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Bodo Wontoschka

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Beschreibung

Erste Gemeinheit Im Ordnungsamt von Wallbach an der Priesack werden Genehmigungen für Veranstaltungen verschiedensterArt ausgestellt ohne die das öffentliche Leben einer kulturhungrigen Europastadt unvollständig wäre. Für manche Anträge ausgefallenerer Art allerdings braucht es die ausdrückliche Empfehlung eines fortschrittlichen und weltoffenen Kulturamtes, um für einen Antrag eine Genehmigung zu bekommen... Zweite Gemeinheit "Vom Zwang zum Mythos" ist nichts weiter als ein durch und durch polemischer Versuch einige Mythen der Kulturgeschichte zu demontieren, die uns bis heute den Blick auf das Wesen der menschlichen Wirklichkeit verstellen, und deren Ursprünge man in archaischen Machtansprüchen, allerlei ignorantem Popanz und einer psychopathologischen Freakshow der Ratlosigkeit zu suchen hat. Auch ein Aufruf zum Mitgefühl für das menschliche Dilemma seiner Gratwanderung zwischen Sein und Nichtsein. Dritte Gemeinheit "Das Symposion" Barbara Cartland war, bis zum Erscheinen von Joanne K.Rowling, die meistverkaufte Autorin der Literaturgeschichte, obwohl, oder gerade weil der literarische Wert ihrer Bücher bestenfalls Heftromanniveau erreicht. Sie verstarb, im Alter von 98 Jahren im Jahr 2000, verkaufte 1 Milliarde Bücher, und hat bei uns einen relativ geringen Bekanntheitsgrad. Es war nun ein besonderes Vergnügen, um der skurrilen Kontraste willen, sie in einem imaginären Zombiesymposion mit teils noch lebenden, teils verstorbenen Größen der Literaturszene zusammen zu bringen, wobei sublimste und ordinärste Geisteswelten stürmisch aufeinanderprallen und dabei ihren ganzen Zauber entfalten.

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Bodo Wontoschka

Im Ordnungsamt

Drei Gemeinheiten gegen den Kulturbegriff

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Im Ordnungsamt

Im Ordnungsamt

Es gibt Leute, die behaupten, man könne sich die Vorgänge im Ordnungsamt von Wallbach an der Priesack nicht vorstellen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat.

Wenn man es trotzdem versucht, kann man sich höchstens aus den Fingern saugen, in jenen Korridoren röche es nach abgestandenem Zigarettenrauch, altem Linoleum und Insektenvertilgungsmitteln. Man könne nur “einzeln eintreten”, wie es handgeschriebene Blockbuchstaben auf bräunlichen Pappschildern verordnen, und nie, ohne anzuklopfen. Über einen knarrenden und streng riechend gewachsten Dielenboden täte man vor Ehrfurcht steifbeinig noch fünf Schritte, bis hin vor einen grauen, abgestoßenen Thresen, hinter dem eine alterslose, gedrungene Gestalt sich über Dokumente beugt, und sich minutenlang weigert, uns zur Kenntnis zu nehmen.

Erst, wenn unsere Zuversicht, unser Antrag möge, trotz allem, Gnade finden, auf null gesunken sei, würden sich für einen Moment ein paar vergrämte, wässrige Augen und ein amtlicher Schnurrbart auf uns richten, und barsch nach unserem Begehr fragen. Im kraftlosen Gestammel unserer Anfrage, sei, wie ein Echo der Resignation, die abschlägige Antwort schon enthalten, und tatsächlich fühlten wir unversehens die wacklige Türklinke wieder in der Hand, schlurften müde in den Gang hinaus, an dessen Ende und ein rumpelnder Paternoster wieder zurücknähme in die Tiefe, aus der wir gekommen seien.

Das heißt, wenn wir, aus einem Grundtenor von Verdruss und Aufbegehren den Weg in eine Amtsstube beschreiben wollten, dann würde eine Vorstellung wie die obige etwa dem entsprechen, was man gemeinhin erwartet: eine kafkaeske Vision vom bleichen, ausgemergelten Normalbürger in der Mühle der strengen, anonymen Obrigkeit der fünfziger Jahre.

In Wirklichkeit ist alles ganz anders. In einer Europastadt wie Wallbach an der Priesack buhlen selbst die Ämter um die Gunst der Kundschaft, auch das Ordnungsamt, als habe die Ordnung Konkurrenz bekommen, und müsse im Wettbewerb mithalten. Die parfümierte Klimaanlage umweht uns mit einem Hauch von Südseezauber, ein Schilderkatalog am Eingang informiert uns, dass Pizza, Speiseeis, Hunde, Skateboards, Inliner, Handys und Zigaretten draußen bleiben müssen, dafür empfängt uns der Infostand mit einem Espresso, einem gleißenden Lächeln, und einem Haufen Broschüren, unter dem ein Kiosk zusammenbrechen würde.

Das Orchideengewucher vor der Panoramascheibe im vierten Stock wird verstohlen begrabbelt, und erweist sich als echt. Sensorgesteuerte Schwingtüren weichen surrend vor uns zurück, und der mediterran geflieste Steinboden gibt unserem Schritt einen transparenten, musikalischen Klang.