In einer Bar in Mexiko - Reiner Boller - E-Book

In einer Bar in Mexiko E-Book

Reiner Boller

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Beschreibung

Eine Cantina irgendwo in Mexiko. Gitarrenklänge im Hintergrund. Die Gäste sitzen träge in ihren Stühlen. Melancholie liegt in der Luft. An der Bar ist ein US-Amerikaner auszumachen: Robert Mitchum. Bald wird eine geheimnisvolle Frau erscheinen. Dieses Szenarium ist Bestandteil des berühmten Film-Noir-Klassikers GOLDENES GIFT. Szenenwechsel: In einer Bar in Tampico fabulieren zwei abgebrannte Männer, Humphrey Bogart und Walter Huston, ihren Traum vom Reichtum: "Warum nicht nach Gold suchen!" DER SCHATZ DER SIERRA MADRE: ein Abenteuerstoff par excellence. Eine Reihe weiterer Filme nutzt das mexikanische (Bar)-Ambiente ebenfalls gerne aus. Die Liste der Filmstars, die in Mexiko und seinen Bars auftauchen, ist lang und reicht von Gary Cooper und John Wayne über Orson Welles und Richard Widmark bis hin zu Antonio Banderas. "In einer Bar in Mexiko" erzählt die Geschichte dieser Filme und lässt dabei die Männer und Frauen aus den Bars aufleben. Autor Reiner Boller hat sich auf Spurensuche an Original-Schauplätze begeben, die Bars der Stars gesucht und in Archiven recherchiert. Dazu kommen Beteiligte zu Wort, wie zum Beispiel Mario Adorf, der bei Sam Peckinpahs Western SIERRA CHARRIBA Mexiko (und seine Bars) kennenlernte, oder Pedro Armendariz jr., der von "James Bond in Mexiko" berichtet. Eine filmhistorische Reise mit Bar-Tipps in mexikanischen Gefilden.

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Inhalt

In einer Bar in Mexiko

In einer Bar mit Horst Buchholz und Mario Adorf

The Magnificent Seven

Die Rückkehr zu den Glorreichen Sieben

Major Dundee

Männer in den mexikanischen Bars: Mario Adorf (*1930)

Bar-Tipp für Reisende

In einer Bar mit Gary Cooper

Blowing Wild

Männer in den mexikanischen Bars: Gary Cooper (1901 - 1961)

Garden of Evil

Vera Cruz

In einer Bar mit Robert Mitchum

Männer in den mexikanischen Bars: Robert Mitchum (1917 - 1997)

Out of the Past

Frauen in den mexikanischen Bars: Jane Greer (1924 – 2001)

The Big Steal

Eine Reise nach Tehuacán

His Kind of Woman

Frauen in den mexikanischen Bars: Jane Russell (1921 – 2011)

Second Chance

Bandido

Auf Bandido-Spuren in Mexiko

The Wrath of God

In einer Bar mit B. Traven

The Treasure of Sierra Madre

Männer in den mexikanischen Bars: Humphrey Bogart (1899 – 1957)

Auf den Spuren von Der Schatz der Sierra Madre

Canasta De Cuentos Mexicanos

Der Banditendoktor

Exkurs: Mehr Traven

Weitere Besucher von Bars

Ride the Pink Horse

The Lady from Shanghai

Männer in den mexikanischen Bars: Errol Flynn, Johnny Weissmuller und John Wayne

The Bribe

Border Incident

Borderline

Kansas City Confidential

Männer in den mexikanischen Bars: John Payne (1912 – 1989)

Plunder of the Sun

Frauen in den mexikanischen Bars: Patricia Medina (1919 – 2012)

Sombrero

Naked Alibi

A Life in the Balance

Exkurs: Film Noir in Mexiko

Salón México

Angeles De Arrabal

Run for the Sun

Mitten im Dschungel…

Männer in den mexikanischen Bars: Richard Widmark (1914 – 2008)

A Woman’s Devotion

La Muerte en el jardín

The Tijuana Story

Ten Days To Tulara

Männer in den mexikanischen Bars: Sterling Hayden (1916 – 1986)

Touch of Evil

The Night of the Iguana

Rage

Männer in den mexikanischen Bars: Glenn Ford (1916 – 2006)

The Border

Exkurs: James Bond in Mexiko

Licence to Kill

Spectre

Männer in den mexikanischen Bars: Pedro Armendáriz (1912 – 1963)

Die Mariachi-Trilogie

El Mariachi

Desperado

Once Upon a Time in Mexico

Männer in den mexikanischen Bars: Antonio Banderas (*1960)

Frida

Frauen in den mexikanischen Bars: Salma Hayek (* 1966)

Exkurs: Bar-Tipps für Mexico-City

Epilog: Ein persönliches Nachwort

Danksagung

Literaturverzeichnis

Reiner Boller

In einer Bar in Mexiko

Auf einen Drink mit Mitchum, Bogart, Wayne, Welles, Adorf … und vielen anderen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© 2019 Mühlbeyer FilmbuchverlagInh. Harald MühlbeyerFrankenstraße 21a67227 Frankenthalwww.muehlbeyer-verlag.de

Lektorat, Layout: Harald Mühlbeyer

Umschlagbild: © Laura Maria Dominguez Elizarrarás

Umschlaggestaltung: Steven Löttgers, Löttgers-Design Birkenheide / Harald Mühlbeyer

ISBN:

978-3-945378-56-4 (PDF)

978-3-945378-53-3 (Print)

978-3-945378-54-0 (Epub)978-3-945378-55-7 (Mobipocket)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

In einer Bar in Mexiko

Die Atmosphäre einer mexikanischen Bar scheint ein – weltweiter – Sehnsuchtsort zu sein. Lieder haben sie besungen, Filme schmückten sich mit ihr und im wirklichen Leben sieht man viele glückliche Gesichter in ihr. Zumindest solange man noch einen klaren Gedanken fassen kann. Fast überall ist also die »mexikanische Bar« ein Begriff.

Auch in deutschen Landen hat eigentlich fast jeder eine Vorstellung, wie dieser mexikanische Wohlfühlort auszusehen hat. Nicht umsonst gibt es mittlerweile in vielen Städten dem Original nachempfundene Orte (bayrischen Biergärten oder dem Münchner Oktoberfest nicht unähnlich). Die Assoziation erfolgt dabei nicht selten durch einen Mix von landestypischen Möbeln im Kolonialstil, mexikanischem Essen und natürlich berühmten Getränken. Den »Mexikaner« mit seinen Tortillas und Enchiladas gibt es inzwischen in jeder größeren deutschen Stadt, und zu Standards der Getränkekarte zählen auf jeden Fall Klassiker wie Margaritas oder Tequila. Das neue Modegetränk Mescal schwappt ebenfalls bereits zu uns herüber, wie es schon Biersorten wie Corona und Sol taten.

Mariachis (Anmerkung des Autors: ein mexikanische Musikensemble), Tequila, Fiesta, das Mexican Girl und anderes bereicherten die heimische wie auch internationale Musikszene. Bei uns landet man gedanklich auch hier immer wieder in der mexikanischen Bar. »Ayayayay, ayayayay… In einer Bar in Mexiko. Da saßen wir und war’n so froh. Der Colt saß locker im Gurt...«, sang darüber hinaus 1970 der deutsche Schlagerbarde Heino: »Ein Mund, ein Kuss, caramba. In einer Bar in Mexiko. Da saßen wir und war’n so froh.« Wo frohe Menschen sitzen, da lass’ dich ruhig nieder, heißt es nicht umsonst. Selbst ein Manfred Mann konnte es sich 2006 nicht verkneifen, von diesem magischen Ort zu singen: »… In a little old bar in Mexico…«, hieß es bei ihm in Down in Mexico.

Und erst recht brachten Szenen aus vielen Filmen, darunter solchen aus der ersten Garde, die Bars in Mexiko dem Publikum näher. Eine kleine Reise in die Vergangenheit soll an diesen Teil der Filmgeschichte erinnern. Die beiden Filmklassiker GOLDENES GIFT (USA 1947, Regie: Jacques Tourneur) und DER SCHATZ DER SIERRA MADRE (USA 1948, Regie: John Huston) inspirierten mich in besonderer Weise. In Folge der 70. Jahrestage der Filme möchte ich mich auf Spurensuche in die Filmgeschichte, und möglichst auch der Drehorte, begeben. Wie echt war das mexikanische (Bar-)Ambiente, wie kam es zu diesen Produktionen, was erlebten die Filmcrews vielleicht ihrerseits während der Aufnahmen, und welche Resonanz erzielten die Filme?

Recht schnell fand ich Orte, die den filmischen Sehnsuchtsorten, den mythischen Bars von Mexiko, ähneln und in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Mit jedem Glas taucht man dort tiefer in die Faszination der mexikanischen Atmosphäre ein. Mit der Zeit scheint die Uhr tatsächlich stehen zu bleiben, und glücklich verfolgt man das Geschehen um einen herum. Melancholie liegt in der Luft. Am liebsten mit Gitarrenklängen im Hintergrund. Im Geiste erinnert man sich an Männer wie Robert Mitchum, Humphrey Bogart, Richard Widmark, John Wayne und Walter Huston. Weibliche Schönheiten meiden keineswegs die Örtlichkeiten, wie es einst auch schon Maria Félix, Jane Greer, Jane Russell und jüngst Salma Hayek in die »Höhle der Männer« zog.

Natürlich gibt es Unterschiede bei den Bars. Es gibt die einfachen Cantinas, die mexikanische Restaurant-Version: Treffpunkte für Zeitvertreib mit den typischen mexikanischen Genüssen für Leib und Seele, oftmals primitiv eingerichtet, für alle Bevölkerungsschichten. Musik, nicht selten Mariachi-Klänge oder Balladen aus der Kehle eines Jorge Negrete, sorgen für die passende Stimmung zum Treiben. Das Leben spielt besonders hier mit allen Höhen und Tiefen. Mehr Romantik für den Barliebhaber bieten allerdings die äußerst geschmackvoll eingerichteten Bars, die den Besucher mit ihrem Flair schier betören und in ihre eigene kleine Welt führen. Erst recht, wenn sie im Umfeld von urtpyischen mexikanischen Plätzen liegen. Man fühlt sich in einem mexikanischen Paradies auf den Spuren der filmischen Vorbilder, am Tisch neben einem sitzen edle Caballeros und schmucke Senoritas. Und statt laut tönender Mariachi-Musik erklingen feine Gitarrenklänge im Hintergrund.

Eine mexikanische Bar kann allerdings auch ein gefährlicher Ort sein. Das zeigen ja schon diverse Filmhandlungen. Berichte über reale Auseinandersetzungen gibt es hie und da ebenfalls. Oder jenen Bericht (Ärzte Zeitung online, 15. November 2010), nach der ein mexikanischer Kneipenbesitzer auf der Suche nach einer besonderen Werbe-Idee auf Brustvergrößerungen gekommen ist. Die verlost er in einer Tombola unter seinen Kundinnen.

Keine Frage, eine mexikanische Bar mit ihrer Atmosphäre des Machismo generell regen die Fantasie an und kann zu einem Abenteuer nicht nur der geistigen Art führen. Es ist an der Zeit, nach vielen anderen Drehorten in der Welt, diesen Örtlichkeiten in einem sicher nicht ganz ungefährlichen, dafür aber wirklich atemberaubenden Land nachzugehen. Ein Hoch auf die mexikanischen Bars, die den Besucher inspirieren. »Schönes erfrischendes Getränk, ich glaube da bleiben wir«, meinte schon Richard Widmark alias Fiske in dem Western DER GARTEN DES BÖSEN (1954) bei seinem Barbesuch. Ayayayay, avayayay…

In einer Bar mit Horst Buchholz und Mario Adorf

Traditionell hat der Hollywood-Western eine Schwäche für mexikanische Bars. Das Geschehen im beliebten Ambiente lässt die Helden des Genres nicht selten zu Höchstform auflaufen. Man denke nur zurück an John Wayne, der etwa mit Dean Martin in RIO BRAVO (1959) oder Robert Mitchum in EL DORADO (1967) Barluft schnupperte, an DIE GLORREICHEN SIEBEN (1960) oder andere Westernhelden von Gary Cooper über Joel McCrea bis Paul Newman. Wenn es nicht mindestens eine Barszene gibt, fehlen wichtige Klischees einer in Mexiko spielenden Geschichte. Der starke Westmann, der sich seinen Whisky oder sein Bier gönnt, die schöne Mexikanerin, die die Blicke auf sich zieht, die Banditen, die beim Kartenspiel ihre Köpfe zusammenstecken und misstrauisch den Neuankömmling beobachten, sowie natürlich die Gitarrenklänge, die in der Luft liegen.

Generell eignen sich die mexikanischen Landschaften prächtig für die Inszenierung von Wildweststoffen. Nicht selten handelt es sich dabei um Originalszenerien. In der langen Filmgeschichte wurden folgerichtig etliche Produktionen des Western-Genres in der Landschaft südlich des Rio Grande in Szene gesetzt. Zumal im Verlauf der Jahre der gegenüber dem US-Dollar günstigere Peso einen nicht zu vernachlässigenden Kostenfaktor bei der Produktion der Filme darstellt. Es gäbe viele Geschichten zur Produktion von Western in Mexiko zu erzählen, das wird aber einer speziellen Aufarbeitung der Hollywood-Westerngeschichte überlassen.

Wir befassen uns in den ersten beiden Kapiteln mit der Westernthematik, auch weil hier interessanterweise deutsche Schauspieler wichtige mexikanische Rollen spielen. 

THE MAGNIFICENT SEVEN

DIE GLORREICHEN SIEBEN

USA 1960. Regie: John Sturges. Drehbuch: William Roberts. Kamera: Charles Lang jr. Musik: Elmer Bernstein. Schnitt: Ferris Webster. Produzent: John Sturges. Produktion: Mirisch/Alpha. Länge: 127 Minuten

Besetzung: Yul Brynner (Chris), Eli Wallach (Calvera), Steve McQueen (Vin), Charles Bronson (O'Reilly), Robert Vaughn (Lee), Horst Buchholz (Chico), James Coburn (Britt), Brad Dexter (Harry Luck), Wladimir Sokoloff (Dorfältester), Rosenda Monteros (Petra)

Erstaufführung: 23. November 1960 (USA), 24. Februar 1961 (Deutschland)

Das Geschehen

Sieben amerikanische Gunfighter werden von dem mexikanischen Dorf Ixcatlan nahe der Grenze zur USA angeheuert. Sie sollen der Willkür von Calveras Räuberbande ein Ende setzen. Eine erste Auseinandersetzung mit der Bande bestehen die Revolvermänner erfolgreich. Dann werden sie in eine Falle gelockt, aber die GLORREICHEN SIEBEN wissen sich zu wehren.

Der mexikanische (Bar-)Faktor

In faszinierender Landschaft in Mexiko gefilmt, kommt natürlich auch der Westernklassiker nicht umhin, eine eindrucksvolle Barszene zu präsentieren. Nach gut dreißig Minuten hat darin der Deutsche Horst Buchholz einen seiner denkwürdigen Filmauftritte. Sein Chico kommt in die Bar gestürmt – gewählt ist hier eine Version mit Gitarrenklängen im Hintergrund – und attackiert Chris (Yul Brynner), den »Chef« der glorreichen Sieben. »Du – Dich habe ich gesucht… Klatsch mal in die Hände, hat er zu mir gesagt… Komm schon, jetzt wollen wir mal sehen, wer schneller ist – jetzt wird geschossen…«. Kugeln pfeifen um Brynners Kopf. Der raucht einfach unbeirrt weiter und reagiert überhaupt nicht. Chico bricht verzweifelt zusammen. Die Bar als Platz für Männer, nicht für Kinder. Aber keine Sorge, später steht Chico noch seinen Mann.

Die Geschichte zum Film

Man schreibt das Jahr 1960, und das Genre steht aufgrund zahlreicher Fernsehproduktionen,  die dem sogenannten B-Western arg zusetzen, auf der Leinwand in Zugzwang. Im Kino folgt somit bei den Western auch die Zeit der teuren Großproduktionen, um das »Pantoffelkino« in Schach zu halten. MGM produziert ein sechs Millionen Dollar kostendes Remake des Oscarerfolges CIMARRON von 1931. Das von John Wayne in Szene gesetzte Epos ALAMO kostet noch mehr. Schließlich produziert die Mirisch-Filmgesellschaft für United ArtistsDIE GLORREICHEN SIEBEN.

Die Geschichte basiert auf dem Film DIE SIEBEN SAMURAI des Japaners Akira Kurosawa aus dem Jahr 1953. Hollywood-Star Anthony Quinn hat 1956 die Idee, daraus einen US-Western zu machen. Quinn erwähnt später seine Überlegungen gegenüber seinem Kollegen Yul Brynner, der unter seiner Regie in KÖNIG DER FREIBEUTER (1958) spielt. Zum Ärger der beiden Interessierten hat sich allerdings bereits ein gewisser Lou Morheim, ein ehemaliger Journalist und derzeitiger Storysucher der Columbia-Studios, im Oktober 1957 für 2.500 US-Dollar die Rechte an der japanischen Geschichte geschnappt. Da Morheim aber Partner für die Umsetzung des Projektes braucht, verhandelt er mit den von den beiden Schauspielern gegründeten Filmfirmen Alciona und Antone sowie ebenfalls mit Kirk Douglas’ Produktionsfirma Bryna. Das Rennen macht Brynners Alciona Productions, die im Februar 1958 den Zuschlag erhält. Zunächst ist die Produktion angekündigt als The Magnificent Six mit Dreharbeiten in Europa unter der Regie (!) von Yul Brynner (und nicht als Schauspieler). Brynner versucht Quinn für die Hauptrolle anzuheuern. Es wird um die Gage, die weiteren Schauspieler sowie Quinns Platzierung bei der Reihenfolge der Credits gestritten. Insgesamt sieht das Studio United Artists, unter dessen Dach Brynners Produktionen laufen, die Produktionskosten bei Alciona aus dem Ruder laufen. Kurzerhand wird Brynner entschädigt und die Produktionsleitung an die unabhängige Mirsch-Filmgesellschaft übertragen. Mirisch schlägt schnell als Regisseur John Sturges vor. Damit ist Anthony Quinn aus dem Spiel. Yul Brynner bekommt stattdessen die Hauptrolle angeboten. Quinn reagiert verärgert und führt später wegen seiner »Ausbootung« Prozesse gegen die Filmproduktion und Yul Brynner. Beide Prozesse wird Quinn aber verlieren. Gleiches gilt für Lou Morheim, der sich ebenfalls benachteiligt und nicht ausreichend entschädigt fühlt.

Erste tatsächliche Presseinformationen sprechen schließlich von THE MAGNIFICENT SEVEN als Filmtitel. Am Drehbuch sind am Ende sechs, vielleicht sogar sieben Autoren beteiligt. Nur William Roberts erhält aber einen Credit. Von einer Geschichte in der Zeit nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg, die in Texas spielt und wo mexikanische Banditen über die Grenze reiten, verlegen die nächsten Drehbuchversionen die Geschichte nach Mexiko (nicht unerheblichen Einfluss hat dabei die Tatsache, dass der auserwählte Hauptdarsteller Yul Brynner in den USA Steuerprobleme hat und deshalb einen Dreh außerhalb der US-Staaten bevorzugt).

Im Hinblick auf die Besetzung der weiteren Rollen spielt ein angekündigter Streik der Schauspielergewerkschaft und eine damit verbundene Deadline am 13. Januar 1960 zum Abschluss von Verträgen eine wichtige Rolle. Gestritten wird in Hollywood um die zukünftige Verwertung des vorhandenen Filmstocks, hier vor allem, wie die Schauspieler beim Verkauf ihrer alten Filme an das Fernsehen beteiligt werden könnten.

Die Besetzung der Rollen gilt heute als legendär. Es gibt eine Reihe Fernseh-Westernstars, die allesamt für die Revolverhelden in Frage kämen. Ward Bond, Robert Horton, Jack Kelly, James Garner, Hugh O’Brian, Clint Walker, Chuck Connors und andere Namen könnten Kandidaten sein. Von den Fernsehcowboys macht aber ein gewisser Steve McQueen das Rennen, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort erscheint und dabei sogar Frank Sinatra aussticht. Für die Rolle fügt sich McQueen bei einem Autounfall freiwillig eine Nackenverletzung zu, damit er aus seiner laufenden Fernsehserienarbeit aussteigen kann. Fernsehserienarbeit ist hartes Handwerk, so dass eine ansprechende Filmrolle immer vorzuziehen ist.

Der ursprünglich für Anthony Quinn geschriebene mexikanische Charakter erfährt eine erhebliche Aufwertung. Überraschenderweise geht die Rolle letzten Endes an den Deutschen Horst Buchholz, der dank eines Hinweises von Billy Wilder ins Visier des Produzenten gekommen ist.

»Hotte« Buchholz, Berliner, schafft mit dieser Verpflichtung den internationalen Durchbruch. Als »deutscher James Dean« war er mit Filmen wie DIE HALBSTARKEN und ENDSTATION LIEBE zum Idol der heimischen Jugend geworden. Als Buchholz den Vertrag mit der Mirisch Company abschließt, schreibt er dem bekannten deutschen Agenten Paul Kohner in Hollywood:

»Lieber Paul, eben habe ich etwas unterschrieben, von dem ich keinen blassen Schimmer habe - in fact ich stehe - sitze - davor wie die Kuh vorm neuen Tor. Dies ist ganz und gar gegen meine Gewohnheit, aber wenn ich ein Haus bauen will, muss ich mich dem Architekten und seinen geometrischen Errechnungen ganz anvertrauen - und hoffen, dass es nicht zusammenklappt. Nun bist du lieber Paul, ja ein guter Architekt - also kann ich nur noch niederknien und beten - oh, meine Knie sind 'n bisschen steif! Wir bleiben also bei unserer Verabredung am Telefon - wenn ich nach Los Angeles komme, erklärst Du mir alles. Seid herzlich gegrüßt...«

Mit »einer Kuh« bekommt es Buchholz auch in dem Western zu tun. Aber seine Bedenken sind unbegründet, er wird sich bestens in der Riege der Westerner machen. Und Horst Buchholz hat letztlich mehr Filmminuten als McQueen, Coburn oder Bronson, zudem bekommt er das Mädchen und die effektvollste Rolle.

Das fertige Filmskript vom 3. Februar 1960 erfährt zunächst im Vorfeld der Dreharbeiten die üblichen Korrekturen der US-Zensur (Anmerkung des Autors: Die in diesem Buch widergegebenen Zensurinformationen stammen aus dem Archiv der Motion Picture Association of America. Der sogenannte Hays Code (Production Code) war seit 1934 für US-amerikanische Produktionen verpflichtend für die Herstellung ihrer Filme, besonders was Kriminalität, sexuelle und politische Inhalte betraf). Grundsätzlich sei das Skript in Ordnung, heißt es von den Zensoren am 22. Februar 1960, aber: »Die Anzahl der Getöteten in dieser Geschichte erscheint zu übertrieben. Auch wenn diese Art Drama vielleicht ein bisschen mehr Gewalt enthalten kann, ist es notwendig, die Anzahl der Getöteten zu verringern, damit wir den fertigen Film absegnen können.« Ferner werden der Einsatz von abgebrochenen Flaschen verboten (»Den Gebrauch können wir nicht genehmigen. Das ist wichtig.«), einige Flüche wie »Mother of God« oder »for God’s sake« bemängelt, und auch eine Liebesszene zwischen Horst Buchholz und der Mexikanerin Rosenda Monteros ist abzuändern (»… Die Umarmung am Ende der Szene wird akzeptiert, aber nicht die weitere Symbolik der Liebenden, wenn sie zu Boden sinken.«).

Die nächsten Probleme kommen von der mexikanischen Regierung. Sie gewährt Drehrechte nur, wenn sie Einfluss auf die Rolle der Mexikaner in der Geschichte bekommt. Zu oft haben Hollywood-Filme wie VERA CRUZ oder, aktuell befürchtet, bei Waynes ALAMO die Mexikaner schlecht »als die Bösen« aussehen lassen. Man mischt sich inzwischen ein, obwohl die mexikanische Filmindustrie vom Dreh der Millionen-Produktionen in ihrem Land abhängig ist. Bringen doch Nebenrollen, Extras, Crew-Mitglieder und alle weitere Arbeiten der lokalen Industrie bares Geld ein. (Zum Vergleich: DIE GLORREICHEN SIEBEN und Robert Aldrichs EL PERDIDO bringen dem Land in dem Jahr fast genauso viele Einnahmen wie sämtliche eigenen Produktionen des gleichen Jahres.)

Die Mexikaner sollen also positiver gezeichnet werden. Es findet ein hartes Gerangel statt. Bis die Mirisch Company erst drei Tage vor Drehbeginn dem Anliegen zustimmt. Das führt vor Ort am Set zu großen Skriptänderungen. Ein am Drehort befindlicher Zensor überwacht das Prozedere und lässt sich jede Filmszene vorführen. Sollte gegen die Vereinbarung verstoßen werden, muss die Produktion unverzüglich das Land verlassen. Der Beginn der Geschichte muss aus diesen Gründen vollständig umgeschrieben werden. Ursprünglich startet das Skript damit, dass Mexikaner nach Söldnern Ausschau halten und deren  Gewehre kaufen. Jetzt wird die Geschichte so umgeschrieben, dass eher durch Zufall die Bekanntschaft mit dem Revolvermann Chris gemacht wird und der ihnen das Anwerben von Revolvermännern vorschlägt. Weiterhin müssen die Kleider der mexikanischen Bevölkerung den ganzen Film über blütenweiß bleiben, damit ein Anschein von Armut erst gar nicht aufkommt. Das führt auch dazu, dass die Revolvermänner den ganzen Film über mit sauberer Kleidung herumlaufen. 

Drehstart von DIE GLORREICHEN SIEBEN ist am 29. Februar 1960. Gefilmt wird mit einem Zwei-Millionen-Dollar-Budget in der Umgebung von Tepoztlán und Oacalco sowie in den Churubusco Studios. Der Hauptdrehort Tepoztlán liegt im mexikanischen Bundesstaat Morelos, rund 75 Kilometer südlich von Mexico-City, und war einst die Winterresidenz der mexikanisch-aztekischen Herrscher. Das mexikanische Dorf wird zu Füßen einer markanten Bergreihe realistisch aufgebaut. Die Kapelle aus Pappmaché schaut echt aus, auch weil alles bis ins Detail stimmt. Man fertigt auf dem Kirchturm sogar ein künstliches Taubennest an, um Authentizität vorzutäuschen. Als die Kapelle nach Ende der Dreharbeiten abgerissen wird, wird sie von den Einheimischen zuvor gesegnet. Die Komparsen werden aus der örtlichen Bevölkerung ausgewählt.

Mit den Außen- und Actionszenen beginnen die Aufnahmen. Schlechtes Wetter begleitet den Start, der Mangel an Sonnenstunden zieht sich über die ganzen Dreharbeiten. Zum Schluss kommen die Innenaufnahmen an die Reihe, die Szenen im Hotel und in der Cantina. Besonders die Stars Yul Brynner und Steve McQueen sind darauf bedacht, dass sie die Hauptakteure des Films sind. Brynner lässt sich bei der Handhabung seiner Pistolen von dem Hollywood-Fachmann Rodd Redwing beraten, der allerdings auch McQueen Tipps gibt. Als beide schließlich Horst Buchholz’ Schein-Stierkampf mit einer uninteressierten Kuh beobachten, soll laut Produzent Mirisch McQueen zu Brynner gesagt haben: »Dieser Junge ist dabei, uns den Film zu stehlen.« Brynner verneint später diese Anekdote, da die Szene so im Drehbuch gestanden hätte. Nichtsdestotrotz herrscht besonders zwischen McQueen und Buchholz eine große Rivalität am Set (wenn Bronson den Deutschen als Hoss anspricht, gefällt das McQueen außerordentlich). Dabei versucht McQueen gerade auch Brynner Szenen zu stehlen. Wenn beide im Bild sind und Steve McQueen nur die »zweite Geige«, den Sidekick, spielt, hantiert McQueen mit Vorliebe an Gegenständen, um in der Szene aufzufallen. Yul Brynner hingegen nimmt bei einer Szene den Hut vom Kopf, um mit seinem kahlen Kopf die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu lenken (in seinem Vertrag hat Brynner eigentlich den Passus stehen, dass er den Hut nur bei starker Sonnenbestrahlung abzunehmen braucht).

Insgesamt ist das Klima am Set aber relaxed und wie ein längerer Urlaub für die Akteure. Yul Brynners Hochzeit (zu seiner Romanze am Set (!) kommen wir noch) ist der gesellschaftliche Höhepunkt während der Dreharbeiten. Brad Daxter, er spielt den Revolvermann Harry Luck, funkiert als Reiseleiter; der US-Amerikaner kennt jede Bar und jeden Nachtclub. Eli Wallach wird in die Obhut seiner mexikanischen »Bande« genommen, bekommt Extra-Reittraining und unternimmt mit seinen »Banditen« gemeinsame Ausflüge. Wallach bekommt das so gut hin, dass er eine blendende Studie eines mexikanischen Banditenführes abliefert, was den mexikanischen Starschauspieler Ricardo Montalban zu folgendem Statement veranlasst: »Ich bin Mexikaner, aber falls ich einen mexikanischen Banditen zu spielen hätte, glaube ich nicht, dass ich das so gut könnte wie Eli Wallach.«

Das Umschreiben von Szenen bedeutet immer wieder Pausen. Robert Vaughn erinnert sich später daran, dass er von den fünf Drehwochen nur an drei Tagen gefilmt habe. Den Rest habe er hauptsächlich mit Pokerspiel verbracht. Horst Buchholz hat bei seiner Ankunft in Mexiko noch nie einen der landestypischen Corrals (zu Deutsch: »Gehege«) gesehen. Für ihn stellt das mexikanische Ambiente eine völlig neue Welt dar. Die Mexikanerin Rosenda Monteros spielt Chicos Braut Petra und erinnert sich im persönlichen Gespräch mit dem Autor wie folgt an ihren deutschen Filmpartner und die Produktion:

»… DIE GLORREICHEN SIEBEN war ein großer Film, und wir waren dafür mehr als zwei Monate in Tepoztlán. Deshalb erinnere ich mich sehr gut an diesen Klassiker. Ich glaube, ich war die einzige Frau mit einer Hauptrolle in dem Film, ich spielte Horsts Freundin. Horst war jung und schön. Er war frisch verheiratet und war mit seiner Frau am Set…  Er war sehr freundlich zu mir. Aber wir verbrachten neben den Aufnahmen nicht viel Zeit zusammen. Er verbrachte verständlicherweise die meiste freie Zeit mit seiner jungen Frau. Manchmal aßen wir zu Mittag mit der ganzen Crew, dann sprach man mal einige Zeit zusammen. Horst hatte diesen strengen deutschen Akzent. Er war sehr diszipliniert, korrekt. Immer pünktlich, konnte seinen Text sehr gut. Aber das kann man zu all den Schauspielern bei diesem Film sagen. Das waren große Stars!...

Den meisten Kontakt hatte ich zu Yul Brynner. Wir hatten damals eine Affäre miteinander. Es war eine schöne Zeit bei den Dreharbeiten. Vielleicht erinnere ich mich auch deshalb so gut daran! Nach unserer gemeinsamen Zeit blieben wir sehr enge Freunde…

[Rosenda zählt die Namen der sieben Hauptdarsteller auf] Alle waren nette Kollegen. Horst habe ich nie mehr wieder getroffen. Jahre später sah ich ihn in DAS LEBEN IST SCHÖN (1997) als deutschen Offizier. Er sah immer noch gut aus, war immer noch schlank geblieben. Er war eigentlich noch viel zu jung, als er starb… Ich wusste nicht, dass es Fortsetzungen der GLORREICHEN SIEBEN gab. Einen zweiten Film hätte ich gerne gemacht.«

Als besondere Note und perfekte Untermalung erweist sich beim fertigen Film die Musik Elmer Bernsteins. Die Oscar-nominierte Musik mit ihrem rhythmischen Hauptthema verleiht dem Geschehen eine Menge Energie und avanciert zu einer der erfolgreichsten Musiken der Filmgeschichte.

DIE GLORREICHEN SIEBEN erwirbt sich 1960 ordentliche Kritiken. Den Status eines der »besten Western aller Zeiten« bekommt er allerdings erst über die Jahre von den Kritikern verliehen.

Drei »offizielle« Fortsetzungen werden 1966, 1969 und 1972 gedreht. In der ersten Fortsetzung, DIE RÜCKKEHR DER GLORREICHEN SIEBEN, ist mit Yul Brynner immerhin einer der Original-Revolvermänner mit von der Partie. Insgesamt handelt es sich bei den Filmen aber nur noch um action-lastige Varianten der Grundgeschichte. Die beiden ersten werden darüber hinaus in Spanien gefilmt, die dritte Fortsetzung in Kalifornien. Für Rosenda Monteros ergibt sich keine Mitwirkung mehr.

Auswahl an zeitgenössischen Kritiken

»… ein blasses, protziges und überlanges Spiegelbild eines japanischen Originals…«.

(The New York Times, 24. November 1960)

»Hei nun! HIGH NOON ist es nicht geworden. Mehr und weniger. Weniger und mehr. Horstens Stunde schlug noch nicht Zwölf. Und auch FANFAN DER HUSAR reitet in unangefochtenem Triumph weiter. Aber Yul Brynner und Horst Buchholz sind dicht auf Gary Coopers und Gérard Philipes Spuren. Sie sind erfolgreiche Verfolger ihres Ruhmes. In der großen Kameradschaft der so ganz verschiedenen Cowboys haben viele Flinten Platz. Mexikanische Berge, mexikanische Kulissen, mexikanische Pferde und mexikanische Squaws leuchten in Eastmancolor. Das Kolorit ist da. An Gesinnung über der Kimme fehlt es nicht. Nur Elmer Bernsteins Musik, so gute und dezente Anläufe sie macht, bringt keine Kontur. Hei nun! Geritten wird gut… John Sturges hat sich Schauplatz, mexikanisches Milieu und Darsteller so erfahren ausgewählt, dass dieser Topstar-Western in seinem Genre nicht nur medaillenreif ist, sondern auch Filmfreunde aus benachbarten Regionen anlocken dürfte. Sei es nur aus Neugierde, was Horst im Sattel macht. Er macht sich. Und Yul ist ihm an sympathischer Großartigkeit einige Wildtöterjahre voraus.«

(Rheinische Post, Düsseldorf, 25. Februar 1961)

»Horst Buchholz hat für seinen ersten Western keinen schlechten Regisseur, keine schlechten Partner und keinen schlechten Stoff erwischt. Ein bisschen Glück muss man ja auch haben, wenn man schon tüchtig ist… Die übliche Geschichte also? Nicht ganz. Sturges stattet seine Schießknaben (vor allem Yul Brynner) zunächst mit zynischer Tapferkeit aus, spielt ihre Lässigkeit im Posieren vor der Todesgefahr bis zur Parodie hoch, um sie am Ende um so wirkungsvoller enttäuscht und etwas neidisch zu zeigen, weil sie weiterziehen müssen (sofern sie überlebt haben) und nicht auch ein Äckerchen haben, auf dem sie Weizen bauen, und eine liebende Frau, mit der sie eine Familie gründen können. Aber so hinreißend der erste Teil ist, der zweite gerät zuweilen weinerlich und hätte zurückhaltender sein sollen. Nun ja, zu spät. Aber was hier vorliegt, ist trotzdem ein Western, den man allen Freunden solcher Filme ruhigen Gewissens empfehlen kann. Er ist streckenweise erstklassig gemacht, hat farbenfreudige Bilder und vor allem herrliche Typen bereit, behält sogar noch Raum für wertvollere psychologische Unterscheidungen und macht ganz schlicht Freude. Und ich gestehe gern: Ich liebe Filme dieser Art, mit einer klaren und naiven und doch nicht flachen Handlung, ihren Märchencharakter und ihren gleichnishaften Aufbau, die großen Gesten und die mageren Worte, die hier ihren notwendigen Platz haben. Und wenn ein Film, abgesehen von der vorauszusetzenden Sicherheit, dass Gut gewinnt und Böse verliert, noch eine Moral vermittelt, so kann er dem künstlerischen Anspruch näher kommen als viele andere mit ungleich größerem Aufwand des Inhalts. Die Moral aber ist gerade das Schwierige – wie auch an diesem Film trotz allen Lobs nicht ganz zu übersehen ist.«

(Dieter Thoma in: Kölner Stadt-Anzeiger, 25. Februar 1961)

»… Dieser durchaus über dem Durchschnitt stehende Western mit mexikanischem Hintergrund ist blendend inszeniert und fotografiert. Selbst seine Längen sind noch liebenswert, aber er würde durch rigorose Schnitte erstens noch in der Wirkung gewinnen und zweitens den Theaterbesitzern nicht mehr so viel Kopfschmerzen in der Programmgestaltung machen. Horst Buchholz steht die Cowboytracht famos, er zieht den Colt so souverän wie Alan Ladd und benimmt sich in der respektablen Gesellschaft von Yul Brynner und Steve McQueen so locker und unbefangen, als wäre dies stets sein Milieu gewesen. Auch seine kleine Romanze mit der hübschen Petra (Rosenda Monteros) weiß er durchaus charmant zu gestalten. Bemerkenswert ist auch die dynamische musikalische Unterhaltung von Elmer Bernstein. – Freunde des gepflegten Western werden ihre Freude an diesen GLORREICHEN SIEBEN haben.«

(Bert Markus in: Film-Echo, 25. März 1961)

»Ein Western mit allem was dazu gehört: Wunderschöner Landschaft, gelassenem Heldentum, geladener Spannung, treffsicheren Schützen, aber auch mit Großmut, ein bisschen Liebe, mit den guten und dem bösen Westmännern. Wenn ich beifüge: Alles in herrlichen Farben, so möchte man meinen, zur Tagesordnung übergehen zu können. Aber das darf man nicht: denn der Streifen gibt mehr. Neben dem Hauch Unwahrscheinlichkeit und Bubenromantik enthält er eine tiefe Wahrheit: Der Farmer, ausgebeutet und zitternd vor dem fremden Westmann, der ihn heimsucht und der ihm – dem Wetter gleich – Gutes und Schlimmes bringt, dieser bäuerische Siedler mit seiner dem Schicksal gegenüber ergebenen Haltung ist aller äußeren Handlung zum Trotz das tragende Element des Films. Die Kämpfe der beiden Banden um das Dorf kennen keine Sieger, sie kennen nur Überlebende. Besiegt erscheinen auch diese: Sie haben nicht die Kraft und nicht den Mut, ihr heldenhaftes, aber letztlich zielloses Leben aufzugeben, um in der Stille des abgelegenen Dorfes mit Spaten und Hacke an- und aufzubauen. So enthält denn dieses Werk, in welchem Yul Brynner die tragende Rolle spielt und das formal abgerundet erscheint, trotz seines in Technik und Aufmachung traditionellen Wildwestgepräges eine zutiefst menschliche Symbolik. Solche Unterhaltung lassen wir uns gerne gefallen.«

(Der Bund, Bern, 29. Mai 1964)

Die Rückkehr zu den Glorreichen Sieben

Die fantastische, realistische Landschaftsszenerie, durch die die glorreichen Sieben reiten, ist ein prägendes Merkmal des Filmes. Im Dezember 2017, mehr als 57 Jahre nach den Dreharbeiten, macht sich der Autor dieser Zeilen auf den Weg zum Hauptdrehort Tepoztlán. Im Vorfeld gibt es nochmal ein kleines Gespräch mit Rosenda Monteros über ihre Drehorterinnerungen:

»Das mexikanische Dorf war damals in Sichtweite von Tepoztlán aufgebaut. Im weiteren Umfeld der Kulisse stand aber nichts. Ein Teil der Crew, wie auch ich, waren in der Casa Bugambilia einquartiert. Dann erinnere ich mich noch an ein Hotel Canarios, das allerdings im rund 15 Kilometer entfernten, aber touristischbesser ausgestatteten Cuernavaca lag. Wie es in Tepoztlán heute aussieht, weiß ich allerdings nicht – seit den Zeiten der Dreharbeiten bin ich dahin nicht mehr gekommen!«

Abb. 6 und 7: Die markante Dorf-Szenerie aus verschiedenen Standpunkten heute (2017).

Abb. 8 und 9: Die markante Dorf-Kulisse im Film.

Mit der regulären Fernbuslinie geht es, vorbei an Cuernavaca, der »Stadt des Frühlings«, nach Tepoztlán. In einem von charakteristischen Bergen eingeschlossenen Talkessel liegt das Zentrum Tepoztláns, das heute fast 15.000 Einwohner zählt. Nahe an einer der Bergketten liegt die Casa Bugambilia, heutzutage ein sogenanntes Boutique-Hotel. Klein, individuell und luxuriös. Eine traumhafte Unterkunft mit prächtigen Suites (und Wifi), großem Garten, Terrasse und exotischen Pflanzen und Bäumen. Ein Ort zum Wohlfühlen, was sicherlich auch schon damals für die Gäste aus Hollywood galt. Die mexikanische Küche ist exzellent, die Getränkekarte gut sortiert. Ein Glorreicher-Sieben-Drink ist allerdings nicht zu finden (vielleicht wäre das einen Hinweis an die Geschäftsleitung wert). Mit Hilfe von Filmfotos, die die markante Linienform der Berge im Hintergrund des mexikanischen Dorfes zeigen, lässt sich das Arreal heute noch identifizieren. Es liegt tatsächlich nicht weit von der Casa Bugambilia entfernt. Tepoztlán ist seit der Filmerei allerdings mächtig gewachsen. Auf dem Gelände, wo einst Yul Brynner, Steve McQueen und Horst Buchholz kämpften, stehen längst Villen, und der freie Zugang ist nicht mehr möglich. Bei einer Taxi-Tour über meist schlechte Straßen gibt es hier und da noch einen Glorreichen-Sieben-Blick mit den Bergen im Hintergrund zu erhaschen. Die Originalstätte bleibt für den Westernfreund allerdings nur noch ein träumerischer Gedanke. Wie sagte Yul Brynners Chris bereits so schön am Ende des Filmklassikers: »Wir verlieren immer. Die Siedler sind die Gewinner.« Der Teil eines Schulgeländes mit seinem Sportplatz grenzt an das Terrain, das einst Westerngeschichte schrieb. In einer der vielen, authentischen Bars von Tepoztlán lässt sich »der Schrecken« des Verlusts der Western-Location wegspülen. Immerhin dort kann man sich nochmal fühlen, wie einst Chris, Vin, Bernardo O’Reilly, Chico, Lee, Harry Luck und Britt, wie die glorreichen Sieben.

Abb. 10: Unweit des Sets - Villa Bugambilia (2017). Im Hintergrund erkennt man die markante Dorf-Bergformation.

MAJOR DUNDEE

SIERRA CHARRIBA

USA 1964. Regie: Sam Peckinpah. Drehbuch: Harry Julian Fink, Oscar Saul, Sam Peckinpah. Kamera: Sam Leavitt. Musik: Daniele Amfitheatrof. Schnitt: William A. Lyon, Don Starling, Howard Kunin. Produzent: Jerry Bresler. Produktion: Columbia. Länge: 137 Minuten

Besetzung: Charlton Heston (Maj. Amos Charles Dundee), Richard Harris (Capt. Benjamin Tyreen), Jim Hutton (Lt. Graham), James Coburn (Samuel Potts), Senta Berger (Teresa Santiago), Michael Anderson jr. (Tim Ryan), Mario Adorf (Sgt. Gomez), Brock Peters (Aesop), Warren Oates (O.W. Hadley), Ben Johnson (Sgt. Chillum)

Erstaufführung: 16. März 1965 (USA), 17. April 1965 (Deutschland)

Das Geschehen

Häuptling Sierra Charriba (Michael Pate) hat eine Armeekolonne und Rancher niedergemetzelt. Major Dundee (Charlton Heston), strafversetzter Kavallerie-Offizier der Unions-Armee im US-amerikanischen Bürgerkrieg, rückt mit einer zusammengewürfelten Truppe, die auch aus Südstaaten-Soldaten besteht, aus, um in einem privaten Feldzug den Indianerhäuptling auszuschalten. Die Verfolgung führt kreuz und quer durch Mexiko. Neben den Reibereien innerhalb der Truppe und der ständigen Gefahr von Indianerüberfällen, geraten Major Dundee und seine Leute auch zwischen die Fronten von Mexikanern und Franzosen, die um die Macht im Lande kämpfen. Ein Himmelfahrtskommando, das viele Opfer kostet…

Der mexikanische (Bar-)Faktor

Der Kavalleriewestern spielt hauptsächlich im Freien. Doch auch Sierra Charriba kommt nicht ohne Bar-Szene aus. Als Major Dundee eine schwere Beinverletzung in Durango auskurieren muss, liegt er im Hinterzimmer einer Cantina. Das Zimmer ist erfüllt von Mariachi-Klängen und den Bar-Geräuschen. Eine Mexikanerin läuft durch die mit Leben erfüllte Cantina und bringt dem Major etwas zu Essen und zu Trinken. Die Tortillas will er aber nicht, der Tequila hilft jedoch, die Schmerzen zu ertragen, und mit der Mexikanerin im Arm vergehen die Stunden leichter. Ansonsten bieten die mexikanischen Landschaften wieder die perfekte Szenerie.

Die Geschichte zum Film

Ein Western mit einer schwierigen Produktionsgeschichte. Dem Produzenten Jerry Bresler (DIE WIKINGER, KÖNIG VON HAWAII) und dem Verleih Columbia Pictures schwebt ein Kavallerie- und Indianerwestern ganz im Sinne von John Fords Westernklassikern vor. Der verpflichtete Regisseur Sam Peckinpah, bisher mit gradlinigen Fernsehwestern (WESTLICH SANTA FE) und dem Spätwestern SACRAMENTO (1962, mit Joel McCrea und Randolph Scott) aufgefallen, möchte eine gewaltexzessive Neugestaltung des Genres zeigen. Und Hauptdarsteller Charlton Heston (BEN HUR, WEITES LAND) steht vielmehr der Sinn nach einem tiefergehenden Bürgerkriegs-Western. Folglich hat es »Kino-Greenhorn« Peckinpah schwer mit dem großen Star des Films, der sich über die ganze Produktion häufig unkollegial zeigt. Aber auch Peckinpah stellt sich als schwieriger Zeitgenosse heraus, wie Heston in seiner späteren Autobiografie verrät. Der Mann im Regiestuhl soll sich »mit Schauspielern gestritten und Techniker gefeuert« haben, öfter stark angetrunken am Set erschienen sein oder ihn »benebelt« verlassen haben, so dass Heston bei der Regiearbeit einspringen muss. »Eine Menge Dinge liefen schief; Sam war für die meisten verantwortlich. Er war… ein sehr schwieriger, aber talentierter Mann«, zieht Heston weiter sein Fazit. Im Grund habe Peckinpah in seiner Psyche bereits THE WILD BUNCH gedreht. »Glücklicher Kerl, er durfte den Film einige Jahre später auch noch drehen. Nicht viele Regisseure bekommen zweimal die Gelegenheit den gleichen Film zu drehen«, meint Heston dazu.

SIERRA CHARRIBA (im Original heißt der Film MAJOR DUNDEE) entsteht komplett in Mexiko. Kurz vor Drehbeginn im Februar 1964 streicht die neue Studioleitung von Columbia Pictures jedoch den Drehplan und das Budget zusammen, da ihr das Projekt mit »einem Irren an der Spitze« auszuufern scheint. Peckinpah soll Teile des Skripts streichen, doch der Mann aus dem kalifornischen Fresno dreht den Film einfach so großangelegt, wie er ursprünglich geplant ist. Es kommt wie es kommen muss: Peckinpah überzieht den genehmigten Drehplan um fünfzehn Tage und liegt ausgabenmäßig rund 1,5 Millionen Dollar über dem Budget. 164 Minuten läuft sein Director’s Cut, was Produzent Jerry Bresler endgültig veranlasst, Peckinpah zu feuern (er wollte dies bereits während der Dreharbeiten tun, Charlton Heston konnte ihn davon aber noch abhalten). Mittlerweile hat man bei Columbia Pictures aber auch erkannt, dass der Regisseur Gewaltszenen angehäuft hat, und ist entsprechend verärgert. Bresler lässt schlussendlich dreißig Minuten aus Peckinpahs Director’s Cut herausschneiden und beauftragt außerdem Komponist Daniele Amfitheatrof, den Peckinpah nicht ausstehen kann, mit der Filmmusik. Das Preview der neuen Fassung läuft trotzdem schlecht, also lässt der Produzent weitere 12 Filmminuten entfernen. Mit einer Länge von 123 Minuten kommt SIERRA CHARRIBA schlussendlich in die Kinos. Filmrestauratoren gelingt es 2005, einige Bruchstücke zu finden und den Film wieder auf eine Länge von 137 Minuten zu ergänzen. Die Rekonstruktion der Originalfassung scheint unerreichbar zu bleiben. Für Sam Peckinpah ist das Ganze »die schmerzvollste Sache, die mir jemals im Leben passierte… Sie schnitten heraus, um was es ging.«

Das erhalten gebliebene Material liefert trotz aller Probleme eine Menge spektakulärer Bilder aus Mexiko. An insgesamt 20 Orten surren die Kameras. Neben den Innenaufnahmen in den bekannten Churubusco Studios von Mexico-City dreht man beispielsweise in der Sierra Madre del Sur, am Yaqui River in Sonora, in Cuautla (Bundesstaat Morelos), am Rio Balsas in Bundesstaat Guerrero (den spektakulären Schlusskampf), in der Umgebung von Durango, hier etwa an den romantischen Wasserfällen El Saltito (wo Charlton Heston und die Wienerin Senta Berger ein Nacktbad nehmen).

Zeitgenössische Berichte von den Dreharbeiten lassen die tatsächlichen Schwierigkeiten nicht erahnen. Es sind die typischen Szenerie-Besuche, wie etwa folgende Pressemeldung:

»Nebel wallten vom Rio Chico nach Durango hinauf. Es war früh morgens und kalt. Die mehr als 200 Komparsen und Schauspieler froren. Produzent Jerry Bresler stocherte mit seinem Stiefelabsatz in der Asche eines ausgegangenen Lagerfeuers herum und sagte zu Regisseur Sam Peckinpah: ›Du solltest jetzt nervös sein, Peck!‹ ›Ich bin’s,‹ sagte Peckinpah, ›bei Gott, ich bin’s!‹ Ein paar Leute vom Stab warfen Trockeneis in den schmutzigen Fluss. Ein altes Hollywood-Rezept, um natürlichen Nebel zu erzeugen oder noch zu verstärken. ›Los!‹ rief Peckinpah, ›probieren wir’s!‹ Der Regisseur zog sich sein Jackett enger um den Hals und stellte sich hinter die Michell-Kamera auf dem Kran. Ein Trupp von 90 Kavalleristen der US-Armee von 1864 ritt durch das knietiefe Wasser des Flusses. An ihrer Spitze Major Dundee (Charlton Heston) und Sergeant Gomez (Mario Adorf). So begann der 20-Millionen-Mark-Film SIERRA CHARRIBA.«

Produzent Bresler wird in einer anderen Meldung zitiert:

»SIERRA CHARRIBA ist ein großer Film, schon in seinen Ausmaßen. Aber wir haben mittlerweile gelernt, dass bei Filmen nicht allein die äußeren Dimensionen entscheidend sind, wenn die Story nicht stark genug ist. Ich glaube sagen zu dürfen, dass wir eine wirklich gute Story haben, und das SIERRA CHARRIBA deshalb auch von der Qualität her ein großer Film ist.«

In einem entsprechenden Verhältnis zur Aufwendigkeit des Films stehen auch die Entbehrungen, die das Filmteam auf sich nehmen muss. Der Deutsche (!) Mario Adorf, er spielt den mexikanischen Sergeant Gomez (!!!), kommt auch zu Wort: »Trotz der guten Verpflegung und der glänzenden Organisation war es tageweise wie im Krieg: Dreck, Staub, Hitze, Kälte, Anstrengungen.« Die hübsche Österreicherin Senta Berger bekommt ebenfalls gleich den richtigen ersten Eindruck, als sie zu den Dreharbeiten nach Mexiko kommt. Sie schreitet durch das Filmlager, vorbei an hunderten von Pferden und Gerätestapeln, bis sie zu einem wild um sich schlagenden Pferd kommt, das ein noch wilder fluchender Mann zu beruhigen sucht. »Eh, du verdammte, dreckige…!,« brüllt er, dreht sich um, blickt erschrocken in die blauen Augen Senta Bergas und murmelt: »Tschuldigen Sie, Madam.«

Außer den vielen Pferden sind mehr als 60 Kraftfahrzeuge aller Größenordnungen in Aktion. Mit zwölf Flugzeugen wurden Stab, Teile der Komparsen-Armee und die Schauspieler von Los Angeles nach Mexiko geflogen. Die Dreharbeiten dauern sechs Monate und sind für alle Beteiligten wahrlich kein Honiglecken. Die Angehörigen des Filmteams gewöhnen sich auch sehr schnell an, allmorgendlich Schuhe und Stiefel auszuleeren und abends die Betten äußerst genau zu inspizieren. Grund: Skorpione. Erzählt Charlton Heston den Journalisten: »In dieser Gegend kampierte einmal eine Einheit der mexikanischen Armee. Am nächsten Morgen waren alle Männer tot. Hatten sich in ein riesiges Skorpion-Nest gelegt. Deshalb untersuchen wir immer alles sehr genau. Der tödlichste von allen mexikanischen Skorpionen stinkt zudem auch noch entsetzlich. Ein Stinktier ist dagegen Chanel No. 5.« Ungeachtet der rauhen Landesgegebenheiten tröstet man sich beim mexikanischen Nationalgetränk Tequila und bei Mariachi-Musik. Der Schauspieler, Komponist und Dialog-Regisseur Forrest Wood findet sogar noch Muße und Muse genug, um während der Dreharbeiten das Titellied des Films Laura Lee zu komponieren. Wood hofft, dass sein Lied zusammen mit dem Film so berühmt werde wie DIE BRÜCKE AM KWAI und deren Pfeifmarsch.

Charlton Heston, der sich in seiner Autobiografie als liebevoller Familienvater während der Drehzeit darstellt, hat vor Ort in Mexiko keine Hemmungen und versucht sich an Senta Berger heranzumachen. »Er hat sich selbstverständlich für unwiderstehlich gehalten«, meint die Österreicherin in ihrer eigenen Autobiografie. Am Set in Mexiko beginnt auch die Liebesgeschichte des Regisseurs mit der mexikanischen Schauspielerin und Flamenco-Tänzerin Begoña Palacios, die über die Jahre insgesamt dreimal heiraten (»Zweimal im Standesamt, einmal in einer Kirche«, wie Peckinpah später immer wieder gerne erzählt). Für Filmleute aus Hollywood scheint es (siehe zuvor bei Yul Brynner mit Rosenda Monteros) immer auch nette Bekanntschaften mit einheimischen Frauen gegeben zu haben.

Auswahl an zeitgenössischen Kritiken

»… Peckinpah konzentriert sich viel mehr auf die pompöse Darbietung all jener Wildwest- und Armee-Klischees, die zu widerlegen er scheinbar einst ausgezogen war. Dass Sierra Charriba, der schmutzige Feind, schließlich zur Strecke gebracht wird, ist mehr als ein äußerlicher Tribut an die Form der großen Wildwest-Oper. Die Ironie des Schicksals will jedoch, dass Peckinpah sich auf diese Form keineswegs so gut versteht wie die alten Meister, und zu seinen Sünden zählt vor allem die größte aller möglichen: Sein Film ist nicht spannend. Neben allen nebensächlichen Zitaten aus SACRAMENTO, an denen sich das Cinéastenherz berauschen kann, zitiert sich Peckinpah vor allem mit der einschlägigen Legende von den zerstrittenen Freunden, die, wenn es gegen einen Dritten geht (die verteufelten Indianer), wie ein Mann zusammenstehen. Er gewährt dem Südstaatenoffizier sogar die höhere Einsicht, indem er ihn mit dem Sternenbanner in der Hand, mutig gegen eine französische Übermacht reitend, den gesamtamerikanischen Heldentod sterben lässt. Bei jenem Gefecht unterlief Peckinpah freilich ein ebenso lachhafter wie aufschlussreicher Regiefehler. Für den konventionellen Filmschöpfer gehörte es sich, die beiden feindlichen Mannschaften an den gegenüberliegenden Ufern des Grenzflusses aufzustellen. Das garantierte malerische Einstellungen voller Symbolik und kriegerischer Schönheit. Aus der ganzen Handlung geht jedoch hervor, dass die Franzosen und die Truppe des Major Dundee nur an derselben Seite des Rio Grande hätten zusammenprallen können, nämlich der mexikanischen. Ans jenseitige Ufer wollen die Amerikaner doch so sehnsüchtig zurück, nachdem sie ihren selbstgestellten Auftrag erfüllt haben. Nach dem letzten Gefecht ziehen sie dann auch über den Fluss und in die Wälder Neu-Mexikos. Mit ihnen ist nun auch das in der Versenkung verschwunden, was an Sam Peckinpah Legende war.«

(Manfred Delling in: Die Welt, 17. April 1965)

»Sam Peckinpah… hat ein neues Schießeisenepos auf die farbige Cinemascopewand gebracht. Der Regisseur, den man flugs als ›neuen John Ford‹ etikettierte und dessen Verehrung bei Frankreichs Filmnarren geradezu kultische Formen annahm, spielt hoch. Dennoch wird man seines zweifellos ehrgeizigen Films nicht recht froh. Liegt es daran, dass die Produktion den Großwestern verstümmelte? ›SIERRA CHARRIBA ist nicht mehr mein Film.‹ Peckinpah distanzierte sich mit diesen Worten von der vorliegenden Fassung… Wer nun dem Film das Rückgrat brach, ob Produzentenwillkür oder Regieschwäche, das ist im Augenblick nicht auszumachen…

Jedoch, was mit sehr sicherem Regiegriff straff begann, erlahmt alsbald. Der Sturzbach an Aktion versiegt, und Spannung bezieht der Edelwestern nur noch in kleiner Münze: Scharmützel hier, Geplänkel da, Rangeleien mit den Franzosen, die in Mexiko die Oberhand haben, und schließlich muss eine bunt ausgemalte mexikanische Fiesta für Abwechslung sorgen. Die Verführung durch vordergründige Folklore und Schaueffekte ist freilich schlimm. Und die Liebesgeschichte mit der knusprigen Witwe (Senta Berger), der Major Dundee beim Bad im Fluss ›menschlich näher‹ kommt, ist auch nur ein Um- und Irrweg der Regie. Es ist schwer vorstellbar, dass man hier dem Produzenten die ganze Schuld aufmutzt. Als dann endlich dem Apachen der Garaus gemacht wird, geht alles so schnell, dass man sich verwundert fragt: Steht denn der Anlass noch in einem vernünftigen Verhältnis zum inszenatorischen Aufwand? Es ist ebenso schwer vorstellbar, dass man hierfür allein den Regisseur haftbar macht. Der Rest ist ein blutrünstiges Gemetzel mit einer französischen Schwadron…

Die Geburt einer Nation – darauf wollte Peckinpah hinaus. Die Narben aus dem Bruderkrieg verheilten nur sehr langsam, Ressentiments der unterlegenen Südstaatler schwelen wohl heute noch unter der Oberfläche, und das Rassenproblem ist immer noch nicht gemeistert. Peckinpah streicht fleißig Salbe auf jene Wunden. Seine Chronik aus einem bösen Krieg wird zur pathetisch geschwellten nationalen Selbstbestätigung. Bewährung auf Breitwand unter heldisch weiten Himmeln. Dennoch hat die Mischung aus Western und Historiengemälde ihre Meriten. Viele Passagen sind packend, und die Besetzung ist beachtlich: Charlton Heston, abgehalfterter Ben Hur, ist der leibhaftige Kriegsgott Mars, Heroenstandbild, bis Amors Pfeil ihn trifft; Richard Harris kultiviert den Charme des Herrn aus dem Süden, und Mario Adorf, diesmal weder Clown noch Bösewicht, steckt als Sergeant Gomez in prachtvoller Maskierung – mexikanischer geht’s nicht. Ein amerikanischer Kritiker soll, laut Verleih, verzückt geschwärmt haben: ›Die Leute sterben vor Begeisterung in ihren Kinostühlen.‹ Nun, ich bin am Leben geblieben. Der Film ist trotzdem ansehenswert.«

(Günther Engels in: Kölnische Rundschau, 17. April 1965)

»Sierra Charriba ist ein Häuptling der Apachen, also jenes Indianerstammes, dem Karl May Weisheit, Würde und Winnetou angedichtet hatte. Dieser Häuptling jedoch ist ein brutaler Bandit, ein heimtückischer Massenmörder. Nur zweimal, ganz kurz, zeigt ihn die Kamera: als triumphierenden Killer und als schäbige Leiche. Der Film konzentriert sich fast ausschließlich auf seine Verfolger… Idyllische Entspannungsmomente sind dabei nicht ausgeschlossen. So treffen die rauhen Reiter im einsamen Mexiko auf ein weibliches Wesen aus Österreich, auf Senta Berger – ihr von den Apachen gemeuchelter Mann hatte einst, wie das Drehbuch erklärt, in Wien studiert. Der US-Major und sie kommen sich, nunmehr laut Programm, ›menschlich näher‹ – anschließend baden sie gemeinsam auf schwedisch, von den tückischen Indianern belauert. Doch damit noch lange nicht genug der garantiert publikumsgefälligen Attraktionen... Zusätzlich scheinen sich in diesem Film neue politische Konstellationen breit zu tun; nachdem es gelingt, die kriminellen Apachen auszurotten, tauchen französische Truppen auf – sie ›befreien‹ gerade Mexiko. Einige hundert davon werden von drei Dutzend nunmehr freudig vereinter Nord- und Südstaatenamerikaner in die Flucht geschlagen. Mario Adorf, als bärbeißiger Sergeant, ist überzeugend einsatzfreudig mit von dieser privaten vernichtenden Kriegspartie.«

(Münchner Merkur, 1. Juli 1965)

»Sam Peckinpahs Spielfilm SIERRA CHARRIBA gehört zu der traurigen Reihe zerstörter Meisterwerke. Wäre es nur nach dem Willen des Regisseurs gegangen, SIERRA CHARRIBA wäre um eine volle Stunde länger geworden. Der Produzent in Hollywood wollte es freilich anders. Er ließ aus dem Film sieben, zum Teil unverzichtbare Passagen herausschneiden. Etwa eine längere Exposition, die einige der Nebenfiguren – so etwa den Erzähler – genauer konturiert hätte. So bleibt der Erzähler, der doch immerhin den Film strukturiert und ihm die elegische Stimmung vermittelt, merkwürdig blass. Ausgespart wurde auch das Massaker der Apachen, so dass der Privatkrieg des Major Dundee übermäßig zwang- und krankhafte Züge erhält, weil man die Motive für seinen Rachefeldzug – ohne die sinnliche Anschauung des Massakers – nicht nachvollziehen kann. Der Ungereimtheiten sind noch mehr. Den Apachenkundschafter Riago hätte man in der ursprünglichen Version von seinen Stammeskollegen aufgehängt an einem Baume gesehen. Ein wichtiges Detail, weil es die für Dundee typische Frage, ob einem Indianer überhaupt zu trauen ist, beantwortet hätte. Angesichts solch rüder Eingriffe blieb natürlich nur ein Torso übrig. Doch merkwürdig genug: selbst dieser demolierte Film hat noch seinen Reiz, lässt noch die ungewöhnliche Begabung des Western-Regisseurs Peckinpah erahnen. Hier wie in anderen Filmen… rückt Peckinpah den Typus des Verlierers ins Zentrum…

Peckinpah hat mit SIERRA CHARRIBA einen Film gedreht, der sich im Dekor, in der Landschaft, in der Musik ganz in die Tradition des klassischen Westerns einfügt. Zugleich aber auch einen Western, der die starren Regeln des Genres bricht. Das schlichte Gut-Böse-Schema wird aufgelöst. Das historische Recht der Indianer angedeutet, und deren Brutalität erscheint nicht rassisch bedingt, sondern eine Möglichkeit in uns allen. Der moralische Rigorismus der Figuren, im Western üblicherweise Hauptkennzeichen der Helden, wird in Peckinpahs Film zum Anlass für Tod, Zerstörung und Leid. Wo das Verhältnis von Mittel und Zweck so verzerrt sich darstellt, kann es ein glückliches Ende nicht geben. Die Chronik der Gewalt kann mit der Rückkehr des Major Dundee in die Vereinigten Staaten nicht abbrechen. Ein Film ohne die infantilen Eigenheiten der Gattung. Ein Western für Erwachsene, wenn man so will.«

(Michael Schwarze in: FAZ, Frankfurt, 2. Juni 1978)

Männer in den mexikanischen Bars: Mario Adorf (*1930)

Kommen wir nun etwas ausführlicher zu Mario Adorf, dem deutschen Filmschauspieler, der die Dreharbeiten in Mexiko, auch die mexikanischen Bars, bis heute in bester Erinnerung hat.

Der in Zürich geborene und in der Eifel aufgewachsene Deutsche Mario Adorf erhält seine Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Wie er damals Journalisten berichtet, zu seinem größten Erstaunen. »Wie man ihm später erklärte, hauptsächlich wegen seiner Urwüchsigkeit und der Kraft seiner Stimme, die gewichtig in die Ohren des Prüfungskollegiums gedröhnt hatte«, heißt es da. Adorfs erste Filmrolle ist ein einfacher Soldat in dem deutschen Kriegsfilm 08/15 (1954) an der Seite von Joachim Fuchsberger. Sein großer Durchbruch gelingt mit der Darstellung des psychopathischen Frauenmörders Bruno Lüdke in Robert Siodmaks NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM (1957). »Auf Mörder lasse ich mich natürlich nicht festlegen«, erzählt der Schauspieler in einem Interview 1957, »ich will deshalb in Zukunft mindestens ebenso viel ernste wie heitere Rollen übernehmen.« Adorf irrt, denn die Mörderrolle, die ihm den Bundesfilmpreis für den besten Nachwuchsdarsteller 1958 einbringt, wird ihn jahrelang auf Schurkenparts festlegen. Adorf, den »Jüngling mit dem Goldenen Band«, beschreibt ein zeitgenössischer Bericht (Tagesspiegel, 6. Juli 1958): »Er ist ein Bursche mit flacher Stirn, einem Gebiss wie ein Pferd, einem Seemannsbart und einem herzhaften Gelächter im Hals, das ansteckend wirkt. Und dabei und dazu ein klein wenig schüchtern und dann doch überaus natürlich.« Na, wenn das kein Steckbrief für einen (Ganoven-)Darsteller ist. Die Bösewichter, die Mario Adorf so beeindruckend auf der Leinwand darstellt, sind es, die beim Publikum in Erinnerung bleiben.

Eine erste Berührung mit Mexiko gibt es in dem französisch-italienisch-deutschen Revolutionsdrama HAUT FÜR HAUT (1961), das in Jugoslawien entsteht, teilweise in jenen Steinwüsten unweit von Dubrovnik und Montenegro, wo bald darauf Karl Mays Abenteuer filmisch umgesetzt werden. Das Revolutionsepos mit Robert Hossein, Adorf, Hans H. Neubert und Giovanna Ralli ist allerdings ein redseliges Stück, wo die drei Revolutionäre (in weißer Tracht mit Sombrero und einem umgehängten Patronengürtel) und die gefangene Geisel hauptsächlich durch das Land marschieren. Eine kurze Eisenbahnsequenz und ein brennendes Maisfeld sind noch die aufregendsten Szenen. Mario Adorf macht sich indes schon einmal sehr gut als »waschechter Mexikaner«. Das ins Ohr gehende Filmlied Podereso señor von Severino Alvárez ist ein weiterer, seltener Pluspunkt des insgesamt viel zu langatmigen Films.

Eine ganze Generation Filmzuschauer prägt dafür Mario Adorfs Karl-May-Bandit Santer in WINNETOU I (1963). Dabei zeigt Adorf von Anfang an auch anderes. Eine besonders beeindruckende Leistung etwa ist sein polnischer Kohlenschlepper, den er mit hintergründigem Humor darstellt, in der Traven-Verfilmung DAS TOTENSCHIFF (1959). Oder auf der Bühne der Münchner Kammerspiele in der Inszenierung von Die 12 Geschworenen, wo Adorf in dem sonst so ernsten Stück mit seiner Rolle der Nr. 7 jedes Mal einen großen Lacherfolg hat.

1963 ist in Deutschland mit dem Erfolg der Winnetou-Filme eine Westernwelle gestartet. Nach WINNETOU I folgt für Adorf DER LETZTE RITT NACH SANTA CRUZ, eine österreichische Westernproduktion mit Außenaufnahmen auf den spanischen Kanarischen Inseln. Mario Adorf kommt in diesen Filmen so gut herüber, dass auch für Hollywood interessant ist. John Sturges, der Regisseur der GLORREICHEN SIEBEN, möchte mit ihm filmen. Und dann ist da auch wieder Paul Kohner, der berühmte Hollywood-Agent. Der fädelt tatsächlich Mario Adorfs Verpflichtung bei dem Peckinpah-Film SIERRA CHARRIBA ein. »Ich brauche dringend einen jungen Pedro Armendáriz«, habe dazu der Regisseur gesagt. »Armendáriz fehlt uns überall. Ich habe in ganz Mexiko keinen Nachfolger für ihn gefunden. Sie sind der erste, der ihn ersetzen könnte. Aber – Sie müssen -…«. Und nun folgen die Bedingungen: Mario Adorf muss ein Jahr lang zur Verfügung stehen, Englisch mit spanischem Akzent sprechen und wie ein Cowboy reiten.

Die erste Bedingung macht keine Schwierigkeiten. Die zweite verspricht Mario zu erfüllen. Den Reiternachweis kann er auf die Schnelle nicht erbringen, da er Hals über Kopf nach Las Palmas fliegen muss, wo DER LETZTE RITT NACH SANTA CRUZ auf ihn wartet. Gegenüber Kohner betont Adorf in einem Brief vom 30. November 1963, dass ihm die vorliegenden Reitsequenzen aus WINNETOU I nicht passen. Er will dafür mit einem Wochenschau-Team der Constantin-Film auf Gran Canaria »einige attraktive Reitpassagen drehen«, die dann über Deutschland auf dem schnellsten Wege nach Hollywood gehen sollen. Weiter heißt es: »Wenn Sie es also für gut und möglich halten, den WINNETOU-Streifen nicht den Herren Bresler und Peckinpah vorzuführen, sondern auf besagte zweite Sendung warten wollen und können, so würde ich allen Dampf dahintersetzen, dass Sie möglichst bald das Material in Händen haben, denn es wäre doch schade, wenn das Projekt für uns durch die Reit-Frage gefährdet würde...« Das zur Verfügung gestellte Material sagt in Hollywood zu: Vertrag perfekt. Hollywood möchte in der Zeit, dass Mario Adorf »seine Zelte in Europa abbricht und ganz in die Filmmetropole kommt« (Zitat des Agenten Paul Kohner).

Doch obwohl Mario Adorf in SIERRA CHARRIBA einen prima Job macht, erkennt er rasch, wo er künstlerisch am besten aufgehoben ist. Adorfs geheimer Wunsch, den legendären mexikanischen Revolutionär Pancho Villa spielen zu können, den einst Pedro Armendáriz so authentisch auf die mexikanische Leinwand brachte, zerschlägt sich leider. Ein neuer Film über den legendären Rebellen entsteht zwar bald in Spanien und Adorf soll dabei sein, allerdings nicht als Pancho Villa, denn diese Rolle ist Yul Brynner zugedacht. Adorf sagt ab. »Wenn schon, dann den Villa«, sagt er. »Ich weiß natürlich, dass Brynner den größeren Namen hat. Aber ich kann warten«. Leider ergibt sich nicht mehr die Möglichkeit.

Mario Adorf lässt sich von da an nicht mehr in ein Genre und ein Rollenfach pressen. Er spielt natürlich weiter Gauner, etwa den Bruno »Dandy« Stiegler in der Kriminalkomödie DIE HERREN MIT DER WEIßEN WESTE (1970), ist aber auch im Thriller (ZÄRTLICHE HAIE, 1967,