ICONS Glaubensheld*innen aus der Bibel und heute -  - E-Book

ICONS Glaubensheld*innen aus der Bibel und heute E-Book

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Beschreibung

Körper, Kunst, Unsicherheit, Arbeit und Beziehungen … sind Themen, die uns Menschen seit jeher bewegen. In diesem Buch suchen wir gemeinsam nach etwas, das uns trägt: nach uns selbst, nach Gerechtigkeit, Freundschaft, Liebe und Gott. In zwölf Kapiteln werden ganz persönliche Erfahrungen geschildert. Je eine Perspektive stammt von einer Person aus der Bibel, die jeweils anderen drei Glaubensheld*innen sind Menschen von heute. Die biografischen Erzählungen, Illustrationen und Gebete eignen sich sowohl zur persönlichen Inspiration als auch für die Arbeit in Gruppen. Dieses Buch ist diversitäts- und diskriminierungssensibel, denn: Faith Spaces sind Safe Spaces!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2025

Alle Rechte Vorbehalten

www.herder.de

Herausgeber*innen: Dr. Jan Kuhn, Lisa Quarch

Mitherausgeberin: Ana Souto Miebach

Weitere Autor*innen: Ari Yasmin Lee, Barbara Nick, Benita Dunia N’sanda, Charlotte Meister, Christian Memes Germany, Prof. Dr. Christina Kumpmann, Christine Poppe, Decolonize Theology, Dominik Maxeion, Evelyne Baumberger, Dr. Franziska Kruppa, Frederic Schneider, Johannes Siebenmorgen, Julia Schönbeck, Dr. Juliane Eckstein, Lukas Springer, Lena Müller, Lena Freiwald, M, Mara Klein, Marco Michalzik, Marie Briese, Mirjam Morlok, Mona Krähling, Nathalie Eleyth, Nele Christin Beichler, Oliver Dedio, Paula Nowak, Rebecca Lögers da Silva, Stefan Salzmann, Sem Schmidt, Sophia Gisa osf, Thomas Bartolf, Tim Guttenberger, Veronika Rieger

Illustrationen: Liv Matthiesen

Lektorat: Katharina Rahlf

Umschlaggestaltung: Luisa Wachsmuth unter Verwendung einer Illustration von Liv

Matthiesen

Layout und Satz: Luisa Wachsmuth

E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe

Gedruckt auf umwelfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier

ISBN Print 978-3-451-71777-2

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-451-83551-3

ISBN E-Book (PDF): 978-3-451-83607-7

www.faithpwr.de

Ein ökumenisches Projekt in Trägerschaft des Bistums Limburg.

eins ordnungslos.

Noah

Lukas Springer

Mona Krähling

Mara Klein

zwei gerufen.

Debora & Jaël

Stefan Salzmann

Sem Schmidt

Sophia Gisa, osf

drei utopisch.

Witwe aus Sarepta

Lisa Quarch

Nathalie Eleyth

Decolognize Theology

vier kunstvoll.

Mirjam

Marco Michalzik

Christian Memes Germany

Lena Müller

fünf abgearbeitet.

Amos

Ana Souto Miebach

Dominik Maxelon

Tim Guttenberger

sechs emotional.

Jakob

Evelyne Baumberger

Marie Briese

Christine Poppe

sieben intim.

Tamar

Oliver Dedio

Barbara Nick

Veronika Rieger

acht korperlich.

David

Ari Lee

Paula Nowak

Jan Kuhn

neun angezweifelt.

Kohelet

Charlotte Meister

Johannes Siebenmorgen

Franziska Kruppa

zehn politisch.

Ester

Benita Dunia N’sanda

Rebecca Lögers da Silva

Julia Schönbeck

elf unsicher.

Josef

M

Nele Christin Beichler

Lena Freiwald

zwölf beziehungsvoll.

Rut

Mirjam Morlok

Freddy Schneider

Thomas Bartolf

Hallo und schön, dass du da bist!

Du hältst ein Buch in den Händen, das voller Geschichten von absolut ikonischen Persönlichkeiten steckt, die alle eines verbindet: Sie schauen aus einer Perspektive auf die Welt, die den Gott der Bibel als eine Realität ihres Lebens mit einbezieht. Das war es aber eigentlich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Denn du findest in diesem Buch Geschichten und Bilder von Menschen aus der Bibel und von heute. Von Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien, Identitäten, Talenten, Herkünften und Meinungen. Manche dieser Personen kennst du vielleicht – entweder weil du manchmal in christlichen Social Media unterwegs bist oder weil du immer mal gerne in der Bibel liest.

In diesem Buch erwarten dich zwölf Kapitel mit zwölf Themen. In jedem Kapitel findest du vier Perspektiven von verschiedenen Glaubensheld*innen, unseren ICONS. Alle schauen auf ein gemeinsames – heute und damals relevantes – Thema wie z. B. Kunst, Körper, Politik, Unsicherheit oder Utopie.

Da wir die Personen der Bibel zwar weder befragen können noch ein Foto von ihnen haben, ihre Geschichten uns aber noch immer inspirieren, findest du jeweils eine Illustration, welche die Person nicht nur darstellt, als würde sie heute leben, sondern in deren Details auch fast ihre ganze Lebensgeschichte steckt. Zu den Illustrationen gibt es szenische Erzählungen aus der Ich-Perspektive und außerdem eine kleine historische sowie religionswissenschaftliche Einordnung, die uns in den Lebenshorizont der Personen der Bibel mitnimmt.

Auf die biblische Person folgen jeweils die ICONS unserer Zeit, (meist) mit Foto sowie mit Texten und Geschichten ganz unterschiedlicher Art. Sie erzählen von ihrem Glauben, ihrer Sexualität, ihren Hoffnungen, ihren Erfolgen, ihren Familien, ihren Zweifeln.

Wie kannst du dieses Buch nutzen?

Wir haben all diese unterschiedlichen Geschichten und Perspektiven gesammelt, damit du sie für dich nutzen kannst. Vielleicht findest du dich in manchen Fällen wieder? Und von anderen willst du dich einfach nur abgrenzen? Oder du lernst eine völlig neue Sichtweise kennen und willst sie mal für dich und dein Leben oder deinen Glauben ausprobieren?

Damit du aus den zwölf Kapiteln, zwölf Illustrationen, zwölf szenischen Erzählungen, zwölf wissenschaftlichen Einordnungen und 36 Perspektiven von heute das Beste für dich herausholen kannst, kommen hier ein paar Vorschläge, wie du mit diesem Buch dein Leben und deine Arbeit bereichern kannst:

1.

Lass dich in die vielen Geschichten und Lebenswelten hineinfallen und lies das Buch einmal einfach von vorne bis hinten durch.

2.

Nimm dir die Kapitel einzeln vor. Du kannst dich z. B. von den zwölf Kapiteln durchs Jahr begleiten lassen und dich jeden Monat mit einem der Themen auseinandersetzen. Die Kapitel müssen auch nicht in der Reihenfolge gelesen werden, wie sie hier Vorkommen, sondern du kannst einfach immer ein Thema wählen, das dich gerade interessiert. Vielleicht hast du nach jedem Kapitel Lust, dir zu überlegen, wie deine Perspektive auf das Thema ist? Was für einen Text würdest du dazu schreiben?

3.

Du kannst mit ICONS auch super mit Gruppen arbeiten. Egal, ob in der Schule, im Konfi-, Firm-, BU-Unterricht, in der Jugendarbeit oder Pastoral und Katechese. Schreibt gemeinsam szenische Erzählungen und lest dann unsere, entwerft eure eigenen Texte zu den Themen oder überlegt, welche Glaubensheld*innen noch fehlen könnten. Auch geben unsere szenischen Erzählungen gemeinsam mit der historischen Einordnung oder auch einem Featuretext Inputs für Predigten und Andachten.

eins

ordnungslos.

Ordnungslos – das große Tohuwabohu – Chaos im Alltag, in der eigenen Wohnung, im Herzen, in der Welt ... Es geht um alles, bei dem Chaos und Ordnung unser Leben, unseren Glauben, unsere Umwelt und Mitwelt beeinflussen.

Noah

Wasser.Nichts als Wasser.

Es umgibt uns von allen Seiten, es schwappt dumpf gegen die Holzwände der Arche, es rauscht in meinen Ohren. Mehr sehe ich nicht, wenn ich mich umschaue. Wasser, das fast alles zerstört hat, was ich hebe. Nachts, wenn ich wieder nicht einschlafen kann wegen des Drucks auf meiner Brust, dann erinnere ich mich.

An das Dorf, in dem ich mit meiner Familie gelebt habe, den Wald, in dem ich das erste Mal meine Frau geküsst habe, die Wiese mit den wunderschönen Blumen.

An die Freundin, die mir nicht glauben wollte, dass wir jetzt unbedingt auf die Arche müssen; die mir einfach nicht glauben wollte, dass wir einen sicheren Ort brauchen. Auch sie hat das Wasser vernichtet. Ich vermisse sie.

Doch ein paar von uns sind hier und geborgen: alle aus meiner Familie, die mir geglaubt haben. Die mir geglaubt haben, dass Gott seihst mir den Auftrag gegeben hat, diesen Ort hier zu erschaffen.

Diese Arche, ein unverschämt sicherer Ort in all dem Chaos, die uns durch all den Schrecken trägt. Uns und die Tiere. Wie kann es sein, dass wir hier alle sicher sind, während so viele ihr Leben verloren haben? Wie haben wir das nun verdient?

Hoffnung gibt uns die Taube, sie ist unser Neuanfang.

Vorsichtig lege ich meine Hand auf den zarten Olivenzweig, den sie uns gestern gebracht hat, unseren größten Schatz. Die Farbe leuchtet vor meinem Auge, es ist so lange her, dass wir frische Pflanzen gesehen haben.

Jetzt habe ich sie wieder losgeschickt. Sie sucht nach Land. Nach einem dauerhaften, festen Ort, an dem wir zur Ruhe kommen und neu anfangen können.

Auf eine neue Ordnung!

Gott hat es mir versprochen, also glaube und hoffe ich darauf, dass er sein Versprechen hält, so wie ich meins gehalten habe.

Da brüllt es begeistert von oben: „Land in Sicht!“ Es beginnt ein Konzert mit Kreischen, Zwitschern, Grunzen und Johlen: „Land in Sicht!“

Noah (Hebräisch für „Ruhe, Trost“, symbolisiert durch die Blautöne des Bildes) schafft mit der harten Arbeit seiner Hände einen Safe Space für die bedrohten Geschöpfe Gottes. Die Hoffnung treibt Noah an, der plötzlich inmitten der Wellen des Chaos zum Seemann geworden ist, und findet sich auf seiner Haut in Gestalt eines Ankers wieder. Die Taube mit dem Olivenzweig ist seine Botin des neuen Lebens; der Regenbogen, der für die Vielfalt der Schöpfung und für Gottes Treue steht, ist die Besiegelung der Verbindung zwischen Himmel und Erde, Gott und Mensch.

Schweigen angesichts der Katastrophe

Eine biblische Einordnungvon Prof. Dr. Christina Kumpmann

Noah schweigt. Betrachtet man die Handlungen der Figuren in der biblischen Flutgeschichte, fällt auf, wie viel Gott spricht, gebietet, redet, segnet ... und auch Noah ist alles andere als inaktiv: Er macht und tut allerlei – wie ihm eben geboten wird; aber er sagt nichts dazu. Dieses Schweigen Noahs fällt auf und gibt Anlass zu Überlegungen – ist es die Verzweiflung an der Situation, die ihn gegenüber Gott und den Mitmenschen schweigen lässt? Dazu passt, dass Noahs erste Taten nach der Flut der Weinanbau und das Betrinken bis zur Besinnungslosigkeit sind.

Was Gott in dieser Geschichte tut, ist erschreckend – allerdings nicht erst für moderne Leserinnen. Die Bibel erzählt die Geschichte und problematisiert – nicht nur im Schweigen Noahs – ihr Gottesbild.

Gegenüber den altbabylonischen Vorlagen ist die Frage nach dem Gottesbild zugespitzt: Während etwa das Gilgamesch-Epos erzählt, der Vernichtungswille gehe vom Rat der Götter aus, dessen zerstörerischer Plan vom Gott Enki unterlaufen wird, der das Rettungsschiff initiiert, kann in der biblischen Version (die Priesterschrift gehört zu den ersten monotheistischen Texten) nur der eine Gott Verursacher von beidem sein. So kommt es zu der merkwürdigen Inkonsequenz im Handeln, die wiederum theologisch fasziniert: Gott erschrickt so über seine eigene Zerstörungswut, dass er am Ende den Bund mit der ganzen Schöpfung (auch das so eine Sinnspitze der Priesterschrift) schließt, indem er seine eigene Macht und sich selbst begrenzt.

Lukas

@glaube_liebe_pizza

Ordnung im Chaos

Ich liebe das Chaos. Genauer gesagt: das kreative Chaos. Denn aus der Ordnung entsteht selten Kreativität. Für Künstlerinnen und Kreative gibt es nichts Schlimmeres als die Angst vor der „weißen Leinwand“. Oftmals ist es zielführender, aus Vorhandenem etwas Neues zu schaffen. Das Chaos zu bändigen, zu kanalisieren.

Auch Gott ist ein Gott des kreativen Chaos!

Auch Gott schafft aus dem Chaos Ordnung. Gottes Schöpfung ist kreatives Chaos.

Gott wirkt in der Schöpfung und schafft aus dem Chaos der Menschen immer wieder Neues.

Ich liebe aber auch die Ordnung. Wenn ich äußerlich Ordnung schaffe, hilft es mir, auch innerlich zur Ruhe zu kommen – und umgekehrt. Dinge und Gedanken zu sortieren, hilft mir, mich selbst zu finden.

Auch Gott ist ein Gott der Ordnung. Gottgegebene Ordnungen wurden oft missbraucht. Und irgendwie ist es auch ein sehr „deutsches“ Thema: Straßenverkehrsordnung, Hausordnung etc. Doch um solche Ordnungen geht es nicht.

Gottes Ordnungen sind immer Ordnungen, die der Liebe und der Gerechtigkeit dienen. Es sind Ordnungen, die für ein gutes Zusammenleben sorgen, in dem sich Leben entfalten kann.

Ein Beispiel:

In Matthäus 5,22 greift Jesus das 5. Gebot „Du sollst nicht töten“ auf und weitet es auf den Bereich der Sprache aus: „[...] wer aber zu ihm [dem Bruder] sagt: Du Dummkopf!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.“

Sehr drastisch, wie Jesus das formuliert, aber es soll deutlich machen: Menschen zu beleidigen, zu diskriminieren oder mit Worten zu verletzen – all das steht Gottes Ordnung diametral entgegen.

Denn das Gegenteil von Unordnung ist nicht Ordnung, sondern Friede („Schalom“)! Ein Friede, in dem Menschen ihr volles gottgegebenes Potenzial entfalten können.

So leben wir in der Spannung zwischen Ordnung und Chaos. In dieser Spannung entsteht vielleicht ein Funke von diesem Frieden, der uns verheißen wird.

Mona

@kopfvollbunt

Ordnungslos

Der Plan stand fest.

Nach dem Abitur ein Jahr für Gott. Dann vielleicht eine Ausbildung, aber am liebsten gleich zur Bibelschule, um dann Pastorin zu werden. Jung heiraten, am besten mit 21, und dann mit 23 das erste Kind.

Mein Leben folgte festen Bahnen. Nicht nur die zeitlichen Abläufe, auch die Werte und Ansichten waren klar. Alles schien geordnet, Alternativen gab es nicht wirklich.

Eine Zeit lang schien es zu funktionieren. Nach und nach hakte ich alle Punkte auf meiner Liste ab. Ich ging für ein Jahr in die Mission, begann dann mein Theologiestudium und heiratete tatsächlich mit 21. Und mit 23 bekam ich mein erstes Kind. Ich studierte weiter und war auf dem besten Weg, in naher Zukunft Pastorin zu werden.

Aber mehr und mehr begann es zu bröckeln. Irgendwann so stark, dass es nicht mehr aufzuhalten war. Und ich merkte: In meinem Eifer, alles besonders richtig zu machen und immer ein gutes, christliches Vorbild zu sein, hatte ich mich verrannt. Verrannt in die Enge, in eine Sackgasse. Plötzlich fühlte ich mich gefangen in dieser Rolle, die ich immer zu erfüllen versucht hatte. Die Ordnung, auf der ich mein Leben aufgebaut hatte, war zu meinem persönlichen Albtraum geworden. Ich begann, Fragen zu stellen. Die mir vorgelebte Ordnung infrage zu stellen.

Und alles zerbrach.

Es war nicht nur wie ein Kartenhaus, das in sich zusammenfiel. Nein, auch der Tisch darunter brach zusammen, ein riesiges Loch tat sich auf, und es gab keinen Boden mehr.

Fortwährendes Stürzen und Fallen.

Alles schien mich hinabzuziehen. Bei der programmierten Ordnung standen alle Alarmstufen auf Rot, und bei jedem Sog nach unten winkte die innere Stimme mit einer Fahne, auf der „selbst schuld“ geschrieben stand. Das Infragestellen der Ordnung wurde von klein auf als Irrweg markiert, den auch Gott verurteilen würde. Mein Fallen wurde als Strafe Gottes angesehen, um mich auf den einzig richtigen Weg zurückzuführen. Doch dieser Weg war irreparabel zerstört, es gab kein Zurück mehr.

Und so stürzte ich weiter in die endlos scheinende Tiefe.

Bis ich in all dem Fallen ganz vorsichtig anfing, es mit dem Fliegen zu versuchen.

Und im Gegensatz zu allem, was man mir beigebracht hatte, funktionierte es tatsächlich! Natürlich waren die ersten Züge noch holprig, und der nächste Wind oder Sturm vermochte mich wieder herunterzuziehen. Aber eben nur so lange, bis ich es wieder schaffte, weiterzufliegen.

Und es war immer noch schwierig zu wissen, wo oben und unten, vorne und hinten, rechts und links war. Ich hatte nie wirklich gelernt, mich zu orientieren, bei all der Ordnung, nach der ich bisher gelebt hatte.

Doch ich lernte mehr und mehr und gewöhnte mich an die neue Umgebung, an den Wind, die aufkommenden Stürme, aber auch an die sanften Brisen und die Sonnenaufgänge hinter den Wolken.

Und ich habe gemerkt, dass Gott auch in all dem da ist. Dass Fallen keine Strafe ist, sondern Stürme zum Leben dazugehören. Dass ich aber Flügel für meine persönliche Reise mitbekommen habe.

Flügel, die mich tragen. Und ein Herz, das genug Mut hat, neue Wege zu erkunden.

Mara

Ordnungslos

Ordnung erscheint als ein eher neutrales oder sogar positiv besetztes Wort, aber mindestens in der Kirche trügt dieser Schein.

In der Sprache der Kirche ist queeres Leben „ungeordnet“ oder „unordentlich“. Das heißt, dass es nicht der g*ttlich vorgesehenen Ordnung entspricht – wie sie von der Amtskirche ausgelegt wird.

Queer bedeutet wortwörtlich auch quer(stehend) – in der heutigen Verwendung querstehend zu sexuellen und romantischen Normen oder zu einer bestimmten Vorstellung von gesellschaftlicher Ordnung.

Die katholische Lehre der Schöpfungsordnung wird verwendet, um auszuschließen, um Gewalt zu rechtfertigen, um Normativität zu begründen, um gruppenfeindliche Struktur und Hierarchie aufrechtzuerhalten.

Menschen werden in genau zwei unveränderliche Geschlechtskategorien geordnet: Männer und Frauen. Für eine Hochzeit, für romantische und sexuelle Liebe, für Fortpflanzung braucht es genau einen Mann und genau eine Frau. Für ein Weiheamt braucht es die Kategorie Mann*.

* Und „Mann“ bedeutet: cis, heterosexuell, potent und viele andere Kategorien, die wir nicht dazusagen, weil wir sie für die Norm halten, weil ein Mann, der ihnen nicht entspricht, von Anfang an aussortiert wird.

Alles, was dieser Ordnung widerspricht – Frauen, die geweiht werden wollen, Menschen, die nicht Männer und nicht Frauen (oder beides) sind, queere (Liebes-)Beziehungen, trans* Menschen, inter* Menschen, Sex außerhalb der Ehe, Ehe, die scheitert... –, ist ungeordnet. Weil es für uns keine Kategorien gibt, sind wir „ungeordnet“, kommen wir nicht vor. Was es nicht geben darf, kann es nicht geben.

Es gibt uns nicht. Es darf uns nicht geben. Wir sind systemgefährdend. Wir sind Unordnungstifter*innen.

Wir sind Chaos, das es zu überkommen gilt. In den Augen der Kirche (in den Augen der Herrscher).

Wir werden übergangen in der Auslegung der Schöpfung, in der Auslegung der Schrift.

Und wir wurden übergangen in der (Kirchen-)Geschichte. Unsere Geschichten werden nicht erzählt, wurden gelöscht, verschwiegen, vertuscht, unterdrückt, „geordnet“, verfälscht.

So viele queere Menschen denken und dachten, dass sie in ihrer Kirche mit dem, was sie sind und was sie empfinden, allein sind.

Weil sie nicht in diese Ordnung passen und weil die Geschichten queerer Menschen nicht erzählt wurden.

Weil queere Menschen nicht gesehen und benannt werden, wenn es keine Kategorien für sie gibt. Das Paradox der „Ungeordneten“: Wir kommen nicht vor, aber wir sind da. Es gibt keine Kategorie, aber es gibt uns. Die kirchliche Schöp-fungsordnung kennt uns nicht, aber G*tt hat uns geschaffen.

Ein Großteil der „Argumente“, gegen die wir als queere Menschen in der katholischen Kirche ankommen müssen (weil sie von oben kommen), bauen darauf auf, dass wir im System nicht vorgesehen sind.

Besonders absurd (und falsch) ist das Argument, dass es queere Menschen erst seit Kurzem gebe, dass es eine Modeerscheinung, ein Trend sei.

Wo jahrhundertelang, alles, was nicht den Normen und der Vorstellung der Ordnung entsprach, verschwiegen, zwangsgeordnet, verbrannt, unterdrückt, kolonialisiert und ausgerottet wurde.