Im Zeichen des Steinbocks - Isolde Kurz - E-Book

Im Zeichen des Steinbocks E-Book

Isolde Kurz

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Isolde Kurz ist auch heute noch eine ambivalente Schriftstellerin. Schon in jungen Jahren selbstständig als Autorin und Übersetzerin, war sie eine Seltenheit im wilhelminischen Deutschland. Später jedoch geriet sie wegen ihres Schweigens im Dritten Reich und ihrer altmodischen Sprache in Kritik. Hervorzuheben sind ihre Werke "Vanadis" und "Florentiner Novellen". Isolde Kurz wuchs in einem liberalen und an Kunst und Literatur interessierten Haushalt auf. Anfang der 1890er Jahre errang sie erste literarische Erfolge mit Gedicht- und Erzählbänden. Null Papier Verlag

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Isolde Kurz

Im Zeichen des Steinbocks

Aphorismen

Isolde Kurz

Im Zeichen des Steinbocks

Aphorismen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962812-30-0

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Im Zei­chen des Stein­bocks

All­ge­mei­nes vom Men­schen­da­sein

Mann und Weib

Aus der Welt des Her­zens

Vom Kin­de

Ethik und Rhyth­mus

Ge­heim­nis­se

Von der Spra­che

Aus Völ­ker­see­len

Vom Ge­ni­us

Poe­sie

Kunst und Künst­ler

Un­ter Men­schen

Al­ler­lei Hei­li­ge

Aus der Zeit

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

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Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

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Im Zeichen des Steinbocks

Ein Flo­cken­sturm, als ging’ die Welt zu Ende, Die lan­ge Nacht der Win­ter­son­nen­wen­de! Und mor­gen tritt durchs win­ter­li­che Haus Des Stein­bocks die ver­jüng­te Sonn’ her­aus. Al­teil’­ges Juel­fest, Ur­vä­ter­won­ne, Des Lichts Tri­um­ph­tag, die Ge­burt der Son­ne, Dich ehr’ ich zwie­fach, al­ter Wei­he­brauch: Der Son­ne Wie­gen­fest ist mei­nes auch. Ja, ich be­trat die Welt beim Son­nen­sie­ge, Und un­term Stein­bock stand auch mei­ne Wie­ge, Zum Sinn­bild nahm ich ihn, zum Wap­pen­tier, Sein ho­hes Zei­chen, was be­deu­tet’s mir? In reins­ter Luft, am Ran­de der Mo­rä­nen, Hoch über Fer­nen, die sich end­los deh­nen, Der Gott­heit nä­her ist des Stein­bocks Welt, Den Ad­lern und den Ster­nen zu­ge­sellt, Ver­traut dem Ab­grund und der Wet­ter­wol­ke, Ein Mär­chen fast dem tal­ge­bor­nen Vol­ke, Der Ber­ge Kö­nig, tau­send­fach be­droht, Lebt er – und Nie­de­run­gen sind sein Tod. So weist er auf­wärts: wer in sei­nem Zei­chen Ge­bo­ren ist, der wag’ es, ihm zu glei­chen, Ihn muss die weg­los raue Höhe lo­cken, Nicht vor dem Stur­ze ban­gend darf er sto­cken, Auf Gip­feln ist sein Reich und sei­ne Ruh’, Er muss den ewi­gen Ein­sam­kei­ten zu. Denn nur in öden, star­ren, un­frucht­ba­ren, Kann er als Son­nen­held sich of­fen­ba­ren, Auf heil’­ger Höh’ die Juel­feu­er zün­den, Das Licht, das neu ge­bo­ren ward, ver­kün­den. Und huld­reich ist die Son­ne sein ge­denk, Wie Kö­nigs­kin­der, die mit Fest­ge­schenk Die Mit­ge­bor­nen ih­res Ta­ges eh­ren, Sie aber gibt, was Fürs­ten nicht be­sche­ren: Das Haupt zu je­der Licht­ge­burt be­reit, Mit Träu­men, wah­rer als die Wirk­lich­keit, Den leich­ten Fuß, der rasch zum Gip­fel trägt, Die Hand, die wie zum Spiel den Dra­chen schlägt. Mit sol­cher Ga­ben lust­voll stren­gem Zwan­ge Schickt ih­ren Strei­ter sie zum Sie­ges­gan­ge. Und tau­send­fäl­tig strahlt er Glanz zu­rück, Dass wer ihn sieht, er­kennt, er sah das Glück. Und wo er wan­delt, grü­nen Len­zes­flu­ren, Und wo er schied, da lässt er Son­nen­spu­ren, Ihm weicht die Fins­ter­nis, und nur im Grab Er­lischt die Glut, die al­len Wär­me gab. Die Dich­ter, die Pro­phe­ten und Er­fin­der, Die Licht­ge­bor­nen all, die Son­nen­kin­der, Des Stein­bocks ho­hes Zei­chen schwin­gen sie, Ein Juel­fest der Geis­ter brin­gen sie. Zum Dienst der Son­ne kam auch ich. Doch weh’, Ein schwe­rer Ne­bel liegt, wo­hin ich seh’, Es dringt kein Strahl hin­ab zu je­nen Grün­den, Wo Irr­wisch­flam­men sich am Sumpf ent­zün­den, Wo un­term Alp die Welt sich stöh­nend quält, Und eins dem an­dern schwe­ren Traum er­zählt. Wie Kran­ke schlei­chen sie mit mü­dem Bli­cke, Der schleppt ein Kreuz und je­ner eine Krücke, Die Ju­gend träumt, sie geh’ im wei­ßen Haa­re, Der Lenz sei krank, die Lie­be auf der Bah­re, Ein je­der zit­tert um sein Er­den­heil, Und je­der kürzt dem an­dern sei­nen Teil, Die Muse kam und schloss das letz­te Fens­ter, Und sprach mit ir­rem Ton: Hier sind Ge­s­pens­ter. In Win­kel kroch sie, wo die Frat­zen lau­ern, Und trieb das Nacht­ge­züch­te von den Mau­ern, Des Alp­drucks Wahn, das ängst­li­che Ge­grü­bel Ver­ge­ss’­ner Fre­vel und ver­erb­ter Übel, Dass Hoff­nung selbst vor ih­rem Blick ver­steint, Und je­des Haus das Haus des Atreus scheint. O Mensch­heit hobst du je­den Schatz der Er­den, Um är­mer nur und är­mer stets zu wer­den? Wardst du so groß, ver­tratst die Kin­der­schuh’, Und dei­ne Kin­der­se­lig­keit dazu? Was kannst du nicht? Dein rol­len­der Pla­net Ist kaum noch Schran­ke, die dir wi­der­steht. Den Raum be­zwingst du, raubst der Zeit die Beu­te, Der Blitz, einst Bote Zeus’, dir dient er heu­te, Ringst mit dem Vo­gel um sein luf­tig Reich, Ein Schritt noch, und du bist den Göt­tern gleich. Und doch voll Gram an dei­nes Ta­ges Rüs­te Blickst du nach der ver­lass’­nen Ju­gend­küs­te, Wo du noch spiel­test und die Fan­ta­sie Dir ihre far­bi­gen Bil­der­bü­cher lieh! O, über alle Lan­de möcht ich’s ru­fen: Kehrt heim zu uns­rer Lichtal­tä­re Stu­fen! Ein Traum war al­les, wol­let nur ge­ne­sen, Noch ist die Erde, was sie je ge­we­sen. Noch kehrt der Lenz und sei­ne tau­send Trie­be, Noch glänzt die Freu­de und noch lebt die Lie­be. Kommt nur aus eu­rer Märk­te Drang und Ja­gen, Heraus, wo stil­le, grü­ne Tem­pel ra­gen, Hört ein­mal wie­der aus des Mär­chens Mun­de, Dem sü­ßen, un­be­red­ten, ewi­ge Kun­de, Nur ein­mal seht von frei­en Ber­ges­höh’n Die jun­ge Son­ne sieg­reich auf­er­steh’n, Werft hin­ter euch die Angst, ver­ge­sst des Neids, Nennt euch der Son­ne Kin­der, und ihr sei­d’s! Um­sonst, sie hö­ren nicht. Noch im­mer wal­ten Des ab­ge­storb­nen Jah­res Spuk­ge­stal­ten. Der Son­nen­held, noch ist er nicht er­stan­den, Der sei­ne Brü­der reißt aus Win­ters Ban­den. Noch tiefer muss das Dun­kel uns um­stri­cken, Der lan­ge Frost die letz­ten Blü­ten kni­cken, Ein Abend bang wie Wel­ten­abend kom­men, Ein Brand, wie auf dem Ida­feld ent­glom­men, Bis eine Win­ter­sonn­wend rau und kalt Gleich die­ser bringt des Ret­ters Licht­ge­stalt. O Heil dir, Göt­ter­sohn, von Kraft ent­zün­det, Komm, wie die Sage dich vor­aus­ver­kün­det, Wie Wali, Wo­t­ans jüngs­ter Ruh­mess­pross, Schwing du ein­näch­tig schon dein Siegs­ge­schoss, Die Hand nicht wa­sche, sollst das Haar nicht schlich­ten, Eh du’s voll­bracht, dein Ret­ten, Rä­chen, Rich­ten. Das Wort, das kei­ner weiß, du wirst es sa­gen, Sieg­va­ters Wort aus grau­en Göt­ter­ta­gen, Dem to­ten Bal­der einst ins Ohr ge­raunt. Dann hebt die Erde sich vom Grab und staunt, Denn Wun­der sind ge­scheh’n: wo Glet­scher starr­ten, Er­grünt ein Feld, er­blüht ein Ro­sen­gar­ten, Die Strö­me bre­chen aus kris­tall­nen Sär­gen, Und hei­li­ge Feu­er glühn von al­len Ber­gen, Aus Näh und Fer­ne ziehn ge­schmück­te Gäs­te Zu ei­nem Ju­bel- und Ver­mäh­lungs­fes­te: Es wird Na­tur, die dun­kel­äu­gi­ge Braut, Dem Geist, des Lich­tes ho­hem Sohn, ge­traut. Dann wird das Le­ben won­nig sein, es wer­den Ver­jüng­te Göt­ter hei­misch gehn auf Er­den, Be­glückt wer dann mit ih­nen wohnt und wer Zum großen Fes­te kam der Wie­der­kehr! Doch weil das Heil noch fern der kran­ken Welt, Und weil mein Licht nur mei­nen Pfad er­hellt, Will ich von ih­ren Fes­ten fern und Feh­den Mich mit der Zu­kunft ein­sam un­ter­re­den. In äther­leich­te Luft, zum Al­pen­firn Trägt mich der Geist, ich fühl’ um mei­ne Stirn Das We­hen schon der un­ge­bor­nen Tage, Mein Sein leg’ ich ge­trost auf ihre Wage, Und leb’ ein Stünd­chen, wo die Zu­kunft webt, In­des die längs­te Nacht vor­über­schwebt, Bis mir der Son­ne neu­ge­bor­ne Pracht Aus Win­deln fri­schen Schnees ent­ge­gen­lacht. Wohl­auf! Der Stein­bock tritt die Herr­schaft an, So stei­ge, See­le, mit der Son­nen­bahn!

*

Allgemeines vom Menschendasein

Die Welt ist ein Spie­gel, worin ein je­der nur die ei­ge­ne See­le sieht.

*

Re­det mir nicht vom Zu­fall der Ge­burt! Ist denn die Ge­burt ein Zu­fall? Sie ist das Er­geb­nis der lei­den­schaft­lichs­ten Wahl durch vie­le Jahr­hun­der­te, und im­mer auch ein ent­spre­chen­des Er­geb­nis.

*

Ah­nen­kult und Ah­nen­stolz ha­ben ih­ren tie­fen Sinn. Es ist nicht gleich­gül­tig, aus wel­chem Blut wir stam­men, denn un­se­re Vor­fah­ren ge­hen im­mer lei­se mit uns durchs Le­ben und fär­ben, uns sel­ber un­be­wusst, all un­ser Tun.

*

In den großen Schick­sals­stun­den scha­ren sie sich als un­sicht­ba­re Leib­wa­che um uns, wir füh­len ihre ge­mein­sa­men Kräf­te, die uns durch­drin­gen, ohne zu wis­sen, wo­her die­se Kräf­te uns ge­kom­men sind.

*

Jede mensch­li­che Na­tur ist ein Wi­der­spruch, aus zwei ver­schie­de­nen, häu­fig ge­gen­sätz­li­chen Na­tu­ren zu­sam­men­ge­fügt. Zieht man noch die Ah­nen­rei­he hin­ein, die sich auf­wärts ins Unend­li­che ver­liert, so er­kennt man, dass schon die gan­ze Mensch­heit zur Her­stel­lung des Ein­zel­nen ver­wen­det wor­den ist, wie sich sein Ich ab­wärts ins Unend­li­che spal­ten und sich am Ende wie­der über die gan­ze Mensch­heit ver­tei­len muss, denn Bluts­ver­wand­te sind wir alle. Wo soll­te da Ein­heit des Cha­rak­ters noch her­kom­men? Die gab es im Al­ter­tum, wo die Le­bens­be­din­gun­gen ähn­li­cher und wo die Völ­ker we­ni­ger ge­mischt wa­ren oder das Ge­misch­te gleich­mä­ßi­ger as­si­mi­liert.

*

Die Ab­hän­gig­keit von der Um­ge­bung ist nur un­be­dingt wahr für den ge­mei­nen Men­schen. Un­ser »Mi­lieu« sind nicht die Spieß­bür­ger, die in ei­ner Stadt mit uns le­ben, son­dern der geis­ti­ge Bo­den, aus dem wir un­se­re Nah­rung zie­hen. Die großen Men­schen al­ler Zei­ten, mit de­nen wir von klein auf ver­keh­ren, die sin­d’s.

*

Auf­ga­be der ver­fei­ner­ten Selbst­sucht: so­viel Schmerz wie mög­lich aus der Welt schaf­fen, al­les Le­ben­de in sei­nen Ego­is­mus ein­schlie­ßen. Wer Glück zer­stört, wer die Last des Jam­mers auf der Erde ver­mehrt, der darf nicht hof­fen, dass der Luft­druck über sei­nem ei­ge­nen Haupt ge­rin­ger wer­de.

*

Wahr­haft großes Emp­fin­den zeigt sich nicht dar­in, dass man sich aus­schließ­lich mit großen Din­gen be­schäf­tigt, son­dern dass man auch das Kleins­te dem Gro­ßen an­zu­glie­dern weiß.

*

Das Gros der Men­schen ist nur in der Ju­gend ge­nieß­bar, nach fünf­und­zwan­zig hört bei den meis­ten die Ent­wick­lung auf, und sie be­gin­nen zu schrump­fen. Des­halb se­hen sie auf ihre Ju­gend zu­rück, als auf eine Zeit hö­he­rer Fä­hig­kei­ten, ein ge­schwun­de­nes Pa­ra­dies. Bei dem be­gab­ten Men­schen steht der Fluss des Wer­dens nie­mals stil­le, und er emp­fin­det sein Ich nicht an­ders, als in der Ju­gend, da­her ihm der Flug der Zeit nicht zum Be­wusst­sein kommt.

*

Die meis­ten Men­schen sind wie schlecht kon­stru­ier­te Lam­pen, jene bil­li­ge Fa­brik­wa­re, die gleich trü­be bren­nen, so­bald das Öl ein we­nig ge­sun­ken ist. Da­ge­gen gibt es ei­ni­ge we­ni­ge vom Schöp­fer so vor­treff­lich aus­ge­ar­bei­te­te Mecha­nis­men, dass sie durch nichts ver­dor­ben wer­den kön­nen und das glei­che Licht ver­brei­ten, bis der letz­te Trop­fen Öl ver­zehrt, ja bis die letz­te Feuch­tig­keit aus dem Doch­te ge­so­gen ist. Sol­che Men­schen sind Got­tes Hand­ar­beit.

*

Das In­di­vi­du­um will sich ein­mal ma­ni­fes­tie­ren, ehe es in den Schoß der All­ge­mein­heit zu­rück­kehrt. Bleibt ihm gar kein Mit­tel, sich aus­zu­zeich­nen, so schreibt der All­tags­mensch we­nigs­tens sei­nen Na­men mit ei­ner ge­schmack­lo­sen Be­mer­kung ins Frem­den­buch, da­mit die Nach­fol­gen­den wis­sen, dass er auch da­ge­we­sen.

*

Geist­lo­se Men­schen kön­nen nicht freu­dig sein, die Ma­te­rie las­tet mit zu schwe­rem Druck auf ih­nen.

*

Auf tö­rich­te Wün­sche war­tet zu­wei­len eine grau­sa­me Stra­fe: ihre Er­fül­lung.

*

Der ge­fähr­lichs­te Sturz ist der von ei­nem Luft­schloss her­un­ter. Stark ist, wer sich da­von wie­der er­ho­len kann. Die meis­ten krie­chen mit zer­schmet­ter­ten Glie­dern noch eine Stre­cke wei­ter, bis sie elend lie­gen blei­ben.

*

Das Le­ben ist ein fort­ge­setz­ter, un­frei­wil­li­ger Tausch­han­del. Wir glau­ben un­ser liebs­tes Gut auf im­mer fest­zu­hal­ten, und schon lan­det, von uns un­be­ach­tet, das Schiff, das es uns ent­füh­ren wird. Und wäh­rend wir ihm hoff­nungs­los nach­star­ren, taucht am fer­nen Ho­ri­zont ein Se­gel auf, das den Er­satz bringt.

*

Es kommt ein Au­gen­blick, wo auch der Glück­lichs­te voll­kom­men al­lein ist, denn das letz­te Wort auf Er­den hat je­der mit dem ei­ge­nen Kör­per zu re­den.

*

Nichts cha­rak­te­ri­siert den Men­schen mehr, als das, wo­für er nie­mals Zeit fin­det.

*

Je­der edle Mensch muss vor­her alt wer­den, ehe er jung wird.

*

Über­le­gung kann Schur­ken ma­chen, un­be­dach­tes Han­deln macht sie nie. Da­rum flie­gen den im­pul­si­ven Na­tu­ren alle Her­zen ent­ge­gen.

*

Den Ehr­gei­zi­gen soll man nicht schel­ten. Der Er­folg kann den Men­schen in­ner­lich wei­ter ma­chen. Ver­kann­tes Ver­dienst fällt oft auf eine plum­pe Schmei­che­lei her­ein, die das ver­wöhn­te Glücks­kind ver­ach­tet.

*

Ein häss­li­ches Mäd­chen wird durch ein Kom­pli­ment ver­führt, das an ei­ner ge­fei­er­ten Schön­heit un­be­ach­tet nie­der­glei­tet.

*

Es ist nicht zu ver­wun­dern, dass be­schränk­te Men­schen so ei­gen­sin­nig sind. Wem das Den­ken große Mühe macht, der weiß wohl, warum er das ein­mal Auf­ge­nom­me­ne so lan­ge wie mög­lich fest­hält, statt sich gleich ei­ner neu­en Mühe zu un­ter­zie­hen.

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Ei­tel­keit macht ge­ziert und un­ru­hig, Selbst­ge­fühl gibt Na­tür­lich­keit und Si­cher­heit.

*

Dem ober­fläch­li­chen Welt­kind ist ein biss­chen Ei­tel­keit nicht schäd­lich, es ist eben auch nur ober­fläch­lich ei­tel; ei­tel auf klei­ne Ta­len­te oder äu­ße­re Vor­zü­ge. Aber wehe, wenn die Ei­tel­keit sich der ernst­haf­ten, pe­dan­ti­schen Na­tu­ren be­mäch­tigt. Die neh­men es mit der Ei­tel­keit sel­ber ernst­haft und be­zie­hen sie auf die ernst­haf­ten Din­ge, wie Cha­rak­ter, Kennt­nis­se usw. Des­halb steht kei­ne Ei­tel­keit in so üb­lem Ge­ruch, wie Ge­lehr­te­nei­tel­keit.

*

Die Zeit wird nicht nach der Län­ge, son­dern nach der Tie­fe ge­mes­sen.

*

Zei­ten, in de­nen wir nichts er­le­ben, sind end­los, wie ein lan­ger, wei­ßer, schat­ten­lo­ser Weg, wor­auf man kei­ner le­ben­den See­le be­geg­net.

*

Wer je­den Au­gen­blick mit tie­fem Ge­hal­te er­fül­len kann, hat sei­ne Le­bens­span­ne zur Unend­lich­keit er­wei­tert.

*

Weil die Zeit kei­ne ab­so­lu­te, nur eine re­la­ti­ve Län­ge hat, des­halb ist je­des star­ke Emp­fin­den ewig, auch wenn es nur einen Tag ge­dau­ert hät­te.

*

Es ist kein Mensch zu be­nei­den, er ste­he so hoch und fest er wol­le. Der un­auf­halt­sa­me Pla­net schwingt sich um die Son­ne und ver­nich­tet durch sei­nen blo­ßen Um­lauf al­les Er­den­glück.

*

Wi­der­spruch des Le­bens.

Man hüte sich, die mensch­li­chen Ge­schi­cke nach Re­geln und Ana­lo­gi­en zu be­rech­nen. Je­der Fall ist der ers­te und der letz­te sei­ner Art, denn nichts wie­der­holt sich je­mals ganz auf Er­den. Gera­de die Er­fül­lun­gen, die die All­tags­weis­heit am si­chers­ten vor­her­sagt, tref­fen nie­mals ein. Im Au­gen­blick der Ent­schei­dung ist das gan­ze Spiel ver­scho­ben: der Mu­ti­ge wird feig, der Ego­ist be­geht eine groß­mü­ti­ge Hand­lung, und von al­lem Er­war­te­ten ge­schieht das völ­li­ge Ge­gen­teil.

*

Das Le­ben führt uns ewig ad ab­sur­dum, und die­ser ewi­ge Wi­der­spruch ist es ge­ra­de, was das Le­ben so in­ter­essant macht.

*

Die ein­zi­gen Men­schen, die ein völ­lig ru­hi­ges Ge­wis­sen ha­ben, sind die großen Ver­bre­cher.

*

Moral und Psy­cho­lo­gie.

Wie viel freu­di­ger leb­te sich’s un­ter den Men­schen, wenn un­se­re sitt­li­che Über­le­gen­heit über den Nächs­ten nicht wäre, das Rich­ten nach idea­len For­de­run­gen, die in ih­rer Ge­samt­heit nir­gends auf Er­den er­füllt wer­den.

Die­ses mo­ra­li­sche Bes­ser­wis­sen, die­ses »er soll­te«, »er müss­te« des einen vom an­dern kann einen Men­schen mit psy­cho­lo­gi­schen Tas­t­or­ga­nen in die Verzweif­lung und von da in die Ein­sam­keit trei­ben. Wo ist denn der Sterb­li­che, der im­mer han­delt, wie er soll­te und müss­te? Der heu­te die­se Wor­te braucht, wird mor­gen sel­ber durch sie ge­rich­tet. Höchs­tens für Kin­der oder für Ma­tro­sen, die auf ei­nem Schiff bei­sam­men le­ben, ist die Pf­licht eine so ein­fa­che, grad­li­ni­ge Sa­che. Un­se­re Ver­hält­nis­se zu­sam­men mit un­se­ren An­la­gen bil­den ein so un­end­lich kom­pli­zier­tes Ge­we­be, dass in hun­dert Fäl­len neun­zig­mal dem »ich soll­te« ein »ich kann nicht« ge­gen­über­steht.

Wenn sich nun we­nigs­tens die mo­ra­li­sche Su­per­klug­heit auf den ein­zel­nen Fall be­schränk­te! Aber wie we­ni­ge kön­nen dem An­reiz wi­der­ste­hen, von da so­fort einen Rück­schluss auf den gan­zen Cha­rak­ter zu zie­hen, und dann ist der Spruch der sum­ma­ri­schen Jus­tiz fer­tig. Wie groß, wie selbst­ge­recht, wie un­an­tast­bar ist der Herr Je­der­mann, so lang er das Ge­setz im Mun­de führt. Wie hoch blickt er von den Schnee­gip­feln der idea­len For­de­run­gen auf den ar­men Teu­fel, der sie nicht er­fül­len konn­te, nie­der. Aber bit­te, Ver­ehr­tes­ter, stei­gen Sie ein­mal von Ih­rer ab­strak­ten Höhe in die Ebe­ne des Le­bens her­un­ter und mes­sen Sie hier Ihren Wuchs mit dem sei­ni­gen. Das darf ich na­tür­lich nicht laut sa­gen, des­halb de­cke ich mich in sol­chen Fäl­len durch eine klas­si­sche Au­to­ri­tät und er­wi­de­re mit Ham­let: »Gib je­dem, was er ver­dient, so ist kei­ner vor Prü­geln si­cher.«

Die Mensch­heit hat wohl­weis­lich ein hö­he­res ethi­sches Ide­al auf­ge­stellt, als sie ver­wirk­li­chen kann. Nach star­rem Rechtss­pruch ist der Mensch in je­dem Au­gen­blick an sich schon ver­damm­lich, weil er

»In der Mensch­heit trau­ri­gen Blö­ße Steht vor des Ge­set­zes Grö­ße«,

je­nes un­ge­schrie­be­nen Ge­set­zes, das je­der in der Brust trägt, des­sen Er­fül­lung er aber zu­meist – von den an­dern er­war­tet.

*

Es ist der Grund­wi­der­spruch der mensch­li­chen Na­tur, die wah­re »Erb­sün­de«, die­ser klaf­fen­de Riss zwi­schen dem, was der Mensch vom Men­schen for­dert, und dem, was er sel­ber leis­ten kann. So gibt es ja nur in der Geo­me­trie, aber nir­gends in der Na­tur eine völ­lig ge­ra­de Li­nie. Und nur in der Arith­me­tik ge­hen die Rech­nun­gen rich­tig auf, im Le­ben bleibt im­mer ein un­lös­ba­rer Rest zu­rück. Der Dich­ter kennt die­sen Rest – er ist sein ei­gens­tes Ge­biet –, der Psy­cho­lo­ge, der Er­zie­her kennt ihn, aber die große Men­ge de­rer, die sich den­ken­de Men­schen nen­nen, weiß nichts von ihm und schreit im­mer aufs neue, wo er ihr ent­ge­gen­tritt.

*

Nun ist zum Un­glück auch un­ser geis­ti­ges Auge so ein­ge­rich­tet, dass wir die Kon­tu­ren der Din­ge viel schär­fer wahr­neh­men, als sie in Wirk­lich­keit sind. Wir se­hen einen di­cken, schwar­zen Strich, wo in Wahr­heit Licht und Schat­ten viel zar­ter in­ein­an­der­flie­ßen.

*

Wir sind alle mehr oder min­der un­duld­sam ge­gen Las­ter, die nicht in un­se­rem ei­ge­nen Tem­pe­ra­ment lie­gen. Und das ist ganz na­tür­lich. Wem der Wein nicht schmeckt, wie soll der den Trun­ke­nen be­grei­fen? Da­ge­gen zeugt es von nied­ri­ger Ge­sin­nung, wenn ei­ner be­son­de­res Är­ger­nis an sol­chen Sün­den nimmt, die ihn gleich­falls rei­zen wür­den, zu de­nen ihm aber die Ge­le­gen­heit fehlt.

*

Die tu­gend­haf­te Frau, die sich mit ih­rer Tu­gend lang­weilt, aber nicht den Mut zum Leicht­sinn fin­det, die ist es, die den ers­ten Stein auf die ge­fal­le­ne Schwes­ter wirft. Aber hier ver­las­sen wir schon das Ge­biet der falschen Moral und kom­men in das des ge­mei­nen Nei­des.

Wie man­ches Mal habe ich ge­wünscht, die ju­we­len­strah­len­de Welt­da­me möch­te sich mit mei­nen Au­gen se­hen, wenn sie, durch ein ein­zi­ges Wort ver­wan­delt, plötz­lich mit dem Was­ser­kü­bel auf dem Kopf als Li­schen am Brun­nen vor mir stand.

*

Un er­ro­re, sagt der le­bens­wei­se Ita­lie­ner, wo der har­te, ab­strak­te Ger­ma­ne gleich von Schuld, Über­tre­tung, Bruch des Ge­set­zes spricht. Rich­tig, denn die meis­ten Ver­ge­hun­gen sind Irr­tü­mer – die Ate.

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Ab und zu be­geg­net man Men­schen, die ihre Grund­sät­ze nicht nur auf die an­dern, son­dern auch auf sich sel­ber an­wen­den und de­ren Le­ben dar­um in ei­ner schnur­ge­ra­den Li­nie ver­läuft. Die­se ge­nie­ßen denn auch einen so großen mo­ra­li­schen Kre­dit, dass sie in­ner­halb ih­res Krei­ses die Rich­ter und Ra­ter in al­len Ge­wis­sens­fra­gen spie­len. Aber ge­ra­de sie sind dazu am we­nigs­ten be­ru­fen, denn sieht man sie nä­her an, so sind es recht­schaf­fe­ne, spieß­bür­ger­li­che Leu­te, in de­ren Adern das Blut so lang­sam fließt und de­ren geis­ti­ger wie auch ge­sell­schaft­li­cher Ho­ri­zont so eng ist, dass sie das Le­ben ganz zum Re­chenexem­pel ge­macht und mit Prin­zi­pi­en wie mit Wi­ckel­bän­dern um­schnürt ha­ben. Das im­po­niert dem Uner­fah­re­nen, dem Au­to­ri­täts­be­dürf­ti­gen, der die Ge­dan­ken an­de­rer zum Den­ken braucht. Aber wie schnell ver­sa­gen die­se Ora­kel vor den Kon­flik­ten ei­ner be­dräng­ten See­le. Wie soll­te auch der Phi­lis­ter, der nichts er­fah­ren hat und nie die Gren­zen des Men­sch­li­chen ab­ge­tas­tet, mit sei­ner Buch­weis­heit und Buch­mo­ral in die Ab­grün­de des Le­bens leuch­ten? Die Brav­heit und Un­be­schol­ten­heit tun es nicht, und al­les Er­lern­te steht hilf­los dem Le­ben ge­gen­über. Wer den Ge­wis­sen ein Füh­rer sein will, der muss sel­ber mit En­geln und Dä­mo­nen ge­haust ha­ben und Verant­wor­tun­gen ge­tra­gen, aus de­nen die Er­kennt­nis fließt. So ei­nem Re­naissancemönch, der sich aus wil­den Aben­teu­ern in die Stil­le der Zel­le zu­rück­ge­zo­gen hat­te, um nach­zu­den­ken, ei­nem sol­chen moch­te sichs gut beich­ten. Wes­sen Tu­gend aber von der ne­ga­ti­ven Art ist, der hat höchs­tens Licht ge­nug, um sei­nen ei­ge­nen Weg zu fin­den.

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Wer aus den mo­ra­li­schen For­de­run­gen die letz­ten strengs­ten Kon­se­quen­zen zie­hen will, dem bleibt nichts üb­rig, als in eine men­schen­lee­re Wüs­te zu flie­hen. Und wenn er sich be­sinnt, so wird er viel­leicht auch dort er­ken­nen müs­sen, dass im­mer noch ei­ner zu viel da ist.

In die­ser schreck­li­chen Enge hat die Na­tur uns zwei Si­cher­heits­ven­ti­le ge­ge­ben: die Nach­sicht, die nichts ist, als die an­ge­wand­te Ge­rech­tig­keit im Ge­gen­satz zur ab­strak­ten, und den Hu­mor.

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Der Durch­schnitts­mensch sieht von sei­nem Ge­gen­über im­mer nur die eine, ihm je­weils zu­ge­kehr­te Sei­te. Er kann sich in den Os­zil­la­tio­nen des Ta­ges kein kla­res und un­ver­rück­tes Bild der an­de­ren er­hal­ten. So ent­steht das be­stän­di­ge Auf und Ab in der Be­ur­tei­lung der Cha­rak­tere, das wech­seln­de Über­schät­zen und Ver­wer­fen, das den un­be­fan­ge­nen Zuschau­er mit­un­ter fast see­krank macht.

Die se­he­risch an­ge­leg­ten Na­tu­ren tra­gen das Gan­ze ei­nes Men­schen als fes­tes Bild mit Licht und Schat­ten in sich her­um, das durch die wech­seln­den Er­fah­run­gen nur lei­se mo­di­fi­ziert, nicht häupt­lings um­ge­stürzt wer­den kann. Wi­der­sprü­che er­stau­nen sie nicht, denn sie wis­sen, dass die­se zum Gan­zen ei­ner In­di­vi­dua­li­tät ge­hö­ren. Sie ken­nen kei­nen sitt­li­chen Ei­fer, und die rich­ter­li­che Weis­heit der an­dern ist ih­nen ein Greu­el; mehr noch als ihr Ge­müt, em­pört sie ih­ren In­tel­lekt. Das bringt sie in be­stän­di­gen Ge­gen­satz zu ih­rer Um­ge­bung, der sol­che Ob­jek­ti­vi­tät nicht sel­ten als Käl­te oder mo­ra­li­sche In­dif­fe­renz er­scheint. Ge­wiss ist ein Haupt­grund, wes­halb so oft die Dich­ter und Se­her sich in spä­te­ren Jah­ren ganz vom Ver­kehr der Men­schen zu­rück­zie­hen und ihr Le­ben in selbst­ge­wähl­ter Ein­sam­keit be­schlie­ßen: die blin­den Ur­tei­le der Schnell­fer­ti­gen nicht mehr hö­ren zu müs­sen.

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Ar­tig auch ge­gen sich selbst.

Wenn man sei­ne Män­gel nicht hät­scheln soll, so hat man doch auch nicht nö­tig, sie mit Keu­len aus­zu­trei­ben. Man be­hand­le sein Ich wie einen er­prob­ten Freund, an dem man ge­le­gent­lich gern einen Feh­ler ab­stel­len möch­te. Man su­che sich selbst durch freund­li­chen Zu­spruch, al­len­falls durch ein biss­chen Schmei­che­lei, zum Bes­se­ren zu be­re­den. Man sage sich zum Bei­spiel in ei­nem Mo­ment der Ver­zagt­heit:

»Komm! Ich ken­ne dich ja sonst als brav, hast schon man­ches Mal gut be­stan­den, wirst mir doch dies­mal kei­ne Schan­de ma­chen.«

Das Ge­lobt­wer­den für eine Ei­gen­schaft, die man nicht hat, wird häu­fig zum Sporn, sich die­se Ei­gen­schaft zu er­wer­ben, und der wahr­haft Klu­ge muss auch ver­ste­hen, sich sel­ber zu über­lis­ten.

Das ab­strak­te Moral­pre­di­gen da­ge­gen ist beim ei­ge­nen Ich so wir­kungs­los, wie beim frem­den.

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Der Dank ein Übel.

Dank soll man we­der ge­ben noch for­dern. Er wür­digt bei­de Tei­le her­ab. Durch einen Dienst, den man mir er­weist, darf ich in nichts ge­hin­dert sein, sonst ver­wan­delt sich die Wohl­tat in eine Übel­tat, und nur aus die­ser Ge­sin­nung her­aus darf ich an­de­ren et­was Gu­tes er­wei­sen. Wenn ihr mich nicht liebt für das, was ich bin, – für das, was ich tue, sollt ihr mich nicht lie­ben müs­sen, denn so hal­te ich’s auch mit euch.

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Wer sich zur Dank­bar­keit ver­pflich­ten lässt, der trägt eine Ket­te, ge­gen die er sich frü­her oder spä­ter em­pö­ren muss, denn alle Lie­be will Frei­heit und Freu­dig­keit. Eine Wohl­tat, sei sie noch so groß, ist durch in­ne­re Ab­hän­gig­keit zu teu­er be­zahlt. Wer sie in die­ser Ab­sicht er­weist, macht ein Ge­schäft, bei dem er den Freund über­vor­teilt, und bleibt da­bei doch der Be­tro­ge­ne. Um ge­recht und lie­be­voll zu blei­ben, habe man den Mut, un­dank­bar zu sein.

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Das Dan­ken ist ei­gens er­fun­den, um die Last der Dank­bar­keit auf­zu­he­ben. Es ist eine Hand­lung, die sich mit ei­ner an­de­ren Hand­lung schein­bar ins Gleich­ge­wicht setzt, was ein blo­ßes Ge­fühl nicht könn­te. Sie macht den­je­ni­gen, der sie voll­zo­gen hat, wie­der zu ei­nem frei­en Men­schen.

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Macht der Über­zeu­gung.

Nichts auf Er­den ist so un­wi­der­steh­lich wie Über­zeu­gung, die aus tiefs­ter See­le kommt. Sie ist der Strom, der alle Däm­me bricht und alle Was­ser mit sich reißt. Sie un­ter­wirft sich so­gar die Welt der Sin­ne. Eine häss­li­che Frau kann durch den fel­sen­fes­ten Glau­ben, schön zu sein, ihre Um­ge­bung so be­ein­flus­sen, dass die­se nicht mehr wagt, sie häss­lich zu se­hen. Ja, die­ser Glau­be braucht nicht ein­mal aus­ge­spro­chen zu wer­den, er teilt sich von selbst der Um­ge­bung mit und schlägt den Wi­der­spruch der Au­gen nie­der.

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Der Gro­ße und sei­ne Zeit.