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Sie hatte ihm gehört: Ava, die schöne Tochter des reichen Ranchers Ben Thompson. Und doch verließ sie ihn - ohne Abschied, ohne ihm zu sagen, warum sie einen anderen heiratete. War er für sie - genau wie für ihren hochmütigen Vater - nur der nicht standesgemäße Halbindianer? Jahre hat Jared Redwolf, mittlerweile unermesslich reicher Finanzberater, gebraucht, um diese Demütigung zu vergessen. Und jetzt ist Ava zurückgekehrt, aber wird sie ihm sagen, was damals geschah? Wieder flammt leidenschaftliches Begehren zwischen ihnen auf, erneut liegt die einzige Frau, die er liebt, in seinen Armen. Trotzdem will er nicht auf die geplante Rache gegen ihren Vater verzichten, obwohl er damit alles aufs Spiel setzt ...
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
Im Feuersturm der Leidenschaft erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2004 by Laura Wright Originaltitel: „Redwolf‘s Woman“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1325 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
Umschlagsmotive: Deagree/GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733727680
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Er ist wieder da“, sagte Rita.
Ava Thompson spürte ein leichtes Zittern in ihren Knien. „Wer?“
„Na, der fantastische Jared Redwolf“, erwiderte ihre Schwester lächelnd.
Sie befanden sich in „Benton’s Boutique für Braut- und Partymode“. Ava stand auf einem kleinen Anprobepodest. Sie schwankte leicht und unterdrückte einen Schmerzenslaut, als Mrs. Benton sie versehentlich mit einer Nadel piekste.
„Es wäre gut, wenn Sie still halten könnten“, sagte die ältere Dame.
Ava hörte den gutmütigen Tadel kaum. Alarmiert starrte sie ihre Schwester an. „Was meinst du damit? Wo ist er?“
„Hier in Paradise“, sagte Rita beiläufig, drehte sich zum Spiegel und zupfte an ihren dunklen Locken herum. „Und zwar direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Als ich vorhin Kaffee trinken ging, sah ich ihn drüben in den ‚Diner‘ gehen.“ Sie lächelte schelmisch. „Und wer könnte es ihm verdenken? Wusstest du, dass es heute Burger Spezial mit Pommes und Cherry Cola für nur zwei fünfundneunzig gibt?“
„Diese Burger sind aus Pferdefleisch“, brummte Mrs. Benton, die gerade dabei war, den Saum des knöchellangen Kleides festzustecken, das Rita für ihre Schwester entworfen hatte.
„Pferdefleisch.“ Rita lachte. Ihre blauen Augen funkelten. „Das ist nicht wahr.“
Mrs. Benton schüttelte resigniert den Kopf. „Und dabei gibt es hier mehr als genug Rinder.“
Keine von beiden dachte wirklich an Rind- oder Pferdefleisch, das wusste Ava genau. Schließlich war ihr nicht entgangen, wie sie sich bedeutungsvoll angesehen hatten. Von der Sekunde an, in der Rita Jared Redwolf erwähnt hatte, hatte sie die Blicke der beiden gespürt; sie schienen nur darauf zu warten, wie sie, Ava, reagierte.
Ob sie sich von der Erinnerung an ihr früheres Leben überwältigen ließ.
Ein Leben, über das jeder in Paradise Bescheid wusste. Ein Leben, das sie vor vier Jahren hinter sich gelassen hatte und an das sie Tag für Tag erinnert wurde, seit sie in dem kleinen Apartment in der Upper West Side von Manhattan lebte.
Die uralte Klimaanlage ratterte, doch die texanische Hitze drang langsam aber stetig bis in den letzten Winkel des Geschäftes.
Ava warf ihrer Schwester einen tadelnden Blick im Spiegel zu. „Ich dachte, du sagtest, er sei die ganzen zwei Wochen in Dallas, Rita. ‚Ich weiß es aus sicherer Quelle‘, hast du gesagt. ‚Ich schwöre, du wirst ihm nicht begegnen‘, hast du gesagt.“
„Nun ja, was kann ich dafür, Schwesterherz?“, erwiderte Rita achselzuckend. „Das war es jedenfalls, was ich ihn zu Pat Murphy auf dem Postamt sagen hörte.“ Sie lächelte unbekümmert und verbarg ihr Gesicht dann hinter einem Brautschleier. „Vielleicht hat er mitbekommen, dass du wegen meiner Hochzeit in der Stadt bist und hat seine Pläne geändert.“
Mrs. Beton sog hörbar die Luft ein und blickte erwartungsvoll zu Ava hoch.
„Unmöglich.“ Ava sah von einer der Frauen zur anderen. „Der Mann verabscheut mich.“
„Verabscheuen ist so ein starker Ausdruck“, bemerkte Rita.
„Ich denke, wir sollten für einen Moment das Thema wechseln“, sagte Mrs. Benton. „Wir wollen doch endlich diesen Saum fertig bekommen. Ich möchte jedenfalls nicht die Blamierte sein, wenn Ihre Brautjungfer in einem Kleid mit schiefem Saum den Gang zum Altar abschreitet.“
Rita lächelte. „Und wenn ich die Schuld einem über eins achtzig großen Cheyenne mit einem Ladykiller-Lächeln zuschiebe?“
Ava verdrehte die Augen. „Er ist nur zur Hälfte Cheyenne.“
„Aber was für eine Hälfte.“ Mrs. Benton seufzte und wandte sich rasch wieder ihrer Arbeit zu.
Nichts hatte sich geändert. Die Frauen von Paradise waren immer noch eingeschworene Fans von Jared Redwolf. Aber waren sie auch immer noch zu feige, das offen zuzugeben? Nun besaß er Millionen und hatte sich einen Ruf als Finanzberater erarbeitet, so dass Prominente aus dem ganzen Land nach Paradise flogen, um seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Waren die Damen der Kleinstadt jetzt endlich gewillt, über sein indianisches Erbe hinwegzusehen?
Ava hatte das Gefühl, in dem langen Satinkleid zu ersticken. Ein getrocknetes Brautbouquet hing von der Decke herab und erfüllte den Raum mit seinem betäubenden Duft. Das kleine Radio, das in der Ecke stand, spielte einen elegischen Lovesong. Gleichzeitig wurde es immer stickiger.
Jared war dort drüben im „Diner“. So nah, dass sie seine Anwesenheit fast körperlich spüren, seinen männlichen Duft fast riechen konnte. Oh ja, sie wollte ihn sehen. Aber sie wusste, wie gefährlich das war. Er würde Fragen stellen und Antworten fordern. Ob er womöglich wirklich wusste, dass sie in der Stadt war?
Schweißtropfen perlten an ihrem Nacken herab. Sie musste unbedingt weg. Sie konnte unmöglich riskieren ihm zu begegnen, jedenfalls jetzt noch nicht. Nicht, bevor sie wusste, wie sie ihm erklären sollte …
Sie sah zu Mrs. Benton hinab. „Es tut mir wirklich leid, Mrs. Benton, aber ich muss dringend weg. Ich komme später noch einmal vorbei.“
Mrs. Benton sah sie erstaunt an. „Was? Aber warum denn?“
„Ich muss noch einmal zurück in Ritas Haus.“
„Wozu denn das?“, fragte Rita.
„Ich muss nachsehen, ob …“
Die Glocke über der Eingangstür klingelte fröhlich und unterbrach Avas schwammige Erklärungsversuche. Neugierig blickte sie in den dreiteiligen Spiegel. Dort konnte sie durch den Schlitz in dem Vorhang, der sich hinter ihr befand, sehen, wie ein Mann durch die Ladentür trat. Er bewegte sich, als gehöre der Laden ihm.
Ava erstarrte, ihr Herz pochte wild gegen ihre Rippen.
Jared Redwolf.
Unwillkürlich griff sie nach dem Band, das ihr langes blondes Haar zusammenhielt, und löste es.
Jared war hier. Obwohl, für sie war er niemals fort gewesen – weder aus ihrer Erinnerung noch aus ihren Gedanken – die ganzen vier Jahre nicht, die sie nicht mehr hier in Paradise war.
Die Zeit schien plötzlich stillzustehen. Ava legte sich eine Hand auf den Mund und atmete langsam aus. Sie hätte schwören können, dass sie noch immer seine Lippen auf ihren spürte, und seine kräftigen Hände auf ihrem Körper.
Allein das Atmen wurde zu einer großen Anstrengung. Sie war ihm so lange nicht mehr von Angesicht zu Angesicht begegnet, und so hatte sie sich das Wiedersehen ganz sicher nicht vorgestellt.
„Ich komme sofort“, rief Mrs. Benton durch den Vorhang, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. Offenbar hoffte sie fertig zu werden, bevor Ava sich davonstahl.
Ava stand wie festgewachsen auf dem Podest und beobachtete Jared durch den Spalt im Vorhang. Er war an einem Ständer mit Krawatten stehen geblieben.
Sie wusste, sie konnte ihn ungeniert betrachten, denn er konnte sie nicht sehen. Deshalb verschlang sie ihn förmlich mit Blicken, wie ein Tier, das tagelang kein Futter bekommen hatte. Wie am ersten Tag, als sie ihn beim Viehtreiben auf der Farm ihres Vaters beobachtet hatte – ein Muskelpaket, glänzend von Schweiß. Den Hengst, auf dem er damals saß, hatte er selbst zugeritten.
Es war ein atemberaubender Anblick gewesen.
Und heute sah er noch besser aus als damals, falls das überhaupt möglich war. Mit seinen abgewetzten Jeans und den Stiefeln wirkte er nicht wie ein Millionär, sondern eher wie ein Cowboy. Ganz sicher aber war er der bestaussehendste Mann von ganz Texas. Er war weit über eins achtzig groß, ein ganzer Mann. Sein dichtes schwarzes Haar fiel ihm bis über die Schultern, seine hohen Wangenknochen waren ausgeprägt und seine Augen, diese stahlgrauen Augen unter schweren Lidern, deren Blick so charmant, so erregend und so Furcht einflößend sein konnte, drückten Gelassenheit und Selbstsicherheit aus.
Allerdings hatte er sie, Ava, auch noch nicht entdeckt.
„Ich bringe Ihnen den Smoking zurück, Mrs. Benton“, rief Jared.
Seine Stimme klang immer noch erregend aber tiefer, als Ava sie in Erinnerung hatte. Rita hielt unwillkürlich die Luft an. Selbst Mrs. Benton schien der Atem zu stocken, wenn auch nur kurz. „Kommen Sie ruhig herein, Jared. Wir sind alle angezogen“, rief sie.
„Nein“, presste Ava im Flüsterton hervor. Panik stieg in ihr auf.
Rita nahm ihre Hand und drückte sie ermutigend, doch diese kleine Geste half wenig. Ava fühlte sich, als ob ihr das Herz gleich aus dem Leib springen würde. Sie konnte Jared nicht begegnen. Nicht jetzt. Niemals wieder.
Hektisch sah sie sich nach einem Versteck um, doch es war zu spät. Jeder einzelne Muskel ihres Körpers spannte sich an.
Nicht jetzt. Nicht so, dachte sie verzweifelt.
Der weiße Vorhang teilte sich, und Jared Redwolf trat hindurch. Eine Tasche hing über seiner rechten Schulter. Ava stockte der Atem. Er wirkte noch dunkler, noch männlicher zwischen all den Ständern mit weißen Brautkleidern. Was würde er denken, wenn er sie erblickte? Sie glaubte vor Anspannung zu ersticken, als sie ihm das Gesicht zuwandte. Was würde er sagen?
Das einzige Merkmal, das verriet, dass Jared Redwolf kein reinblütiger Cheyenne war, waren seine vollen Lippen, doch als sein Blick auf Ava fiel, wurden diese Lippen gefährlich schmal.
Mrs. Benton räusperte sich. „Ich mache die Quittung für Sie fertig, Jared. Bin gleich wieder da, die Damen.“
Ava bemerkte kaum, dass sie fortging. Es gelang ihr nicht, den Blick von dem Mann zu lassen, der ihre Gedanken beherrschte, seit sie ein junges Mädchen war. Stumm sah sie ihn an. Das einzige Geräusch im Raum war die Stimme aus dem Radio, die die Zeit und das Wetter ansagte.
Zehn Uhr und höllisch heiß.
Ava spürte eine weitere Schweißperle an ihrem Rücken hinabgleiten.
Das musste an der Hitze liegen, sagte sie sich, und nicht daran, wie sehr sie sich von Jared Redwolf angezogen fühlte. Sein Blick war stechend, und seine Kinnmuskeln zuckten.
Endlich fand Ava ihre Stimme wieder. „Hallo, Jared.“
Er antwortete nicht, sondern starrte sie nur an, als wäre sie ein Geist – und zwar ein sehr unwillkommener. Ava fühlte sich wie ein Tier im Käfig.
Rita räusperte sich verlegen. „Na, Jared. Du bist wohl früher aus Dallas zurückgekommen?“
„Zu früh, wie es scheint.“ Sein Ton war feindselig.
Ava spürte, wie sich in ihrem Magen ein dicker Knoten bildete. Aber sie verstand, dass er wütend war und machte einen weiteren Versuch, eine höfliche Unterhaltung in Gang zu bringen. „Jared, hör zu, ich …
„Herzlichen Glückwunsch, übrigens“, sagte Jared und ignorierte Ava völlig, „zu deiner Hochzeit.“
Rita lächelte unbehaglich und blickte zu ihrer Schwester hinüber. „Danke.“
„Ich würde dir und deinem Verlobten gerne etwas schenken, aber …“
„Wir hätten dich natürlich eingeladen, Jared, aber ich dachte, du wärst gar nicht hier“, sagte Rita verlegen. „Aber nun bist du natürlich herzlich willkommen.“
Ava stand vor Überraschung der Mund offen. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie war so darauf bedacht gewesen, Jared nicht zu begegnen, während sie hier war.
„Danke, das ist nett von dir“, erwiderte er. „Aber ich glaube nicht, dass ich komme.“ Sein Blick ruhte auf Ava.
„Aber Sakir und ich würden uns sehr freuen.“
Jared schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich werde es nicht schaffen. Ich habe zu viel zu tun, und heute Abend kommt ein Kunde.“
„Es wäre ja nur für ein paar Stunden.“
Ava legte die Hand auf Ritas Schulter und drückte sie fest. „Wenn er nicht kommen will, will er nicht kommen. Nun lass es doch gut sein.“
Die Atmosphäre war so emotional aufgeladen, dass das schwüle Klima gar nicht mehr auffiel. Jareds Blick war jetzt nicht mehr glühend vor Zorn, sondern eher kalt wie Stahl. Ava spürte dieses Kribbeln im Bauch, von dem sie gleichzeitig gehofft und gefürchtet hatte, dass sie es nie wieder erleben würde.
Mit diesem Blick konnte er sie schon immer aus der Fassung bringen. Daran würde sich wohl auch nie etwas ändern.
„Um welche Zeit findet noch mal die Trauung statt?“, fragte er Rita, ohne Ava aus den Augen zu lassen.
„Um zwei“, erwiderte Rita eifrig.
Jared nickte. „Vielleicht werde ich vorbeischauen.“
Rita verflocht ihre Finger ineinander und blickte von einem zum anderen. „Nun, du kannst dir gerne bei uns zu Hause eine Einladung geben lassen, wenn du möchtest.“
Avas Kehle war inzwischen staubtrocken. Was führte ihre Schwester im Schilde? Jared sollte auf keinen Fall zu ihnen nach Hause kommen. „Du kannst ihm doch eine zuschicken, Schwesterherz. Hast du Angst, sie könnte in der Post verloren gehen?“ Ava holte tief Luft, bevor sie weitersprach. „Wenn du sie heute noch losschickst, dann …
„Ich werde kommen und mir eine holen“, sagte Jared entschieden.
Mrs. Bentons alte Registrierkasse klingelte. „Bin sofort wieder da“, rief sie.
Doch Ava konnte es keine Minute länger aushalten. „Ich muss gehen“, sagte sie. Früher hätte sie diese Tortur brav bis zum bitteren Ende durchgestanden, aber früher war sie auch ein dummes kleines Ding gewesen. Jetzt nicht mehr. In den letzten drei Jahren hatte sie zu viel durchgemacht, um sich jetzt ihr mühsam erkämpftes Selbstvertrauen zunichte machen zu lassen. „Wir sehen uns daheim, Rita.“ Ohne Jared eines Blickes zu würdigen, stieg sie von dem Podest, nahm ihre Tasche und trat durch den Vorhang – direkt in Mrs. Bentons Arme.
„Aber das Kleid …“, rief die ihr noch hinterher, doch Ava hörte nicht darauf. Sie musste an die frische Luft, sie musste …
„Schon wieder auf der Flucht?“
Jareds tiefe Stimme ließ sie zusammenzucken. Mit dieser wundervollen Stimme, die jetzt vor Sarkasmus nur so triefte, hatte er ihr einst versichert, dass sie wunderschön sei.
„Darin warst du ja schon immer gut.“
Ava drehte sich um und sah Jared an. „Ich hätte nicht gedacht, dass du es überhaupt bemerkst, wenn ich gehe.“
Sein Blick verdüsterte sich noch mehr, und seine Kinnmuskeln arbeiteten sichtbar. „Ich habe es bemerkt.“
Sie fragte sich, ob er sich damit auf die letzten Minuten bezog oder auf die letzten vier Jahre. „Was kann ich für dich tun, Jared?“
„Absolut nichts.“
„Dann gehe ich also.“
„Wird dein Mann auch bei der Hochzeit sein?“
Avas Puls raste, als sie an die Lüge dachte, zu der sie sich damals gezwungen gefühlt hatte. „Wir sind nicht mehr zusammen“, sagte sie schnell.
„Ihn hast du also auch verlassen?“
Ava atmete tief ein und wieder aus. Jared hatte ein Recht, wütend auf sie zu sein, aber sie würde nicht jede Gemeinheit hinnehmen. In New York zu leben, ein Kind zu bekommen und allein aufzuziehen, und als Innenausstatterin gutes Geld zu verdienen, das alles hatte sie verändert. Sie war nicht mehr die Kleine, die sich herumschubsen ließ, weder von ihrem Vater noch von Jared noch von sonst jemandem.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Ich verstehe, dass du wütend bist, aber das ist noch lange kein Grund, grausam zu sein.“
„Ich bin nicht wütend auf dich, Ava.“ Sein Blick bohrte sich förmlich in ihren. „Um wütend zu sein, muss man etwas für jemanden empfinden.“
Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Tränen stiegen ihr in die Augen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie sich im Laufe der Jahre einen Tagtraum über ihr Wiedersehen mit Jared zurechtfantasiert hatte. Und dieser Tagtraum war so anders, als das, was sich hier abspielte, dass es schon fast zum Lachen war. Sie und Jared würden nie wieder ein Paar werden. Er verabscheute sie so sehr, dass wohl auch eine ausführliche Erklärung und eine Entschuldigung nicht viel ändern würden. Dieser Mann war kalt und hart geworden.
Aber es ging hier ja nicht nur um sie und ihre Gefühle. Da war noch jemand, den sie beschützen musste. Ava straffte ihre Schultern. „Also, du willst mich offensichtlich nicht mehr sehen oder mit mir reden. Dann lass uns einfach so tun, als wären wir uns nie begegnet und uns in Zukunft aus dem Weg gehen. Für ein paar Wochen dürfte das ja nicht so schwer sein.“
„Willst du mir verbieten, zur Hochzeit deiner Schwester zu kommen?“
Ava schluckte schwer. „Nicht verbieten, nur darum bitten.“
Jared nickte. „Ich werde nicht kommen.“
Ava zögerte noch einen Moment, wandte sich dann aber zur Tür. Jared war nun direkt hinter ihr, und im nächsten Moment lag seine große starke Hand auf ihrer und drückte die Klinke hinunter. Der Atem stockte ihr. Jared roch so gut, nach Leder und … hundert Prozent Mann. Einen Moment lang war es, als ob die letzten vier Jahre nicht existiert hätten. Ava blickte auf seine braunen Finger, die mit ihren fast verflochten waren. Es war ein sehr vertrautes Gefühl.
„Ava?“ Er zog seine Hand weg.
Sie blickte zu ihm hoch. „Ja?“ Er war so nah. Seine muskulöse Brust streifte ihre Schulter. Sie spürte seine Wärme, seine Kraft. Wie oft hatte sie sich davon verführen lassen.
Sein Blick glitt über ihren Hals, zu ihrem Mund und dann zu ihren Augen. „Lass die Klinke los“, sagte er und hob spöttisch eine Braue. „Diesmal gehe ich zuerst.“
Jared jagte seinen Truck über den Feldweg und trat wie ein Besessener aufs Gaspedal. Nun, das war er ja auch, oder nicht? Gerade war er der einzigen Frau begegnet, die er nicht vergessen konnte – der Frau, die ihn verraten hatte.
Seine wilde Schöne, so hatte er sie damals genannt. Und jetzt, mit sechsundzwanzig, war sie mindestens genauso schön – nur ein klein wenig fülliger, da, wo es passte. Wundervolle Brüste und schlanke Hüften, und dann dieser grazile Hals, der ihn schon immer verrückt gemacht hatte. Die winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase waren inzwischen etwas blasser geworden. Ihr honigblondes Haar war länger und üppiger und glänzender, als er es in Erinnerung hatte, aber es duftete noch genauso frisch.
Zum Teufel, es hatte ihn all seine Selbstkontrolle gekostet, nicht danach zu greifen, als er am Ausgang der Boutique hinter ihr gestanden hatte.
Er hatte gewusst, dass sie zur Hochzeit ihrer Schwester kommen würde, aber der Gedanke, dass Ava Thompson nach Paradise zurückkehren würde, den musste er einfach verdrängen –, wie sonst sollte er einen Tag nach dem anderen durchstehen, ganz zu schweigen von den Nächten?
Das erste Jahr, nachdem sie fortgegangen war, war die Hölle gewesen. Wenn er nur daran dachte, wurde der dumpfe Schmerz in seinem Kopf zu einem scharfen Stechen. Er erinnerte sich an jenen Morgen, als wäre es gestern gewesen. Der Morgen, an dem Ben Thompson draußen auf der Südweide zu ihm gekommen war und gesagt hatte, er wüsste Bescheid über ihn und Ava. Seine Tochter sei nach New York gegangen, um einen anderen zu heiraten, einen Mann, der zu ihr passte. Sie würde nie mehr zurückkehren. Damals war Jared gerade erst vierundzwanzig gewesen. Ein armer Rancharbeiter, der sich abrackerte, um in der Finanzbranche Fuß zu fassen, und der nichts weiter wollte, als Ava, ein paar Quadratmeilen eigenes Land und eine Zukunft in seinem Beruf. Doch ganz gleich, wie sehr er sich gewünscht hatte, sie zu suchen und um sie zu kämpfen, er hatte es nicht getan.
Sie hatte nicht ihn gewollt, sondern einen anderen.
Und nur eine Woche später hatte ihr Vater ihn und seine Großmutter auf die Straße gesetzt.
Jared fluchte, riss das Lenkrad herum und bog in die lange Einfahrt zu seinem Haus ein. Fast wäre er an dem Eisentor entlanggeschrammt.
Tja, jetzt hatte er alles. Mit der Unterstützung eines unglaublich loyalen Kunden, der fest an seine Fähigkeiten geglaubt hatte, hatte Jared sich innerhalb kürzester Zeit einen Ruf als Finanzfachmann aufgebaut. Die Reichen und Prominenten kamen zu ihm, wenn es um ihr Vermögen, ihre finanzielle Zukunft ging. Ja, er hatte es geschafft.
Oder fast.
Mit Frauen hatte er nicht allzu viel zu tun, doch die wenigen, mit denen er sich traf, wussten, dass er nicht mehr zu geben bereit war, als ein paar heiße Nächte.
Er war reicher, als er sich je zu erträumen gewagt hätte, während Ben Thompson mittlerweile zu kämpfen hatte und seine Ranch kaum noch halten konnte. Dieser Gedanke brachte Jared stets zum Lächeln.
Doch das Lächeln erstarb auf seinen Lippen, wenn er sein eigenes Haus betrachtete. Es war dreistöckig und ein strahlender Beweis für seinen Erfolg. Doch jedes Mal, wenn er das Tor passierte und über die Kieseinfahrt auf sein Haus zufuhr, musste er an Ava denken. Er hatte die Fassade in der Farbe ihrer Augen streichen lassen – diesem geheimnisvollen Grün.
Ava. Sie hatte Augen, in denen ein Mann sich für immer verlieren konnte.
Jared biss die Zähne zusammen und blickte an der Fassade hoch. Als Ava ihn damals verlassen hatte, war ein Teil von ihm gestorben. Er hatte Tag und Nacht nur noch gearbeitet, um nicht an sie zu denken.
Er hatte dieses Haus so gestaltet, dass es anheimelnd und gemütlich wirkte. Für seine Großmutter war es das vielleicht auch, aber ganz sicher nicht für ihn. Es war, als habe er es als Zeichen seiner Verehrung für Ava errichtet – in der Hoffnung, sie würde eines Tages doch noch zurückkommen. Aber er hatte sich etwas vorgemacht. Das Haus war niemals mehr für ihn gewesen, als ein Ort zum Schlafen.
Er trat auf die Bremse und brachte den Wagen in einer Staubwolke zum Stehen. Wieder blickte er auf das Haus. Es schien sich über ihn lustig zu machen, mit seiner grünen an Ava erinnernden Fassade.
Ava.
Wieder einmal war alles, was er denken konnte, Ava. Schon wieder lag ihm ein Fluch auf den Lippen. Damals, ganz am Anfang, hatte Ben Thompson unmissverständlich klar gemacht, dass seine Töchter für Rancharbeiter verbotenes Terrain waren. Warum zum Teufel hatte er nicht darauf gehört?
Ben Thompson.
Und wenn es das Letzte sein sollte, was er in seinem Leben tat, er, Jared, würde Rache nehmen an diesem Mann. Und wenn die Gerüchte über dessen finanzielle Situation stimmten, musste er nicht mehr lange warten.
„Wirst du heute noch aussteigen?“
Jared blickte auf. Muna, seine Großmutter, saß auf der Veranda an einem kleinen Tisch, umgeben von den Dingen, die ihr am wichtigsten waren: Tee, Bücher, Kräuter und die Karten, die sie zu legen pflegte. Sie war die Mutter seiner Mutter und alles, was ihm von seiner Familie geblieben war. Sie war eine echte Cheyenne, mit Zöpfen, die ihr – wenn auch längst ergraut – bis zur Taille reichten. Sie war sehr schlank aber keineswegs zerbrechlich. Mit vierundachtzig war sie immer noch geistig hellwach. Ihr Gesicht war von unzähligen Fältchen durchzogen und erinnerte ein wenig an einen verschrumpelten Apfel. Sie war sehr sanft aber mindestens genauso eigensinnig, wenn sie es für nötig hielt.
Jared erinnerte sich an die vielen Geschichten, die sie ihm erzählt hatte, als er noch ein Kind war. Sie war die Schamanin ihres Stammes gewesen, diejenige, an die sich die anderen wandten, wenn sie Träume gedeutet haben wollten oder etwas über ihre Zukunft wissen wollten. Manche nannten sie Wahrsagerin, andere sahen in ihr eine Seherin.
Jared stellte fest, dass sie im Moment besorgt war. Einen Besen in der Hand kam sie ihm mit schnellen Schritten über die Veranda entgegen. „Was ist in der Stadt passiert, Jared?“
Jared blieb im Wagen sitzen und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er wollte ihre Frage nicht beantworten und versuchte, ihr mit einer Gegenfrage auszuweichen. „Warum machst du dir die Arbeit? Wir haben eine Haushälterin.“
„Ich habe nie darum gebeten“, erwiderte sie, wie immer indigniert.
Jared schüttelte den Kopf. Er wollte doch nichts weiter, als dass seine Großmutter ihren Lebensabend in Ruhe genießen konnte. Sie und seine Mutter hatten ihr Leben lang geschuftet und jede Arbeit angenommen, die nur halbwegs gut bezahlt wurde, nur um genug zu essen auf dem Tisch zu haben. Und nachdem seine Mutter gestorben war, hatte Muna sich seiner angenommen. Er war gerade acht gewesen und ein ziemlicher Racker, der immer Unfug im Sinn hatte. Aber Muna hatte ihn erzogen, ihn ernährt, ihm Geschichten vorgelesen – ihn dazu gebracht, die gehässigen Kommentare der Mitmenschen zu überhören und zu erkennen, dass man einen Wert hat, auch wenn man arm ist und nur ein Halbblut. Sie war Ende siebzig gewesen, als sie auf der Thompson Ranch lebten, und hatte immer noch genug Energie gehabt, um Böden zu schrubben, Mahlzeiten zuzubereiten und die Veranda zu kehren.
Jetzt war sie über achtzig und sollte sich endlich ausruhen und das Leben genießen. Aber das lag ihr nicht.
„Jared“, sagte sie. Sie sprach leise aber mit fester Stimme. „Jetzt erzähl endlich, was in der Stadt los war.“
„Ich bin … einem alten Freund begegnet. Nichts weiter.“
Sie schien nicht sehr überzeugt. „Ich habe etwas gespürt, aber die Karten waren heute sehr geheimnisvoll. Von einem alten Freund haben sie nichts gesagt.“
„Selbst die Geister deiner Tiere hätten das nicht vorhersehen können.“