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Die Geschichte der Osterhasen Sechs Kinder machen sich auf, das Osterhasenland zu entdecken. Als die Kinder auf einer Wiese einschlafen, erwachen sie plötzlich im Hasenwunderland und treffen auf Osterhasen, den Geheim-Obereierrat und den Hasenkönig. Von einer Märchenrätin erfahren Sie alles über den ersten Osterhasen, die Entstehung des Osterhasenlandes und vom tapferen Waldhasen "Weißpfötchen", der König wurde. Die spannenden Abenteuer des Hasen "Weißpfötchen" in einer Welt voller Gefahren und Unwägbarkeiten sind fantasiereich und versprühen einen ganz eigenen Charme. Ein wunderschöner und bezaubernder Kinderklassiker der Kinderbuchautorin Josephine Siebe, die mit den Kasperle-Büchern große Erfolge feierte.
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Seitenzahl: 175
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JOSEPHINE SIEBE
Im Hasen Wunderland
JOSEPHINE SIEBE
Im Hasen Wunderland
Ein Fröhliches Kinderbuch
ist ein Imprint der
HEEL Verlag GmbH
Gut Pottscheidt
53639 Königswinter
Tel.: 02223 9230-0
Fax: 02223 9230-13
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– Alle Rechte vorbehalten –
Printed in Czech Republic
ISBN: 978-3-7553-0047-2
eISBN: 978-3-96664-875-2
Inhalt
Auf ins Hasenwunderland!
Wie das Osterhasenland entstanden ist
Die unartigen Hasenkinder
Das Fest im Wald
Weißpfötchen kommt zu den Osterhasen
Madame Eule und Jungfer Elster auf Reisen
In die weite Welt hinaus
Fritz Hase, der Lehrbube
Heimkehr
Die drei Wünsche
Ende gut, alles gut
Wo liegt nun aber das Osterhasenland
Osterhasen-Quiz
Wo liegt das Osterhasenland? Über diese Frage dachte an einem Morgen, an dem es schon ein bisschen nach Frühling roch und die Sonne blitzblank wie frisch gewaschen am Himmel stand, ein Hansel nach. Es war einer von den vielen tausend Hanseln, die zu allen Zeiten auf der Erde herumlaufen; er hatte auch so runde, lustige Augen und so krause Haare, wie sich das für einen rechten Hansel schickt. Wie nun Hansel so am Gartenzaun des väterlichen Hauses stand, kamen pfeifend und vergnügt wie ein Frosch an einem Frühlingsabend von rechts sein Freund Franzel, von links sein Freund Anselmus, genannt Selmusel, herbei. Als Hansel ihnen die Frage nach dem Osterhasenland stellte, halfen ihm die beiden Buben bereitwillig nachdenken. Sie stellten sich auch an den Zaun, steckten ebenfalls die Hände in die Hosentaschen und sperrten gerade wie Hansel den Mund weit auf.
Weit waren sie aber alle mit dem Nachdenken noch nicht gekommen, als sehr eilfertig, kichernd und quietschvergnügt die drei Mädel Sabine, Rosine und Christine um die Ecke bogen. Mit ihren feierlichen, langen Namen sprach die drei freilich kein Mensch im Dorf an, sie wurden von allen Binchen, Sinchen und Tinchen genannt. „Was steht ihr denn da und guckt ein Loch in den Himmel?“, rief Sinchen lachend und puffte Hansel in die linke Seite.
„Wo der Osterhase wohnt, möcht‘ ich wissen“, sagte Hansel bedächtig.
Erstaunt sahen die Mädel die Buben an. Ja, wenn die über eine so wichtige Sache nachdachten, da konnten sie schon den Mund aufsperren.
„Im Wald wird er wohnen“, meinte endlich Binchen.
„Ja, aber wo?“, brummte Franzel.
„Wollen halt nachschauen gehen!“, schlug Selmusel vor. Potzwetter, das war ein Vorschlag! Wenige Minuten später trabten alle sechs vergnügt aus dem Dorf hinaus auf den Wald zu. Es war am Mittwoch vor Ostern, die Schule war bereits geschlossen, in allen Häusern wurde Kuchen gebacken und gescheuert, und niemand achtete dabei besonders auf die Kinder. Und wenn sie schon jemand in den Wald wandern sah, dann dachte dieser wohl: Aha, die wollen ganz bestimmt Osterblumen suchen gehen.
Es dauerte nicht lange, da waren die Kinder im Wald angekommen, und der erste Mensch, dem sie begegneten, war der Herr Förster.
„Was wollt ihr denn hier?“, schnarrte der. Er sah ein bisschen bärbeißig aus, obgleich er es nicht böse meinte.
„Den Osterhasen wollen wir suchen“, murmelte Hansel.
„Osterhase? Papperlapapp, gibt‘s nicht!“, schnarrte der Herr Förster und ging weiter.
Na, so was! Dass es einen Osterhasen gibt, das wussten die Kinder besser als der Förster. Sie trabten darum auch wohlgemut weiter.
„Wir wollen den Waldhüter fragen“, schlug Tinchen vor.
Die anderen waren einverstanden, und bald standen sie vor der Hütte des Waldhüters. Daheim war der schon, aber von dem Osterhasen wusste er auch nichts. „Geht mal zum Holzfäller“, riet er, „vielleicht weiß der etwas. Geht nur da geradeaus, da hört ihr ihn schon mit seiner Axt schlagen.“
Geschwind liefen alle sechs Kinder zum Holzfäller. Atemlos kamen sie auf der kleinen Lichtung an, wo dieser Stämme hackte.
„Wo wohnt der Osterhase?“, schrien die Buben und Mädel wie aus einem Mund.
„Potz Harz und Tannenzapfen!“, rief der Holzfäller, verblüfft über das Geschrei. „Seid ihr denn toll geworden? Ich habe noch nie einen Osterhasen gesehen, nicht einmal eine Schwanzspitze davon, noch mit einem gesprochen, auch keine Eier gekriegt. Wie soll ich da wissen, wo Meister Langohr wohnt? Geht mal zum Köhler, der weiß mehr über den Wald als ich. Da links an der großen Buche vorbei geht‘s.“
Bums - schlug der Holzfäller einen dicken Ast von einer Eiche, und Sinchen hätte sich vor Schreck beinahe hingesetzt, so krachte es. Sie besann sich aber noch und rannte mit den anderen an der dicken Buche vorbei, dahin, wo eine blaugraue Rauchsäule zwischen den Bäumen zum Himmel aufstieg.
Michel Kohlschwarz, der Köhler, saß an seinem Meiler und rauchte seine Pfeife. Er blies so starke Rauchwolken in die Luft, dass man nicht recht unterscheiden konnte, wer das Rauchen besser verstand, der Köhler oder sein Meiler.
„Guten Tag, Michel Kohlschwarz!“, riefen die Kinder. „Bitte, sage uns doch, wo der Osterhase wohnt!“
„Hm, hm, hm“, brummte der Köhler und paffte weiter. Er war nämlich nicht sehr redselig und brauchte immer eine Viertelstunde für jede Antwort.
„Kennst du den Osterhasen?“
„Wohnt er hier im Wald?“
„Wie sieht er denn aus, grün oder rot?“, fragten Tinchen, Hansel und Franzel auf einmal.
Michel Kohlschwarz brummte wieder vor sich hin und schwieg wie vorher. Vier Fragen zu beantworten, war ihm viel zu anstrengend. Endlich, da die Kinder schon ungeduldig von einem Bein auf das andere hüpften, schob er seine Pfeife aus dem rechten Mundwinkel in den linken und knurrte: „Kräutertante!“
Heißa, das war eine Idee! Die Kinder purzelten fast übereinander vor Aufregung. Nein, dass ihnen das auch nicht selbst eingefallen war! Ja, die Kräutertante, die würde wissen, wo der Osterhase wohnt, die wusste doch alles, was im Wald geschah. Surre, sause ging das, und weg waren die Kinder, und Michel Kohlschwarz saß wieder allein. Nach einer halben Stunde brummte er noch: „Ich weiß doch nicht, wo der Osterhase wohnt!“
Aber das hörten die Kinder nicht mehr, denn die waren schon auf dem direkten Weg zum Osterhasen. Freilich, die alte Kräutertante, die in einem windschiefen Häuschen, das beinahe aussah wie ein kleiner Mooshügel, mitten im Wald wohnte, kannte den Osterhasen auch nicht. Dass es aber einen gab, das wusste sie von ihrer Großmutter, die auch eine Kräuterfrau gewesen war. Als nun Binchen, Tinchen, Sinchen, Hansel, Franzel und Selmusel in ihr Stübchen kamen, da war sie gar nicht verwundert, dass die sechs den Osterhasen suchen wollten.
„Ihr müsst die Eule fragen“, sagte sie, „die sitzt zwar den lieben langen Tag in ihrem Baumloch und tut, als wüsste sie von nichts, und dabei weiß sie doch alles, was im Wald geschieht. Kinder, ich sage euch, sie könnte Professor sein, ausgesprochen klug ist sie. Geht nur zu ihr, gleich links in der alten Eiche wohnt sie.“
„Ja, aber versteht sie uns denn?“, fragte Selmusel bedächtig.
Die Kräutertante zog die Stirn in dicke Sorgenfalten: „Ja, freilich“, meinte sie, „das ist so eine Sache! Ist nicht eins von euch ein Sonntagskind?“
„Ich bin am Montag geboren“, sagte Selmusel seufzend. „Ich am Dienstag“, rief Tinchen. „Ich am Mittwoch, ich am Donnerstag, ich am Freitag“, riefen Sinchen, Binchen und Franzel.
„Na und du?“, fragte die Kräutertante Hansel, und der rief kläglich: „Ich bin Samstagabend, ein Viertel vor zwölf Uhr geboren. Meine Mutter sagt immer, ich wäre beinahe ein Sonntagskind.“
Die Kräutertante lachte und rief: „Jetzt geht nur zur Eule, vielleicht versteht ihr sie doch. Seid aber recht höflich, hört ihr!“
Das versprachen die Kinder auch, und vergnügt trollten sie von dannen, um die Eule zu fragen. Franzel, der von zu Hause seinen roten Gummiball mitgenommen hatte - denn er hatte auf der Dorfstraße Ball spielen wollen -, warf diesen neckend Sinchen an den Kopf. Sinchen, nicht schüchtern, warf den Ball Hansel an die Nase, der ihn flugs Binchen zuwarf, aber o weh, der Ball verfehlte sein Ziel und rutschte unversehens in das Loch der alten Eiche hinein, an der die Kinder gerade angelangt waren. In ihrer Eichenwohnung aber saß die Eule in tiefem Nachdenken. Schwapp! Da flog ihr der rote Ball an den Kopf, und im ersten Schreck dachte sie, der Förster habe in den Baum geschossen. Doch dann hörte sie draußen Kinderstimmen, und eilig streckte sie den Kopf zum Eichenfenster heraus. Potzwetter, konnte die Eule schelten! So etwas hatten die Kinder in ihrem ganzen Leben noch nicht gehört. Sie standen ganz verdattert da, und die Eule schrie ärger als zehn Kinder, wenn sie eine Rute erblicken. Und dabei warf Madame Eule den Kindern vor lauter Wut alte Eicheln und morsche Tannenzapfen, mit denen sie ihre Wohnung ausgelegt hatte, an den Kopf.
Denen wurde himmelangst, und sie rissen eiligst aus. In ihrer Angst liefen sie ein ganzes Stück in den Wald hinein. Sie hörten gar nicht, dass die gute Kräutertante, die das Schelten der Eule gehört hatte, ihnen nachrief, sie sollten wieder zu ihr kommen. Die Kräutertante aber war alt und konnte nicht so schnell laufen. Ein Pirol1 aber hörte das Rufen der Kräutertante, und geschwind flog er den Kindern nach. Betrübt standen diese mitten im Wald; sie wussten nicht, ob sie rechts oder links, geradeaus oder zurück gehen sollten. Auf einmal sahen sie über sich auf einem Baum einen wundervollen, goldglänzenden Vogel sitzen, der ihnen freundlich zurief: „Kommt mit! Kommt mit!“ Dabei flog der Vogel von Baum zu Baum, und die Kinder liefen ihm nach. Das ging ein Weilchen so, bis der Vogel rief: „Bleibt hier! Bleibt hier! Bleibt hier!“ Husch - war er auf und davon geflogen.
Die Kinder sahen sich um. Sie standen auf einer kleinen Waldwiese, auf der blaue Osterblümchen, Waldveilchen und goldgelbe Himmelsschlüssel blühten. Veilchenwiese wurde der Platz genannt, sie kannten ihn wohl, und sie jubelten laut, als sie sahen, wie viele Blumen hier schon blühten.
„Wir wollen Sträuße pflücken und dann heimkehren“, sagte Sinchen besonnen. „Den Osterhasen finden wir doch nicht!“
Die anderen waren einverstanden, und eifrig begannen alle, Blumen zu sammeln.
Es gab so viele, dass bald jedes einen großen Strauß gepflückt hatte, und nun setzten sie sich zum Ausruhen unter einen dicken Baum. Wie es kam, das wussten sie wohl selbst nicht, aber plötzlich waren sie alle eingeschlafen und wachten erst wieder auf, als ihnen jemand mit etwas Samtweichem über die Gesichter strich. Alle schlugen gleichzeitig die Augen auf, und ein sechsstimmiger Schrei des Erstaunens ertönte. - Wo waren sie denn? - Sie saßen noch immer mitten im Wald auf einer Wiese, aber den Platz, auf dem sie weilten, kannten sie nicht. Er war von turmhohen, dunklen Tannen dicht umgeben; wie eine blaugrüne, hohe Mauer war es, die kein Tor zu haben schien. In der Mitte war ein Hügel, und vor diesem saß eine ganze Anzahl Hasen. Wie andere Hasen sahen sie aus, nur hatten sie alle himmelblaue, rosenrote, veilchenfarbene, dottergelbe, orangefarbene und schokoladenbraune Ohren und Schwänzlein. Das sah so bunt und lustig aus, wie all die Häslein mit ihren bunten Ohren und Schwänzchen wackelten, dass Hansel, der zuerst ganz munter war, hellauf lachte. Sein Lachen steckte an, auch die anderen Kinder lachten fröhlich mit, und flugs kamen die Häschen alle näher und schauten sich zutraulich die Kinder an.
Plötzlich wichen sie alle zurück. Von dem Hügel her kam ein großer, schneeweißer Hase, der silberne Ohren und ein silbernes Schwänzlein hatte. Andächtig kam der weiße Hase auf die Kinder zu, machte Männchen vor ihnen und sagte mit einer richtigen Menschenstimme: „Willkommen im Osterhasenland!“
„Im Osterhasenland?“, riefen Binchen, Sinchen, Tinchen, Hansel, Franzel und Selmusel erstaunt wie aus einem Mund.
„Ja, im Osterhasenland“, sagte der weiße Hase würdevoll. „Das ist eine hohe Ehre, die euch widerfährt, denn es geschieht nur alle hundert Jahre einmal, dass ein Mensch zu uns kommen darf. Weil heute gerade hundert Jahre um sind, hat euch der Pirol zu uns geführt!“
„Aber wir wissen ja gar nicht, wie wir hergekommen sind!“, riefen Hansel und Sinchen.
Der Hase lachte ein wenig verschmitzt, zwinkerte mit den Augen und sagte: „Na, dann passt nur beim Nachhausegehen gut auf! Aber jetzt kommt, ich führe euch zum König!“
„Zum König?“, schrie Binchen. „Ich dachte, du bist der König!“
„Nein“, erwiderte der weiße Hase, „ich bin nur der Geheim-Obereierrat; unser König ist viel schöner als ich, er ist blau wie der Himmel an einem Sommertag und hat schneeweiße Pfötchen und goldene Ohren und ein goldenes Schwänzlein.“ Der Geheim-Obereierrat führte die Kinder durch einen breiten Spalt, der von riesengroßen Farnkräutern fast verdeckt war, in den Hügel hinein, und da waren sie auf einmal im Osterhasenschloss. Da sahen sie nun allerlei wunderbare Dinge: Zuerst eine große Küche, in der viele Häslein standen und in der es gar köstlich nach Schokolade roch; in großen Kesseln wurden Eier gekocht, und die wunderfeinsten Eier lagen schon auf langen, grasgrünen Tischen. Das war ein Hin und Her in der Osterhasenküche, ein Rufen und Befehlen, Quieken und Schreien! In den Kesseln brodelte und wallte es, ein uralter Hase schalt auf einen kleinen Hasenküchenjungen ein und zog ihn bitterböse an den Ohren, weil er genascht hatte, und ein kleines Hasenfräulein weinte bittere Tränen, weil es sich die Pfötchen an der kochenden Schokolade verbrannt hatte.
Von der Küche kam man in einen Saal, in dem Hunderte von Ostereiern lagen, ganz einfache und sehr prächtige, und eine Anzahl Häslein packte die Eier in Mooskörbe, und wieder andere trugen die Körbe hinaus. Auch hier war ein Leben und Treiben, Hüpfen und Springen, dass man gar nicht wusste, wo man zuerst hinschauen sollte.
Der Geheim-Obereierrat, der das Erstaunen der Kinder sah, meinte lächelnd: „Ja, jetzt heißt es bei uns schnell arbeiten! Ostern steht vor der Tür, und da sind noch viele Kinder zu bedenken!“
„Aber die Zuckerbäcker haben doch auch Ostereier, woher sind denn diese?“, fragte Hansel schüchtern.
„Ah pah“, sagte der Herr Geheim-Obereierrat verächtlich, „das sind eben nur nachgemachte! Die echten Ostereier müssen von uns stammen, die schmecken nicht allein gut, sie sind auch gesund. Das Kind, das echte Ostereier zu essen bekommt, wird das ganze Jahr nicht krank. Aber die Menschen sind ja so unzufrieden! Statt mit zwei echten Eiern zufrieden zu sein, nehmen sie lieber einen ganzen Korb unechter Ostereier, und sie sind so dumm,, dass sie nicht einmal den Unterschied erkennen. Wir bringen darum nur den Kindern, die an uns glauben, Ostereier, das sind aber ziemlich viele. Da, probiert einmal, wie gut unsere Eier sind!“
Er reichte jedem Kind ein buntes Hühnerei und ein schönes Schokoladenei. Die Kinder schmausten und meinten, noch nie hätte ihnen etwas so ausgesprochen gut geschmeckt.
Dann ging es weiter in ein anderes Zimmer. Darin saß wieder eine Anzahl Häslein, die malten zierliche Blumen auf bunte Eier und formten auch aus Zucker, Marzipan und Schokolade allerlei kleine Kunstwerke. Es war reizend anzusehen! In diesem Saal aber stand aus Eierschalen und bunten Steinchen ein Thron, auf diesem saß der Osterhasenkönig, und neben ihm eine wunderschöne kleine Frau Königin.
Potz Blitz, sah das Königspaar bezaubernd aus! Die kleine Hasenkönigin war schneeweiß, hatte rosenrote Ohren, ein rosenrotes Schwänzchen, und ihr ganzes Fellchen war mit goldenen Sternchen geschmückt. Und so freundlich waren beide zu den Kindern, dass diese alle Schüchternheit verloren. Der König selbst zeigte ihnen ein paar reizend bemalte Eier, und der Geheim-Obereierrat erzählte den Kindern, dass der König selbst es sei, der immer wieder Eiermotive ersinne; er sei nämlich ein großer Künstler.
Das Königspaar schenkte jedem Kind noch ein Mooskörbchen voll Eier und entließ seine Gäste dann mit vielen freundlichen Wünschen. Hansel, Franzel, Selmusel, Sinchen, Binchen und Tinchen vergaßen auch nicht, sich zu bedanken. Sinchen war die Erste, die einen schönen Knicks machte und ein fröhliches Dankeschön sagte, die anderen machten es ihr nach, und König und Königin nickten gar freundlich.
„Ehe ihr nun unser Schloss verlasst“, sagte die Königin, „sollt ihr auch noch etwas von der Geschichte der Osterhasen erfahren. Ihr könnt aus der Geschichte mancherlei lernen, zum Beispiel, dass aus einem unnützen Buben doch manchmal ein tüchtiger Mann, ja sogar ein König werden kann. Frau Märchenrätin, komm doch einmal her und führe die Kinder noch in die Geschichtenstube!“ Flugs kam eine kleine, alte Hasenfrau herbei, die eine große Brille auf der Nase hatte und so gemütlich und lustig aussah, wie nur eine liebe Großmutter aussehen konnte.
Die Kinder nahmen nochmals Abschied vom Königspaar, auch von dem Geheim-Obereierrat und den anderen Häslein, und vergnügt, mit erwartungsvoll klopfenden Herzen folgten sie der Frau Märchenrätin in die Geschichtenstube. Eine richtige Stube war es zwar nicht, eher ein kleiner Garten, in dem allerlei reizende, bunte Vögel und Schmetterlinge herumflatterten und gar wunderbare Blumen blühten. Ein Bächlein floss murmelnd mitten hindurch, und ein Springbrunnen rauschte und plätscherte. Es war aber auch eine Ecke da, in der ein großer Lehnstuhl stand und kleine Bänke aus bunten, glitzernden Steinen aufgebaut waren. Dort nahm die Märchenrätin mit den Kindern Platz, und während die Vögel sangen, Bächlein und Quelle plätscherten und von draußen herein das Rauschen des Waldes zu hören war, erzählte die alte Häsin die Geschichte des Osterhasenlandes.
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1 Ein eurasischer Singvogel, bei denen die Männchen ein leuchtend gelbes Gefieder haben
„Wo das Osterhasenland liegt, das wisst ihr ja nun“, begann die Märchenrätin ihre Erzählung, „wie es aber entstanden ist, wie die Hasen zu ihrem Amt kamen, das sollt ihr jetzt erfahren. Vor vielen, vielen Jahren lebte am Waldrand in einem kleinen, unansehnlichen Häuschen eine Witwe mit ihrem einzigen Kind, der kleinen Cordula. Die Frau war arm, aber fleißig, und ernährte sich mit ihrem Kind mehr schlecht als recht. Sie ging in die nahe Stadt als Waschfrau und war vom frühen Morgen bis zum späten Abend unverdrossen bei ihrer Arbeit.
Doch einmal, in einem sehr harten, kalten Winter, wurde die arme Witwe krank, und die Not zog in das Häuschen ein. Schmalhans war Küchenmeister2, und Mutter und Kind waren froh, wenn sie jeden Tag wenigstens nur ein Stückchen Brot zu essen hatten.
Es war eine schlimme Zeit damals; nicht allein die Menschen, sondern auch die Tiere des Waldes klagten bitter über den harten, strengen Winter. Manches Häslein, manches schöne Reh erfror oder verhungerte.
So ein armes, halb verhungertes Häslein kam nun eines schönen Abends in den Garten der Witwe. Es hoffte dort einige Kohlblätter zu finden, aber nichts war zu sehen, und das arme Häslein legte sich in den Schnee und dachte: Nun muss ich sterben!
Gerade zu dieser Zeit kam die kleine Cordula nach Hause. Sie hatte in der Stadt von einer gütigen Frau Brot und etwas Suppe für die kranke Mutter geholt. Als die Kleine das Häslein erblickte, tat ihr das arme Tierlein leid. Sie trug rasch der Mutter die Suppe ans Bett, dann lief sie noch einmal hinaus und holte das Häslein herein. „Sieh doch, Mutterle“, rief sie, „das arme Tier ist fast erfroren!“
„Vielleicht hat es Hunger“, sagte die Mutter und reichte dem Häschen ein Stückchen Brot. Oh, wie schmeckte das dem armen Racker, wie wohl tat ihm die Wärme! Das Häschen wurde ganz munter, und als es Cordula sorgsam in ein Körbchen legte, da schlief es behaglich ein. Obgleich Mutter und Kind selbst nur wenig zu essen hatten, teilten sie doch die schmalen Bissen mit dem Häslein. Aber immer kleiner wurden die Brotstückchen, die sie täglich verzehren konnten, und endlich sagte die Mutter: „Das geht nicht mehr, Cordula, dass wir den Hasen füttern, wir wollen ihn wieder hinauslassen!“
Draußen war es aber gerade bitterkalt. In dichten Flocken fiel der Schnee vom Himmel herab, obgleich es schon Ende Februar war. Betrübt sah Cordula auf den kleinen Gast; gewiss würde er draußen erfrieren oder verhungern.
Hätte ich nur etwas, das ich Braunchen geben könnte, dachte die Kleine und nahm das Häslein auf den Arm. Sie trat mit ihm an das Fenster. Da hob der kleine Gast auf einmal seine Nase und schnupperte an den Blumenstöcken herum, die auf dem Fensterbrett standen. Cordula war eine große Blumenfreundin. Sie pflegte sorgsam allerlei einfache Blumen, und wenn diese blühten, da hatten sie und die Mutter ihre rechte Herzensfreude daran.
„Mutterle“, rief Cordula plötzlich, „weißt du, ich gebe dem Häschen meine Blumenstöcke zu fressen; einige Zeit reicht es, und dann ist vielleicht schon wärmeres Wetter!“
„Der liebe Gott gebe es“, sagte die Witwe geduldig. Liebevoll streichelte sie ihr Kind und flüsterte: „Tu nur, was dir dein Herz sagt.“