten. Darum das alles. Darum ihre Hartnäckigkeit in ihrem Gespräch.

Sein Magen schien zu revoltieren. Er mußte heftig husten, und ein leichter Brechreiz überkam ihn. Natürlich, seine Frau hatte ihn betrogen! Bernd merkte, wie sein Herz schneller und vor allem härter schlug, wie er anfing zu zittern. Es war ihm klar geworden, seine Frau hatte ihn betrogen. Aber er fühlte auch etwas anderes tief in seinem Herzen. Er spürte eine sonderbare Erregung, spürte, wie sich sein Glied verspannte, er eine heftige Erektion bekam. Er merkte, wie ihn diese Situation aufgeilte und war erschrocken darüber.

„Mit wem?“ fragte Bernd schließlich.

Er konnte nun das Zittern am Körper und auch das Zittern in seiner Stimme nicht mehr unterdrücken. Auch Gaby begann zu zittern. Ihre Stimme wurde unsicher, brüchig.

„Bitte hör auf damit! Glaube mir, ich habe dich nicht betrogen. Ich habe mit keinem anderen Mann geschlafen!“

Langsam stiegen ihr die Tränen in die Augen. Ihre Stimme hatte etwas Verlorenes, Beschwörendes in sich.

„... ich hab‘ dich doch lieb“, flüsterte sie.

Gaby beugte sich vor und begann, ihn zu küssen. Erst langsam, unsicher. Dann wurde ihr Kuß intensiver, leidenschaftlicher. Als sollte ihr Kuß an die Stelle vieler unnützer Worte treten.

„Bitte, Bernd, laß uns nicht mehr über dieses Thema sprechen. Du kommst dabei doch nur auf dumme Gedanken.“

Sie versuchte ein aufmunterndes Lächeln, versuchte, ihm zu zeigen, wie falsch er das alles verstanden haben mußte.

„Es war blöd von mir, damit anzufangen. Aber ich habe mich einfach geärgert darüber, wie unfair du über Karin gesprochen hast. Ich wollte sie einfach verteidigen. Komm, wir gehen jetzt schlafen.“ Bernd schaute ins Dunkel. Er konnte einfach nicht einschlafen. Zu sehr hatte ihn das Gespräch heute abend aufgewühlt. Es hatte ihn aufgewühlt und erregt. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er sich seine Frau in den Armen eines anderen vorgestellt. Hatte sich eingebildet, wie es wäre, wenn sie ihm wirklich einen Seitensprung gebeichtet hätte. Und das Ergebnis hatte ihn noch mehr aufgewühlt, noch mehr erregt. So schlimm der Gedanke auch war er war erotisch! Wahnsinnig erotisch. Und irgendwie machte ihm das angst. Bisher war seine Einstellung in dieser Frage eindeutig gewesen: Fremdgehen kam für ihn nicht in Frage. Und dasselbe erwartete er auch von seiner Partnerin. Er konnte sich noch sehr gut an den Schmerz erinnern, den ihm seine frühere Freundin Britta zugefügt hatte. Nein, so etwas wollte er nicht noch einmal durchmachen müssen!

Bernd empfand noch einmal den Ekel, den Schmerz, den Haß und die tiefe Abscheu. Und er fühlte wieder seinen verletzten Stolz, seine gekränkte Männlichkeit. War er letztlich vielleicht nur zu stolz, zu besitzergreifend? Die Gedanken wurden immer wirrer, quälten ihn und ließen ihn erst recht nicht schlafen.

Gabys Atem war regelmäßig. Sie schlief zur Seite gedreht. Der Abend war nicht so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Im Bad hatte sie weinen müssen und große Mühe, Bernd nichts merken zu lassen, als sie ins Bett stieg. Sie hatten noch etwas geschmust, und dabei hatte sich Gaby wieder beruhigt und war eingeschlafen.

Was sie als erstes spürte, war die Erregung. Ihr Geschlecht war feucht. Sie dachte zuerst an einen dieser erotischen Träume, die sie in letzter Zeit gehabt hatte, spürte aber gleich darauf, daß etwas über ihre Scham strich. Bernds and!

Er lag nun ebenfalls auf die Seite gedreht, stützte sich auf seinen Ellbogen und war mit seiner Hand in ihr Höschen geschlüpft. Dort streichelte er langsam und zärtlich ihre Scham, ließ seinen Finger zwischen ihre Schenkel wandern und über die Schamlippen streichen. Gaby war verwirrt, aber auch erregt. Wie lange hatte er sie wohl schon im Schlaf gestreichelt? Sie blieb still liegen, hielt die Augen geschlossen, und nur ihre Haut und ihr bereites Geschlecht erzählten ihr, was die Hände ihres Mannes ihr für Wohltaten schenkten. Das hatte Bernd bisher noch nie getan.

„Ich liebe dich“, murmelte sie mit geschlossenen Augen.

Bernd sagte nichts. Er erforschte weiterhin den Körper seiner Frau. Und Gabys Stöhnen, das er langsam aber zielstrebig aus ihr herauslockte, signalisierte ihm, daß er diese süße Tätigkeit jetzt nicht unterbrechen durfte.

„Bitte komm, du hast mich so scharf gemacht. Bitte komm in mich!“ Sie flüsterte es erregt und zog sich dabei selbst das Höschen ihres Pyjamas herunter. Bereitwillig spreizte sie ihre Schenkel.

Bernd war mit einem heftigen Stoß gleich tief, tief in ihr. Seine Bewegungen waren stürmisch, fast schmerzhaft trieb er sein Glied in ihr feuchtes Geschlecht. Sein Atem war unregelmäßig. Er stöhnte heftig. Fast schien es, als wolle er seine Frau verletzen. Er behielt diesen ekstatischen Rhythmus bei und trieb mit jedem Stoß sein Glied tief in Gabys Vagina.

Gaby bemerkte seine Wildheit, ließ sich davon zusätzlich anstacheln. „Was ist mit dir heute, mein Schatz?“ fragte sie erregt. „Du bist so wild.“

„Oh, Gaby, Liebling, ich bin so heiß auf sich!“ stöhnte Bernd.

Ihre Stimme veränderte sich. Sie bekam einen frechen, fordernden Unterton.

„Was hat dich denn so geil gemacht, mein Engel? War es etwa unser Gespräch heute abend?“

Aber es war doch eher eine Feststellung als eine Frage. Bernd hielt in seiner Bewegung inne. Nur langsam, fast spielerisch bewegte er sich noch in ihr. Er mußte sich schon stark beherrschen, um nicht frühzeitig zum Höhepunkt zu kommen. Zu einem Höhepunkt, den er jetzt noch nicht wollte. Noch nicht, nicht bevor er seine erotischen Phantasien mit Gaby geteilt hatte.

„Ja, unser Gespräch von vorhin hat mich unheimlich scharf gemacht. Ich habe mir vorgestellt, daß du mit einem anderen Mann geschlafen haben könntest.“ „Und das hat dich so geil gemacht?“

Auch Gaby war nun erregter als sonst. Sie benutzte dieses ordinäre Wort nur, wenn sie sehr erregt war. Aber dann genoß sie diese vulgäre Sprache. Sie ließ sich von diesen verruchten Worten dann mitreißen, aufputschen. Und heute nacht war sie geil. Kühn beschloß sie, auf Bernds Phantasien einzugehen.

„Hat es dich also aufgegeilt, dir mich mit einem anderen Kerl vorzustellen? Vielleicht so wie Karin?“ provozierte sie ihn.

„Ja, und wie!“

Und ihre Worte waren für ihn ein Startsignal, um seine unterbrochenen Bewegungen wieder aufzunehmen. „Einmal habe ich sogar für einen Moment geglaubt, du würdest mich auf ein solches Geständnis vorbereiten wollen.“

Es war eine Forderung. Es sollte soviel heißen wie: Erzähl mir doch bitte, daß es so war.

Gaby spürte diese Aufforderung sofort.

„Vielleicht wollte ich das auch“, gurrte sie, dabei sorgfältig seine Reaktion beobachtend.

Und auch Bernd beobachtete die Gesichtszüge seiner Frau jetzt sehr genau. In ihren Augen lag ein seltsamer Schimmer. Ihr Blick war plötzlich nicht mehr so wie vorher, er war entschwunden, weilte irgendwo an einem anderen Ort oder in einer anderen Zeit. Ihr Geheimnis.

Sofort spürte Bernd wieder diesen leichten Brechreiz, wie er ihn schon vorhin gespürt hatte. Sein Puls jagte. Er spürte seinen Herzschlag am Hals, spürte wieder, wie ihn eine Gänsehaut überzog und ihn zittern ließ. Unsicher, nun ebenfalls lauernd, fragte er: „Und, wolltest du mich vorbereiten? Wolltest du mir etwas erzählen?“

Er spürte den Kloß in seinem Hals, der seine Stimme dämpfte und rauh machte.

„Wie schlimm wäre es, wenn ich das wirklich gewollt hätte?“

Verdammt. Die ganze Situation war so unwirklich. Da lagen sie, schliefen miteinander und reizten sich gegenseitig mit Fragen, redeten wie die Katze um den heißen Brei herum. Keiner war bereit, seine Karten offen auf den Tisch zu legen. Bernd bewegte sich nun kaum noch. Er war in seiner Frau und blickte ihr forschend in das Gesicht. Was ging in ihr vor? Welche Gedanken verbargen sich hinter diesem Blick, der seltsam verklärt war?

Es fiel ihm schwer weiterzusprechen. Seine Kehle war rauh und trocken. Seine Gedanken jagten wie verrückt durch seinen Kopf, schienen seinen Schädel sprengen zu wollen. Hier war er, erregt wie noch selten in seinem Leben und spielte mit einem Gedanken, den er noch vor wenigen Stunden mit der tiefsten Verachtung gestraft hätte. Ja, wie schlimm wäre es, wenn ... ? Würde ihm vielleicht Gaby wirklich etwas erzählen, von dem er nicht wußte, ob er es überhaupt erfahren wollte? Und wenn? Würde es die Wahrheit sein, oder nur eine erotische Phantasie? Eine Phantasie, nur zu dem Zwecke ausgesprochen, um ihn noch weiter anzustacheln, aufzuheizen?

Seine Stimme war rauh wie ein Reibeisen.

„Erzähl. Los. Bitte erzähl!“ Er hatte es getan, er hatte seine Frau aufgefordert, ein Geständnis abzulegen, sie aufgefordert, eine erotische Szene zu schildern. Egal nun, ob es nur eine Phantasie oder ob es wirklich ein echtes Erlebnis war.

„Kannst du dich noch an unser Betriebsfest erinnern? Das war vor drei Wochen. Ich habe dich damals angelogen. Es war keine Kollegin, die mich heimgefahren hat. Es war Kai. Er arbeitet in einer anderen Abteilung, einen Stock tiefer. Wir haben den Abend über getanzt und er hat angefangen, mit mir zu flirten.“

„Weiter!“

Seine Stimme klang gequält. Er konnte nun seinen Orgasmus kaum noch zurückhalten. Er war in einem Zwiespalt, wie selten zuvor in seinem sexuellen Leben. Sollte er dieses Spiel weiterspielen? War es überhaupt ein Spiel?

„Kai hat sich dann angeboten, mich nach Hause zu fahren. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist damals, aber ich habe zugesagt. Und ehrlich, ich habe mir schon überlegt, wie weit er wohl gehen würde und wie weit ich ihn gehen lassen würde. Bitte verzeih mir!“

Wenn sie ihm etwas vormachte, dann machte sie es sehr geschickt. Aus ihrer Stimme klang wirklich die Verzweiflung heraus.

„Und dann hast du mit ihm geschlafen?“

„Nein. Ich habe nicht mit ihm geschlafen. Aber ich habe mir überlegt, ob ich mit ihm schlafen will. Verstehst du?“

Feucht schimmerte die erste Träne in ihrem Auge, trat hervor und kullerte über ihre Wange. Bernd küßte die Träne weg. Sie wollte nicht mehr weitererzählen, fühlte, daß sie schon zu weit gegangen war. Ihr Geheimnis. Warum war sie so weit gegangen heute abend? Aber Bernd konnte und wollte jetzt nicht mehr aufhören.

„Was war dann? Bitte erzähle es mir!“

Die erotische Phantasie war mit einem Schlag weg. Bernd fühlte Panik in sich aufsteigen, als er Gabys verzweifelte Gesicht sah.

„Los, erzähl. Was war weiter?“

Gaby begann nun, hemmungslos zu weinen. Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt, und Bernd verstand kaum etwas von dem, was sie zwischen ihrem Schluchzen von sich gab.

„Ich wollte es dir nie erzählen. Er fuhr nicht direkt zu uns nach Hause, sondern hielt unterwegs am Park, machte die Scheinwerfer aus und machte mir ein eindeutiges Angebot. Er sagte, daß er ja auch verheiratet sei und darum bestimmt nichts dabei wäre. Ein kurzes, schönes Erlebnis, nichts weiter. Ich habe ihm gesagt, daß ich nicht wolle. Aber das Schlimmste war, daß ich mir gar nicht so sicher war. Der Abend, der Wein, die Stimmung, die erotische Situation. Ich war verwirrt. Er küßte mich. Erst nur auf die Stirn, dann auf den Mund.“

„Weiter!“

„Ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich habe den Kuß erwidert. Wir haben geschmust.“

„Und dann? Erzähl weiter! Du mußt jetzt weitererzählen. Alles.“

Bernd war nicht mehr er selbst. Irgendetwas hatte von ihm Besitz ergriffen, drängte ihn dazu weiterzufragen, weiterzufordern.

„Dann griff er mir an die Brust, streichelte sie. Durch die Bluse. Und ich habe es geschehen lassen. Ich sagte ihm zwar, daß er doch aufhören solle, aber ich habe mich nicht gewehrt, habe mich gar nicht wehren wollen. Ich war so verwirrt und...“

„Und geil, du warst geil?“

„Ja, geil. Das hat der Kerl natürlich sofort gemerkt. Er hat mich überrumpelt.“

Bernd wußte nicht, was mit ihm geschah. Ganz deutlich sah er die Szene vor seinen Augen. Er sah, wie ein anderer die Brüste seiner Frau liebkoste.

„Dann öffnete er meine Bluse, zog die Schalen meines Büstenhalters herunter und streichelte weiter meine Brust. Dann... Er hat sie geküßt, und ich habe es geschehen lassen. Oh Gott, ich habe es geschehen lassen! Es war so ein verrücktes Gefühl. Ich... Ich weiß einfach nicht, was mit mir los war.“

Bernd begann wieder mit seinen rhythmischen Stößen. Seine Begierde kannte nun keine Grenzen mehr. „Was war dann? Erzähle es mir. Bitte erzähle mir alles. Alles!“

„Er griff mir zwischen die Schenkel, drückte sie auseinander. Dann streichelte er meine Muschi. Durch die Hose. Er wollte meine Hose aufmachen, fingerte an dem Reißverschluß herum. Aber ich habe es nicht zugelassen. Ich habe seine Hand genommen und weggeführt. Eigentlich wollte ich diese Hand streicheln, sie gewähren lassen, aber etwas zwang mich dazu, sie zu nehmen und wegzustoßen. Aber plötzlich hatte ich nicht mehr seine Hand, sondern er umfing meinen Arm, umgriff mein Handgelenk und führte meine Hand zu seinem Schoß. Er legte sie zwischen seine Schenkel und drückte sie fest. Und da konnte ich nicht mehr anders. Ich habe sein Glied gespürt. Durch die Hose. Habe die Beule gespürt. Ich habe ganz deutlich seinen harten Schwanz gespürt. Das war... Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein schönes Gefühl das war! Ich habe seinen Schwanz gestreichelt. Ja, ich habe seinen Schwanz gestreichelt. Oh, Bernd, verzeih mir! Ich habe seinen harten Schwanz gestreichelt!“

Gaby konnte sich nun gar nicht mehr beruhigen. Für sie war es, als ob ein Damm bräche. Die Tränen sprudelten aus ihr heraus.

„Aber nur durch die Hose?“

Bernds Worte sollten wie eine Beruhigung klingen. Eine Beruhigung für sie und für sich. Mehr wollte er nicht hören, weiter sollte sie nicht gehen.

„Nein, nein. Ich habe seine Hose aufgemacht. Ich habe seinen Steifen herausgeholt. Ich weiß nicht, wie es geschah. Oh, Bernd. Bernd... Ich habe ihm einen runtergeholt. Ich habe Kai einen runtergeholt. Ja, er hat sich ergossen. Er hat gestöhnt, und dann ist er gekommen. Durch meine Hand, verstehst du?“

Die letzten Worte waren kaum noch zu verstehen. In einem nicht enden wollenden Tränenstrom erklärte ihm Gaby, seine brave, liebe Gaby, daß sie einen anderen befriedigt hatte.

In Bernds Kopf explodierte etwas. Dieses Geständnis seiner Frau war zuviel für ihn. Er stellte sich alles haargenau vor und ergoß sich in einem heftigen Strom in ihr. Seine Frau hatte einen anderen Mann mit ihrer Hand zum Höhepunkt gebracht. Er hatte sie besudelt! Bernd erhob sich, ging ins Bad und dachte, sich übergeben zu müssen. Immer wieder schoß es ihm durch den Kopf: Seine Frau hatte es getan, seine Frau! Er ging ins Wohnzimmer, steckte sich eine Zigarette an und zog in hastigen, verzweifelten Zügen den Rauch tief ein. Er hörte das Schluchzen seiner Frau. Aber er konnte jetzt nicht mehr zu ihr gehen. Konnte ihren Anblick jetzt nicht ertragen.

Er legte sich auf die Couch und schaute zur Decke.

Bilder, Phantasien, Wortfetzen rasten durch sein Gehirn. Dieses Geständnis hatte ihn getroffen wie ein Keulenschlag.

Bernd fragte sich immer und immer wieder, was er jetzt machen solle. Aber er wußte, daß er sich jetzt zu keiner Entscheidung durchringen konnte. Immer und immer wieder sah er das Gesicht des anderen, verzückt und genußvoll. Und er sah die Hand seiner Frau, sah, wie sie dessen Glied umschloß.

Nach einiger Zeit konnte Gaby nicht mehr weinen. Sie wollte es, wollte ihrer Seele Luft machen, aber sie konnte nun einfach nicht mehr. Sie war leer, so leer. Es war plötzlich einfach kein Platz mehr da für Gefühle. Alles in ihr schien ausgefüllt zu sein mit trostloser Leere und einer unendlichen Trauer. Erschöpft schlief sie ein.

Bernd wußte nicht, wie er das Chaos seiner Gedanken in Ordnung bringen sollte. Seine hohen und edlen Moralvorstellungen waren getroffen. Sein Stolz war verletzt, zutiefst verletzt. Sein Magen revoltierte noch immer. Der Stress im Büro, die vielen Zigaretten. Das alles und das eben Gehörte waren einfach zuviel für ihn. Aber in Bernd geschah etwas, was ihn mindestens ebenso so verwirrte wie alles andere, was er heute nacht gehört hatte. Es war die Erregung, die sexuelle Erregung, die noch immer nicht abgeklungen war.

Bei allem Ekel, aller Abscheu, da war immer noch diese Erregung. Die gleiche, die er heute nacht schon einmal empfunden hatte. Etwas Wildes, Tierisches. Es quälte ihn. Es war keine angenehme Erregung, aber obwohl sie seine Seele schmerzte, war sie erotisch. Erotischer als alles, was er bisher empfunden hatte. Fast unbewußt suchte seine Hand seinen Penis, der sich wieder versteift hatte. Er begann, sein Glied zu streicheln, aber er war in Gedanken nicht hier, er saß in einem Wagen und sah neben sich eine hübsche, attraktive Frau sitzen. Die Frau masturbierte ihn, und er kam zu einem heftigen Höhepunkt. Danach schlief er ein und hatte einen traumlosen Schlaf. Einen unruhigen Schlaf, der ihn nicht erfrischte, ihm kein Vergessen schenkte.

Als Gaby erwachte, stellte sie fest, daß Bernd nicht neben ihr lag. Der Wecker war nicht aufgezogen, hatte nicht geläutet. Sie hatte verschlafen. Sie ging ins Wohnzimmer. Bernd war nicht da. Wo war er? Es war ihr unmöglich, heute arbeiten zu gehen. Aber was sollte sie tun? Sie wandelte wie in Trance durch die Wohnung. Es wollte sich einfach kein klarer Gedanke einstellen. Nur eine kurze Zeit war es ihr nach dem Aufwachen gelungen, das Chaos des gestrigen abends zu verdrängen. Aber nun war es wieder da, drängte mit Macht in ihr Bewußtsein und ließ sie in Panik geraten. Nach drei Stunden hielt sie es einfach nicht mehr aus. Sie mußte reden, mußte endlich ihr Herz ausschütten, mußte sich rechtfertigen.

Karin? Ja, sie würde Karin besuchen. Karin würde sie verstehen. Sie würde alles verstehen. In aller Eile schminkte sie sich. Recht ungeschickt, wie ihr ein Blick in den Spiegel zeigte, aber mehr hatten ihre zitternden Finger nicht zugelassen.

Sie lief durch den Schnee, der in der letzten Nacht gefallen war, zu der Bushaltestelle. Der kurze Spaziergang durch die eisige Luft erfrischte sie und beruhigte auch ihre gereizten Nerven. Während der Fahrt in die Stadt saß sie gedankenverloren im Bus und stierte aus dem Fenster. Die Stimmung war es gewesen. Herrgott, dieses Knistern. Als ob man Schmetterlinge im Bauch habe, so hatte sie einmal über dieses Gefühl gelesen. Und Schmetterlinge hatte sie gehabt, damals, in der Nacht mit Kai. Aber jetzt fand sie es bei weitem nicht so schlimm, was sie damals getan hatte. Bei weitem nicht so schlimm, wie sie es gestern abend empfand. Es waren die ersten Anzeichen von Widerstand gegen den Vorwurf, ein billiges Flittchen zu sein. Ein Vorwurf, der unausgesprochen in Bernds Herzen lag. War es denn wirklich so schlimm gewesen? Gut, sie war schwach geworden. Sie hatte ein Abenteuer hinter sich. Aber sie liebte ihren Mann noch immer genauso wie vorher. Sie hatte keine zärtlichen Gefühle für Kai empfunden. Genaugenommen sah er nicht einmal besonders gut aus. Jedenfalls nicht so gut wie Bernd.

In Gedanken legte sie sich ihre Rechtfertigung bereit, sammelte die Argumente, die ihr erwachender Selbstbehauptungstrieb ihr eingab. Ja. Karin würde sicherlich alles verstehen.

„Du warst noch Jungfrau, als du Bernd kennenlerntest. Irgendwann einmal mußte deine Neugierde erwachen. Ich habe das kommen sehen. Einmal kommt für jeden Menschen der Zeitpunkt, an dem er sich fragt, ob er nicht irgendwas verpaßt hat in seinem Leben. Ich meine jetzt nicht die Wechseljahre oder die Midlife Crisis, ich meine ein sexuelles Erwachen“, meinte Karin.

Der Kaffee hatte ihr gut getan, ihre Lebensgeister wieder aufgemöbelt. Auch die Atmosphäre im Café, das Treiben, der Lärmpegel der schwatzenden Stimmen waren ein wohltuender Kontrast zu der Stille in ihrer leeren Wohnung. Dazu die Stimme von Karin, ihr aufmunterndes Lächeln, die Art, wie sie ihre Hände gehalten hatte. Mit belanglosen Scherzen hatte sie als erstes das Eis gebrochen, das Gabys Seele umschlossen hatte. Ja, Karin schaffte es vollständig, ihr ihre Schuldgefühle zu nehmen!

Wieder lachte sie dieses verschwörerische Lachen. „Was meinst du, wie viele Frauen versauern, weil sie sich, wie sie es nennen, für den ‚Richtigen‘ aufgespart haben. Und dann? Sie werden alt, der Herr Gemahl lernt ein Liebchen kennen, hüpft mit ihr ins Bett, und seine holde Gattin putzt derweil zu Hause den lieben Kleinen den Hintern ab und bügelt ihm seine Wäsche. Die alten Säcke finden doch immer eine, die ein Verhältnis mit einem sogenannten ‚reifen Mann‘ sucht. Aber wir. Was machen wir?“

Gaby mußte lachen. Karins emanzipatorischer Beitrag ließ sie wieder befreit lachen.

„Siehst du, du kannst ja wieder lachen.“

Karin lehnte sich fast triumphierend zurück. Gaby merkte, daß sie innerlich mehr Distanz zu gestern abend und zu diesem Abend in Kais Auto gewann.

„Du hast ja auch eine bestechende Logik!“ lobte sie. „Nein, ehrlich. Ich fühle mich das erstemal seit langer Zeit wieder wohl. Bernd weiß es nun endlich, und ich glaube auch, daß ich nun wieder stark genug bin, um das mit Bernd durchzustehen. Danke, daß du mich so lieb getröstet hast. Aber, sag mal, du bist heute so kämpferisch. Ich hatte eigentlich erwartet, daß wir uns heute gegenseitig trösten müssen. Du hast doch gestern erst...“

„Wegen der Scheidung?“

Karin lehnte sich nach vorne, trank einen Schluck Kaffee und zündete sich eine Zigarette an.

„Das Beste wollte ich mir für den Schluß aufheben: Gestern abend haben wir uns versöhnt!“

Gabys Freundin strahlte über das ganze Gesicht. „Als ich nach Hause kam, stand Jörg im Wohnzimmer. Erst druckste er herum, dann sagte er, er hätte sich alles noch einmal überlegt. Weißt du, er liebt mich noch immer, trotz allem. Und er weiß, daß ich ihn auch noch liebe. Aber meine Einstellung und meinen sexuellen Appetit kann ich nun mal nicht unterdrücken. Ich glaube, er hat es nun wirklich verstanden. Wir haben lange gequatscht und uns geeinigt.“

„Geeinigt? Wie...?“

„Kindchen, wir führen ab jetzt eine liberale Ehe. Ich will nicht alles wissen, was Jörg macht, und Jörg soll nicht alles... Na, du weißt ja. War übrigens noch ein toller Abend. Wir haben uns gegenseitig erotische Appetithäppchen erzählt, und Jörg war... oh la la!“

Karins Lächeln wurde wieder verschmitzter. Sie überließ es Gabys Phantasie, dieses zu deuten.

„Aber so leid es mir tut, Gaby, ich muß jetzt wieder in die Boutique. Du bezahlst ja meinen Kaffee, nicht wahr?“ Damit stand sie auf, gab Gaby noch einen Kuß auf die Stirn und schlenderte zwischen den besetzten Stühlen hindurch zum Ausgang. Einem Mann, der drei Tische weiter saß und ab und zu zu ihnen herübergesehen hatte, warf sie einen geradezu schmachtenden Blick zu und ließ ihn verwirrt im Café zurück.

Gaby zahlte und stand nach einem tiefen Seufzer der Erleichterung ebenfalls auf. Auch sie ging an dem Mann vorbei. Sie registrierte, daß er wohl immer noch damit beschäftigt war, den Blick aus Karins Augen zu verarbeiten. Jedenfalls nahm er keine Notiz von ihr. Scheinbar besaß Karin eine besondere Ausstrahlung, die Männer immer wieder anzieht. Sie schaffte es auch, Gaby das Gefühl zu geben, als wäre sie ihre große Schwester. Dabei war Karin nur ein Jahr älter. Gaby verstand Karin und ihren Mann nicht. Sie würde die beiden wohl nie verstehen, aber das war ja nun wirklich nicht ihr Problem.

Bernd kam gegen dreiundzwanzig Uhr nach Hause. Er war angetrunken und wütend. Sie redeten nur das Nötigste miteinander, gingen getrennt zu Bett, und genauso, wie sie ohne Zärtlichkeit und eine versöhnliche Geste einschliefen, gingen sie auch am nächsten Morgen getrennt zur Arbeit.

Für Bernd waren es zwei schreckliche Tage. Im Betrieb mußte er als Kaufmann die freundliche Tour reiten und durfte sich seinen Kummer nicht anmerken lassen. Während Gaby sich noch mit jemandem aussprechen konnte, so hatte Bernd keinen adäquaten Gesprächspartner. Er konnte ja schlecht zu einem Freund sagen: „Hör mal, meine Frau hat da was mit einem anderen. Was soll ich nun tun?“

Sein Stolz, sein verfluchter Stolz. So mußte er in seinem Kopf immer wieder die Anklage und die Verteidigung selbst übernehmen.