In den Armen des Unbekannten - Emma Darcy - E-Book

In den Armen des Unbekannten E-Book

Emma Darcy

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Beschreibung

Ein Lächeln, sinnlich und sexy, empfängt Natalie, als sie nach einem schweren Unfall aus der Ohnmacht erwacht. Vorsichtig und liebevoll nimmt sich Damien Chandler ihrer an. Natalie genießt seine Fürsorge und Zärtlichkeit - bloß hat sie keinen Schimmer, wer der charmante Damien ist, denn sie leidet an Amnesie …

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IMPRESSUM

In den Armen des Unbekannten erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1995 by Emma Darcy Originaltitel: „The Fatherhood Affair“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1177 - 1996 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Sabine Robin

Umschlagsmotive: miakievy / iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733775827

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

In zwei Monaten kann man viel schaffen, dachte Natalie Hayes zufrieden, als sie Sydneys nobles Regent Hotel betrat. Frohgemut durchquerte sie die große Empfangshalle und ging die breite Treppe hinauf, die zu Kable’s Restaurant führte, wo sie mit Damien Chandler zum Mittagessen verabredet war. Heute wollte sie ihm zeigen, was sie alles in dieser Zeit bewirkt hatte, und ihn darüber aufklären, dass sie ihn nicht länger als ihren Aufpasser brauchte. Sie konnte selbst auf sich achtgeben, und er sollte sein Pflichtgefühl – oder war es ein Schuldgefühl? – ihr gegenüber nun endlich zum Schweigen bringen.

Beschwingt lief Natalie die letzten Stufen hoch. Sie hatte ihr altes Gewicht zurückgewonnen und sah in dem leuchtend orangefarbenen Kleid wahrlich nicht mehr wie eine trauernde junge Frau aus. Es schmiegte sich wunderbar weich um die weiblichen Rundungen und unterstrich den frisch gebräunten Teint sowie die feinen blonden Strähnen in dem neu gestylten honiggelben Haar. Damien konnte sie heute bestimmt nicht länger als Schatten ihrer selbst bezeichnen. Die Wangen waren nicht mehr eingefallen, und in die hellen bernsteinfarbenen Augen, die durch den goldbraunen Lidschatten besonders gut zur Geltung kamen, war der Glanz zurückgekehrt. Die kürzere, frechere Frisur passte viel besser zu ihrem Gesicht als das langweilig herunterhängende lange Haar, das sie in den letzten zwölf Monaten einfach hatte wachsen lassen. Natalie war zufrieden mit ihrem Äußeren. Sie fand, dass sie wieder recht hübsch aussah, jünger und topmodisch. Sie fühlte sich wie neugeboren und war es irgendwie auch.

Voller Selbstvertrauen betrat sie die Lounge des viel gerühmten Restaurants und freute sich schon auf Damiens überraschten Blick. Sie war sich bewusst, dass sie sich nicht nur äußerlich verändert hatte, sie war auch innerlich gewachsen. Damien würde oder aber musste begreifen, dass sie nicht länger eine Krücke brauchte, einen Motivierer, Ratgeber oder Kritiker – all die Funktionen, die er im vergangenen Jahr im Übermaß erfüllt hatte. Das sollte nun ein Ende haben.

Natalie sah Damien auf einem Sofa sitzen. Er hatte sich nach vorne gebeugt, die Arme auf die Knie gestützt und schaute auf das Glas in seiner Hand. Irgendwie machte er einen etwas müden Eindruck, was vielleicht mit der Zeitverschiebung zusammenhing, die er noch nicht hatte verarbeiten können, aber trotzdem wirkte er so beeindruckend wie immer. Der graue Anzug mit Weste hatte einen seidigen Glanz und stammte wohl maßgeschneidert aus Hongkong. Jetzt hob Damien den Kopf, und ihre Blicke trafen sich.

Bestürzung zeigte sich auf seinem Gesicht. Wie erstarrt verharrte er in der Sitzposition, und das Strahlen in den tief liegenden silbergrauen Augen mit den dichten schwarzen Wimpern wurde zunehmend schwächer. Natalie spürte, wie er sich ganz von ihr in sich selbst zurückzog.

Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet, sie passte so gar nicht zu ihm, war viel zu extrem. Etwas beklommen blieb sie stehen und hatte das Gefühl, als beraubte man sie gerade einer wohltuenden Vertrautheit. Normalerweise war Damien durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen, hatte jede Situation im Griff und sich selbst immer so gut in der Gewalt, dass es nahezu unmöglich war, festzustellen, was in ihm vor sich ging.

Natalie beobachtete, wie sich innerhalb von Sekunden zuerst völlige Bestürzung auf seinem Gesicht spiegelte, dann Angst, Entschlossenheit und verhohlene Wut, bis sich seine Züge schließlich deutlich entspannten und er sie gezwungen, halbherzig heiter anlächelte, das Glas absetzte und aufstand.

„Natalie.“ Seine Stimme klang überrascht und erfreut zugleich, doch was er wirklich fühlte, wusste Natalie nicht. Er kam auf sie zu. „Wie schön, dich so strahlend zu sehen.“

Damien war ein Meister der Schmeichelei. In den Jahren ihrer Bekanntschaft hatte Natalie immer wieder bemerkt, wie galant er mit den Frauen redete, und auch jetzt hatte er genau das gesagt, was sie hatte hören wollen. Doch irgendetwas fehlte. Und das irgendetwas war Anerkennung. Natalie konnte sie nirgends in seinen Augen entdecken.

Nicht, dass sie Damiens Anerkennung brauchte. Es war nur … warum lagen so viele Fragen in seinem Blick und keine Anerkennung dafür, dass sie all die Kritik umgesetzt hatte, die er bei ihrem letzten Treffen so ärgerlich geäußert hatte?

Jetzt umfasste er ihre Hände, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Aber das war es nicht. Nicht bei ihr. Natalie hatte immer wieder beobachtet, wie er andere Frauen auf diese vertrauliche Weise begrüßte, einen kleinen Flirt daraus machte, der häufig noch von einem flüchtigen Kuss begleitet wurde. Doch ihr gegenüber hatte er sich nie so verhalten. Selbst dann nicht, als sie Gregs Braut war und Damien dessen Trauzeuge bei der Hochzeit.

Sie versteifte sich, während es in ihren Armen zu kribbeln begann. Natalie verstand nicht, was hier vor sich ging. In den Jahren ihrer Bekanntschaft hatte sie sich ein Bild von ihm als Gregs engstem Freund und Geschäftspartner geschaffen, und davon sollte er nicht abweichen. Sie wollte, dass er die Rolle des selbst ernannten Beschützers von Gregs Witwe aufgab, aber … sein untypisches Benehmen machte alles kaputt.

Erleichtert bemerkte sie, dass er ihr nicht weiter näher kam. Sie wäre sonst auch vor ihm zurückgewichen, hätte den Reflex einfach nicht unterdrücken können. Natalie fühlte, wie seine Finger warm und fest ihre Hände umschlossen, während seine Daumen sanft über ihre Knöchel strichen.

„Als ich abflog, warst du ein Schatten deiner selbst, und jetzt kehre ich zurück, und du bist richtig aufgeblüht“, sagte er leicht verwirrt und betrachtete sie prüfend. „Meine Abwesenheit ist dir gut bekommen. Gibt es einen besonderen Grund für die Veränderung?“

Natalie zuckte die Schultern. „Viele Gründe.“ Und du bist einer davon, dachte sie und rang sich ein Lächeln ab. „Wolltest du mich denn nicht aufrütteln, dass ich mein Leben wieder in Angriff nehme?“

„Doch. Und das Ergebnis ist überwältigend.“

„Aber es gefällt dir nicht.“

„Ich lasse mir lieber etwas länger Zeit, um das zu beurteilen.“ Damien schaute sie in einer Weise an, wie er es so noch nie zuvor getan hatte – mit wildem Verlangen. Wie gelähmt registrierte Natalie das plötzliche Feuer unverhohlener Begierde in seinen Augen. Der Blick brannte sich förmlich in sie ein, und sie fühlte sich nackt und schutzlos. Er passte so gar nicht zu der netten, stützenden Geschäftsfreundschaft, die sie beide eigentlich verband, glühte so richtig vor ungezügelter Sexualität.

Natalie spürte, wie ihr Herz nervös schlug, während sich in ihrem Kopf alles chaotisch um den Gedanken drehte, dass Damien nun nicht mehr die langweilige Hausfrau in ihr sah, die sie noch vor Kurzem gewesen war. Und er lässt mich das wissen. Ohne zu zögern, wirft er sein bisheriges Verhalten über Bord und gibt die Zurückhaltung auf, die er in all den Jahren mir gegenüber an den Tag gelegt hat.

Natalie hegte keinen Zweifel daran, dass Damien sie haben wollte, und kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es sehr schwierig werden würde, ihn davon abzubringen. Überdeutlich fühlte sie, wie die geballte Ladung sinnlicher Lust, die von ihm ausging, jeden einzelnen Nerv in ihrem Körper vibrieren ließ.

Endlich gab Damien ihre Hände frei. Doch die Erleichterung darüber war nur von kurzer Dauer, denn schon schob er einen ihrer Arme unter seinem hindurch, um Natalie ins Restaurant zu geleiten. Unverwandt hielt er ihren Blick fest. „Hungrig?“

Natalie fragte sich, was für einen Hunger er wohl meinte. „Ja“, antwortete sie leichthin und versuchte, die beunruhigende Wirkung seiner Nähe niederzukämpfen.

Meinen Arm zu nehmen ist doch eine reine Geste der Höflichkeit, rief sie sich zur Vernunft, und dieses Gefühl, vor Damien zurückweichen zu wollen, um mehr Abstand zwischen ihn und mich zu legen, ist einfach absurd. Er kann mich nicht dazu verführen, ihn zu meinem Liebhaber zu machen. Das wäre ja so, als würde ich mich noch einmal mit Greg einlassen. Nie und nimmer, nicht in einer Million Jahre. Wenn Damien sich die Idee nicht schnell aus dem Kopf schlägt, wird dieses Essen ein abruptes Ende finden.

Lächelnd führte der Oberkellner sie zu ihrem Platz, und Natalie bemerkte, als sie an den Tischen vorübergingen, wie die Frauen Damien interessiert anschauten. Er sah aber auch wirklich blendend aus. Er war groß gewachsen und hatte von Natur aus einen recht dunklen Teint, wirkte ausgesprochen intelligent und charmant und trat überaus selbstsicher auf. Irgendwie zog er die Blicke förmlich auf sich, die der Männer eingeschlossen. Er strahlte einfach aus, dass er jemand war, und ragte deutlich aus der breiten Masse hervor. Man kam schlichtweg nicht umhin, Notiz von ihm zu nehmen und sich auch später wieder an ihn zu erinnern. Und all das war sowohl gesellschaftlich wie auch geschäftlich sehr von Vorteil, wie Natalie schon vor Langem durchaus objektiv festgestellt hatte.

Mit Erstaunen erkannte sie, dass die simple Tatsache, eingehakt an seiner Seite herzugehen, eindeutig einen Unterschied machte. Sie spürte, wie die Blicke der Leute neidisch und abschätzend von Damien zu ihr glitten und man sie beide als Paar miteinander verglich. Doch das brachte ihren Entschluss nicht ins Wanken, sich keinesfalls von ihm erobern zu lassen. Es war ihr egal, wie viele Frauen von ihm angetan waren oder ihn toll fanden, was er zweifellos war. Sie wusste, dass sie ihr Herz besser ganz festhalten sollte. Wie gewonnen, so zerronnen. Das hatte sie schon viel zu häufig bei ihm erlebt, um selbst auch nur im Geringsten an ihm interessiert zu sein. Und dass ihn ihr neues Erscheinungsbild so ansprach, war doch praktisch eine beleidigende Demonstration dessen, wie oberflächlich er in seinem Sexualverhalten war.

Damien würde nie wieder heiraten, davon war Natalie überzeugt. Er hatte es einmal versucht, als er Mitte zwanzig gewesen war. Sie hatten sich damals noch nicht gekannt, doch soviel sie gehört hatte, war er von seiner Frau verlassen worden. Und das sagte ihr genug.

Natalie war froh, als sie endlich ihren Tisch erreicht und Platz genommen hatten. Sie lehnte ihre Umhängetasche gegen das Stuhlbein, bestellte lächelnd bei dem herbeieilenden Kellner einen Champagner-Cocktail, griff zur Serviette und breitete sie sorgfältig auf ihrem Schoß aus. Das verschaffte ihr ein wenig Zeit, um wieder etwas von dem Wohlgefühl und der Zielstrebigkeit zurückzugewinnen, die sie noch vor dem Treffen empfunden hatte.

Sie spürte Damiens Blick auf sich gerichtet und sah hoch, entschlossen, sich ganz natürlich zu geben. „Wie war deine Reise?“

„Erfolgreich.“

Das war nicht weiter verwunderlich. Damien war ein Ausbund an Energie und Einfallsreichtum. Natalie lächelte. „Heißt das, dass du in der nächsten Zeit zwischen Hongkong und hier hin- und herpendeln wirst?“

„Nein, Natalie, ich habe die Firma an ein chinesisches Konsortium verkauft.“

Heute hagelte es aber Veränderungen. Natalie war einen Augenblick sprachlos und konnte kaum klar denken. „Bist du in finanziellen Schwierigkeiten?“, fragte sie dann besorgt. „Hat dich die Auszahlung von Gregs Anteil an mich …“

„Nein“, erwiderte er kurz angebunden. „Wie ich dir schon einmal versucht habe zu sagen, und so grausam es auch scheinen mag, Gregs Tod …“ Damien verstummte.

„… hat das finanzielle Problem gelöst“, beendete Natalie den Satz für ihn. Und auch noch andere, dachte sie bitter. Doch um welchen Preis!

„Lass uns nie mehr wieder davon sprechen“, meinte Damien mit einer gewissen Feindseligkeit in der Stimme.

„Du verkaufst die Firma nicht meinetwegen“, protestierte Natalie. „Du kannst das Geld zurückhaben, wenn du es brauchst. Ich habe es nicht angerührt, es ist noch alles da.“

„Das hat nichts mit Geld zu tun, Natalie. Ich möchte einfach da raus.“

„Warum? Du bist so gut in deinem Job. Sicher …“ Natalies Gedanken schweiften ab. Liegt es daran, dass Greg nicht mehr da ist? Damien ist zwar ein wahres Verkaufsgenie für Konvertierungen von Computerprogrammen und brillant darin, herauszufinden, was die Kunden benötigen, aber Greg ist letztlich derjenige gewesen, der das Versprochene geliefert hat. Er hat mit seinem Talent alles unter einen Hut gebracht und zugesehen, dass es funktionierte.

„Ohne Greg ist es nicht mehr dasselbe“, erwiderte Damien rundheraus. „Die Firma verfügt über das nötige Personal und Fachwissen, um fortzubestehen. Sie ist absolut rentabel, Natalie. Aber ich vermisse Gregs schnelle Auffassungsgabe, er verstand immer gleich, was gefragt war. Ich werde jederzeit an ihn erinnert. Die Firma war unsere gemeinsame Sache.“

„Ja. Ja, ich weiß.“

Die beiden waren sich fast noch näher gewesen als Brüder, was sie jedoch nicht davon abgehalten hatte, sich zuweilen überaus heftige Auseinandersetzungen zu liefern. Aber am Ende hatten sie immer fest zusammengestanden, egal, um was es ging. Ihre Loyalität zueinander war so groß gewesen, dass die ihr, Natalie, geschuldete Loyalität auf der Strecke geblieben war.

Der Kellner kam mit den gewünschten Drinks zurück und reichte Natalie und Damien die Speisekarte. Mit leerem Blick starrte sie ein paar Augenblicke auf die schwarzen Druckbuchstaben, denn ihr wurde zum ersten Mal bewusst, dass Damiens Schmerz vermutlich genauso tief gewesen war wie ihrer. Und er hatte das ganze Drama auch noch mit ansehen müssen, wie zuerst Ryan über den Felsenrand stürzte und Greg dann hinter ihm herhechtete, um den geliebten Sohn vielleicht noch zu retten. Zumindest das war ihr erspart geblieben.

Natalie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Sie musste ihr totes Kind endlich ruhen lassen und das Leid überwinden. Sie hatte sich lang genug vor Gram verzehrt. Energisch rief sie sich zur Vernunft und entschied sich, als Vorspeise Hummersalat zu bestellen und als Hauptgericht Lachs. Dann legte sie die Menükarte aus der Hand und schaute zu Damien, der sie aufmerksam beobachtete. Natalie zog die Augenbrauen hoch. „Und was willst du jetzt machen?“

Damien entspannte sich. „Ich muss noch sechs Monate in der Firma bleiben, um den Übergang zu erleichtern, und darf laut einer Klausel im Kaufvertrag während der nächsten drei Jahre keine ähnlich geartete Arbeit aufnehmen.“

„Da hast du ja eine ganz schön lange Zeit zu überbrücken.“

„Ich habe schon wieder ein neues Projekt im Auge.“

„Was für eines?“

Damien sah sie eindringlich an, so als sollte es irgendeine geheime Verständigung zwischen ihnen geben. „Hast du keine Ahnung?“

„Nicht die geringste“, erwiderte Natalie leichthin.

„Das macht alles ein bisschen schwieriger“, meinte Damien und verstummte, um kurz nachzudenken, während Natalie einfach so dasaß und ihn neugierig anschaute. „Was hast du für Pläne?“, fragte er dann und hatte sich offensichtlich entschlossen, die Sache von einer anderen Seite anzugehen. „Bist du zu unserem Treffen mit einer festen Vorstellung gekommen, was seinen Ausgang betrifft?“

Ein entsetzlicher Gedanke schoss Natalie durch den Kopf: Interpretiert Damien etwa mein neues Aussehen als Versuch, ihn anmachen zu wollen? Sie glühte förmlich vor Verlegenheit. Nein, das kann er unmöglich annehmen. Allerdings würde das vielleicht erklären, warum er mich vorhin so angeschaut hat. Natalie verspürte das dringende Bedürfnis, jegliches Missverständnis gleich auszuräumen. „Ja, das bin ich“, antwortete sie mit funkelnden Augen.

„Und?“

„Ich möchte dir ein paar Dinge sagen.“

Damien lächelte sie ermutigend an. Er fühlte sich absolut sicher, den Einfluss auf ihr Denken und Handeln zu behalten. „Dann sprich“, forderte er sie auf.

„Zum einen will ich, dass du nicht länger meinen Aufpasser spielst.“

Sein Lächeln wurde reumütig. „Es war nur zu deinem Schutz, Natalie. Du warst … ziemlich verloren und wehrlos.“

„Mittlerweile bin ich wieder erstarkt.“

„Fein!“

„Und ich möchte kein einziges Wort der Kritik mehr von dir hören. Es ist mein Leben, und ich lebe es so, wie ich es für richtig halte. Und nicht du.“

Damien war ernüchtert. In seine Augen trat ein Ausdruck ruhiger Wachsamkeit.

Natalie streckte trotzig entschlossen das Kinn vor. „Ich will nicht, dass du mir gegenüber je wieder Greg erwähnst“, erklärte sie entschieden. Dann geriet ihr Gedankenfluss unter Damiens hartem, starrem Blick ins Stocken.

„Ist das alles?“, fragte er kurz.

„Mehr oder weniger. Aber mir fällt auch noch mehr ein, wenn du darauf bestehst.“

„Mit anderen Worten, du willst mich aus deinem Leben haben.“

„Ja.“

„Als geschäftlichen Berater und als Freund?“

„Ja.“

Er ließ ihr keine Wahl, wenn er Sex mit Freundschaft vermischen wollte. Ihre Dankbarkeit für das, was er für sie getan hatte, ging nicht so weit. Dennoch fühlte Natalie, wie sich in ihrem Inneren eine gewisse Leere ausbreitete. Damien war eine lange Zeit der ruhende Pol in ihrem Leben gewesen und ein Fels in der Brandung. Natalie wurde leicht schwindlig angesichts der Ungeheuerlichkeit, sich von Damien völlig freizumachen. Will ich das denn wirklich? fragte sie sich.

„Gibt es einen anderen Mann in deinem Leben?“ Der scharfe Ton in seiner Stimme grenzte schon an Kritik.

Natalie sah ihn mit funkelnden Augen an. „Noch nicht. Aber irgendwann.“

„Was willst du wirklich, Natalie?“, erkundigte er sich herausfordernd.

Hat er irgendwie meine Gedanken gelesen, meine Bedenken gespürt, die Beziehung zu lösen? überlegte Natalie, konzentrierte sich dann aber ganz auf seine Frage. Wenn ich meinen eigenen Weg gehen will, muss ich die Antwort kennen. Und schlagartig wurde sie ihr bewusst.

„Das Beste, was mir je widerfahren ist, war Ryan. Er war ein einzigartiges und wunderbares Kind. Ich kann ihn nicht ersetzen. Aber ich kann ein anderes Kind haben, das vielleicht genauso einzigartig und wunderbar sein wird, Damien. Und das will ich.“

Unvermittelt lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, auf seinem Gesicht spiegelte sich erneut Bestürzung. Er sah Natalie mit leerem Blick starr an, so als wäre sie eine Fremde.

Natalie wurde es kalt ums Herz, Damien hatte sich innerlich von ihr abgewandt. Sie spürte den starken Drang, ihn zurückholen zu wollen, und bevor sie es verhindern konnte, sprudelten die Worte auch schon aus ihr heraus.

„Bist du denn nicht froh, mich vom Hals zu haben und die Verantwortung für mich los zu sein?“

Ihre spöttische Frage verfehlte die Wirkung nicht. Damien sah sie wieder bewusst an. „Nein.“

Die glatte Verneinung lieferte ihr keinen neuen Ansatzpunkt. Zum Teufel mit diesem Mann und seinem Selbstbewusstsein! Warum kann er nicht zeigen, was in ihm vorgeht? dachte Natalie. „Wozu sollen wir uns je wieder treffen? Nenn mir nur einen guten Grund dafür.“

„Dein Mann war mein Freund“, erwiderte Damien langsam und wählte seine Worte mit Bedacht. „Wie sehr du auch meinst, dass er dich geliebt hat, ich glaube, er war dir kein Freund.“

Natalie saß ganz still da und hielt den Atem an. Damiens Loyalität zu Greg wurde brüchig. Würde er nun die Wahrheit über ihn sagen und die Seitensprünge ansprechen, die er zu verheimlichen mitgeholfen hatte? Ahnte er vielleicht sogar, wie viel sie bereits wusste, oder war er noch immer überzeugt, dass er und Greg alles geschickt verborgen hatten?

Damien lehnte sich vor. In seinen Augen lag erneut ein Ausdruck unverhohlener Begierde. „Ich habe die Firma verkauft, Natalie, um Zeit zu haben, dir – unwiderleglich und für immer – zu beweisen, dass du den falschen Mann geheiratet hast“, erklärte er mit einem Anflug von Leidenschaftlichkeit in der Stimme und fügte dann mit tiefer, innerer Gewissheit hinzu: „Du hättest mich heiraten sollen. Nicht Greg. Mich!“

2. KAPITEL

Heiraten? Damien? Natalie fühlte sich, als hätte sie soeben einen kräftigen Schlag in den Magen erhalten. Zudem herrschte in ihrem Kopf ein einziges Chaos. Ungläubig schaute sie Damien an, während sie versuchte, das, was sie von ihm wusste, mit seinen Worten in Einklang zu bringen. Er hatte den Blick seiner silbergrauen Augen noch immer auf sie gerichtet.

Ich soll mich wohl geschmeichelt fühlen, dass ein Mann seines Kalibers mich will, dachte sie und fragte sich, was ihn zu seiner Wahl bewogen haben mochte. Er hatte nicht von Liebe gesprochen. Und sie war nicht die erste Frau, die er wollte, und auch bestimmt nicht die letzte. Warum also sie? Doch schließlich erkannte sie in dem Durcheinander von Gedanken das Motiv, das hinter Damiens Ansinnen stand.

Greg.

Natalie wurde übel, und Zorn stieg in ihr auf. Sie lehnte sich vor und schaute Damien mit blitzenden Augen an. „Selbst jetzt, da Greg tot ist, kannst du nicht aufhören, dich mit ihm zu messen, nicht wahr? Du möchtest bei mir an seine Stelle treten, um deinem unersättlichen Ego zu beweisen, dass du der bessere Mann gewesen wärst.“

Frustriert verzog Damien das Gesicht. „Das ist doch blanker Unsinn! Warum siehst du nicht das Naheliegende?“

„Das Naheliegende ist, dass Greg in gewisser Weise noch immer dein Denken beherrscht“, erwiderte sie. „Du hast deine lächerliche Rede mit ihm angefangen und beendet. Und das, nachdem ich dich gebeten hatte, ihn nie wieder mir gegenüber zu erwähnen.“

„Dann tut es also immer noch sehr weh? Verdammt, Natalie, ich habe lange genug gewartet! Sieh mich als der, der ich bin.“

„Das tue ich, Damien, und das ist das Problem. Du hast mir ohne Umschweife erzählt, dass du die Firma verkauft hättest, weil es ohne Greg keinen Spaß mehr machen würde. Sie sei eure gemeinsame Sache gewesen. Und das neue Projekt bin ich. Wieder etwas, das du auf eine gewisse verdrehte, verzerrte Weise mit ihm teilen kannst.“

„Ich teile dich mit niemandem“, erklärte Damien entrüstet. „Als ich dich heute sah …“

„Dachtest du, jetzt könne der Spaß beginnen.“ In ihr machte sich Empörung breit. Natalie beugte sich nach unten, ergriff ihre Tasche, öffnete sie und zog das Portemonnaie heraus.

„… dachte ich, du hättest deinen Schmerz überwunden“, beendete Damien seinen Satz.

„Ich möchte dir für nichts verpflichtet sein, Damien“, erklärte Natalie und knallte eine Zwanzigdollarnote auf den Tisch. „Das dürfte für die Drinks reichen. Ich will nicht mit dir essen. Ich will nicht mit dir zusammen sein. Ich will nie, unter keinen Umständen mit dir schlafen. Ist dir der Sinn dieser Worte klar?“

„Die schöne neue Fassade ist also nur eine Farce“, spottete er ärgerlich. „Du kannst dich einer veränderten Realität nicht stellen.“

„Was hat sich verändert?“, fragte Natalie, während sie das Portemonnaie wieder verstaute und mit einem verächtlichen Blick auf Damien aufstand. „Wenn du beweisen willst, dass du ein besserer Mann bist als Greg, dann lauf doch den Frauen hinterher, die er alle nebenbei hatte.“

„Was?“ Er sah sie verblüfft an. „Du hast davon gewusst?“

„Natürlich habe ich das. Und auch, welche Rolle du dabei gespielt hast.“

„Ich hatte nichts damit zu tun …“

„Lüg mich nicht an, Damien. Du hast Greg gedeckt. Er hat mich betrogen. Du hast mich verraten.“ Natalie würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern strebte dem Ausgang des Restaurants zu.

„Natalie …“

Natalie ignorierte den Ruf. Sie hörte, wie Damien ihr folgte, drehte aber weder den Kopf, noch verlangsamte sie den Schritt. Sie fühlte sich so leer und niedergeschlagen. Warum habe ich nur geglaubt, dass er es gut mit mir meine? Er hat mich getäuscht, um letztlich siegen zu können. Über einen Toten.

In der Lounge holte Damien sie ein. Er hielt sie am Arm fest und zwang sie stehen zu bleiben. Natalie sah ihn mit einem einschüchternden Blick kalter Zurückweisung an.

„Was hast du von mir gewollt, das ich dir nicht gegeben habe? Nenn mir nur eine Sache.“

„Anerkennung. Ganz einfach Anerkennung. Die wollte ich von dir, Damien. Die hast du mir nie gegeben. Selbst heute nicht.“

„Die hast du immer gehabt, Natalie.“

„Nie.“