12,99 €
Als der Journalist T.J. Murphy zum ersten Mal eine CrossFit®-Box betrat, tat er dies nicht, um anschließend darüber zu schreiben. Nach vielen Jahren exzessiven Lauftrainings konnte sich der 47-Jährige nur noch humpelnd fortbewegen. Verzweifelt versuchte er, seine frühere Fitness zurückzuerlangen, und als in seiner Nachbarschaft eine CrossFit-Filiale eröffnet wurde, gab er diesem neuen Fitnesstrend eine Chance. In der Garage von Fitnessguru Greg Glassman hatte alles angefangen – heute gibt es weltweit mehr als 4000 Einrichtungen, in denen CrossFit betrieben wird. Diese »Boxen« sind ehemalige Lagerhallen, Industrieanlagen oder Hinterhöfe, die mit Matten, Kettlebells, Gewichten, Seilen, Medizinbällen und Lkw-Reifen ausgestattet sind. Die CrossFitter führen Kniebeugen, Kastensprünge oder Gewichthebeübungen in einem vorgegebenen Zeitraum so oft wie möglich aus. Das Training ist extrem anstrengend, danach sind die Athleten schweißgebadet und dank maximaler Endorphinausschüttung glücklich wie nie. Die hochintensiven Workouts verbessern die Fitness in allen Bereichen und führen zu schnellem Gewichtsverlust und einem definierten Körper. Im Gegensatz zu normalen Fitnessstudios ist das Gemeinschaftsgefühl in den Boxen sehr ausgeprägt und spornt die CrossFitter stets zu neuen Höchstleistungen an. Mit Leidenschaft und Ehrgeiz widmen sie sich ihrem Training und ihrer Ernährung und erfinden sich in ihrem verwandelten Körper ganz neu. In der Box wirft ein Licht auf dieses faszinierende Phänomen, das Leben retten kann und die Fitnesswelt im Sturm erobert. In diesem Buch beschreibt Murphy, was mit ihm geschah, als er mit Cross-Fit begann. Hält der Hype, was er verspricht? Ist CrossFit gesund? Funktioniert es?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 293
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
Warnhinweis
Sämtliche Inhalte dieses Buches wurden – auf Basis von Quellen, die der Autor und der Verlag für vertrauenswürdig erachten – nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und sorgfältig geprüft. Trotzdem stellt dieses Buch keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar.
Bei CrossFit handelt es sich um ein hochintensives, körperlich sehr anspruchsvolles Training, das nur von gesunden Personen ausgeführt werden sollte. Bitte konsultieren Sie vor Trainingsbeginn einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.
2. Auflage 2015
© 2012 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München, Tel.: 089 651285-0, Fax: 089 652096
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012 bei VeloPress books, Boulder, Colorado, USA, unter dem Titel Inside the Box. How CrossFit® Shredded the Rules, Stripped down the Gym, and Rebuilt My Body © 2012 by T.J. Murphy. CrossFit® is a registered trademark of CrossFit, Inc. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Dr. Kimiko Leibnitz
Umschlaggestaltung: theBookDesigners
Umschlagabbildung: Nick Rudnicki
Layout: Erin Johnson
Satz: Carsten Klein
Innenteil-Abbildungen: Robert Murphy (Seite 15, 29, 53, 77, 97, 133, 149), Scott Draper (Seite 117, 173), Caroline Treadway (Seite 65 und Übungsbilder)
E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86883-305-8
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-341-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-342-8
Den Trainern und Mitgliedern des CrossFit Elysium
für ihre Freundschaft und
Titel
Impressum
Widmung
Inhalt
Prolog
1. Die Begegnung
Zusammenbruch
Der gebrochene Läufer
Ist das etwas für mich?
2. Das Unbekannte und Das Unwägbare
Die Definition von CrossFit
Die Definition von Fitness
GPP: eine weit gefasste Vorstellung von Fitness
Leistung: die Währung der Fitness
Nicht reden, machen
3. In der Box
Einzelkämpfer
CrossFit Elysium
Die Geburt einer Box
Die ersten Workouts
Dosierung
Die Dinge anders machen
4. Das Unsichtbare sichtbar machen
Die Bewegung der Bewegung
Der Mann, der hinter der Beweglichkeit steckt
Das erste Treffen
Wozu Kniebeugen?
Vollgas, Vollbremsung
Wachsende Sorgen?
5. Ein Konzept, das auf zwei Säulen ruht
Ernährung – das Fundament von CrossFit
Die Kombination von Paläo- und Sears-Diät
Den Zusammenbruch vermeiden
Ernährung: das fehlende Puzzleteil
Ein kritischer Blick auf konventionelle Essgewohnheiten
Die Herausforderung
6. CultFit
Ist CrossFit eine Kirche?
Allein in der Menge
Verbundenheit finden
Die Hauptzutaten
7. Irenes Reise
Der Lösungsansatz
Eine behutsame Einführung
Grundlagenarbeit
Die ersten Ziele
Neue Ziele
8. Im Sog der Spitzenleistung
Der Throwdown
Auf die Plätze, fertig ...
Los!
Das letzte WOD
Die Firebreather des Elysium
Was den Firebreather ausmacht
Bescheidenheit lernen
9. Mein Date mit Fran
Test und Wiederholung des Tests
Ziele setzen
Zehn Wochen Training
Der Tag der Wahrheit
Sich an den Plan halten
Epilog
Glossar
Übungsverzeichnis
Danksagung
Über den Autor
Anzeige
»Wenn die Gewichte nicht in 30 Sekunden gewechselt sind, trete ich dir in den Arsch.«
Mein Gott, dachte ich, während ich eine grün gummierte Hantelscheibe auf die 20 kg schwere Hantelstange packte und Mühe damit hatte, sie mit der Klammer zu fixieren. Ich tat mein Bestes, um die Fassung zu bewahren, aber vor der bevorstehenden Übung hatte ich einen Heidenrespekt: In einer fließenden Bewegung sollte ich eine 61 kg schwere Hantel vom Boden heben und über den Kopf stemmen – bei den Olympischen Spielen nennt man diese Technik »Reißen«. 61 kg überstiegen meinen persönlichen Rekord um ganze 9 kg. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich jämmerlich scheitern, was meine Erwartungen an mich selbst weiter dämpfte.
Stellen Sie sich eine Wellnessoase mit chromglänzenden Hanteln und gediegenen Umkleideräumen vor. Dann stellen Sie sich das genaue Gegenteil vor und Sie haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie der Ort aussah, an dem ich trainierte. Das San Francisco CrossFit (SFCF) befindet sich auf einem Parkplatz hinter einem großen Sportfachgeschäft im Presidio, einem ehemaligen Militärstützpunkt. Es gibt dort keine Türen, nur mit Graffiti besprühte Container, eine Plastik-Überdachung, die laute Reißgeräusche von sich gibt, wenn der Wind dagegen schlägt (was eigentlich immer der Fall ist), und schwarze Gummimatten. Beleuchtet wird das Ganze durch vergitterte Bau-Scheinwerfer. Auf ein Whiteboard, das vor einer Betonwand steht, wurde das Kürzel »HTFU« gekritzelt. Es ist ein in der Welt des CrossFit allseits bekanntes Akronym, das Harden The Fuck Up bedeutet, auf Deutsch etwa »Reiß dich verdammt noch mal zusammen«. Im SFCF ist das keine leere Floskel. Die Sportler trainieren hier bei Nacht, bei Regen und auch wenn ein unangenehmer, nasskalter Wind weht.
Und jetzt bin ich hier und kämpfe mit der zweiten Stufe der CrossFit Open. Kelly Starrett, der Besitzer der Einrichtung und mein heutiger Trainer, hat schon einmal damit gedroht, mir in den Arsch zu treten, und zwar während der ersten Phase der Qualifizierung für die CrossFit Games. Er dachte, ich würde mit meinen Kräften haushalten und mich nicht genügend anstrengen – eine Einstellung, die er zutiefst verachtet (obwohl das überhaupt nicht zutraf). Schlussendlich schaffte ich die erste Runde mit durchaus passablen Ergebnissen, die mich den Spielen einen Schritt näher brachten. Jetzt, heute, nahm ich an der zweiten Ausscheidungsrunde der Open 2012 teil.
Die Games sind eine dreitägige Veranstaltung, die aus extrem anspruchsvollen Wettbewerben besteht, in denen die Sportlichkeit und körperliche Fitness der Teilnehmer auf eine harte Probe gestellt werden. Sie basieren auf einem Trainings- und Fitnesskonzept namens CrossFit, das sich immer stärker ausbreitet und mittlerweile in über 4000 Studios weltweit praktiziert wird (Tendenz steigend). Die besten CrossFit-Jünger, die bei den CrossFit Open sowie verschiedenen Regionalwettbewerben ermittelt werden, qualifizieren sich für die drei Tage währenden CrossFit Games. Ich nahm zum ersten Mal daran teil und befand mich gerade in der zweiten Woche eines fünfwöchigen Turniers, zusammen mit Tausenden anderen CrossFit-Sportlern, die aus dem ganzen Land herbeigekommen waren und sich derselben Prüfung unterzogen wie ich, als mich der SFCF-Mitinhaber und Cheftrainer anblaffte.
»Noch 20 Sekunden.«
Ich musste mich zusammenreißen. Tatsächlich versuchte ich keineswegs, meine Kräfte einzuteilen. Ich wollte nur die Schmach abwenden, die mir unvermeidlich bevorzustehen schien. Angesichts meiner praktisch nicht vorhandenen Erfahrung im Reißen hätte ich nämlich genauso gut versuchen können, statt der 61 kg einen Kleinwagen zu stemmen. Ich bestückte die Hantelstange jetzt aber schneller, weil ich gewiss nicht von einem 105 kg schweren ehemaligen Profi-Kanuten, der mindestens doppelt so stark war wie ich, in den Arsch getreten werden wollte.
Dieses Workout des Wettkampfs lief folgendermaßen ab: Ich hatte zehn Minuten Zeit, um möglichst viele Wiederholungen zu schaffen, und zwar in der Reihenfolge:
34 kg – 30 Mal
61 kg – 30 Mal
75 kg – 30 Mal
95 kg – so oft wie möglich
Die 34 kg hatte ich problemlos geschafft, doch ich wusste, dass mir die 61 kg Probleme bereiten würden. Im Laufe dieses Tages absolvierte der Sieger der CrossFit Games 2011, Rich Froning Jr., insgesamt 98 Wiederholungen, das heißt, er stemmte die 34, 61 und 75 kg spielend leicht und wuchtete die 95 kg immerhin stolze acht Mal hoch, bevor seine zehn Minuten verstrichen waren. Er war der einzige Teilnehmer, der mehr als 90 Wiederholungen schaffte. Als ich das Wettkampf-Programm zum ersten Mal sah, wusste ich, dass das Reißen einer 34-kg-Hantel ein Klacks sein würde. Allerdings lag meine Bestleistung im Reißen damals bei 52 kg, und auch das war mir bis dahin nur einmal gelungen und auch kein schöner Anblick gewesen. Als es mir nach einer halben Stunde vergeblicher Mühe endlich gelungen war, die 52 kg über den Kopf zu stemmen, war ich regelrecht euphorisch. Und voller Ehrfurcht vor jenen, denen es wie Froning gelang, diese Übung leicht aussehen zu lassen. Jetzt war die Hantel 9 kg schwerer.
In der ersten Woche der CrossFit Open gab es einen Test, bei dem mit einer Stoppuhr gemessen wurde, wie viele Burpees man schaffte. Man beginnt im Stehen, springt in die Liegestütz-Position, zieht die Knie zur Brust und schließt mit einem Strecksprung ab. Es ist eine klassische Turnübung, die einfach auszuführen ist, aber nach 25 Wiederholungen hat man das Gefühl, man hätte einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen, der plötzlich außer Rand und Band gerät. Das 12.1-Workout, bei dem man versucht, in sieben Minuten möglichst viele Burpees zu absolvieren, war ein Test, der der Lunge alles abverlangte, aber wie geschaffen war für ehemalige Wettkampfläufer wie mich. Ich schaffte 103 Stück, woraufhin ich benommen umhertaumelte wie ein angeschossenes Rebhuhn. Das Reißen aber war eine ganz andere Nummer – es passte einfach nicht zum Körperbau und den Bewegungsmustern eines ehemaligen Marathonläufers und Ironman-Finishers, der die 40 bereits überschritten hatte.
Als ich also den Schweiß von meinen schwieligen Händen schüttelte, die 1,72 Meter lange Stange an den geriffelten, schwarz eloxierten Griffen packte und in die Hocke ging, um die 61 kg zu reißen, war mir klar, dass ich beobachtet wurde. Nicht nur Starrett blickte mich gespannt an, sondern auch ein Kampfrichter und zahlreiche Teilnehmer der CrossFit Open, einschließlich meiner Freundin Gretchen, die es in die Finalrunde geschafft hatte.
Ich hob die Hantel an. Die Steigerung von 34 auf 61 kg war ein Schock. Als Anfänger wird einem beigebracht, die Stange langsam vom Boden zu heben, das Körpergewicht muss dabei auf den Fersen liegen, und sobald die Stange auf Kniehöhe ist, führt man einen Sprung aus – man stößt die Hüften explosiv nach oben, wodurch die Hantel so weit hochgerissen wird, dass man sich (im Idealfall) von unten gegen die Hantel stemmen und sich in einer tiefen Kniebeuge unter ihr platzieren kann. Im Idealfall befindet sich die Langhantel dann direkt über dem Kopf, die Ellbogen sind durchgedrückt und man richtet sich auf, bis die Knie gestreckt sind und man aufrecht steht, die Hantel völlig unter Kontrolle hat und alle Knochen feinsäuberlich unter der Last angeordnet sind. Im Idealfall eben. Bis ich selbst damit anfing, diese Art von Krafttraining zu praktizieren, konnte ich dem Olympischen Gewichtheben nie etwas abgewinnen. Inzwischen weiß ich, dass die besten Gewichtheber Koordination, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Kraft miteinander kombinieren müssen, um eine fließende, harmonische Bewegung zustande zu bringen. Früher dachte ich, dass es beim Gewichtheben nur um rohe Gewalt gehe. Dem ist aber nicht so.
Ich sprang und die Hantel hob sich über das Becken, etwa bis auf Höhe des Brustbeins. Dann siegte die Schwerkraft und die Langhantel knallte mit großem Getöse auf den Boden. Die Erschütterung durch das gewaltige Gewicht zusammen mit der Erkenntnis, dass ich soeben völlig versagt und nicht einmal eine Wiederholung geschafft hatte, verschaffte mir einen gehörigen Adrenalinschub. Ich stampfte mit beiden Beinen wütend auf und brüllte: »Scheiße!«
Dieser Adrenalinschub hatte sowohl etwas Negatives als auch etwas Positives. Zum einen war ich fest entschlossen, es weiter zu versuchen, und wenn auch nur, um meinem Ärger Luft zu machen. Zum anderen sieht man in so einer Situation schnell aus wie ein Golfer, der versucht, einen im Sand versunkenen Ball zu schlagen. In diesem kleinen Wutanfall aber liegt ein Teil des Geheimnisses, weshalb CrossFit in den letzten sieben Jahren so starken Zulauf bekommen hat: Es setzt ganz bewusst auf Konkurrenzdenken – gegen andere und gegen sich selbst –, um ungeahnte Kräfte zu mobilisieren und hohe Belastungen zu bewältigen.
Nach drei weiteren Versuchen und drei wortreichen Wutanfällen sagte Starrett in ruhigem Tonfall: »So wird das nichts. Wir brauchen einen neuen Plan.« In den folgenden Minuten – begleitet von einigen weiteren erfolglosen Versuchen – gab mir Starrett einige enorm wertvolle Tipps. Ich sollte die Hände enger zusammennehmen. Die Brust in die richtige Position bringen. Den Bewegungsablauf im Kopf durchgehen, damit die Stange eine optimale Flugbahn beschrieb.
»Stell dir vor, du wirfst die Stange hoch, zuerst über und dann hinter den Kopf.« Er deutete auf den Highway, der hinter uns bzw. dem Parkplatz lag. »Wirf sie über den Highway.«
Die Stange stieg bei jedem nachfolgenden Versuch ein wenig höher, aber es gelang mir nach wie vor nicht, im entscheidenden Moment der Schwerkraft zu trotzen, und so knallte die Hantel immer wieder auf die Gummimatten. Von den zehn Minuten war nur noch eine angebrochene übrig. Starrett sprach wieder in seinem ruhigen Tonfall zu mir: »Wir schaffen das. Stell dir nur vor, du holst zu einem Wurf aus und musst die Stange dazu erst einmal bis hinter deinen Kopf hochwuchten. «
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass Starrett mich bei den CF Open betreute. Ich hatte ihn vor 58 Wochen kennengelernt, kurz vor Weihnachten 2010, als ich mit meinen chronischen Knie- und Rückenschmerzen, die meiner Karriere als Läufer ein Ende gesetzt hatten, in sein Studio gehumpelt kam. Mit 47 Jahren hatte ich nicht nur die Freude am Laufen verloren, sondern sogar schon Probleme damit bekommen, den Tag schmerzfrei durchzustehen. Aus dem Bett steigen, mich auf einen Bürostuhl setzen, Treppen steigen – alles tat weh. Ein Begriff, an den ich früher nicht einmal im Traum gedacht hätte, geisterte mir nun schon seit einiger Zeit durch den Hinterkopf: Kniegelenksersatz.
Starrett war nicht nur ein in der CrossFit-Gemeinde hoch angesehener Trainer und Experte für funktionelles Training und Beweglichkeit, er war überdies ein promovierter Physiotherapeut. Als ich gerade dabei war, mich damit abzufinden, dass eine Knieoperation unvermeidlich war, schlug Brian Mac-Kenzie, ein anderer renommierter CrossFit-Trainer, mir vor, Starrett aufzusuchen. In den folgenden Monaten gewann ich einen tiefen Einblick in eine Welt, die ich sonst nur als einen weiteren durch die Medien populär gemachten Fitnesstrend abgetan hätte, nur mit dem Unterschied, dass sich CrossFit durch eine Anhängerschaft auszeichnete, die – soweit ich das aus meiner Internetrecherche schließen konnte – ein Faible für Tätowierungen hatte.
Das Treffen mit Starrett sollte sich für mich als wahrer Glücksfall entpuppen. Innerhalb von 14 Monaten machten er und MacKenzie aus mir, einem humpelnden Ex-Läufer, der keine 15 Liegestütze schaffte, einen von 62 000 Bewerbern für die CrossFit Games 2012.
»Du schaffst das, T. J. Noch 30 Sekunden.«
Als ich auf die Hantelstange sah, war mir klar, dass dies mein letzter Versuch war, um auf ein Endergebnis von 31 Wiederholungen zu kommen, und ich spürte, wie mein Körper mit einem Mal unter Strom stand. Die CrossFit Open boten etwas, was ich früher schon immer an Laufveranstaltungen gemocht hatte: nämlich die Gelegenheit, meine Fitness in einer hochemotionalen Wettkampfsituation, in der etwas auf dem Spiel stand, auf die Probe zu stellen. Ob ich am Ende 12, 30, 31 – oder sogar 65 – Wiederholungen schaffte, spielte im Hinblick auf die Gesamtwertung keine Rolle. Ich würde ohnehin im Mittelfeld der 62 000 Teilnehmer landen. Leistungssportler wollen sich bei den Open für die Games qualifizieren, für die breite Masse hingegen geht es nur um das gute Gefühl, mit sich und seiner Leistung zufrieden zu sein. Ein neues Level im CrossFit zu erreichen ist vergleichbar mit dem ersten Marathon, den man unter vier Stunden läuft, oder dem ersten Triathlon. Es ist die Befriedigung, die ein echter Athlet verspürt – im Unterschied zu einem sportbegeisterten Fernsehzuschauer.
Für mich war in diesem Augenblick der Unterschied zwischen 30 und 31 Wiederholungen eine ganz persönliche und emotionale Sache. Sollte es mir gelingen, die 61 kg zu reißen, hätte ich meinen alten Rekord von 52 kg überboten. Ich war angestachelt. Ich sprang in die Höhe und schüttelte den Kopf, als wollte ich zur Besinnung kommen. Als ich die Hantelstange ergriff und zu meinem letzten Versuch ansetzte, war mir flau im Magen, aber ich spürte zum ersten Mal in diesem Workout, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht abzeichnete: Ich wusste, dass es mir jetzt gelingen würde. Ich umfasste die Stange in einem engen Griff, wie Kelly es mir nahegelegt hatte, platzierte, wie beim olympischen Gewichtheben üblich, die Daumen über den restlichen Fingern, ging in die Hocke, atmete tief durch und begann langsam mit der Übung. Ich stellte mir vor, wie ich die Stange über meinen Kopf und ins Presidio warf, und setzte zum Sprung an. Die Hantelstange stieg einige entscheidende Zentimeter höher als zuvor, und ich drehte die Handgelenke in einer schnellen Bewegung nach vorne, just in dem Moment, als sich meine Arme und Ellbogen direkt unter der Hantelstange befanden und diese scheinbar schwerelos war. Mit einer besseren Technik wäre ich unter der Stange in die Hocke gegangen, aber dazu war ich nicht mehr in der Lage. Und so tat ich das, was mir in diesem Augenblick übrig blieb: das Ding mit reiner Muskelkraft nach oben zu bringen. Dieses Mal, dieses letzte Mal, fünf Sekunden vor Schluss, überschritt ich einen entscheidenden Punkt. Statt zu Boden zu krachen, stieg die Hantel weiter, zunächst in Zeitlupe, dann immer schneller. Kurz vor Ablauf der Zeit streckte ich meine Ellbogen und hatte einen neuen persönlichen Rekord geschafft: 61 kg.
Fassungslos vor Freude sprang ich in die Luft, diesmal wie ein Schulkind, dem in einem Endspiel der entscheidende Siegtreffer gelungen war. Das war nicht wirklich cool und in der CrossFit-Welt sind 61 kg im Reißen für einen Mann meiner Gewichtsklasse keine besondere Leistung. Aber das Besondere war: Ich sprang mit denselben Beinen und Knien in die Luft, mit denen ich ein Jahr zuvor kaum einen Schritt hatte gehen können.
Das ist die Geschichte jenes Jahres.
Der Personal Trainer Paul Estrada kam über das Internet mit CrossFit in Berührung. Nachdem er sich an einem der Workouts versucht hatte, lag er ganze sieben Minuten zusammengekrümmt in der Ecke, bevor er vom Hallenboden aufstehen konnte. Dieses Erlebnis hinterließ einen so nachhaltigen Eindruck, dass er fortan ausschließlich nach dieser Methode trainierte. Peggy Baker war bereits über 50, als sie eher widerwillig einige Freunde in ein CrossFit-Studio im Raum Boston begleitete. Sie litt seit 20 Jahren an Diabetes, war übergewichtig, krank und wurde zunehmend kränker, aber nur wenige Monate nach Beginn ihres Trainings erzählte sie unter Tränen, dass ihr Diabetes Typ 2 langsam verschwand und sie daher auf ihre Insulinspritzen verzichten konnte. David Bennett war bei der Air Force und trainierte mit Hanteln, als er einen Freund beim CrossFit-Workout beobachtete. Er war so beeindruckt von dem, was er sah, dass er ebenfalls mit CrossFit anfing. Mittlerweile hat er es sich zum Ziel gesetzt, »bis ans Lebensende ein CrossFitter zu bleiben«.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!