Ich war erst 13 - Julia Manzanares - E-Book

Ich war erst 13 E-Book

Julia Manzanares

3,8
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dies ist die Geschichte von Lon. Die heute 24-jährige Thailänderin geriet als Teenagerin in die Welt der Bierbars und Gogo’s von Pattaya und Bangkok, Orte, an denen Minderjährige ihren Körper verkaufen. Dieses Schicksal teilt sie so oder ähnlich mit vielen anderen thailändischen Mädchen und Frauen – in einem Land, in dem Mädchen oft keine Schulausbildung erhalten und in dem dennoch von ihnen verlangt wird, ihre Familien zu ernähren. In einem Dorf unter ärmlichsten Bedingungen aufgewachsen, lief sie von zu Hause weg, und verkaufte das Einzige, das sie hatte: ihren jungen Körper. Es war die einzige Möglichkeit, ihr Überleben zu sichern und gleichzeitig ihre Schwestern vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren – indem Lon ihnen eine Schulausbildung finanzierte. Beziehungen zu Männern waren für sie ausschließlich von wirtschaftlichem Interesse und sie träumte von der Ehe mit einem Mann, der sie finanziell aushält. Ihr Weg führte sie nach England, Schweden und Deutschland, einer Abtreibung mit 15 folgte ein Selbstmordversuch und mit 19 wurden bei ihr Depressionen und Schizophrenie diagnostiziert. Die unermüdliche Entschlossenheit, ihren Schwestern ein anderes Leben zu ermöglichen, gab ihr die Kraft, durchzuhalten – egal wie hoch der Preis für ihr eigenes junges Leben war.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 362

Bewertungen
3,8 (36 Bewertungen)
13
10
7
6
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Julia Manzanares und Derek Kent

ICH WAR ERST 13

Die wahre Geschichte von LonAus dem Amerikanischen von Louis Anschel

Schwarzkopf & Schwarzkopf

Dieses Buch widme ich

meinen beiden Schwestern

Ying und Sai,

die niemals wie ich Sextouristen

treffen mussten,

und meinem Vater,

dem einzigen Menschen,

der mich wirklich

geliebt hat.

»Mädchen aus dem Isan sind arm. Touristen sind reich. Ich habe eine Brücke geschlagen.«

Lon

»Der Schwächere wird immer das Opfer des Stärkeren sein. Es ist unser aller Pflicht, unsere Augen offen zu halten und Diskriminierung, körperliche Gewalt und alle Formen von Missbrauch der Schwächeren, nämlich Kinder und Frauen, die in der thailändischen Gesellschaft als gefährdet gelten, zu verhindern.«

Pavena Hongsakul, Pavena Foundation

»Pavena ist meine Heldin.«

Lon

VORWORT

Ja, ich habe Glück gehabt!

Auf den nachfolgenden Seiten will ich meine Geschichte und die Zehntausender anderer Frauen und Kinder erzählen, die denselben Weg wie ich gehen mussten – auch wenn es nicht ihr eigener Fehler war. Es ist ein Weg, den viele Frauen aus meiner Gegend seit Jahrhunderten einschlagen.

Ich will Sie auf eine Reise durch mein Land mitnehmen und die Einfachheit der thailändischen Wirtschaft erklären, aber auch die Komplexität der Kultur des Isan, Letztere durchtränkt von der Tradition, den Sitten und der Armut Nordost-Thailands. Sie beeinflussen nicht nur mein Leben, sondern das jeder mittellosen jungen Frau in Thailand. Ich will erklären, weshalb die Dinge so sind, wie sie sind, und auch weshalb ich glaube, dass sich nie etwas ändern wird. Wir werden zusammen aus meinem verarmten Dorf in die Rotlichtviertel Thailands reisen, und schließlich werden Sie an meinen verschiedenen Versuchen teilhaben, ein neues Leben in Europa zu beginnen, von wo aus ich meine Geschichte erzähle.

Dies ist keine schöne Geschichte, weil ich beschreiben werde, welche Rolle mein Land, das »Land des Lächelns«, im Menschenhandel spielt, und wie in Thailand sexuelle Sklaverei ermöglicht wird. (Pattaya, Phuket und Chiang Mai sind Paradiese für Pädophile.) Sie werden feststellen, dass ich das Wort »tragisch« in diesem Buch häufig benutze, denn es gibt kein anderes Wort, das unser Leid besser beschreiben kann. Das Leid, das wir erleben mussten, nur weil wir das Pech hatten, als Töchter extrem armer Familien in der Dritten Welt geboren worden zu sein. Es wird immer jemanden geben, der seinen Reichtum, seinen Rang oder seine Macht auf Kosten der Armen und Ohnmächtigen ausnutzt. Das ist die Wahrheit über mein Land, in dem die meisten jungen Frauen, die aus dem Isan stammen, niemals gewinnen können. Die Chancen stehen immer gegen uns – wegen unserer Erziehung und der Politik unserer Regierung.

Aber ich habe letztlich gewonnen – auch wenn es mehr als ein Jahrzehnt gedauert hat. Ich will alle, die schon einmal den tiefsten Abgrund des Lebens kennengelernt haben, wissen lassen, dass auch sie gewinnen können. Wir müssen zu der Einsicht gelangen, dass sich tief in unserer Seele wertvolle Schätze befinden, auch wenn wir es nicht so empfinden und es auf den ersten Blick nicht so erscheint.

Wir haben einen Wert und haben die Möglichkeit, uns gegenüber und dem Rest der Welt dieses Zugeständnis zu machen. Wenn wir Glück haben, selbst dann, wenn wir nur ein einziges Mal Glück haben, und wir an uns selbst glauben und nicht darauf hören, was andere über uns sagen, dann können wir das Spiel des Lebens gewinnen.

Ich gehöre zu denjenigen, die Glück gehabt haben! Ja, ich bin eine der Glücklichen!

Lon

EINFÜHRUNG

Boontahs Familie

Großvater

Boontahs1 Großvater mütterlicherseits wurde in einer Familie des Mittelstandes, die ein großes Stück Land und viele Büffel besaß, in Chiang Mai, der größten Stadt in Nordthailand, geboren. Seine Familie hatte viele Nachkommen, sein Vater mehr als eine Frau. Als der Reichtum unter all den Kindern aufgeteilt wurde, blieb nur wenig für den Einzelnen übrig. Nachdem der Großvater seine Erbschaft erhalten hatte, zog er nach Ubon und heiratete eine arme Analphabetin, die Boontahs Großmutter werden sollte. Sie gebar neun Kinder. Das Aufziehen der neun Kinder reduzierte die wenigen Dinge, die der Großvater mitgebracht hatte, weiter, und nun lebte auch er in Armut. Obwohl er einige Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben besaß, verbrachte er sein Leben in seinem Zimmer und sprach mit den Göttern der Karen.

Großmutter

Boontah spricht wenig über ihre Großmutter mütterlicherseits, weil sie verantwortlich dafür war, dass ihre kleine Enkelin im ersten Jahrzehnt ihres jungen Lebens mit einem Stock geschlagen wurde. Wenig ist über sie bekannt, außer dass sie eine kaltherzige Frau zu sein schien, die jede Chance nutzte, ihre Enkelkinder physisch und verbal anzugreifen, und ihnen jede Möglichkeit des Glücks nahm – insbesondere Boontah.

Mutter: Bootsah

Es mag daran liegen, dass Bootsah nur wenig über Liebe wusste, weil sie in einem lieblosen Heim aufgewachsen war. Als sie geboren wurde, war ihr Vater bettelarm. Materieller Besitz, Geld und Liebe gab es nicht. Sie war die älteste Tochter. Es ist Tradition in der thailändischen Kultur, dass die älteste Tochter sich um ihre jüngeren Geschwister kümmert, und da ihre Eltern nicht mehr die Jüngsten waren, kümmerte sie sich letztendlich auch um diese. Als sie 15 Jahre alt war, heiratete sie Somphan, den sie kaum kannte und – wichtiger – nicht liebte. Ihre mütterlichen Fähigkeiten erlaubten es, dass sie sich um Sai kümmern konnte, das Kind ihrer Schwester.

Vater: Somphan

Als verantwortlicher, netter und liebender Mann schien er der Einzige zu sein, der seine älteste Tochter liebte, verstand und sich um sie kümmerte. Er nahm jede Arbeit an, egal wie schwer oder wie weit weg, nur damit er die Bedürfnisse seiner Familie befriedigen konnte. Wenn er in Bangkok arbeitete, schrieb er oft an Boontah, da er genau wusste, wie sehr sie ihn liebte.

Onkel: Sakda

Der jüngste Sohn ihrer Großmutter: Als Boontah elf Jahre alt war, war es Sakda, der herausfand, dass sie ständig ihren Bruder bestahl, und als Strafe schlug er sie häufig mit einem Stock. Mit jeder Prügelstrafe wurde Boontah deutlicher, dass sie weglaufen musste, um ihren Vater in Bangkok zu suchen.

Geschwister

Ihre »Zwillings«schwestern Ying und Sai sind vier Jahre jünger als Boontah, ihr Bruder Banya zwei Jahre älter.

Ying

»Ying« bedeutet »Frau« – kein anderer thailändischer Name hätte perfekter sein können. Ying war immer ein sehr eitles Kind. Bereits mit sechs befürchtete sie, zu dick zu werden. Sie verbrachte viel Zeit damit, im Badezimmer zu tanzen – als sie später ein Haus mit einem Badezimmer hatte. Tanzen lag der Familie wohl im Blut, da Boontah letztendlich ebenfalls Tänzerin wurde. Sai und Boontah schlichen oft um Ying herum und beobachteten sie beim Tanzen. Ying wollte auch schönes langes Haar haben. Sie band ein Handtuch um ihre kurzen Haare, damit sie länger aussahen, und gab dann vor, eine Prinzessin zu sein. Sie las lieber Bücher, anstatt draußen spielen zu gehen. Ying hatte auch nie etwas für Tiere übrig. Was sie betraf, waren Tiere schmutzig, und der Gedanke, sie zu berühren, erschreckte Ying.

Ying sprach kaum, als sie klein war. Aber wenn sie es tat, lachte jeder. Ihre Zwillingsschwester war das genaue Gegenteil, ein wahres Sprachtalent, und Ying wurde darüber sehr böse. Yings schlimmster Charakterzug war ihr Jähzorn, der immer dann ausbrach, wenn sie ihren Kopf nicht durchsetzen konnte. Alle Familienmitglieder waren hiervon betroffen. Wenn die Kinder miteinander spielten, wollte Ying immer die Prinzessin sein. Sie weigerte sich, eine »böse« Rolle zu übernehmen, diese blieb Sai vorbehalten. Zwar waren sie nie im Kino gewesen, doch hatten Bücher auf die Kinder einen starken Einfluss. In der thailändischen Folklore und den Mythen spielen jeweils gute und böse Charaktere eine Rolle – diese Rollen werden ins wahre Leben eines jeden Dorfes und sogar in jede Familie übertragen.

Ying machte sich noch mit sechs Jahren in die Hosen. Von ihrer Großmutter wurde sie daher regelmäßig mit dem Stock geschlagen, auch wenn sie nicht so oft wie Boontah unter der Prügel zu leiden hatte. Ying lernte gerne. Bereits mit fünf Jahren ging sie zusammen mit ihrer älteren Schwester zur Schule.

Ying war eine talentierte Tänzerin, die ihrem Alter voraus war. Sie zeigte Anmut und Haltung. Boontah lehrte sie Gesang, und Ying lernte schnell. Ihr Talent gab ihr sehr früh die Möglichkeit, auf Dorffesten zu singen und zu tanzen – als Belohnung bekam sie Essen und Süßigkeiten. Sie liebte es, Röcke zu tragen. Sie lieh sich Sachen von ihrer Mutter und Großmutter in der Hoffnung, dass sie so ihre eigene abgetragene und einfache Kleidung aufwerten könnte. Im Gegensatz zu Sai spielte sie gern mit Puppen, gleichzeitig hasste sie die meisten Sportarten – außer Rennen und Volleyball. Anders als ihre Schwestern bestand sie auf einem abendlichen Gute-Nacht-Kuss.

Ying wurde in der Schule für Schreiben, Malen, Rennen, Volleyball, Gesang und thailändischen Tanz ausgezeichnet. Wegen ihrer guten Teilnahme am Unterricht erkannten ihre Lehrer bald ihre Fähigkeiten. Ying machte sich in der Schule gut, ihre Familie war stolz auf sie. Bei Boontah und Sai war das nicht der Fall.

Genau wie ihre ältere Schwester Boontah liebte Ying ihren Vater mehr als ihre Mutter, und sie hatte immer ein Bild von ihm bei sich. Wenn der Vater aus Bangkok nach Ubon zurückkehrte, verkaufte er Süßigkeiten. Unter dem Vorwand, ihm helfen zu wollen, begleitete sie ihn abends. Aber er wusste ganz genau, dass sie nur auf die Süßigkeiten aus war. Sie war ein anmutiges kleines Mädchen und bedankte sich für jedes Geschenk ihres Vaters mit den Worten »wunderbar« oder »schön« – egal wie unaufrichtig das gemeint sein mochte. Ihr Verhalten stand im starken Kontrast zu dem ihrer Schwestern.

Sai

Sais wirkliche Mutter war Bootsahs Schwester. Ihrer Pflegemutter wurde Sai anvertraut, als sie gerade einmal drei Monate alt war. Da sie kaum drei Monate jünger als Ying war, wurde sie wie deren Zwillingsschwester aufgezogen. Ein Jahr nachdem die Mutter Sai verlassen hatte, kehrte sie zurück und versuchte, die Tochter zu töten. Glücklicherweise war Bootsah zur Stelle und konnte die leibliche Mutter von der Tat abhalten. Weshalb Sais Mutter diesen Mordversuch unternahm, konnte nie geklärt werden.

Sai war ein gesprächiges kleines Mädchen, das beim Erzählen kaum Atem holte. Sie war ganz anders als Ying, eher jungenhaft. Sai gefiel es besser, mit Jungen zu spielen, Frösche zu fangen oder Fische, Krebse und Süßwasserkrabben. Sie liebte Kung Fu und spielte oft Ball. Noch vor Ying lernte sie schwimmen und motorradfahren. Sie standen in ständiger Konkurrenz. Sai gefiel es außerordentlich, im Sport besser zu sein als ihr Bruder und ihre Schwestern. Die Schule interessierte sie nicht besonders, sie wollte einfach nur Spaß haben. Sie beschwerte sich darüber, dass alle neun Familienmitglieder in einer Hütte wohnten, die nur über einen einzigen Raum verfügte – so aber war das Leben in einem armen Dorf. Sie wollte unbedingt ihr eigenes Zimmer – ein unerfüllbarer Traum zur damaligen Zeit.

Als Sai älter wurde, ging sie mit Boontah oft zur Wasserpumpe. Nachts begleitete sie die größere Schwester ab und zu, wenn der Büffel zur Weide gebracht wurde. Je nach Laune des Büffels wanderten die beiden dabei manchmal zehn Kilometer herum. Sai war ein eifersüchtiges kleines Mädchen. Sie sehnte sich nach der Aufmerksamkeit, die Banya zu Hause und Ying in der Schule zuteil wurde. So wie Boontah wollte sie anerkannt werden. Doch keiner von beiden wurde dieses Glück zuteil.

Als Sai zehn war, kam ihre Mutter und wollte sie zurück, aber Boontahs Mutter weigerte sich, Sai aufzugeben. Sie traute ihrer Schwester nicht zu, sich um das Kind zu kümmern, das Bootsah seit einem Jahrzehnt aufgezogen hatte. Das war der Moment, in dem Sai und ihre »Schwestern« erfuhren, dass sie nicht Schwestern, sondern Cousinen waren. Die Tatsache, dass ihre Mutter sie nicht genug geliebt hatte, um sie aufzuziehen, ließ Sai verzweifeln. Ihr normales kindliches Verhalten änderte sich schlagartig. Sie wurde jähzornig und unausstehlich, später sollte sie das mit dem Gesetz in Konflikt bringen.

Banya

»Banya« bedeutet auf Thai »Gehirn«, das ist aber keine sonderlich treffende Beschreibung für Boontahs Bruders. Er hat zu Hause nie viel geholfen, es sei denn, er fürchtete den Stock seiner Großmutter. Mit Absicht verletzt hat er Boontah nie, auch wenn sie ihn häufig in Schwierigkeiten brachte. Tatsächlich stellten sich Boontah, Ying und Sai immer gegen ihn. Banya wird absichtlich als Letzter im Familienstammbaum beschrieben. Wenn die Familie sich etwas leisten konnte, und das war wenig genug, bekam er es – und das immer auf Kosten seiner Geschwister. Mit 13 Jahren bekam er ein Fahrrad, während die Mädchen weiterhin laufen mussten. Das Fahrrad ermöglichte es ihm beispielsweise, am Straßenrand Obst oder Weintrauben zu pflücken. Doch es wäre ihm nicht im Traum eingefallen, seinen Geschwistern etwas mitzubringen.

Wie Boontah brachte Banya den Büffel auf die Weide. Es gefiel ihm, Frösche und Fische im Teich zu fangen oder Chili von den Feldern zu ernten. Er war kein besonders guter Schüler, aber ein glückliches Kind. Als er 13 war, wollten ihn seine Großeltern auf eine weiterführende Schule schicken, doch er hatte andere Pläne. Immerhin besuchte er erst die achte Klasse. Mit 15 Jahren hörte er auf, zur Schule zu gehen. Er fuhr nach Chiang Mai, um seine Großeltern mütterlicherseits zu besuchen. Er blieb mehrere Monate dort, wo er ein junges Mädchen vom Stamm der Karen kennenlernte. Sie war erst 16 – ein Jahr älter als er. Es dauerte nicht lange und sie heirateten. Es dauerte ebenfalls nicht lange, bis sie zur Hütte der Familie in Ban Jonejalurn zurückkehrten. Obwohl er bereits verheiratet war, achtete seine Mutter darauf, dass seine Bedürfnisse zuerst befriedigt wurden, egal wie dringend der Rest der Familie etwas benötigte – das galt auch für die Schulausbildung seiner Schwestern.

Boontahs Hund

Boontahs Hund war ihr bester Freund, und sie konnte immer auf ihn zählen, wenn sie verängstigt davonrannte. Eines Tages glaubte ihre Mutter, der Hund habe Tollwut. Gemäß einem alten Brauch schnitt sie ihm ein Ohr ab, weil sie meinte, er würde so wieder gesund werden. Das konnte Boontah ihrer Mutter nie verzeihen, geschweige denn vergessen.

1– Lon wurde als »Boontah« geboren. Sie spricht von sich selbst und ihrer Familie in der Einführung in der dritten Person.

ERSTES KAPITEL

Thailand und mein Dorf im Isan

Wo alles begann

Lon wurde unter dem Namen »Boontah« als Tochter einer außerordentlich armen Familie geboren, die in einem kleinen verschlafenen Dorf im Isan lebte1. Genauer gesagt in Ban Jonejalurn, Tamboon Nongsanooh, Amphur Boontalik, in der Provinz Ubon Ratchathani. Im Westen hätte man ihr Zuhause nicht nur als heruntergekommen, sondern als primitiv bezeichnet. Es gab kaum mehr als vier Wände, einen vergammelten Fußboden und ein löchriges Dach. Die Löcher waren so groß, dass man nachts die Sterne sehen konnte und bei Regen nass wurde. Diese aus einem Raum bestehende Holzhütte mit baufälligen Wänden konnte kaum vor der brennenden Sonne, der erstickenden Feuchtigkeit und dem tropischen Monsun schützen.

Außer ein paar kaputten Rattanmöbeln gab es nur noch Kopfkissen. Ein Loch im Boden hinter dem Haus diente als Toilette, geschützt von vier zersplitterten Holzwänden. Die »Dusche« war ein gefülltes Becken, in dem eine Schüssel schwamm, mit der man das Wasser über seine Schulter schüttete. Wie alle armen Dörfer in diesem Teil der Welt hat Ban Jonejalurn schmutzige Straßen, wenig Infrastruktur, ein schlechtes Schulsystem und keine Spielplätze. Das Dorf befindet sich in einer der ärmsten Provinzen im Nordosten Thailands, besser bekannt als Isan.

Einer der Unterschiede zwischen Ban Jonejalurn und dem Rest Thailands besteht darin, dass der gesamte Isan normalerweise trockener ist. Die Ernten fallen unterdurchschnittlich aus, zu viel Regen führt zu Überschwemmungen, zu wenig zu Dürreperioden. Obwohl die meisten Dorfstraßen im Isan aus braunem Staub bestehen und die Bewohner von der unbarmherzigen tropischen Sonne geplagt werden, sind sie auch der für die Tropen typischen Feuchtigkeit ausgesetzt. Im Gegensatz hierzu liegen die Dörfer Zentralthailands in einer üppigen immergrünen Landschaft.

Nur wenig hat sich im Isan geändert, seitdem Boontah vor gut zwanzig Jahren geboren wurde. Jungen, die zehn Jahre alt sind, fahren nach wie vor Motorräder, die doppelt so alt sind wie sie selbst. Die Motorräder werden von rostigem Draht, Klebeband und ölverschmierten Teilen ausgeschlachteter, noch älterer Maschinen zusammengehalten. Die jüngeren Geschwister sitzen vorne oder hinten und versuchen, sich mit ihren kleinen Händchen wo auch immer festzuklammern. Den ständigen Krach der Motorräder hört man überall – oft transportiert eine Maschine ganze Familien mit Hund, während dunkler Rauch aus dem Auspuff steigt. Ein anderes ständiges Geräusch, wenn auch nicht so auffällig, ist das der Tuk-Tuks – ein langnasiges vierrädriges Vehikel mit einer Ladefläche, die über den Hinterrädern angebracht ist. Diese moderne Variante des Büffels sieht man überall auf den meist nicht asphaltierten Straßen. Als Kombination aus Traktor und Familienkutsche kann es Reis und andere Produkte der Felder zu den Märkten bringen und schließlich als Transportmittel der Familie dienen, wenn die Arbeit getan ist.

Der Gemeine Büffel, Symbol des Isan und einst das wertvollste aller Tiere auf der Farm, ist immer noch zu sehen, wenn er die Straßen entlanggeht oder hochgewachsenes grünes Gras frisst, das die Reisfelder weiter hinten abteilt. Er ist nicht mehr Teil einer Herde, er arbeitet alleine. Dieses kräftige Tier, das Rückgrat der Landwirtschaft, wurde durch Maschinen ersetzt. Der Gestank nach Diesel, vermischt mit dem Geruch von Tieren, durchdringt die Luft.

1 – Weil diese Vergangenheit – ihre Kindheit – für Lon sehr weit weg ist, spricht sie in diesem ersten Kapitel von sich selbst in der dritten Person.

Boontahs frühes Leben

In den ländlichen Gebieten Thailands ist es Brauch, dass ein Elternteil oder Vater und Mutter in die Großstädte Bangkok oder Chiang Mai ziehen, um Arbeit zu suchen. Die Kinder bleiben bei der Familie – meist der Großmutter. Boontahs Eltern bildeten da keine Ausnahme. Sie gingen nach Bangkok, während die Kinder gezwungen waren, mit ihren Großeltern mütterlicherseits in dem einen Zimmer der Holzhütte zu bleiben, das alle miteinander teilten. Boontahs Vater hatte keine andere Wahl. Arbeit in der Nähe des kleinen Dorfes war immer knapp, und es hatten sich ziemlich hohe Schulden angesammelt. Ein Jahr zuvor hatten sie recht erfolgreich Wassermelonen angebaut. Im Jahr darauf borgte der Vater Geld für Insektizide und Dünger, damit er seine Plantage vergrößern konnte. Aber durch eine Missernte verlor er alles. Wegen der unvorhersehbaren klimatischen Gegebenheiten im Isan ist es nicht ungewöhnlich, wenn Bauern unter Ernteausfällen leiden, die zu finanziellen Verpflichtungen führen, von denen sie sich nie mehr befreien können. Oft bedeuten diese Missernten den Ruin von Familien.

Als Boontah klein war, lebten und arbeiteten ihre Eltern in Bangkok. Sie sah sie nicht sehr oft, denn die Kosten und die 800 Kilometer weite Reise verboten es, dass sie zurückkehrten, es sei denn zu Feiertagen oder in Notfällen. Abgesehen von ihrem Vater, fühlte sie sich von der Familie ungeliebt und ungewollt, da sie ständig ausgenutzt wurde. Wenn sie besonders traurig war, schrieb sie ihrem Vater. Er war der einzige Mensch, dem sie sich anvertrauen konnte und der Einzige, der auf sie und ihre Fähigkeiten stolz war.

Einmal, als Somphan allein nach Bangkok fuhr, schlief er einige Nächte auf dem Busbahnhof, während er Arbeit suchte. Nach einigen Tagen wurde er von einer Metallfabrik in der Nähe des Hafens angestellt. Nach nur zwei Tagen Arbeit verlor er bei einem Arbeitsunfall einen Finger. Er fuhr sofort ins Krankenhaus, aber dort konnte man den Finger nicht mehr annähen, und selbst wenn, hätte Somphan die Kosten hierfür nicht tragen können. Nachdem er die Krankenhausrechnung beglichen hatte, teilte die Firma ihm mit, dass man ihm die Kosten hierfür erstatten würde. Man versprach auch, ihm den Lohn für den verlorenen Tag zu zahlen. Aber wie es nach wie vor Sitte in Thailand ist, wurden trotz des Versprechens weder die Arztkosten getragen noch der Lohn für den eintägigen Arbeitsausfall bezahlt.

Weil seine Familie dringend Geld brauchte, sah Somphan keine andere Möglichkeit, als die Tätigkeit in der Metallfabrik wieder aufzunehmen. Seine tragische Geschichte ist nicht anders als die von Millionen Männern und Frauen, Jungen und Mädchen – manche erst zwölf Jahre alt –, die das Zuhause ihrer armen Familien verlassen, um ein besseres Leben in der Stadt zu führen. Weit weg von zu Hause suchen sie eine Arbeit, um ihren Lebensstandard und den ihrer Familien zu verbessern. Bangkok zieht mehr Arbeiter aus den ländlichen Gebieten an als Chiang Mai oder die attraktiven und verführerischen Touristenorte, weil es dort die meisten Aufstiegschancen gibt. Somphan blieb mit seiner Familie in Kontakt, indem er Briefe schrieb. Im Dorf gab es kein einziges Telefon. Und selbst wenn es eines gegeben hätte, hätte Somphan wegen Geldmangels nicht anrufen können.

Boontahs Vater war ein freundlicher Mensch, der seine Familie sehr liebte. Niemals lehnte er eine Anstellung ab. Als er das erste Mal nach Bangkok ging, weinte Boontah, weil ihr der Abschied fast das Herz brach. Ob sie als schwieriges Kind geboren wurde oder eines wurde, weil man sie ständig schlug, soll dahingestellt bleiben.

Die Arbeit beginnt früh und endet niemals

Boontah wachte jeden Morgen um 5 Uhr auf, wenn die Hähne krähten. Möglicherweise spielt sich das Erwachen amerikanischer Kinder auf einer Farm nicht anders ab, aber bereits hier enden die Gemeinsamkeiten. Boontahs Haus, das auf Stelzen stand, hatte einen gebrochenen Holzboden, durch dessen Löcher sie die Hühner sehen und hören konnte, die genau unter dem Zimmer gackerten, in dem sie, ihr Bruder und ihre Schwestern schliefen. Kurz nach dem Aufwachen machte sie sich an die Arbeit – und das vor der Schule.

Manchmal begleitete sie ihren Großvater auf die Jagd in den Bergen. Sie bauten genug Reis an, um nicht hungern zu müssen, züchteten Hühner, die das Essen nahrhafter machten, und besaßen einen Büffel. Boontah arbeitete hart – mit nur geringer Unterstützung ihres Bruders. Ihre täglichen Aufgaben bestanden darin, sich um das kleine Stück Land und die Tiere zu kümmern. Wie die meisten Kinder der Gegend hatte sie wenige Spielsachen. Da sie von der »großen Stadt« und der modernen Gesellschaft relativ isoliert lebten, hatte sie niemals viele Spielsachen gesehen. Sie hatte auch nur wenig Zeit zum Spielen, da die Liste mit ihren Pflichten unerschöpflich schien. Pflichten, die meist auf den schmalen Schultern der ältesten Tochter lasteten.

An einem typischen Wochenende bestanden Boontahs Arbeiten aus dem Sammeln von Feuerholz, Bambus, Chili und dem Weiden des Büffels. Da ihre Geschwister zu klein waren, um zu helfen, ging sie meistens allein. Manchmal kamen Banya oder Sai mit, aber niemals Ying, die regelmäßig Arbeiten vermied, bei denen sie sich die Hände hätte schmutzig machen können. Die einzige Aufgabe, die Banya jemals übertragen wurde, bestand darin, den Handkarren zur Pumpe zu ziehen und Wasser für die Familie zu holen. Auf dem Rückweg, wenn der Tank voll war, schob Banya den Wagen, auf dem Boontah saß. Einmal zerbrachen sie den Tank, und ihre Großmutter verprügelte sie mit dem Stock. Niemals bekamen sie etwas für ihre Knochenarbeit. Wenn etwas mit dem Tank passierte, war es immer ihre Schuld. Und es war stets Boontah, die am härtesten bestraft wurde.

Ständige Probleme

Boontah hatte immer etwas zu tun, und wollte nie irgendetwas liegen lassen. So oft wie möglich ging sie mit mehreren Freundinnen zum Tempel, wo sie Mangos von den Bäumen pflückten. Mangos sind eine Spezialität im Isan, besonders wenn sie mit etwas Chili, Salz und Zucker serviert werden. Da Boontah am beweglichsten war, kletterte immer sie auf die Bäume, während die anderen unten standen, und die Mönche im Blick behielten. Eines Tages, als sie oben im Baum saß, kurz davor, die leckeren Früchte zu erreichen, kam ein Mönch und verjagte ihre Freunde mit einem Stock in der Hand. Glücklicherweise bemerkte der Mönch Boontah nicht. Er hätte senkrecht nach oben sehen müssen, um sie zu entdecken. Sie wartete und wartete, ihr Herz klopfte jede Sekunde schneller. Einige Augenblicke später verschwand der Mönch Richtung Tempel. Boontah nahm daraufhin ihren Schatz und rannte davon. Boontah war nicht bereit, ohne Mangos nach Hause zurückzukehren, denn immerhin hatte sie für die leckeren, scharfen, apfelgrünen Früchte Prügel und möglicherweise auch ihr Leben riskiert.

In einem ihrer einsamen Momente wollte Boontah die Schildkröte ihres Vaters von Mönchen segnen lassen. Die wenigsten Dorfbewohner besaßen Schildkröten, und noch viel weniger ließen sie segnen. In diesem Augenblick schien es ihr jedoch eine gute Idee. Also packte sie die Schildkröte und machte sich auf den Weg zum Tempel. Nach der Segnung setzte Boontah die Schildkröte in einen Wassergraben, der den Tempel umgab, weil sie dachte, die Schildkröte wolle im Wasser spielen. Später fand sie das Tier tot auf der Oberfläche treibend. »Das haben die Mönche prima gemacht«, dachte Boontah. »Das Wasser muss so dreckig gewesen sein, dass sie starb.« Ihrer Familie erzählte sie, dass die Schildkröte weggekrabbelt sei und wohl nie wieder zurückkehren würde.

Mit sechs Jahren wurde Boontah eingeschult. An Wochentagen ging sie etwa drei Kilometer zu Fuß – das dauerte rund 40 Minuten. Nach der Schule spielte sie ein wenig mit ihren Freunden und ging dann nach Hause. Der Schulbus konnte sie nicht fahren, denn der Weg zu ihrem Haus war nicht asphaltiert. Die Kinder der Ärmsten der Armen – diejenigen, die an primitiven Straßen wohnten – mussten laufen. Es war nicht ungewöhnlich, dass eine Schule bis zu sieben oder acht Kilometer vom Haus entfernt war. Auf dem Heimweg, ob im strömenden tropischen Wolkenbruch oder unter der sengenden Sonne, pflückte sie eine Mango, Banane oder Papaya, damit ihre Schwestern etwas zum Naschen hatten. Sie hatten nur wenig Geld, um Lebensmittel in einem Geschäft zu kaufen. Obwohl erst drei Jahre alt, rannten die Geschwister immer aus dem Haus und riefen »Boontah, Boontah«. Sie konnten kaum abwarten, die Naschereien zu verschlingen und jubelten dabei vor Freude.

Boontah mochte die Schule gern und bekam gute Noten, auch dann, wenn sie in Schwierigkeiten geriet. Ihre Lehrerin sagte ihr einmal, sie solle auf der Schule bleiben, weil sie eine gute Schülerin sei. Unglücklicherweise hatte Boontahs Mutter andere Pläne. Man konnte es sich nur leisten, dem Bruder eine anständige Schulausbildung zu gewähren. Boontah und ihre Schwester hatten nicht so viel Glück. Boontah musste arbeiten. Nicht nur, um die Mutter zu unterstützen, sondern auch, um den Geschwistern den Schulbesuch zu ermöglichen. Jungen kommen im Isan immer zuerst. Wenn es um finanzielle Dinge wie Ausbildung oder Geschenke geht, so sind die Jungen meist die einzigen Nutznießer – so wie mit Banyas Fahrrad. Mädchen wird Hilfe – in welcher Form auch immer – meist verweigert. Das ist schlicht eine Tatsache in der thailändischen Gesellschaft, besonders in der Provinz.

Als Boontah etwa acht Jahre alt war, sagte sie ihrer Mutter, sie brauche neue Schuhe. Ihr einziges Paar war zu klein, voller Löcher und schmerzte an ihren Füßen. Ihre Mutter erwiderte: »Das ist nicht mein Problem.« Ihre Mutter hatte zwar Geld, dem Bruder neue Schuhe zu kaufen, aber Boontah ging leer aus. Sie war noch zu klein, um zu verstehen, dass sie als Tochter für die Mutter kaum Wert hatte.

Wenn Jungen in der Schule die Mädchen schlecht behandelten, schlug Boontah die Jungen und rannte dann so schnell sie konnte weg. Man konnte oft beobachten, dass sie Schwächere verteidigte. Auch wenn die Mädchen froh waren, dass ihnen geholfen wurde, gewann Boontah dadurch keine neuen Freundinnen. Die Lehrer wussten, dass sie Ärger machte und »außer Kontrolle« schien. Sie verstanden nicht, weshalb Boontah solch ein problematisches Kind war. Sie wussten nicht, wie sie damit umgehen oder ihr helfen sollten.

Eines Tages, als Boontah knapp zehn Jahre alt war, fuhren ihre Eltern nach Bangkok. Sie war eine gute Schülerin, aber ohne ihren Vater musste sie ohne Schutz vor den Erwachsenen in ihrer Familie zurechtkommen. Ihr Leben, schwierig genug in dieser Armut, verschlimmerte sich zusehends. Ihre Probleme in der Schule waren ein sicherer Indikator für den Schmerz, den sie zu Hause erleiden musste.

Boontahs Onkel schlug sie bereits aus geringfügigem Anlass. Den Erwachsenen in ihrer Familie gefiel es offenbar, sie auszunutzen oder mit dem Stock zu schlagen. Je öfter sie geschlagen wurde, desto öfter »drehte sie durch«, sie stahl und machte Banyas Sachen kaputt. Sie war wahnsinnig eifersüchtig auf ihren Bruder.

Boontah wurde als »Freie Seele« geboren, aber in Wahrheit gab es in ihrer Familie keinen Platz für eine freie Seele. Es gab nie einen Platz für Boontah in ihrer Familie, auch dann nicht, wenn sie alles getan hatte, was ihr aufgetragen wurde. Sie versuchte vergeblich, alles richtig zu machen. Nun begann sie, ihre Wut an Schwächeren auszulassen. Die Tochter der Lehrerin war ein leichtes Ziel. Boontah stahl ihre Bücher und zerstörte ihre Zeichnungen. Eine andere sollte spüren, wie schlecht sie sich in jedem wachen Moment ihres Lebens fühlte.

Ein Musiklehrer

Boontah war erst elf Jahre alt, als sie begann, Apeechaet zu treffen, einen Lehrer, der Gitarre spielen und singen konnte. Jeden Abend gegen 20 Uhr schlich sie aus dem Haus. Ihre Eltern waren in Bangkok, ihre Großmutter schlief und ihr Großvater sprach mit den Göttern der Karen. Apeechaet wohnte im Erdgeschoss eines für Lehrer bestimmten Komplexes. Die Türen der Häuser bestanden aus lückenhaften Holzlatten, so dass Boontah ihren Lehrer von draußen sehen und auch mit ihm sprechen konnte. Die Tür konnte er für sie nicht öffnen, denn er ahnte, was für ein Tratsch daraus resultieren würde. Sie hörte ihm gern beim Singen zu und betrachtete ihn dabei durch die Holzlatten. Viele Monate lang schlich sie zu seinem Haus – bis sie ihr Geheimnis nicht länger für sich behalten wollte.

In einer ruhigen Nacht nahm Boontah eine Freundin mit zu Apeechaet, um seinen Melodien zu lauschen. Am nächsten Tag erzählte es die Freundin in der Schule. Boontah war sehr böse darüber – sie wusste, dass sie nun wieder einmal Ärger bekommen würde. Es war ihr Geheimnis gewesen, und ein Geheimnis zu hüten war für sie in diesem Alter wichtig wie »Leben und Tod«. Als der Schuldirektor von den Treffen erfuhr, wurde Boontah vom Unterricht ausgeschlossen, Apeechaet gefeuert oder versetzt. Boontah erfuhr nicht, welche Strafe er bekam. Sie hörte ihn nie wieder singen. Er wurde von der Schule entfernt, weil einige Dorfbewohner befürchteten, er hätte eine sexuelle Affäre mit Boontah begonnen. Fragen wurden nicht gestellt, eine Anhörung gab es nicht. Ignoranz und Kleingeistigkeit beherrschen das Verhalten der ungebildeten Leute in der thailändischen Provinz.

Die Hälfte der Lehrer an Boontahs Schule glaubte, sie habe den Ärger verursacht, die andere Hälfte, Apeechaet sei das Problem. Niemand kam auf den Gedanken, dass überhaupt kein Problem vorlag oder die Treffen völlig harmlos gewesen waren. Niemand ahnte, dass ein kunstinteressiertes kleines Mädchen einfach nur den Gesang ihres Musiklehrers hatte hören wollen. Und selbst wenn jemand insgeheim so etwas dachte, hätte er es aus Angst, sich lächerlich zu machen, nie zugegeben. So sah die Lehrerschaft in Boontah ein verdorbenes kleines Mädchen, dessen weiteres Leben entsprechend verlaufen würde. Sie war diejenige, die in der Dorfgemeinschaft als Hexe angesehen wurde – ein beliebtes Thema in thailändischen Spielfilmen. Wenn Boontah in ein Geschäft ging, schrien die Besitzer sie an: »Du bist erst elf Jahre alt und willst schon einen Freund, mit dem du Sex haben kannst, du kleine Hure!«

Boontah verlor ihre wenigen Freunde, weil deren Eltern den Umgang mit ihr verboten. Dorfbewohner können gemein sein, eine Grausamkeit, die aus Ignoranz und Aberglauben resultiert. Boontah hört in ihren Alpträumen noch immer die schmerzlichen Beschimpfungen. Aber wenn sie ihre Augen schließt und ihren Gedanken freien Lauf lässt, kehrt sie zu einigen schönen Augenblicken ihrer Kindheit zurück. Dann hört sie Apeechaets hübsche Stimme. Sie erinnert sich daran, wie er thailändische Melodien singt und sanft seine Gitarre spielt, während sie auf der anderen Seite der zersplitterten Holzlatten sitzt.

Ausgeschlossen

Nachdem sie vom Unterricht ausgeschlossen worden war, hatte ihr Großvater genug. Er schrieb ihren Eltern in Bangkok, dass er es leid war, sich um die Probleme zu kümmern, die Boontah verursachte. Er wollte keine Verantwortung mehr übernehmen. Doch ihr Vater wusste, dass sie von jedem in der Familie schlecht behandelt wurde. Er wusste auch, dass er der Einzige war, der sie beschützen konnte. Er holte sie nach Bangkok, wo er und seine Frau arbeiteten. Nachdem sie ein paar Monate bei ihren Eltern verbracht hatte, schien es, als ob Boontahs Leben einen anderen Verlauf nehmen sollte: Sie könnte möglicherweise eine richtige Kindheit durchleben – eine, die es erlaubte, dass sie sich wie ein »kleines Mädchen« benehmen durfte. Der Schuldirektor hatte einer Rückkehr in die Schule zugestimmt. Sie kehrte ins Dorf zurück und ging wieder zur Schule. Dort lernte sie tanzen – ein Omen für ihre Zukunft.

Rückkehr zur Schule

Nachdem Boontah nach Ubon zurückgekehrt war, begann sie mit anderen Mädchen in Shows aufzutreten, die durch die Nachbardörfer tingelten. Sie verdiente bis zu 50 Baht (etwa 1,00 Euro) für zwei Stunden Arbeit pro Nacht und trat zwei- oder dreimal in der Woche auf. Das war eine Menge Geld für eine Elfjährige – Geld, das sie mit ihren Geschwistern teilte. Für eine kurze Weile war sie sehr glücklich über ihre Arbeit – und unabhängig. Sie unterrichtete Ying sogar im traditionellen thailändischen Tanz. Die Großmutter konnte Boontahs Tanzen nichts abgewinnen, denn Boontah trug einen sehr kurzen Rock und tanzte auf einer Bühne. Beides galt auf dem Land als ziemlich provokativ.

Zum selben Zeitpunkt wurde das Dorf an das Stromnetz angeschlossen und Wasserleitungen wurden verlegt. Der Großvater dachte, dieser zivilisatorische Fortschritt sei von den Geistern geschickte Zauberei. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass etwas so Wunderbares in dem ärmlichen Dorf passierte. Auch wenn die Großmutter mit Strom und Wasser sehr zufrieden war, konnte sie doch nicht viel damit anfangen, geschweige denn ahnen, welche Möglichkeiten damit offen standen.

Sie verbot Musik im Haus, die sie als Stromverschwendung anprangerte. Die Mädchen lernten daher in der Stille tanzen. Es gibt in Thailand ein bekanntes Musikvideo, das eine ähnliche Geschichte erzählt. Eine Vierzehnjährige tritt in Shows auf und wird von ihrem Lehrer schroff abgewiesen, bis er endlich zugibt, dass ihr Tanz und ihre Kleidung gesellschaftlich akzeptabel seien. So viel Glück hatte Boontah nicht.

Boontah kam schließlich mit ihrer Großmutter überein, dass sie zwar kein Geld mit Tanzen verdienen durfte, jedoch einen Reinigungsjob in Dae Udom annehmen konnte. Dae Udom lag nur zwanzig Minuten entfernt, wenn sie auf einem alten Kleintransporter der Nachbarn mitfuhr. Die Großmutter erklärte sich einverstanden. Kurz nachdem sie die Arbeit begonnen hatte, erklärte Boontah der Großmutter, sie wolle auch die Mittelschule in Dae Udom besuchen. Boontah brauchte keine fremde Hilfe mehr, um das Schulgeld zu bezahlen, sie konnte es selbst aufbringen. Die Großmutter verweigerte dennoch ihre Zustimmung. Sie meinte, Boontah müsse nicht weiter zur Schule gehen. Bald darauf verbot sie ihrer Enkelin, weiterhin in Dae Udom zu arbeiten.

Boontah war fassungslos und bestürzt. Sie konnte nicht verstehen, weshalb ihre Großmutter jedem ihrer Vorschläge derart abgeneigt gegenüberstand. Und zwar immer dann, wenn es um Unabhängigkeit, Geld und – am wichtigsten – Glück ging. Ihr Großvater hatte sie weggeschickt, die Schule sie vom Unterricht ausgeschlossen. Als sie wieder auf die Schule ging, erlaubte ihr die Großmutter nicht, mit anderen Mädchen zu tanzen und damit Geld zu verdienen. Und nun wollte ihr die Großmutter auch die Arbeit als Putzkraft verbieten – ebenso den Besuch einer weiterführenden Schule, obwohl sie selbst für die Kosten aufkommen konnte. Die Großmutter stellte sich ihrem Leben als normales glückliches Kind immer in den Weg. Boontah kam sich vor wie eine Gefangene, und die Großmutter war die Aufseherin. Wie alle Gefängnisinsassen kannte Boontah nur noch einen Gedanken: Flucht.

Weggelaufen

Mit elf Jahren lief Boontah das erste Mal weg, und begann zu Fuß eine 800 Kilometer lange Reise nach Bangkok. Auf dem Weg dorthin traf sie ein siebzehnjähriges Mädchen, das Boontah vor den Gefahren des Weglaufens warnte. Sie lud Boontah zu sich nach Hause ein. Drei Tage später sah Boontah nach dem Aufstehen die Mutter des Mädchens mit Boontahs Familie sprechen. Sie nahmen Boontah mit nach Hause. Wie zu erwarten war, schlug Onkel Sakda sie wieder und wieder. Boontah weigerte sich, mit jemandem zu sprechen oder zur Schule zu gehen. Die einzige Aktivität, zu der sie sich bewegen konnte, war das Verfassen von Briefen an ihren Vater.

Irgendwann ging sie wieder zur Schule, aber dort war sie inzwischen eher berüchtigt als berühmt. Boontah war ein Kind mit ernsten Problemen, und der Schmerz, der tief in ihr saß, suchte sich manchmal in unkontrollierbaren Wutausbrüchen ein Ventil. Niemand mochte sie. Nicht ihre Klassenkameraden, nicht die Lehrer. Eines Tages kam einer ihrer Lehrer zu ihr nach Hause und erklärte ihrem Großvater, dass sie nicht länger zur Schule gehen könne. Sie war schwierig und eine Belastung. Boontah wurde der Schule verwiesen.

Boontah läuft ein zweites Mal davon

Immer noch elf Jahre alt, flüchtete sie nach Chiang Mai in Nordthailand. Sie hatte nur das Geld, das sie als Tänzerin und Putzhilfe angespart hatte, aber es war genug, um von ihrer Familie wegzukommen – so weit wie möglich. Als sie in Chiang Mai ankam, sah sie eine Stellenanzeige, mit der eine Kellnerin gesucht wurde. Sie traf den Inhaber des Restaurants, der sofort erkannte, dass sie noch sehr jung und ohne Familie in der Stadt war. Anstatt ihr den Job zu geben, rief er die Polizei, die Boontah nach Hause bringen sollte. Drei Offiziere erschienen, die viele Fragen stellten. Aber Boontah sagte nicht, wie sie hieß, und auch nicht, wo sie wohnte. Sie wollten auch herausfinden, was sich in ihrer Tasche befand, aber Boontah ließ das nicht zu. Nach einem zwanzigminütigen Verhör wurde Boontah schließlich in eine Klinik für psychisch Kranke gebracht. Im Krankenhaus sprach sie mit einer Sozialarbeiterin. Ihr erzählte sie, sie wolle nie wieder zurück nach Hause. Die Sozialarbeiterin versprach, sich nach einer neuen Bleibe für Boontah umzusehen.

Einen Monat später war Boontah immer noch in Chiang Mai. Das Versprechen über ein neues Zuhause war nicht eingelöst worden. Sie hasste es, in dem Krankenhaus zu leben. Die Umgebung war feindselig, die Patienten schienen gefährlich, das Essen ungenießbar. Im Krankenhaus hatte sie sich den Namen Kumai gegeben. Als sie einsehen musste, dass die Sozialarbeiterin ihr nicht helfen würde, schrieb sie einen Brief an eine Krankenschwester, in dem sie ihren richtigen Namen und ihren Wohnort offenbarte. Nachdem die Krankenschwester den Brief erhalten hatte, rief sie Boontahs Vater in Bangkok an. Als er in das Krankenhaus kam, umarmte Boontah ihn und weinte unkontrolliert. Er gab zu, dass er wisse, dass es zu Hause einige Probleme gebe, aber dennoch musste sie ihm versprechen, nie wieder wegzulaufen. Zusammen kehrten sie schließlich nach Ban Jonejalurn in die Holzhütte zurück, die sich die Familie teilte.

Bei ihrer Ankunft sah sich Boontah dem Zorn der gesamten Familie ausgesetzt. Alle schrien sie an und warfen ihr vor, sie sei nicht nur der Grund all ihrer Probleme, man schämte sich auch für sie. Boontahs Vater musste einsehen, dass Boontah unvermeidlich in neue Schwierigkeiten geraten würde, wenn er sie zu Hause nicht beschützte. Daher musste er seine Arbeit in Bangkok aufgeben und ins Dorf zurückkehren – egal um welchen Preis. So konnte er es sich zunächst nicht leisten, Boontah zur Schule zu schicken. Er versuchte einen Job auf einer Baustelle in Ubon zu bekommen, aber dort zahlte man nicht genug, so dass er seine Familie nur unzureichend unterstützen konnte. Also lieh er Geld von seinen Nachbarn, um sein eigenes Geschäft zu gründen: ein Handwagen, mit dem er Süßigkeiten verkaufte, während Boontahs Mutter Nudeln anbot. Sie trug das Essen mittels eines Gestells auf ihren Schultern.

In Ubon mieteten sie ein Zimmer für 680 Baht (etwa 15 Euro) pro Monat. Die ganze Familie, auch die Großeltern, wohnten in diesem einen Zimmer, das weder über fließend Wasser noch über Strom verfügte. Sie holten Wasser aus einem öffentlichen Brunnen, nutzten tagsüber das Sonnenlicht und zündeten nachts Kerzen an. Mit diesem Umzug hatte die Familien einen großen Schritt zurück getan. Erneut lebten sie in einem Zimmer ohne Errungenschaften der Zivilisation wie Strom und Wasser. Es muss nicht weiter ausgeführt werden, dass Boontah auch dafür verantwortlich gemacht wurde.

Boontahs Mutter brüllte ständig Ehemann und Kinder an. Boontahs Vater war ein ruhiger Mensch, der nur Frieden mit seiner Familie wollte und genug Geld verdienen, um sie unterstützen zu können. Boontah ertrug es nicht, wie schlecht ihr Vater von ihrer Mutter und Großmutter behandelt wurde. Der Schmerz war für ein Kind in ihrem Alter unerträglich. Sie entschloss sich, erneut wegzulaufen. Sie stahl 200 Baht (etwa 4 Euro) aus Yings Sparschwein – angespartes Taschengeld, das ihr Vater ihr im Laufe eines Jahres gegeben hatte. Die jüngeren Geschwister konnten sparen, weil Boontah ihr Geld für sie ausgegeben hatte.

Und wieder weggelaufen

Als Boontah diesmal weglief, ging es wieder Richtung Bangkok. Sie war zwölf Jahre alt, als sie sich zum Busbahnhof in Ubon aufmachte. Sie stellte sich immer wieder ihren Vater vor, wie er sagte, sie täte das Richtige. Sie wollte ein neues Leben beginnen und sie würde alles riskieren, um diese Chance zu bekommen. Die gestohlenen 200 Baht in ihrer Tasche waren ihre einzige Hoffnung. Im Bus beschwor sie sich immer wieder, stark zu sein.

Auf dem Weg nach Bangkok kam sie mit einem Mann ins Gespräch, der neben ihr saß. Er sagte ihr, er könne ihr einen Job in einem chinesischen Laden besorgen. Boontah erklärte sich sofort einverstanden. Ihr Gehalt: 1.500 Baht, ganze 30 Euro – im Monat. Sie arbeitete von 5 Uhr morgens bis 19 Uhr, 14 Stunden pro Tag an sieben Tagen der Woche. Am Ende ihres Arbeitstages durfte sie das Geschäft nicht verlassen. Wieder einmal fühlte sie sich wie eine Gefangene. Sie wurde unbarmherzig ausgenutzt. Illegale Kinderarbeit ist in Thailand an der Tagesordnung, auch heute noch. Boontah kündigte.

Während sie beim Chinesen gearbeitet hatte, konnte sie etwa 400 Baht sparen, wusste nun aber nicht, was sie tun oder wohin sie gehen sollte. Als sie in der Stadt herumstreunte, wurde sie hungrig und müde. An einem Nudelstand aß sie etwas. Nit, die Besitzerin des Nudelladens, sah die Plastiktüte in Boontahs Hand, in der sich ihr gesamter Besitz befand. Neugierig fragte sie das kleine Mädchen, ob sie einen Job suche und bot ihr einen in ihrer Garküche an. Boontah nahm sofort an. Als sie an diesem Abend zu der Frau nach Hause gingen, wollte Nits Ehemann nicht, dass Boontah für sie arbeitete. Er, ein Polizist, brachte Boontah aufs Polizeirevier und sperrte sie in eine Arrestzelle. Dann rief er einen Sozialarbeiter, der Boontah abholen sollte.

Boontah wurde in ein Kinderheim gebracht, in dem sie ständig in Schwierigkeiten geriet. Der einzige Unterschied zu ihrem Zuhause bestand darin, dass ihr im Heim unter anderem gezeigt wurde, wie man Papierblumen herstellt, Haare schneidet, Kleidung näht. Eines Tages begann eines der Mädchen andere Heimbewohner zu mobben. Boontah schlug zu. Sie hatte bereits in jungen Jahren derartig viel Gewalt erlebt, dass sie nun alles tat, um diese zu unterbinden. Allerdings kannte sie keinen anderen Weg, als selbst physische Gewalt anzuwenden.

Boontah sollte zu ihrem Verhalten Stellung nehmen, denn immer schien sie die Schlägereien zu beginnen. Sie erfand Ausflüchte, die die Wahrheit verschleierten. Tatsache aber war, dass sie Gewalt nicht mit ansehen konnte, sich aber nicht schuldig fühlte, wenn sie selbst eine Schlägerei begann. Es wurde entschieden, sie nach Ban Kunwitiying in Patumtani zu bringen. Dort gab es eine geschlossene Anstalt für Frauen jeden Alters, die unter psychischen Störungen litten. Wenn niemand kommt, um die Frauen dort abzuholen, bleiben sie bis zu ihrem Tod dort. Boontahs Überführung fand am 7. September 1993 statt. Die Sozialarbeiter wussten nicht, dass dies Boontahs 13. Geburtstag war.

In der Anstalt bemühte sich Boontah, mit den anderen Patienten und den Wärterinnen zu kooperieren. Das erste Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, von anderen geliebt zu werden. Sie erzählte viel und brachte die Leute zum Lachen. Eine der Wärterinnen erlaubte ihr, bei ihr im Zimmer zu wohnen. Das Zimmer hatte im Gegensatz zu dem von Boontah viele Annehmlichkeiten: eine Matratze, einen Ventilator, Kissen und Laken. Eines Abends, als die Wärterin einschlief, stahl Boontah ihren Schlüssel und rannte aus der Klinik. Doch als sie an eine Mauer gelangte, die das Gelände umgab, musste sie feststellen, dass sie viel zu hoch war, um darüberzuklettern. Es war bereits Alarm ausgelöst worden. Scheinwerfer blendeten Boontah, Sirenen ertönten. Sie war erwischt worden. In dieser Nacht würde sie ihre Freiheit nicht zurückerlangen.

Für den Fluchtversuch wurde Boontah hart bestraft. Sie musste Ketten tragen und wurde in eine Einzelzelle ohne Essen gesteckt. Noch heute kann man die Narben an ihren Fußgelenken sehen, die die Ketten hinterlassen haben. Ein paar Tage später durfte sie die Zelle verlassen und die Ketten ablegen. Nun war sie gewarnt: Bei einem weiteren Fluchtversuch würde sie noch härter bestraft werden.