Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Zwangsräumungen, Stromausfälle, plötzliche Brände. Im Zuge geplanter Luxussanierungen steht der Streit zwischen Maklern, Wohnungsbesitzern und Mietern kurz vor der Eskalation. Dann stürzt aus dem fünften Stock eines Kreuzberger Altbaus ein Rollstuhl Richtung Spreeufer. Der Mann darin ist tot. Wenig später wird ein Angesteller des Senats für Bau und Wohnen erdrosselt aufgefunden. Hauptkommissarin Sunja Löwel und ihr Team tauchen ein in die mörderische Realität des Kampfes um Wohnraum in Berlin. Doch je näher die Ermittler der Lösung des Falles kommen, umso mehr schleicht sich die Gewalt des für viele längst vergessenen Jugoslawienkrieges in das Geschehen. Es wird klar: Wir sind in einer Zeit angekommen, in der die weltweiten Brände unsere Wohnzimmer erreicht haben …
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 352
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Über das Buch:
Zwangsräumungen, Stromausfälle, plötzliche Brände. Im Zuge geplanter Luxussanierungen steht der Streit zwischen Maklern, Wohnungsbesitzern und Mietern kurz vor der Eskalation. Dann stürzt aus dem fünften Stock eines Kreuzberger Altbaus ein Rollstuhl Richtung Spreeufer. Der Mann darin ist tot. Wenig später wird ein Angesteller des Senats für Bau und Wohnen erdrosselt aufgefunden. Hauptkommissarin Sunja Löwel und ihr Team tauchen ein in die mörderische Realität des Kampfes um Wohnraum in Berlin.
Doch je näher die Ermittler der Lösung des Falles kommen, umso mehr schleicht sich die Gewalt des für viele längst vergessenen Jugoslawienkrieges in das Geschehen. Es wird klar: Wir sind in einer Zeit angekommen, in der die weltweiten Brände unsere Wohnzimmer erreicht haben …
Edel eBooks Ein Verlag der Edel Germany GmbH
© 2017 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com
Copyright © 2017 by Sascha Behringer
www.facebook.com/SaschaBehringer
Dieser Titel wurde vermittelt durch die Berliner Literaturagentur Wortunion.
Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, MünchenLektorat: Ilona JaegerKorrektorat: Martha WilhelmKonvertierung: Datagrafix
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.
ISBN: 978-3-95530-923-7
www.facebook.com/EdelElementswww.edelelements.de
Inhalt
Prolog
Kapitel 1 Absturz
Kapitel 2 Adler und Schwert
Kapitel 3 Im Irrenhaus
Kapitel 4 Ein Kommissar verschwindet
Kapitel 5 Salto mortale
Kapitel 6 In den Kellern
Kapitel 7 Tod am Schreibtisch
Kapitel 8 Wundersame Schlüssel
Kapitel 9 Fischen im Nebel
Kapitel 10 Rattus norvegicus
Kapitel 11 Bewegte Ziele
Kapitel 12 Licht im Spiegel
Kapitel 13 Große Jagd
Kapitel 14 Akten und Fakten
Kapitel 15 Magische Tricks
Kapitel 16 Die offene Tür
Kapitel 17 Ketten und Bande
Kapitel 18 Heute, gestern, morgen
Kapitel 19 Dunkelroter Samt
Kapitel 20 Wir Menschen
Epilog
Quellenverzeichnis
Internet
Zeitschriften
Bücher
Dank
Die Autoren
Doris Bewernitz
Gerald Stitz
Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch.
– Gottfried Benn –
Der zittert. Wie lange hab ich darauf gewartet. Sein Schweiß stinkt. Widerlicher Typ.
Der Rollstuhl zieht die Sache schön in die Länge. Jetzt das letzte Stück vor. An die Kante. Fünf Etagen, das reicht. Keine Baugerüste mehr. Kann er nicht hängen bleiben.
Die Hände kriegt er nicht los. Das Schild um den Hals. Noch ein Stück vor. Die Vorderräder hängen in der Luft. Das Schwein bäumt sich auf. Gleich kippt er.
Ich geh noch mal rein. Der soll noch zappeln. 11.44 Uhr. Alles ruhig. Alles Routine. Ich hab das im Griff.
Eine gut bestückte Bar. Alter Whisky. Den gönn ich mir.
Was ist das? Ihr Kreuz? Hier? Unmöglich! … Ihr zarter Hals … Ihr Röcheln …
Alles verschwimmt. Ich schwanke. Kralle mich am Tisch fest. Nicht das! Nicht jetzt! Ich muss doch den Typen … Meine Tabletten … So eine Scheiße!
Das Glas kracht. Scherben. Verstreute Pillen. Ich falle.
Wohnraum ist umbauter Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und bestimmt ist.
– § 17 Wohnraumförderungsgesetz –
Hauptkommissarin Sunja Löwel lief auf der Stelle, ihre braunen Locken federten im Rhythmus der Schritte. Zwei Meter entfernt rauschte die Autolawine um den Bersarinplatz. Ein Nieselregen hatte eingesetzt und Sunja fluchte. Kein Wetter für sportliche Aktivitäten. Viel zu kalt, dabei war Mai!
Vor vierzehn Tagen hatte sie mit dem Rauchen aufgehört und dafür zu joggen begonnen. Fit genug war sie und für ihre Einssechzig ziemlich schlank. Dann würde sie auch nicht dauernd an eine Zigarette denken. Hatte sie gehofft. Aber von wegen. Die Gedanken kreisten unaufhörlich. Um eine Camel ohne Filter. Und um gestern. Den Albtraum in dieser Stasi-Unterlagenbehörde. Der dazu geführt hatte, dass nun eine Flasche Merlot weniger in der Speisekammer stand.
Immer wieder ihr Vater! Wie konnte man sein Kind so im Stich lassen! Seit Jahren suchte sie ihn. Die Zeit lief ihr davon. Er musste sechsundsiebzig sein, falls er noch lebte.
Eine Lücke tat sich in der Autoschlange auf, Sunja wechselte auf die andere Seite der Petersburger Straße. Und weiter. Vorbei an den Blocks mit den Eidechsen an den Fassaden, am Bio-Supermarkt, dann links, durch die Mühsamstraße. Die letzten beiden Baulücken waren nun geschlossen. Häuser ohne Gesicht, aus Stahl und Glas … Sunja war froh, dass sie in einem Altbau aus dem 19. Jahrhundert wohnte.
Hier in den Nebenstraßen war die Luft besser. Die Richard-Sorge-Straße mit dem Namen eines sowjetischen Spions. Alles saniert, Altbauten wie aus einer Hochglanzbroschüre: rosa, hellgrün, zitronengelb. Das Areal der alten Aktienbrauerei Friedrichshöhe, bis 1990 Teil des VEB-Getränkekombinats Berlin. Zwei Drittel des Gebäudes waren abgerissen worden, jetzt gab es hier großzügige, lichtdurchflutete Wohnungen. Aber Mieten von bis zu zweitausend Euro im Monat. Wer die wohl bezahlen konnte?
Die Ampel an der Landsberger Allee schaltete auf Rot. Sunja stoppte. Eine Straßenbahn rauschte knapp vor ihr vorbei. Da drüben lag schon der Park. Eine junge Frau überholte sie mit elastischen Schritten. Pulsuhr, Schweißband und Laufschuhe in Pink. Immer langsam, mit sechsundvierzig durfte man es schonender angehen.
Hier im Stadtbezirk Friedrichshain war Sunja zu DDR-Zeiten aufgewachsen. Doch die Gegend hatte sich verändert. Vom verschlafenen Ostberliner Künstlerbezirk zur schrägen Punk- und Hausbesetzergegend der Nachwendezeit. Und dann zur hippen Kneipen- und Bioszene, die Leute mit Geld von überallher anlockte.
Sie hechelte am Vivantes-Klinikum vorüber, dessen Fassade in knalligen Tönen leuchtete. Sanierungsmäßig war dieser Stadtbezirk so gut wie abgegrast. Die Investoren schlugen sich nun woanders die Bäuche voll.
Genüsslich strich die Maklerin Gabriele Stadlmayer über das Deckblatt aus Hochglanzpapier, öffnete das dünne Heft, schnupperte kurz am frisch bedruckten Papier und begann wahllos zu lesen:
Köpenicker Straße 16/17: Ehemalige Heeresbäckerei des Königlich Preußischen Proviantamtes. Erbaut 1805, umbaute Fläche 9300 m². Sechs Stockwerke, Sichtmauerwerk aus gelblichem Klinker. Innen gusseiserne Stützen und preußische Kappendecken. Office- und Gewerbelofts möglich. Kaufpreis 14.000.000 €
Schlesische Straße 174–180: Neuer Spreespeicher. Erbaut 1900. Grundstück rund 10.000 m². Zuletzt als Flohmarkt genutzt. Nutzung für Officelofts, kleinteiligen Einzelhandel und Gastronomie. Baurecht vorhanden. Kaufpreis 16.000.000 €
Köpenicker Straße 20a–29: Viktoria-Speicher, erbaut 1910, moderne Industriearchitektur. Umbaute Fläche ca. 15.000 m². Grundstück von rund 4,2 Hektar. Wird von der Schillingbrücke im Westen, der Spree im Norden, der ehem. Velvet-Fabrik im Osten und der Köpenicker Straße im Süden begrenzt. Denkmalschutz. Nutzung für Geschäfte und Kultureinrichtungen. Kaufpreis 25.000.000 €
Gabriele Stadlmayer legte das Exposé beiseite und schaute auf das Hochzeitsbild neben dem Bildschirm. Sanft streichelte sie sich mit der Hasenpfote über ihren Unterarm. Irgendwann in vergangenen Jugendtagen hatte Alois ihr dieses Andenken als Erinnerung an seinen ersten erlegten Hasen im Lechgrießer Wald mitgebracht. Damals, als sie noch eine fesche Maid im Dirndl gewesen war, der Schwarm manches Buben in Garmisch-Partenkirchen. Wobei – wenn sie es genau überlegte, hatte sie nur zweimal ein Dirndl getragen, bei der Einschulung und bei ihrer Hochzeit. Und die Burschen … na ja. Eigentlich gab es da nur den Vojtek, und das hatte der Vater schnell unterbunden. Einen Polacken bringst du mir nicht nach Haus, Mädel.
Sie blickte ihre Hand an. Faltig. An den Händen einer Frau erkennt man das Alter, hatte die Mutter immer gesagt.
Wann war sie überhaupt jung gewesen? Sicher 1988, bei der Trauung mit dem zehn Jahre älteren Alois, Sohn des Bürgermeisters und Kugellagerfabrikanten. Aber auch noch bei der Geburt von Alexander oder bei der von Sabine? Bestimmt nicht mehr, als sie das Kindermädchen engagierten und sie täglich zwölf Stunden am Stück arbeitete.
So ein Familienbetrieb ist kein Zuckerschlecken. Wenn du als Weib einem Baubetrieb vorstehen willst, musst du Haare auf den Zähnen haben. Auf Bayerisch rumschreien, auf Hochdeutsch verhandeln können und auch mal einen heben mit den Kerlen. Lernen, die Drähte zu ziehen. Sie hatte es gelernt. Wie froh war sie, dass sie nicht mehr das dumme Ding von damals war. Mitglied im bayerischen Unternehmerverband, dem Rotary-Club und dem Vorstand der örtlichen Bauunternehmer, das wurde man nicht, weil man Hasen streichelte. Dennoch, diese weiche Pfote rührte sie immer wieder. Sie würde ihr weiterhin Glück bringen.
Gabriele riss sich von den Erinnerungen los und rief nach ihrem Sohn, der sofort aus dem Nachbarzimmer herbeikam.
„Alex, der Termin mit doam Immobilien-Professor, diesem Leibrecht, moang um zehne. Do gehst hi, gell? I hob ma de Objekte gestern olle ogschaut, der hod mi rumgfahrn …“
Hier im Büro sprach sie Mundart. Wer das nicht verstand, sollte sich einen Dolmetscher holen!
Sie würden am Spreeufer im großen Maßstab investieren, bei den Grundstückspreisen konnte man nichts verkehrt machen. Zum Beispiel das Gebäude der Heeresbäckerei, ein wundervoller alter Industriebau. Büros und Wohnungen da einzubauen, bedeutete einen vergleichsweise geringen Aufwand. Und in ein paar Jahren gingen die Mieten durch die Decke. Gerade für Bürohengste und Sesselfurzer war das Umfeld reizvoll. Zur Oberbaumbrücke ein Katzensprung, nach Feierabend lag die Partymeile vor der Haustür.
Eine Nase für Geschäfte hatte sie immer noch! Hauptsache, der Bausenat machte mit, Bürgerinitiativen und Mieterverbände sollten protestieren, solange sie wollten. So was lief sich irgendwann tot. Ein bisschen Geduld musste man freilich haben. Berlin. Der Zukunftsmarkt, im internationalen Vergleich, und die Firma Stadlmayer spielte bald ganz vorn mit! Gut, dass es nun auch im Senat einen Verbündeten gab, ab übermorgen konnten sie …
„Geh, Alex, schau da des Exposé o. Moang is ja a scho der Dreizehnte. I schreib da mei Frogn auf, mia bleim telefonisch in Kontakt und dann steing ma ins Bietn ei! Du muasst da ois dazua drauf schaffa bis dahin, und dann schlong ma zua.“
Gabriele hing am Gesicht ihres Ältesten. Der überflog die Unterlagen, lächelte und ging davon. Jammerschade, dachte sie, der Junge wäre der geborene Geschäftsmann. Aber wenn er sein Jurastudium fertig hätte, wäre er fürs Unternehmen genauso viel wert. Wo unter diesem Aktenberg war nur das Smartphone? In den nächsten Monaten würden die Arbeitsstunden explodieren, dann mussten sie schnell sein. Das Beste war, dass durch die vorgeschobenen Kaufinteressenten und unterschiedlichen Konten der Name der Firma nirgends auftauchen würde, sie konnten riesige Flächen zu guten Preisen erwerben. Sie mussten bald mehr Büros anmieten, die kleine Wohnung hier im Lindencorso in Berlin-Mitte war ja nur ein Behelf. Sie fröstelte und wünschte sich nach Garmisch, da war jetzt richtig hochsommerliches Wetter. Nicht solcher Nieselregen wie hier. Sie mochte Berlin nicht, aber es war gut zum Geschäftemachen.
Caro Leisebrinck zog an einer Selbstgedrehten, die Mundwinkel angewidert nach unten verzerrt. „Glaubt hier immer noch jemand, dass wir mit Verhandlungen weiterkommen? Leidet ihr unter Alzheimer, oder was? Hä? War da was? Das abgedrehte Wasser in Gerds Wohnung, der ungeklärte Brand? Reicht das nicht? Diese Immobilienschweine stecken doch mit dem Senat unter einer Decke, und die Bullen gucken zu! Frau Freyer haben sie die Scheiben demoliert, drei Mal hat die schon von ihrem bisschen Rente den Glaser kommen lassen. Ganz zu schweigen von dem Dreck seit einem halben Jahr!“
In der leeren Parterrewohnung hatten die Mieter einen ausgedienten Tisch und ein Sammelsurium alter Stühle zusammengetragen. Wie von einem Kommandoposten aus blickte Caro auf ihre beiden Nachbarn herab. „Die Harte“ nannten die anderen Mieter sie heimlich. In Caros Augen verursachten Männer das meiste Elend auf der Welt, sie regierten mit Geld, Gewalt und Gesetzen und blieben dennoch verweichlichte Machos. Wenn sie mal einen Vertreter dieses Geschlechts abschleppte, achtete sie streng darauf, dass er am nächsten Morgen wieder verschwunden war. Ohnehin war sie selten zu Hause, seit sie ihr Studium der Politikwissenschaft an den Nagel gehängt und eine Anstellung im Frauenzentrum Rosa gefunden hatte. Caro drückte die Kippe aus, zog die Beine vom Stuhl und katapultierte sich in die Senkrechte.
Die Blicke der zwei Männer verfolgten die große, drahtige Frau in schwarzer Ledermontur, die unruhig vor ihnen auf und ab lief. Dann schaute Gerd wieder aus dem Fenster und Leander Lürssen auf das Baby vor sich im Tragetuch.
Lürssen war alleinerziehender Vater seiner vier Monate alten Tochter Isabella. Die Kleine schlief zwar gerade, aber er befürchtete, bei dem Krach könne sie jeden Moment aufwachen. Ängstlich schielte er zu der Wütenden hinüber und sagte leise: „Caro, ich versteh dich. Du bist enttäuscht, weil scheinbar alle klein beigeben. Das kann doch aber nicht heißen, dass wir jetzt zu ungesetzlichen Mitteln greifen. Wir haben viele Leute hinter uns. Die Zwangsräumung ist immerhin gescheitert, wegen der Sitzblockade. Das ist doch was. Und dieser Senatstyp, Hoegedorn, hat uns Unterstützung zugesagt.“
„Senat, Senat! Ich könnte kotzen! Willst du etwa auch den Leibrecht einladen, das fette Arschloch, oder ein paar nette Investoren? Du hast ein Kind! Wo willst du denn hin, wenn hier alles dichtgemacht wird?“ Caro knallte sich ihren Schlüsselbund auf den Oberschenkel. „Und du, Gerd? Meine Fresse, hast du dich endlich wieder eingekriegt? Ich hab übrigens neues Material für deine CD. Wollen wir das heut Abend machen?“ Sie starrte auf Kaminski, als brenne sie ein Loch in ihn. Der schwieg und blickte aus dem Fenster.
Seit zwei Jahren befand sich die Köpenicker Straße 9/10 in einer Art Kriegszustand. Der Vermieter hatte die Miete drastisch erhöht, woraufhin einige Bewohner sofort ausgezogen waren. Bei anderen hatte er wegen angeblichem Zahlungsverzug in kürzester Zeit eine Zwangsräumung durchgesetzt. Darauf hatte sich der Rest der Gemeinschaft zusammengeschlossen und einen Anwalt hinzugezogen. Von ihm erfuhren sie, dass das Haus schon an einen Investor verkauft worden war, einen gewissen Professor Leibrecht. Wenige Wochen später, bei einer ihrer ersten Versammlungen in der leeren Erdgeschosswohnung, war der neue Eigentümer bei ihnen erschienen. Hatte von sozialverträglichen Lösungen und einem moderaten Vorgehen gesprochen. Niemand hätte etwas zu befürchten, die Wohnqualität solle gesteigert werden. Zwei Männer mussten Caro damals zurückhalten, sonst hätte sie sich auf ihn gestürzt.
Allen war klar gewesen, dass man sie rausekeln wollte, und in der Folgezeit hatten sich diese Befürchtungen bestätigt. Leibrechts Verwalter machte ihnen das Leben zur Hölle, indem er die Fassade mit Gerüsten und dunklen Planen versah, das Wasser abstellte und mit Baumaschinen Dauerlärm erzeugte. Der Typ war kriminell, darin waren sie sich einig. Ob er sogar für den Wohnungsbrand damals verantwortlich war, darüber gingen die Meinungen auseinander. Gerd Kaminski achtete wenig darauf, wohin er seine Kippen schmiss, gerade wenn er im Biertrichter einen getankt hatte.
Auch jetzt war die Zigarette in seiner Hand fast erloschen, er warf sie auf den Fußboden. Aus den Taschen der abgenutzten Lederjacke förderte er eine neue Schachtel zutage und drehte sie unschlüssig hin und her.
Als er sprach, klang seine Stimme rauchig und matt: „Wer weiß denn, ob das alles was nützt, Caro. Manchmal bin ich so runter, weißt du?“
„Klar! Vor allem, wenn Susi dich Schluffi nicht rangelassen hat. Revolution macht man doch nicht, indem man seine Wohnungstür auflässt, Gitarre spielt und Jerry-Cotton-Hefte liest! Und abends seine Biere zischt. Meine Fresse! Was hab ich eigentlich für Nachbarn?“
„Caro, jetzt lass Gerd in Ruhe!“, ließ sich Leander vernehmen, nun doch etwas lauter. Wie immer, wenn der zartgliedrige Mann erregt war, zerrte er an seinen Fingern. „Du weißt genau, dass wir dich unterstützen. Auch wenn wir selber grad so über die Runden kommen. Du hast noch deinen Kellnerinnen-Job und das Frauenzentrum. Aber versuch mal, mit dem bisschen Elterngeld zu leben und ein Kind davon großzuziehen. Und dann dauernd diese Ungewissheit hier und der Krach …“
Wie aufs Stichwort begann im Geschoss über ihnen eine elektrische Maschine zu kreischen. Das Baby schnaufte kurz und zuckte mit den Ärmchen. Dann schlief es wieder ein und Lürssen ging hinaus, um es in den Kinderwagen zu legen.
Nach einer Weile war die Diskussion an einem toten Punkt angelangt.
„Na, prima, ihr Helden! Eure Beiträge bauen einen so richtig auf“, hörte man Caro bellen. „Schon viertel nach zwei, von den anderen Nachtjacken niemand in Sicht. Ich mach den Abgang! Bin doch nicht …“
Sie brach jäh ab und blickte zur Tür, die mit einem dumpfen Knall aufgesprungen war.
Ein dunkelhäutiges Mädchen trat ein. Es hatte einen kleinen Jungen auf dem Arm und gestikulierte heftig. „Schnell, schnell! Ist jemand gefallen! Mit Fahrstuhl!“
Einen Moment herrschte Schweigen.
Caro löste sich als Erste aus der Erstarrung und fragte in einem veränderten, sanften Tonfall: „Fahrstuhl, Anisa? Welcher Fahrstuhl?“
„Stuhl mit Rädern! Mit Mann drin! Liegt unten!“
„Ein Rollstuhl?“
„Ja!“
„Wo denn, Anisa? Hier im Haus?“
Doch die Kleine machte nur ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie gab Caro das Kind auf den Arm und hastete allen voran hinaus.
Hauptkommissarin Löwel atmete heftig. Den Volkspark Friedrichshain hatte sie erreicht. Erst mal würde sie bis zum Café Schönbrunn laufen. Joggen sollte angeblich entspannen, bisher merkte sie nichts davon. Jetzt ein Espresso im Cafégarten. Eine Zigarette dazu … Nein, Schluss! Sie setzte sich in Bewegung. Der Kies unter ihren Füßen knirschte rhythmisch.
Ihre Mutter fiel ihr ein, sofort bekam sie schlechte Laune. Sie sahen sich selten. Angesichts eines so depressiven Gegenübers hatte Sunja das Gefühl zu implodieren. Vor zwei Jahren, mitten in einem Streit, hatte die Mutter plötzlich Post vom Vater aus dem Schrank geholt. Ein Bündel von Briefen, das sie Sunja vorenthalten hatte. Seit fast vierzig Jahren lagen die da. Und sie hatte keine Ahnung gehabt! Das war der Gipfel. Türen knallend hatte sie die Wohnung ihrer Mutter verlassen.
Das vergilbte Briefpapier lieferte ihr nur schwache Hinweise. Er hatte damals als Elektriker gearbeitet, weil ihre Mutter das so gewollt hatte. Vorher war er Zauberer im Zirkus gewesen, sein Traumberuf. Er war immer noch oft bei seinen ehemaligen Zirkuskollegen gewesen, oft hatte er Sunja auch dahin mitgenommen, die sich gern daran erinnerte. Und als dann der Zauberer dort plötzlich erkrankte, 1977, kurz vor einer großen Tournee mit Gastspielen in Paris, war er unter falschem Namen eingesprungen. War gefahren am Tag ihres achten Geburtstags, zu dem er ihren Freundinnen eigentlich etwas hatte vorzaubern wollen. Er würde das nachholen, wenn er zurückkäme, so stand es in den Briefen. Aber er war nicht zurückgekommen. Warum nur, warum war er nicht gekommen? Sie hatte Datenbanken durchforstet, Meldeämter in Frankreich und Deutschland angefragt. Sogar im Sterberegister des Standesamtes nachgesehen. Ohne Ergebnis.
Zum dritten Mal lief Sunja an der Bank in der Sonne vorbei. Eine Alte mit einem kurzatmigen Mops. Wie sie lächelte und unablässig Stücke eines Brötchens in das Tier stopfte. Sunja spürte Mitleid mit beiden.
Ihre Mutter war wegen der Flucht des Vaters jahrelang unter Druck gesetzt worden und auf Stasi und Co. nicht gut zu sprechen. Schließlich hatte sie Sunjas Drängen aber nachgegeben und ihr erlaubt, die Akten in der Stasibehörde einzusehen. Sunja hatte den Antrag gestellt. Zwei Jahre Wartezeit. Gestern war sie da gewesen. Ekelhafte Spitzelprotokolle, nach der „Republikflucht“ des Vaters hatte man die Familie systematisch überwacht. Zwei Namen tauchten öfter auf: Krahnsdorf und Pische. Pische? War das nicht der Clown gewesen? Er war auch nach der Flucht des Vaters öfters bei ihnen gewesen, hatte sich nach ihm erkundigt. Auf jeden Fall waren die beiden Kollegen ihres Vaters, daran erinnerte sie sich, … Gesichter … Pferdegeruch. Als Kind war sie oft im Zirkus gewesen. Sie hatten viel gelacht und … Sie musste diese Männer ausfindig machen! Vielleicht wussten die, wo ihr Vater war.
Zum vierten Mal die Bank. Das Brötchen war vertilgt. Die alte Frau saß mit geschlossenen Augen da und hielt das Gesicht in die Sonne. Der Mops sah aus wie ein Denkmal. Gleich platzt er, dachte Sunja.
In der Stasibehörde fanden sich auch Briefe ihres Vaters an die Mutter. Acht Stück. Sie hatte sie mitgenommen, um sie der Mutter zu geben. Wie die gebrüllt hatte, Sunja solle sie endlich in Ruhe lassen damit! Sunja lächelte bei der Erinnerung daran. Schreiend war die Frau ihr tausendmal lieber.
Jetzt war die Bank leer. Eine Amsel jubilierte im Baum.
Sunja verzog das Gesicht. Seitenstiche. Die Gier nach einer Zigarette nahm ihr fast die Sinne. Bis zur Skaterbahn wollte sie noch. Sie hielt auf die nächste Parkbank zu und ließ sich darauf fallen. Das neue Smartphone war ihr immer noch ein Rätsel, sie holte es aus der Tasche und probierte einige Funktionen.
Das plötzliche Vibrieren versetzte ihr einen Adrenalinstoß. Um ein Haar hätte sie das Gerät fallen gelassen.
„Sunja, wo steckst du?“ Die erregte Stimme ihres Kollegen Hans-Peter Große, genannt HP, hallte über die Wiese. „Ein Toter! Köpenicker Straße 9, Kreuzberg. Scheinbar von einer Dachterrasse gestürzt. Kommst du?“
„Alles klar. Ich bin im Volkspark Friedrichshain, Ausgang Danziger. Schickst du mir einen Wagen?“
Mit zitternden Beinen ging Sunja zum Rand des Parks, vorbei an einer älteren Dame mit Rehpinscher, die sie argwöhnisch musterte.
… kann es sein, sie hätten das mittel gefunden, sie könnten es finden, sie haben es etwa schon, im menschen was auszulöschen, so dass er am ende lebt und liebt sein leben nicht mehr …?
– Christian Geissler –
Es war bereits kurz vor drei Uhr, als die Kommissarin im Streifenwagen über die Oberbaumbrücke Richtung Kreuzberg fuhr.
Die Straßennamen dieser Gegend erinnerten an die ehemaligen Bewohner aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches: Oppelner und Glogauer, Sorauer und Weichselstraße. Schon damals hatte die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben die Menschen hierher gezogen, in die entstehende Großstadt. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts hatten die Züge am Schlesischen Tor die Zuwanderer in Scharen ausgespuckt. Mietskasernen waren aus dem Boden gewachsen, mit Hinterhöfen, dunkel und eng wie Schornsteinschächte. Nach den damaligen Bauvorschriften musste gerade mal ein Handpumpenwagen der Feuerwehr darin wenden können. Plumpsklo im Innenhof, Schweine und Hühner. Eine Kopie des Landlebens auf grauem Beton.
Seit den wilden Sechzigern wohnte hier ein buntes Gemisch aus türkischen Familien, Studenten, Hausbesetzern und Alternativen. Die Gegend war das alte „SO36“, benannt nach einem ehemaligen Postzustellbezirk. Ein Mythos im Schatten der Berliner Mauer. Sunja kamen Erinnerungen an Bilder von Straßenschlachten, die Anti-Atomkraftbewegung der Achtziger, verrückte Kommunen im Westen. Sie hatte diesen Stadtbezirk erst nach der Wende kennengelernt und war seinem Charme sofort erlegen. Hier sah Kreuzberg auch heute noch aus wie ein anatolisches Dorf: Kinder spielten auf der Straße, Händler hielten Basare ab, vor der Fülle winziger Läden und Kneipen kurvten Fahrradrikschas. Doch am Wasser überwogen schon die Fabrikbauten.
Der Einsatzwagen bog in die Köpenicker Straße ein, stoppte vor einer großen Tordurchfahrt mit der Nummer 9/10 und die Kommissarin sprang aus dem Auto.
Sie überquerte den ersten Hof, dessen Betonboden halb aufgebrochen war, lief durch einen Durchgang zwischen zwei Quergebäuden, hob das Absperrband an und betrat den zweiten Hinterhof.
Gerade kam ein Streifenpolizist mit unwilliger Miene auf sie zu, als sie ihren Kollegen HP entdeckte. Nach mehreren Rufen kam er zu ihr, sichtlich überrascht von einer Kommissarin in Jogginghosen. Er dagegen wirkte wieder wie aus dem Ei gepellt.
„Ist Matthias schon da?“, fragte sie.
„Unterwegs.“
„Und René?“
„Da kommt er.“ HP wies auf den Durchgang.
Ihr jüngster Kollege René Hartmann, der fast zwei Meter groß war, trat auf sie zu und begrüßte sie mit Handschlag.
Während Sunja sich in den weißen Schutzanzug zwängte, erstattete HP hastig Rapport.
„Der Tote heißt Volker Leibrecht. Wir haben seine Brieftasche bei ihm gefunden, er ist Professor für Immobilienwirtschaft und Investor auf dieser Seite des Spreeufers. Wohnte in der obersten Etage, wenn er in Berlin war. Dort ist das Unglück auch passiert. Die Etage ist zusätzlich aufgestockt worden und so gut wie fertig saniert, im Unterschied zum restlichen Haus.
Anwohner haben die Leiche gefunden, hatten wohl grad eine Mieterversammlung im Nebenhaus. Der Arzt meint, die Verletzungen weisen darauf hin, dass er aus großer Höhe runtergestürzt ist. Oder besser: runtergestürzt wurde. Seine Unterarme und Füße waren mit Klebeband an dem Rollstuhl da hinten festgemacht. Am Balkon seines Apartments fehlt das Geländer, dort haben die Kollegen auch Reifenspuren des Rollstuhls entdeckt. Im Treppenhaus gibt es aber keine Spuren, das Ding muss also hochgetragen worden sein. Oder es war schon oben. Todeszeitpunkt ist noch unklar, lange kann es aber nicht her sein. Ach ja, da gab es noch ein zerknicktes Schild aus Pappe neben ihm, mit einem Strick dran. Darauf stand, dass seine Gier ihn getötet hat oder so … Ist schon bei den Asservaten, die Spusi ist fast durch.“
Sunja hörte ihm zu, schloss den Schutzanzug und ging dann auf den Rollstuhl zu, der wenige Schritte von ihnen auf der Wiese lag. Es handelte sich um ein kleines, leichtes Modell, silberfarben, mit schwarzer Rückenlehne und schwarzem Sitz, das sehr modern wirkte. Die beiden großen Räder waren in sich verdreht, eins der zwei kleineren Vorderräder abgebrochen, Fuß- und Armstützen verbogen. An der Rückenlehne und am Gestänge klebte Blut. Man konnte deutlich sehen, wo die Techniker das Gestänge durchtrennt hatten, wahrscheinlich, um den Toten aus dem Gefährt herauszubekommen.
„Vermutlich Genickbruch, sagt der Arzt.“ HPs Stimme klang rau. „Er war richtig da drin eingequetscht, sie mussten ihn rausschneiden. Wär um ein Haar in der Spree gelandet, da hätte ihn wahrscheinlich niemand gefunden … Da gibt es auch eine Modellnummer, darüber könnte man den Besitzer identifizieren. Das wird aber etwas dauern.“
„Warum Besitzer? Gehörte er nicht dem Opfer?“
„Weiß man nicht. Der Arzt zweifelt daran, dass der Mann gehbehindert war. Aber das wird uns die Gerichtsmedizin genauer sagen.“
Der Tote lag einige Meter entfernt. Man hatte ihn bereits in einen Leichensack verpackt.
Die Kommissarin bückte sich, holte tief Luft und zog den Reißverschluss auf.
Ein seltsamer Gleichmut lag auf dem Gesicht des Mannes. Sunja schätzte ihn auf Mitte fünfzig, er war korpulent und gut gekleidet. Sie entdeckte relativ wenig Blut am Körper des Mannes, wusste aber, dass bei Stürzen aus großer Höhe oft zahlreiche Brüche entstanden, die nach innen ausbluteten. An den Fingern der Leiche steckten mehrere Ringe. Einer davon erregte ihre Aufmerksamkeit. Er war aus Silber oder Platin, auf der Siegelfläche prangte ein Adler mit einem Schwert in den Klauen, darunter die Initialen GTJ.
Ein Wappen? Aber was bedeutete die Abkürzung?
Sie bat HP, ein Foto zu machen, und schloss den Leichensack.
Vorsichtig ging sie durch den Garten. Im Gegensatz zur Vorderseite des Hauses war es hier geradezu idyllisch. Eine Frühlingswiese, von dichten Sträuchern umgeben. Zwei Apfelbäumchen zeigten erste Blüten, eine große Linde spendete Schatten. Auf der Leine hing Wäsche. Über einen Weg aus Feldsteinen, gesäumt von blühenden Vergissmeinnicht, gelangte man ans Spreeufer, an dem Liegestühle und ein überdachter Tisch mit Bänken standen. Hier konnte man vergessen, dass man sich in einer Großstadt mit über drei Millionen Einwohnern befand.
Sunja blickte nach oben, aber die Dachterrasse, von der der Mann gefallen war, war aus diesem Winkel nicht zu erkennen. Sie ging zu HP und René zurück.
„Habt ihr Zeugen?“, fragte sie.
„Nee.“ HP wies auf die Gerüste. „Die meisten Bewohner sind hier schon ausgezogen, du siehst ja, Sanierung. Eine alte Frau ist noch da, zweiundachtzig, Gerda Freyer. Und im zweiten Stock soll es auch noch eine Mieterin geben, die aber angeblich selten zu Hause ist. Den aus dem Nachbarhaus wollte ich grad befragen. Dritter Stock. Aber wenn du willst …“
„Ich kümmre mich darum. Du besorgst bitte eine Liste der Mieter. Wir müssen mit allen sprechen, auch aus dem Nachbarhaus. Das geht ja auch nach hinten raus. Und dann versuch alles über das Opfer rauszukriegen: Was für Geschäfte hat er gemacht? Hatte er Feinde unter den Mietern oder in der Branche? Und so weiter. Wo ist denn der Zeuge aus dem dritten?“
„Wartet in seiner Wohnung, ein gewisser … Gerd Kaminski. Viel Erfolg!“
In der dritten Etage gab es drei Wohnungstüren, alle ohne Namensschild. Eine stand offen. Sunja ging darauf zu und klopfte. Von drinnen meinte sie einen bejahenden Laut zu vernehmen. Sie tastete kurz nach ihrer Waffe.
„Kriminalpolizei! Sind Sie Herr Kaminski?“, rief sie vom Flur aus.
Da keine Antwort kam, ging sie weiter und spähte um die Ecke. Der Raum roch muffig und sah auf den ersten Blick wie ein Laden für Musikinstrumente aus: An der Wand reihten sich zahllose E-Gitarren, in der Mitte des Zimmers standen ein Schlagzeug und ein E-Piano, überall waren Notenblätter verstreut. Direkt vor ihr lag ein Blechblasinstrument, das sie an einen riesigen, verschlungenen und verknoteten Flaschenkürbis erinnerte. Zwischen den Instrumenten waren reichlich Kleidungsstücke und Kippen auf dem Boden verstreut, mittendrin eine halb volle Bierflasche.
Hinten auf dem Sofa, neben dem Fenster, lag ein sehniger Mann mittleren Alters und schnarchte. Seine Lederjacke war an den Ärmeln ölverschmiert. Fettige dunkle Haare hingen ihm ins Gesicht.
Sunja bahnte sich einen Weg zu ihm und rüttelte ihn sacht an der Schulter.
Er kam nur langsam zu sich.
„Wer hat denn nun die Leiche entdeckt, Herr Kaminski?“
„Na, die Frau Freyer, sag ich doch!“
Zunächst hatte der Mann nicht mit ihr sprechen wollen, mit irgendeiner Unbekannten im Maleranzug. Mühsam hatte sie die Polizeimarke unter dem Anzug hervorgekramt und die Befragung war in Gang gekommen. Sunja war sich unsicher, ob er nur verschlafen oder grundsätzlich maulfaul war.
Seit über dreißig Jahren wohne er im Haus, hatte er erzählt. Früher sei das hier aber alles freier gewesen. Einfach ein gutes Leben. Die Musikinstrumente habe er, weil er in einer Band spiele. Coole Mucke. Sonst sei er Autoschlosser, und ein bisschen nebenher arbeiten, na ja. Danach wolle er nur sein Bier, bei der kessen Susi. Und Schicht im Schacht. Wobei. Irgendwann müssten sie hier ja doch raus. Im Winter letzten Jahres hätte es schon den Versuch einer Zwangsräumung gegeben, ein Sitzstreik der Bürgerinitiative habe das verhindert. Aber dann seien die Bullen gekommen, hätten die Leute weggeschleppt. Eine Neunzigjährige ins Altersheim verfrachtet.
Kaminski wischte sich mit dem Ärmel der speckigen Lederjacke über den Mund und schüttelte den Kopf.
Sunja war ans Fenster getreten.
„Und Frau Freyer wohnt im Parterre, im Nachbarhaus?“
„Na ja, die ist doch am allerlängsten hier. Wahrscheinlich seit 1920, als sie das Haus hier gebaut haben!“
„Da muss die alte Dame aber gute Augen haben, mit ihren zweiundachtzig. Wenn sie von drüben durch den Bretterzaun hindurch einen Mann im Rollstuhl sehen kann. Und jetzt erzählen Sie mir mal, wie das wirklich war, Herr Kaminski! Sie saßen also in der Mieterversammlung mit den anderen Hausbewohnern. Was passierte dann?“
In Gerd Kaminski schien plötzlich Leben zu kommen. Er wand sich unbehaglich auf dem Sofa, stand auf, kam zum Fenster und blickte auf die Bauplane hinaus. Nachdem er aus der Innentasche der Jacke umständlich ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten gefischt hatte, sagte er leise: „Ehrlich gesagt hat uns jemand anders alarmiert. Aber das Mädel hat schon genug Ärger am Hacken. Da haben wir uns halt auf die Frau Freyer geeinigt. Damit die Kleene keinen Stress mit der Polizei kriegt. Auch eine?“
In einer energischen Abwehrgeste hob Sunja die Hände.
„Das Mädel? Sie meinen ein Kind?“
„Nicht direkt. ’Ne junge Frau.“
„Der Name?“
„Können wir die nicht damit verschonen?“
„Herr Kaminski, jemand ist tot! Also: Wie heißt die Frau? Wo kann ich sie finden?“
„Anisa. Den Nachnamen weiß ich nicht. Ehrlich nicht! Wohnt in einer Jugend-WG in Neukölln, soviel ich weiß im Rollbergviertel. Da haut sie aber immer ab und so. Recht unstetes Leben. Die hat auch einen kleinen Bruder, den sie immer mit sich rumschleppt … Aber das weiß Susi alles viel genauer, meine Freundin, da müssen Sie die fragen.“
Sunja nickte und sah sich in der Wohnung um.
„Das werden die Kollegen mit Sicherheit tun“, entgegnete sie. Der Mann wirkte glaubwürdig. Allmählich ging ihr dieser muffige Geruch auf den Geist.
„Was ist das eigentlich für ein Musikinstrument?“, fragte sie und wies auf den blechernen Flaschenkürbis.
„Ach, das. Ein Sousafon, aus dem alten Jugoslawien. Hab mich früher für seltene Instrumente interessiert. Ist mir aber zu teuer geworden. Wollen Sie’s mal hören?“
Die Kommissarin zog die Schultern hoch.
Kaminski absolvierte den gleichen Hindernislauf durch sein Wohnzimmer wie sie vorher, nahm den riesigen, verschlungenen Blechtrichter und hob ihn ohne erkennbare Mühe hoch. Dann setzte er ihn an die Lippen, begann zu blasen und augenblicklich fühlte Sunja sich in eine vergangene Zeit zurückversetzt. Ein rumänisches Dorf war das gewesen, dessen Namen sie vergessen hatte … Ein Urlaub, lange her. Sie sah die Feuer, den qualmenden Suppentopf, der Țuică kreiste …
Als Kaminski geendet hatte, saß sie in sich versunken auf seinem Sofa.
Sie applaudierte und er lächelte geschmeichelt. Im selben Moment setzte das Dröhnen eines Presslufthammers auf dem Hof ein. Kaminski verdrehte die Augen. „Jeden Tag geht das so!“, stöhnte er. „Und dabei soll man schlafen!“
Mühsam fuhr sie mit der förmlichen Befragung fort. Sie mussten sich geradezu anschreien, um sich verständigen zu können.
Doch Gerd Kaminski wirkte jetzt zugänglicher.
Ja, natürlich, Leibrecht. Niemand hier habe den leiden können, gab er an. Alle hätten nur den Investor in ihm gesehen. Obwohl der immer betont höflich zu den Mietern gewesen sei. Habe einen auf gute Nachbarschaft machen wollen, die Bewohner zum Gartenfest eingeladen. Doch keiner sei erschienen.
Er und seine Nachbarn hätten immer nur friedlichen Widerstand geleistet. Sitzblockaden, Demonstrationen, übers Internet Leute mobilisieren. Er selbst habe übrigens letzte Nacht bei Susi übernachtet, falls sie das interessiere. Schließlich müsse man ja mal schlafen. Sei von ihr erst am Mittag los und gegen eins zur Mieterversammlung, das könne seine Freundin bezeugen.
Vielleicht habe Leibrecht eher in seinen Kreisen Feinde? Er habe den mal beobachtet, kurze Zeit nachdem der das Haus übernommen hatte. Im Garten sei der gewesen, mit noch einem Anzugtypen. Und nach einer Weile seien die beiden fast handgreiflich geworden.
„Wie der aussah? Aus der Entfernung und von oben? Ich glaub, der hatte eine Glatze. Oder? Sie könnten eigentlich mein Zimmer streichen, in Ihrem schicken Anzug, Frau Kommissarin. Farbe hab ich da, sollte schon lange gemacht werden.“
Kaminski grinste und Sunja musste wider Erwarten lachen.
„Ich werd mich melden, wenn ich Bedarf habe, aber vorher hab ich anderes zu klären. Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch was einfällt?“ Sie wollte nicht wieder nach den Visitenkarten wühlen, so kritzelte sie ihre Nummer auf einen Werbeprospekt für Lautsprecherboxen. „Warum machen Sie eigentlich Ihre Wohnungstür nicht zu oder war das Zufall vorhin?“
„Nee, ist so eine Angewohnheit. Ich hab mal eine Geschichte gelesen, in der ein Mann nach dem Tod seiner Geliebten immer alle Türen geöffnet hat, überall. Freiheit statt Sicherheit, verstehen Sie? Außerdem ist bei mir eh nichts zu holen! Nicht mal für die Instrumente hat sich einer interessiert!“
Sunja verabschiedete sich und ging nachdenklich hinaus.
Sie stand im Treppenhaus und lauschte.
Ging da gerade eine Tür, weiter oben? Sie glaubte ein leises Keuchen zu hören. Aber hatte HP nicht gesagt, es sei sonst keiner da?
Armut ist eben gewiss kein großer Glanz von innen, sondern eine einzige Sauerei.
– Kurt Tucholsky –
Der Lärm des Presslufthammers schien in jede Körperzelle zu dringen. Sunja rief und ruderte mit den Armen, um ihren Kollegen zu begrüßen.
Matthias trug wie immer den blauen Parka, dazu die bunte Wollmütze, die er auch im Hochsommer nicht absetzte. Seine pummelige Erscheinung täuschte darüber hinweg, dass er Karate-Meister war und mehrere Auszeichnungen gewonnen hatte. Etwas hilflos schaute er Sunja an, wieder sah sie die dunklen Ringe um seine Augen. Seit er zweifacher Vater war, litt ihr Mitarbeiter unter permanentem Schlafdefizit. Er kümmerte sich viel um seine Kinder. Sunja hoffte nur, dass nicht bald das dritte nachkäme und er endlich wieder Vollzeit arbeiten konnte. Sie jedenfalls war froh, bei dem Job keine Kinder zu haben.
Ihr Kollege zog die Haustür zum Quergebäude zu, was den Lärm etwas reduzierte.
„Hast du schon mit HP gesprochen?“, fragte Sunja.
„Bin im Bilde. Zerschmetterter Mann, verbeulter Rollstuhl. Abgestürzt aus der obersten Etage. Und wie kommt ein Rollifahrer da hoch? Gibt’s in dem alten Kasten etwa einen Fahrstuhl?“
Das musste man Matthias lassen: So verpeilt er teilweise war, manche Zusammenhänge brachte er erstaunlich schnell auf den Punkt. Sunja klärte ihn darüber auf, dass es noch nicht sicher sei, ob das Opfer einen Rollstuhl gebraucht hatte.
„Du, sprinte doch mal die Treppen hoch und sieh nach, ob sich oben wer rumdrückt, der da nichts zu suchen hat und dringend eine Aussage machen sollte. Erklär ich dir nachher. Wenn du wen findest, bring ihn mit. Ich warte hier.“
Matthias setzte sich in Bewegung.
Die Kommissarin ging auf den Hinterhof. Ein Arbeiter brach den Beton auf, die metallene Spitze seines schweren Gerätes hämmerte, der Boden bebte unter ihren Füßen. Sie baute sich vor dem Mann auf und fuchtelte mit ihrem Dienstausweis. Endlich schaltete er die Maschine aus.
„Löwel, LKA! Sie müssen aufhören! Hat Ihnen das noch keiner gesagt?“ In ihren Ohren hallte der Lärm nach. Wie hielten die Mieter das nur aus?
„Ich muss den Hof fertig machen. Heute. Abgemacht. Sonst Ärger mit Chef.“
„Nein! Sie haben Feierabend. Jetzt, verdammt. Sonst gibt es Ärger mit mir. Hier laufen polizeiliche Ermittlungen.“
Der Mann zuckte mit den Schultern und stellte den Presslufthammer beiseite.
Sie fragte ihn, ob er irgendetwas mitbekommen hatte. Aber er hatte scheinbar nur Augen für seine Arbeit gehabt. Sunja notierte seine Personalien. Dann sah sie ihm dabei zu, wie er den Presslufthammer in Richtung einer Brandmauer schleppte, ihn dort in einen Schuppen schob, abschloss und davonstapfte.
Einen Moment genoss sie die Stille.
Der Hinterhof war eine finstere Angelegenheit. Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude waren eingerüstet und mit dunkelgrünen Planen verhängt. Mitten auf dem Hof stank ein schwarzer Müllcontainer mit offenem Deckel vor sich hin. Dahinter ein blaues Dixi-Klo.
Angewidert wandte die Kommissarin sich ab und ging durch den Torweg zurück in den kleinen Garten an der Spree. Hinter dem linken Quergebäude gab es eine Wiese und Kräuterbeete, sie erkannte Salbei, Rosmarin und zwei Johannisbeerbüsche.
Auf den Wellen tanzten die Sonnenstrahlen. Am gegenüberliegenden Ufer sah sie die East Side Gallery, ein Touristendampfer schipperte vorbei. Eine Oase am Wasser, mitten in der Stadt, dachte sie. Welch ein Luxus! Wie ruhig es hier war. Sie schaute sich nach ihren Kollegen um. Sicher waren die noch im Haus unterwegs.
Vor den Büschen, direkt auf der Wiese, hatte die Leiche gelegen, nahe der Wasserkante, zwischen dem überdachten Tisch und einem riesigen Salbeibusch. Inzwischen waren sowohl der Tote als auch der Rollstuhl abgeholt worden. Nur das gestreifte Flatterband und die rot gefärbten Grashalme zeugten noch von dem Geschehen.
Sunja balancierte auf der Betonkante hinter dem Holzzaun zum Garten auf der anderen Seite des Hauses. Ihr Blick blieb an der Wäsche hängen, die auf einer kräftigen Schnur im kühlen Maiwind flatterte. Die lange Leine führte von einem Haken in der Hauswand um eine gewaltige Linde in der rechten Ecke des Gartens zurück zum Haus. Gestützt von einigen Dachlatten, hing sie übervoll mit Wäschestücken: rosa Babystrampler, Lätzchen, Baumwollwindeln, klitzekleine Hemden und Höschen, Söckchen und Jäckchen. Daneben eine schier unglaubliche Menge Jeans, angefangen von solchen für einen vielleicht Achtjährigen bis hinauf zur Männergröße.
Gerade überlegte die Kommissarin, wem dermaßen viele Hosen gehören mochten, als die Tür zum Kellereingang aufgerissen wurde. Gleich einer Dampfwalze stampfte eine Frau im geblümten Kleid heraus. Sie hatte kastanienbraun gefärbtes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar und trug einen vollen Wäschekorb in den mächtigen Armen. Ihre circa 130 Kilo steuerten direkt auf Sunja zu. Sie sah aus, als wolle sie sich mit ihr schlagen.
„Was macht Polizei hier?“, schrie sie. „Wir haben nichts Schlechtes gemacht! Und mein Mann ist nicht da!“ Der slawische Akzent war unverkennbar.
Diese Matrone war bestimmt keine Freundin deutscher Behörden. Sunja entdeckte um den Hals der Frau eine Kette mit einem großen silbernen Kreuz samt Jesusfigur.
„Guten Tag“, erwiderte sie. „Hauptkommissarin Löwel, LKA Berlin. Darf ich fragen, wer Sie sind?“
Die kräftige Frau baute sich vor ihr auf, schob die Lippen vor und taxierte sie. Zwischen ihnen hing nur noch ein Lätzchen mit der Aufschrift „Kleckermeister“. Sunja musste ein Lächeln unterdrücken. Sie stand mit dem Rücken zur Spree und hoffte, ihr Gegenüber würde sie nicht dort hineindrängen. Das Wasser war im Mai sicher ziemlich kalt.
„Hauptkommissar. Ah! Was wollen Sie? Uns aus dem Haus werfen? Hetzt der Vermieter jetzt Miliz auf uns? Der ist selbst ein Verbrecher! Ein Teufel, der, ich weiß, was ich sage! Gucken Sie sich doch die Dreck hier an! Die ganze Wäsche wird schmutzig, muss ich alles wieder neu waschen. Lassen Sie uns in Ruhe! Wir sind gute Leute. Ist kein Problem!“
„Ich würde eine Leiche schon als Problem bezeichnen. Aber können Sie mir bitte erst mal Ihren Namen nennen?“
„Leiche?“ Die Frau bekreuzigte sich mehrmals. „Ich habe nichts gemacht! Die Polizei kommt immer zu uns, aber das ist nicht gerecht! Meine Mann haben sie eingesperrt, aber der macht gar nichts! Ist guter Mann, hat nur falsche Freunde! Und das Jugendamt sagt, ich bin keine gute Mutter, aber das stimmt nicht, kannst du glauben, meine Söhne sind gute Kinder! Alle! Sehr gute Kinder!“
Sunjas folgende Worte gingen in einem Schwall von Vorwürfen gegen Polizei, Wohngeldamt und Lehrer unter.
Nur durch geduldiges Nachfragen fand sie heraus, dass sie es mit Biljanka Zjenkovitch, Mieterin der Köpenicker Straße 10, Quergebäude rechts, erste Etage, zu tun hatte. Sechsfache Mutter, Besitzerin des Hühnerstalles samt acht Hühnern hinter der Linde im geheimen Gärtchen, zweiundvierzig Jahre alt, zur Zeit des Kosovo-Konfliktes aus Serbien eingewandert.
„Wollen Sie Aufenthaltserlaubnis sehen?“
„Nein, darum geht es nicht, Frau Zjenkovitch. Ich würde mich gern mit Ihnen über den heutigen Tag unterhalten. Was Sie getan haben, was Sie gesehen haben …“
„Ich habe nichts getan!“
Just in diesem Moment führte ihr Kollege Matthias einen Mann durch den Torweg, der von seiner Größe und Statur her geradezu das Gegenteil von Frau Zjenkovitch darstellte. Er trug eine orangefarbene Latzhose und ein Baby im Tragetuch vor dem Bauch.
Augenblicklich stürzte Frau Zjenkovitch auf den Kommissar zu und zerrte ihn von dem Mann weg.
Matthias schrie auf, eine der auf der Leine flatternden Windeln wehte ihm ins Gesicht. Gleichzeitig rannten aus der Tür des linken Seitenflügels zwei grimmige Burschen in Trägershirts. Sie riefen sich etwas Unverständliches zu, einer von ihnen packte Matthias und schleuderte ihn herum, der andere griff Sunja bei der Schulter und trat ihr gegen den Knöchel. Sie hielt sich an einer Jeans fest, riss diese von der Leine und fiel schmerzhaft zu Boden.
Nun stürmte eine schwarzhaarige junge Frau in Ledermontur aus dem Keller. Sie baute sich vor Sunja auf, fixierte sie mit feurigem Blick, wollte wissen, ob das eine Räumung sei und ob ein Polizistenschwein wie sie nach solchen Aktionen ruhig schlafen könne.
Alle schrien durcheinander. Ein Fenster in der zweiten Etage wurde geöffnet, kurz sah Sunja das Gesicht einer Frau auftauchen, hastig wurde das Fenster wieder geschlossen. Gleich darauf registrierte sie, wie Gerd Kaminski, der musizierende Autoschlosser, aufgeregt auf die Schwarzhaarige einredete, die noch immer vor ihr stand.
Hinter der Linde gackerte ein Huhn.
Mit zusammengebissenen Zähnen kam Sunja auf die Knie. Sie stemmte sich hoch und sackte auf den umgekippten Wäschekorb. „Das reinste Irrenhaus“, murmelte sie.
Nach wenigen Minuten hatten HP und ein Streifenpolizist die Situation im Griff. Die jungen Burschen standen breitbeinig und mit den Händen gegen die Hauswand gestützt. Sie schienen zu Frau Zjenkovitch zu gehören, die serbische Flüche in ihre Richtung abfeuerte.
Sunja rieb sich den schmerzenden Knöchel.
Aus dem Stimmgewirr ein paar Schritte vor ihr hörte sie Renés Bass heraus. Die Locken hatte ihr Kollege, wie meist im Dienst, zum Pferdeschwanz gebunden. Schlaksig und alle anderen überragend, strahlte er trotz seiner Anfang Zwanzig Autorität aus. Sie sah, wie die beiden Muskelprotze sich von der Hauswand lösten, gestikulierten und schließlich ihre Papiere hervorkramten.
„Alles okay?“ Matthias war neben sie getreten.