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Don Camillo und Peppone – vor 60 Jahren, in Europa herrschte 'Kalter Krieg' zwischen den Blöcken Ost und West, eroberten die literarischen Figuren aus der Feder des Italieners Giovannino Guareschi die Filmleinwand. Das Aufeinandertreffen des katholischen Priesters und des kommunistischen Bürgermeisters in einem fiktiven Ort in der Po-Ebene in Norditalien sorgte weltweit für Furore. Der ersten Produktion, DON CAMILLO UND PEPPONE (1952), schlossen sich über die Jahre vier weitere Filme an. Bis heute erfreuen sich die Klassiker immer noch großer Beliebtheit. Obwohl in Schwarzweiß gedreht, bleibt das Publikum den Filmen treu. Versuche von Neuverfilmungen gab es, doch sie scheiterten allesamt kläglich. Die geniale Besetzung der Hauptrollen macht den Unterschied aus. Der Franzose Fernandel und der Italiener Gino Cervi gaben Don Camillo und Peppone ihr eigenes, menschliches Profil. Die beiden brillanten Schauspieler sind ein einzigartiges Duo und wurden Filmstars ihrer Zeit. Die Geschichte der klassischen Don-Camillo-Filme wird mit dem vorliegenden Werk erstmals komplett erzählt. Von der Vorgeschichte bis zum letzten, nicht fertig gestellten Film erfährt der Leser alles Wissenswerte zu den Filmen und den beiden Hauptdarstellern. Aufgrund von internationalen Recherchen gibt dieses Buch über die seinerzeit teilweise sehr emotionalen Diskussionen im geteilten Deutschland hinaus Einblicke in das weltweite Interesse an den Erfolgsfilmen. Der Autor wurde dabei von den Kindern Giovannino Guareschis unterstützt. Die 'ideologischen Kämpfer' Don Camillo und Peppone leben weiter. Dieses Buch begibt sich auf ihre Spuren und erzählt ein packendes Stück Filmgeschichte. Angereichert mit Bildteilen, führt es auf eine Reise in die 'kleine Welt von Don Camillo und Peppone'.
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Seitenzahl: 484
Reiner Boller
EINLEITUNG
Über 60 Jahre nach ihrer Entstehung haben die Don-Camillo-Filme mit Fernandel und Gino Cervi noch immer nichts von ihrem Reiz verloren. Sie sind regelmäßig im Fernsehprogramm zu finden und haben mittlerweile auch den Weg auf Blu-Ray-Discs gefunden. Obwohl in Schwarzweiß gefilmt, bleibt das Publikum den Filmen treu. Versuche von Neuverfilmungen gab es, doch sie scheiterten allesamt kläglich.
Was macht also die fünf entstandenen Filme viele Jahre nach ihrer Premiere immer noch so einzigartig? Wie so oft bei zu Klassikern gewordenen Filmen dürfte die geniale Besetzung der Hauptrollen mit dem Franzosen Fernandel und dem Italiener Gino Cervi den Unterschied ausmachen. Beide lassen in nahezu perfekter Darstellung die literarischen Figuren von Giovannino Guareschi lebendig werden. Mehr noch: Beiden Darstellern gelang es, teilweise zum Ärgernis des literarischen Vaters, den beiden Figuren ihr eigenes Profil zu geben und sie menschlicher als in den Büchern werden zu lassen. Natürlich muss auch auf die Klasseleistung des Regisseurs der ersten beiden Filme, den Franzosen Julien Duviver, hingewiesen werden, der die Geschichten so in Szene setzte, dass sie weltweit Anerkennung fanden. Weiterhin kann resümiert werden, dass auch andere Komponenten, wie ergänzende Rollen, die Schauplätze der Geschichte, die Filmmusik, perfekt zueinanderpassen.
Zum Zeitpunkt des ersten Filmes im Jahr 1952, erst wenige Jahre nach Kriegsende, herrschte in Europa ein »Kalter Krieg« zwischen den Blöcken Ost und West. Beide Seiten buhlten um die alleinige Macht. In jedem Land Europas gab es spezielle Eigenarten dieses Konfliktes. Allgemein ging es aber um die politische Doktrin der US-amerikanischen oder sowjetischen Regierung. In Italien, der Heimat von Don Camillo und Peppone, war der Einfluss der römisch-katholischen Kirche, der der Großteil aller Italiener angehört, immens. Die Kirche griff deshalb mit ihrem Einfluss in den Streit mit dem Marxismus-Leninismus der Sowjetunion, den die starke Italienische Kommunistische Partei (KPI) vertrat, ein. Durch die weltweite Verbreitung der katholischen Kirche wurde diese Auseinandersetzung überall mit Spannung verfolgt. In diesem Klima verfasste der Italiener Giovannino Guareschi seine Geschichten von dem katholischen Priester und dem kommunistischen Bürgermeister in einem fiktiven Ort in der Poebene in Norditalien. Don Camillo ist ein schlagkräftiger und schlitzohriger Vertreter der Kurie, Peppone sein Pendant auf der Gegenseite. Guareschi schildert »die Roten« von Peppone & Co. allerdings als große Gefahr, der sich Don Camillo mit allen verfügbaren Mitteln entgegenstellt. Um den Priester jedoch nicht als christliches Propagandawerkzeug dastehen zu lassen, bedient er sich eines Kunstgriffes. Don Camillo besitzt die Gabe, mit Christus via Kruzifix in der Dorfkirche sprechen zu können. Landet der Priester einen Punktsieg gegen die »rote Gefahr«, dann lässt Guareschi ihn jedes Mal von Christus wieder »auf den Boden der Nächstenliebe« holen. So gewinnt letztlich keine Seite und gleichzeitig wird eine humane Lehre gegeben. Außerdem verbindet die beiden Hauptprotagonisten eine gemeinsame Vergangenheit, als sie noch zusammen als Partisanen gegen die Faschisten kämpften. Ein moralischer Hinweis an beide politische Lager, dass man doch eigentlich gemeinsame Wurzeln besitzt.
Die ersten Verfilmungen sorgten folglich nach ihrem Erscheinen in Italien, im geteilten Deutschland, in ganz Europa und darüber hinaus für großes Aufsehen. Hatte das Werk Guareschis zuvor schon weltweit Furore gemacht, so standen die Filme diesem Erfolg nicht nach. Und so wie der Kalte Krieg sich noch über Jahre hinzog, so passten sich die weiteren Filme der beiden Rivalen dem Zeitgeschehen an. Als Fernandel und Gino Cervi 1970 das letzte Mal gemeinsam in ihren legendären Rollen vor der Kamera standen, hatte sich der Konflikt zwischen den Machtblöcken und auch die römisch-katholische Kirche schon in vielem geändert. Aber auch nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Scheitern des Kommunismus bleibt das Thema des Ost-West-Konfliktes bis in unsere Tage aktuell. Die Nahtstelle zwischen Ost- und Westlehre existiert immer noch. Somit besteht die Plattform für die »ideologischen Kämpfer« beider Seiten, Don Camillo und Peppone, weiter. Sie werden weiterleben!
Im deutschsprachigen Raum wurde über die Don-Camillo-Filme immer umfangreich berichtet, da sich das Werk Giovannino Guareschis hierzulande großer Beliebtheit erfreute. Zum Erstlingsfilm, DONCAMILLOUNDPEPPONE (1952), und seinen ersten beiden Fortsetzungen, DONCAMILLOSRÜCKKEHR (1953) und DIEGROSSESCHLACHTDESDONCAMILLO (1955), war das Presseecho riesig und Autoren jeglicher politischer Ausrichtung verfassten im Blätterwald ihre Meinungen. Auch die weiteren Filme fanden überdurchschnittliche Beachtung in (bundes-)deutschen Landen.
Heute noch, mehr als 60 Jahre nach der Premiere des ersten Filmes, sind allgemeine Informationen zu den Filmen und beiden Hauptdarstellern erhältlich beziehungsweise abrufbar. In Vergessenheit geraten sind allerdings die teilweise sehr emotionalen Diskussionen über die Don-Camillo-Filme, wie auch das Werk der beiden Schauspieler, die zu Stars des europäischen Kinos in den 1950er-Jahren wurden.
Grund genug, den Don-Camillo-Filmen mit Fernandel und Gino Cervi nachzuforschen. Erstmals erfolgt das auch intensiv bei der Vorgeschichte, die ein Interesse Hollywoods an dem Stoff zutage fördert. Mit Unterstützung der Kinder von Giovannino Guareschi, Alberto und Carlotta, internationalen Recherchen und einem Besuch der »kleinen Welt« soll hier die Geschichte der Don-Camillo-Filme betrachtet werden.
1. KAPITEL
Fontanelle di Roccabianca ist eine kleine italienische Gemeinde in der Provinz Parma in der Emilia-Romagna. Eine lange Lindenallee führt in den Ort, der erstmals im 16. Jahrhundert Erwähnung findet. La Bassa, wie die Niederung im Bereich des Flusses Po in der Provinz Parma abfällig von den Städtern aus der Provinzhauptstadt genannt wird, ist die Heimat Guareschis. »Eine kleine Welt, irgendwo in der Poebene. Man zankt sich, man schlägt sich, aber man bleibt Mensch«, lautet seine spätere Liebeserklärung. In diesem Fleckchen Erde erblickt am 1. Mai 1908 Giovannino Oliviero Giuseppe Guareschi das Licht der Welt, in einem Haus direkt am Versammlungsplatz des Ortes. Am Tag der Arbeit sorgt die Geburt dadurch auch bei der Feier der Sozialisten für Aufmerksamkeit. Rote Fahnen wehen über dem ganzen Platz. Der über die Region hinaus bekannte Sozialistenführer Giovanni Faraboli (1876–1953) präsentiert das neugeborene Kind der Menge und soll gerufen haben: »Wieder ein neuer Arbeiter.« Jener Faraboli, Arbeiterheld, Freiheitskämpfer und Mussolini-Gegner, liefert dem späteren Schriftsteller mit seinem mächtigen Schnauzer und dem entschlossenen Blick die Inspiration für den Peppone. Heute noch erinnert auf dem Platz in Fontanelle eine Bronzebüste an den Kämpfer für die Arbeiter.
Der Vater des Kindes, Primo Augusto Guareschi, besitzt ein Fahrrad-Geschäft, die Mutter Lina Maghenzani ist Lehrerin in der Dorfschule. Ihr Vater heißt Giovanni, der Junior wird Giovannino getauft. Durch die Versetzung der Mutter 1914 nach Marore, einer kleinen Stadt nahe Parma, folgt ein erster Ortswechsel im Leben des Giovannino. Die Familie verschlägt es nach Parma, wo der Vater versucht, mit verschiedenen Jobs die Familie zu ernähren. Giovannino besucht die örtliche Grundschule Jacopo Sanvitale und durchläuft alle vier Klassen (1914–1918). Pfarrer der örtlichen Kirche San Bartolomeo ist ein gewisser Don Pietro Zarotto, der möglicherweise die Inspiration für Don Camillo gibt. Während des Ersten Weltkrieges ist der kleine Junge meist alleine mit der Großmutter zu Hause, denn der Vater wird einberufen und die Mutter ist durch ihren Beruf auch nicht oft da. Ab 1920 schließen sich das Gymnasium, das berühmte Collegio Maria Luigia Parma, später die Romagnosi an. Viel später wird Guareschi sagen: »Ich habe mit Gewinn das klassische Lyzeum besucht, wo ich gelernt habe, wie man als Journalist nicht schreiben darf. Dann war ich auf der Universität, habe aber bis heute nicht die Zeit gefunden, meinen Doktor zu machen. Das einzig Unangenehme daran ist, dass ich mich jetzt nicht mehr daran erinnere, ob ich die juristischen oder die medizinischen Vorlesungen besuchte …« (zitiert aus Tagesanzeiger Regensburg vom 27. Oktober 1962). Die Zeiten der wirtschaftlichen Krise in Parma ab 1925 und der Konkurs des Vaters haben auch Auswirkungen auf die Noten des lernbegierigen Giovannino. Hilfreich zur Seite steht ihm in dieser Zeit der Pfarrer von Marore, Don Lamberto Torricelli, den Guareschi später selbst ein bisschen mit seiner Fantasiefigur des Camillo vergleicht. Nebenbei verdient sich der Schüler durch Gelegenheitsjobs das erste eigene Geld. Der auch mit Zeichentalent gesegnete Giovannino betätigt sich als Designer von Postern.
Nach den Ausbildungsjahren beginnt Guareschi mit dem Schreiben, arbeitet aber auch als Werbezeichner und gelegentlich mal als Karikaturist. »Ich schreibe und ich zeichne«, hat er selbst einmal geäußert, »aber ich bin nicht imstande, Ihnen zu sagen, ob ich besser als Schriftsteller oder als Zeichner bin.« Als Korrekturleser startet er 1928 beim Corriere Emiliano in Parma, wo Giovannino bald darauf schon als Reporter eingesetzt wird. Verleger Angelo Rizzoli beobachtet den interessanten Charakterkopf über Jahre und holt Guareschi 1936 nach Mailand, wo er ihn zum Chefredakteur der humoristischen Wochenzeitung Bertoldo macht. Hochzeit 1940 mit seiner Freundin Ennia. Der Zweite Weltkrieg macht die Arbeit nicht leichter. Große Probleme gibt es aber erst 1943, als die deutschen Truppen den Italienern als Feinde gegenüberstehen. Nach dem Einzug zum Militär gerät Giovannino recht bald in deutsche Kriegsgefangenschaft und verbringt insgesamt zwei Jahre in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern in Polen und Deutschland, die seine Einstellung zu den Deutschen auf Lebenszeit distanziert werden lassen. Erst am 16. April 1945 befreien ihn alliierte Soldaten. Im September ist er zurück in seiner Heimat und im Dezember des Jahres gründet er in Mailand das wöchentlich erscheinende Journal Candido (in Hochzeiten wird die Auflage rund 350.000 Stück betragen). In diesem Witzblatt erscheinen 1946 auch erstmals seine Geschichten aus der »Kleinen Welt« mit Don Camillo und Peppone.
Der große Erfolg der ersten Erzählungen bringt den Verleger Angelo Rizzoli dazu, sie in Serie erscheinen zu lassen und ab 1948 gesammelt als Buch zu veröffentlichen. Außer den Don-Camillo-Büchern folgen noch andere, die zwar gute Lektüre bieten, jedoch stets ein Schattendasein führen werden: Enthüllungen eines Familienvaters (1952), Carlotta und die Liebe oder Die Schule des Gatten (1953), Bleib in deinem D-Zug (1954) und Mein häuslicher Zirkus (1968). Mit den Büchern hat Guareschi eigentlich recht wenig zu tun. »Ich war, bin und werde Journalist bleiben. Ich hatte eigentlich nie die Absicht, ein Buch zu schreiben. Und dass nun mein Verlagshaus aus meinen Artikeln Bücher macht, ist doch schließlich nicht meine Schuld.« (aus »Komödie des Kleinkriegs«, Der Spiegel, 1. Januar 1953). Schon in der Einleitung des ersten Camillo-Buches macht Guareschi darauf aufmerksam, dass er »keine Literatur« liefert, sondern Berichterstatter ist. Tatsächlich beinhalten seine Berichte aber glänzende Erzählungen von Ereignissen in einer ihm vertrauten Umgebung. Verleger Rizzoli ist der Geschäftstüchtige in der Beziehung und bringt fast jede Zeile, die Guareschi einmal in einem seiner Blätter schreibt, irgendwie zusammenmontiert als Buch heraus. Aus vertraglichen Gründen kann Guareschi gegen diese Auswertung überhaupt nichts machen.
Nicht der einzige Ärger für ihn: Das emotional sehr politisch geprägte Werk des Autors, eines erklärten Monarchisten und Traditionalisten, gerät in Verdacht, Luigi Einaudi, den Präsidenten der italienischen Republik, beleidigt zu haben. Im Berufungsprozess wird er im April 1951 zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt.
1952 zieht Guareschi zurück in seine geliebte Bassa, nach Roncole. Das ist der Geburtsort seines berühmten Landsmanns Giuseppe Verdi. Guareschi erwirbt direkt in der Nachbarschaft des Geburtshauses von Verdi sein neues Heim. In Roncole findet Guareschi den Platz für Erholung abseits der Hektik von Mailand. Hier hält er »Augen und Ohren offen«, sammelt Inspirationen für seine Geschichten. Aber nur von Dienstag bis Samstagmorgen. Dann macht er sich wieder auf den Weg nach Mailand, wo er sein Arbeitspensum an drei Tagen, von Samstag bis Dienstag, bewältigt. In dieser Zeit arbeitet Guareschi möglichst durch und füttert seine Schreibmaschine mit neuen Texten. Er gönnt sich nur kurze Schlafpausen auf einem Sofa. Neben den Pflichten als Herausgeber verfasst Guareschi »wöchentlich einen großen Leitartikel, eine politische Umschau, eine Don-Camillo-Geschichte (etwa 300 Zeilen) und eine Familiengeschichte (ebenfalls 300 Zeilen)« (zitiert aus »Komödie des Kleinkriegs«, Der Spiegel, 1. Januar 1953). Dazu zeichnet er Karikaturen für eine Vignette-Serie. Giovannino Guareschi liebt Land, Leute und Maschinen. Eine seiner liebsten Freizeitbeschäftigungen ist es, Motorräder in Einzelteile zu zerlegen und sie in Eigenregie wieder neu zusammenzubauen.
Für den deutschsprachigen Raum entdeckt der Salzburger Journalist Alfons Dalma die Don-Camillo-Geschichten. Ihn macht 1948 eine italienische Bekannte auf die satirischen Geschichten des Candido aufmerksam. Auf die Nachfrage bezüglich einer Genehmigung zur Übersetzung und Nachdruck bei Guareschi soll dieser geantwortet haben: »Wenn Sie unbedingt wollen, bitte. Aber das kann doch niemand im Ausland interessieren. Das kann nur eine Pleite werden.« Doch Dalma stellt fest, dass die Geschichten bei seiner Leserschaft ankommen. Ein Salzburger Verleger, Otto Müller, publiziert kurz vor Weihnachten 1950 das erste deutsche Don-Camillo-Buch. Von dem Buch werden an die 250.000 Exemplare verkauft. Ein Erfolg, der alle zuvor getroffenen Prognosen deutlich übertrifft. Vor Deutschland führte die Erfolgslawine schon bis in die USA, wo über eine halbe Million Bücher Absatz finden. Don Camillound Peppone wird in rund 20 Sprachen übersetzt, wobei die Auswahl der Geschichten von Land zu Land variiert. In Deutschland ist der Erfolg Guareschis phänomenal. Die Süddeutsche Zeitung schreibt: »Noch niemand hat verstanden, den politischen Haß derart zu entgiften wie Guareschi. Kein anderer Schriftsteller hat die Tragikomödie des politischen Kleinkrieges so human dargestellt.« Lediglich einige Leser der Stuttgarter Nachrichten äußern sich kritisch. Einige Schwaben sehen in den Gesprächen mit Gott »eine abgeschmackte Anmaßung, die eine heilige Sache ins Lächerliche zieht«. Der Vatikan nimmt die Geschichten zurückhaltend wohlwollend auf, die italienische Kommunistische Partei bezeichnet sie als »gefährlicher als zehn US-Divisionen«. Für zusätzliche Abneigung sorgen dort auch spitze Zitate aus der Feder Guareschis, der allen KP-»Genossen« drei Nasenlöcher zeichnet: zwei zum Atmen und eins, durch das man das Gehirn herausnahm. Ein Mitglied fordert in einem Brief deshalb die Liquidierung Guareschis, wovon sich die Parteiführung jedoch schleunigst distanziert.
In den U.S.A. bezeichnet man indes Don Camillo als »Edelstein der Gutmütigkeit«.
Der Familienvater mit zwei Kindern, Alberto und Carlotta, ist ein hektischer Arbeiter. Sein Übersetzer Dalma charakterisiert ihn wie folgt: »Er ist ein Choleriker, fast ein Sanguiniker, fährt leicht aus der Haut und ist schwer beleidigt, wenn man ihn zehn Minuten warten lässt.« Der politische Humor des Giovannino Guareschi bringt ihm Ruhm und macht ihn in Windeseile zu einem populären Mann. 1951 kommt es zu einer ersten, weltweit beachteten Don-Camillo-Verfilmung. Dem ungeheuren Erfolg folgt eine unmittelbare Fortsetzung. Überall gibt es Lobeshymnen zum Mut und der Fähigkeit, in der »tierisch-ernsten Zeit politischen Humor zu bekunden«.
Guareschis Interesse für das Kino ist schon auf der Schulbank geboren worden. Es gibt kein genaues Datum, aber sein Schulkamerad Maria Luigia weckte wohl sein Interesse. Die beiden brillanten Freigeister bleiben ein Leben lang befreundet und auch politische Differenzen können sie nicht auseinanderbringen. Guareschis Debüt im Film kommt 1950 und es geht noch gar nicht um Don Camillo. GENTE COSÌ von Regisseur Fernando Cerchio erzählt die Geschichte von Don Candido und einem Bürgermeister, der gleichzeitig der Barbier in einem verschlafenen Bergdorf namens Pianazzo ist. Schmuggelgeschäfte und eine junge Lehrerin, eine Kommunistin, die Motorrad fährt, sind die Themen in dieser »kleinen Welt«. Die Akteure auf der Leinwand, Camillo Pilotto als Priester und Saro Urzì als Bürgermeister, sind sozusagen die filmischen Vorläufer ihrer berühmten Nachfolger. In Deutschland hinterlassen sie keinerlei Spuren, denn der Film gelangt seinerzeit überhaupt nicht in deutsche Kinos. Auch in Italien lässt der Erfolg auf sich warten. Der Film ist hausbacken inszeniert und die Kritiken sind nur mäßig. Der große Durchbruch kommt dann mit DON CAMILLO UND PEPPONE. Obwohl die filmische Umsetzung und auch Camillo-Darsteller Fernandel eher eine Verzerrung der »Kleinen-Welt«-Geschichten aus der Feder des Schriftstellers darstellen, kann Giovannino Guareschi letztlich mit den schwarz-weißen Erfolgsfilmen sehr zufrieden sein.
Im deutschen Presseheft zum Erstlingsfilm heißt es zum Erfolgsrezept Guareschis: »Der schriftstellerische Trick, der Guareschis Geschichten das Versöhnliche und Optimistische gibt, besteht darin, die beiden Titelhelden menschlich als dickste Freunde und politisch-weltanschaulich als robuste Widersacher – hier katholischer Kaplan, hier kommunistischer Bürgermeister – zu zeichnen. So stehen die internen Differenzen in einer kleinen italienischen Ortschaft an den Ufern des Po symbolisch für die großen Spannungen, die die ganze Welt seit Jahren in steter Unruhe und Aufregung halten. Und Guareschis innerer Standpunkt zu seinen Gestalten, nicht zuletzt zu Christus, den Don Camillo in allen entscheidenden Angelegenheiten um Rat fragt? ›Wenn sich die Priester wegen Don Camillo beleidigt fühlen, so können sie meinetwegen einen Leuchter auf meinem Schädel zertrümmern; wenn die Kommunisten wegen Peppone beleidigt sind, können sie auf meinem Rücken eine Stange zerschlagen; wenn sich aber jemand wegen der Reden Christi beleidigt fühlt, so kann man nichts machen. Wer in meinen Geschichten spricht, ist nicht Christus, sondern mein Christus, das heißt: die Stimme meines Gewissens!‹« Anlässlich der zweiten Verfilmung wird folgende Frage aufgeworfen: »Was will der Humorist, Journalist, Landsmann und Maler Giovannino Guareschi, der von sich sagt, dass er die Erde liebt und die Menschen und sich in Sachen europäischer Völkerverständigung für einen unverbesserlichen Optimisten hält, mit seinem neuesten Camillo?« – »Nichts, als die Liebe zur Heimat wachhalten, Nächstenliebe predigen und an das Gute im Menschen glauben machen. Brüderlichkeit, Versöhnung, Verzeihen – diese großen bewegenden Kräfte sind noch nicht aus der Welt. Sie sind nur verschüttet …«
Mit dem Erfolg von Don Camillo und Peppone kommen auf den Autor allerdings politische Anfeindungen größeren Ausmaßes zu. Dazu landen Verleumdungsvorwürfe des italienischen Premierministers Alcide de Gasperi vor Gericht. Es geht um angebliche Kriegsbriefe von de Gasperi, die Guareschi in seinem Übermut mit einem ihm typischen humoristischen Kommentar veröffentlichte. Das Gericht erklärt die Briefe zu Fälschungen und verurteilt Guareschi zu einer Haftstrafe. Der noch unter Bewährung stehende Guareschi muss zähneknirschend die Haft antreten. Vom 26. März 1954 bis 4. Juli 1955 sitzt der Erfolgsautor im Gefängnis. In dieser Zeit schreibt er am Drehbuch des mittlerweile bereits dritten Don-Camillo-Films. Nach der Haftentlassung geht es mit Hetzkampagnen verschiedener Blätter, linker wie christlicher, weiter, und auch ein Plagiatsvorwurf wird genüsslich aufgegriffen. Letztlich verläuft aber alles im Sande. Guareschis Erfolgskurve zeigt aber nichtsdestotrotz nach unten. Das ist es, was seine politischen Gegner wollten. Er selbst versucht, seine Ansichten neu zu ordnen. Besucht frühere Kriegsgefangenenlager, denkt über vieles in seinem Leben neu nach. Einen Herzenswunsch erfüllt er sich 1957 mit der Eröffnung einer kleinen Kaffeebar in Roncole, wodurch er auch den Kontakt zu den Einheimischen und ihrem Leben vertiefen kann. Berühmt wird eine aufgehängte Tafel mit dem Spruch: »Hier gibt es keine Jukebox!« Als Angelo Rizzoli am 22. Oktober 1961 den Candido mangels Leserinteresse einstellt, ist das ein neuerlicher Schock für Giovannino Guareschi. Er schreibt zwar an einem weiteren Don-Camillo-Buch (Genosse Don Camillo) und ist auch in die Arbeiten an einem neuen Film involviert. Aber die Welt des Giovannino Guareschi verändert sich zunehmend. Ein erster Herzinfarkt setzt seinem Handeln Grenzen. Trotzdem gibt er nicht auf. Ein filmisches Experiment, LA RABBIA (Die Wut, 1963), zusammen mit dem linksgerichteten Regisseur Pier Paolo Pasolini über den Kommunismus gerät zum Flop und läuft nur in einigen wenigen Kinos. Noch viel schlimmer ist, dass man Giovannino Guareschi vorwirft, nichts gelernt zu haben. Der Spiegel bezeichnet sein Buch Genosse Don Camillo als »Vulgär-Antikommunismus von plumper Gerissenheit«. In der Heimat ignorieren ihn Kritiker. Im Vorwort zum neuen Buch bemängelt der Autor, dass »im Milliardär-Italien des süßen Lebens jede Hoffnung auf eine bessere Welt gestorben« sei, und dass sein »Don Camillo des Jahres 1959 genau der gleiche Don Camillo des Jahres 1952« ist. Nur »zur Zerstreuung und (verzeiht die Überheblichkeit) zum geistigen Vergnügen« habe er die Geschichte veröffentlicht. Guareschi weiß, dass die Geschichte zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits »zeitfremd« ist.
Guareschi zieht sich immer mehr von der Schreibmaschine zurück. Er öffnet in Roncole ein Restaurant. Ein weiterer Herzenswunsch von ihm, da er das Essen in seiner Heimat so liebt. Das Restaurant wird später von seinen Kindern fortgeführt (heute bietet wieder eine Kaffeebar einen Ort für Treffen und Gespräche). Schriftstellerisch ist Giovannino Guareschi praktisch arbeitslos, da außer einem Freund in Rom niemand mehr in Italien die Courage besitzt, seine Arbeiten zu veröffentlichen. Einen letzten Camillo-Roman, Don Camillo und Don Chichi, fängt er trotzdem an zu schreiben, der aber erst nach seinem Tod veröffentlicht wird. Am 22. Juli 1968 trifft Giovannino Guareschi eine zweite, tödliche Herzattacke, als er in Cervia an der Adria weilt. Begraben wird Guareschi auf dem Friedhof von Roncole, unweit seines Hauses. Nicht alle Nachrufe sind schmeichelhaft. Der Spiegel vom 29. Juli 1968 betitelt ihn als »Antikommunist« und »magenkranken Choleriker«. In Zeiten der »1968er-Revolutionäre« wird der Schöpfer Don Camillos und Peppones in linken Gazetten verhöhnt. Was aber nicht gelingt, ist, dass die Figuren in Vergessenheit geraten. Die alten Filme mit Fernandel und Gino Cervi bleiben über all die Jahre hinweg regelmäßige Bestandteile des Fernsehprogramms, womit sie auch ein neues Publikum entdeckt. Die Geschichten Guareschis erleben eine Neuauflage und finden auch heute noch, im Internetzeitalter, interessierte Leser. Dazu gibt es vor Ort in Roncole und in Brescello Museen, die an Guareschi, Don Camillo und Peppone erinnern. Man hat Guareschi gelegentlich mit dem Sowjet-Satiriker Michail Michailowitsch Sostschenko verglichen, dessen Schlaf schneller, Genosse (1940) gewisse Schwächen und Laster des sowjetischen Partei-Alltags anprangert. Aber Guareschis italienische Kommunisten stellen eine Spezie für sich dar.
Eine würdige Hommage ist am 10. August 2005 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung zu lesen. Dirk Schümer schreibt unter dem Titel »Volk schlägt sich. Volk verträgt sich« unter anderem: »… Guareschi, der aus der Gegend von Parma stammte, hatte seine Geschichten aus dem ›mondo piccolo‹, der kleinen Welt seiner Heimat, in keinem existierenden Ort angesiedelt. Er bezog seine Inspiration aus dem sozialen Kosmos der direkten Nachkriegszeit – mit großer Armut, heißumkämpften Referenden zwischen Monarchisten, Demokraten und Kommunisten um die Zukunft des Landes und der zivilisierenden Erinnerung an die Resistenza gegen die deutschen Besatzer … Aber sein Herz war in der Zeit der Barbarei gewachsen. Irgend jemand im Mailänder Rizzoli-Verlag muss die immense Tauglichkeit der beliebten Zeitungskolumnen für den Film erkannt haben: Ein rabiater Priester, der sich mit dem hölzernen Gekreuzigten seiner Kirche unterhält, mit dem stur-schlauen Aberglauben seiner Schäfchen ebenso herumschlägt wie mit dem kommunistischen Kraftprotz und Volkstribun Peppone (was auf Deutsch etwa so viel heißt wie ›der große Sepp‹) – das war als beißende Satire wie als versöhnliche Heimatgeschichte genau der richtige Stoff im einsetzenden Kalten Krieg, der in Italien bekanntlich bei aller ideologischen Härte immer mit größerer Menschlichkeit ausgefochten wurde als etwa im ruppigen Deutschland … Doch mit dem Abstand eines Halbjahrhunderts und einer ideologischen Zeitwende wird sowohl die schlichte Ästhetik der Filme wie die Botschaft des Autors gleichermaßen gerechtfertigt: Zwar haben die biederen Don Camillos ihren Kreuzzug gegen die Volksfront, die Zivilehe, die Einheitsschule und die bürgerliche Bestattung verloren, doch konnten sie die rote Ideologie schließlich ohne Triumphgeheul zu Grabe tragen. Guareschi wird wegen seines kompromisslosen Antikommunismus bis heute von der Literaturgeschichte geschmäht, gilt als reaktionärer Idylliker. Dabei zeugen seine Geschichten von einer tiefen Sympathie für die armen Leute, denen man bisher Landbesitz, Schulbildung und Mitsprache verweigert hatte und die nun unter der roten Fahne ihr Recht forderten … Vor allem die Schwarzweißbilder, auf denen die ›Leute des Po‹ im unerbittlichen Schlagschatten leerer Straßen oder vor den öden Pappelhainen ihrer Heimat posieren, stellen die epische Kraft dieser italienischen Figuren unter Beweis. Don Camillo und Peppone stehen in der großen Tradition volkstümlichen Glaubens und populär-rüpelhafter Widerspenstigkeit – vom heiligen Franz von Assisi über die Novellen Boccaccios bis zu den unvollkommenen Dorftypen Manzonis …«
2. KAPITEL
Befragt nach ihren Erinnerungen, wie es damals zu den Verfilmungen kam, antworten Alberto und Carlotta Guereschi heute: »Die Idee zur Verfilmung hatte der Verleger Angelo Rizzoli, der auch Filme produzierte. Zusammen mit einem weiteren Produzenten, Giuseppe (Peppino) Amato, realisierte er schließlich die Verfilmung. Rizzoli hatte zunächst einige der großen italienischen Regisseure, wie De Sica, Blasetti, Zampa, Germi etc. gefragt, aber keiner von ihnen akzeptierte. Sie waren besorgt, die PCI (Anmerkung des Autors: Die kommunistische Partei Italiens) zu verärgern. Angelo Rizzoli fragte auch bei dem US-amerikanischen Regisseur Frank Capra an. Der war begeistert, doch unglücklicherweise mit einer großen amerikanischen Produktion beschäftigt. Hätte er den Film gemacht, dann wäre Spencer Tracy sein Plan für die Besetzung des Don Camillo gewesen.«
Nachdem Don Camillo an Weihnachten 1946 das Licht der literarischen Welt erblickt hat, lässt sich bereits im Sommer 1947 ein erstes Interesse an einer filmischen Verwertung feststellen. Giovannino Guareschi erteilt dem Drehbuchautor, Franco Riganti, eine Option, einige Geschichten aus seinen Erzählungen für ein Drehbuch zu verarbeiten. Am 8. Januar 1948 erfolgt eine Verlängerung der Option, die dem Camillo-Erfinder im Erfolgsfall einen Betrag von umgerechnet 150.000 US-Dollar bringen soll.
Don-Camillo-Verleger Angelo Rizzoli verfügt zu diesem Zeitpunkt über wenig Erfahrung im filmischen Produzentengeschäft, hat aber als unabhängiger Verleger einer Reihe von Büchern und Magazinen längst erkannt, welches Geschäft sich mit einem guten Stoff im Kino machen lässt. Kontakte zum Filmgeschäft sind vorhanden, sodass er laufend mit Produzenten in Kontakt kommt. Am 5. Juni 1948 informiert er Guareschi, dass der renommierte italienische Produzent Giuseppe Amato an den Rechten für einen Film über die »kleine Welt« interessiert ist, weil dieser meint, dass sich damit ein »toller Film« machen lässt. Während es Franco Riganti nicht gelingt, Geldgeber zu finden, hat Amato keinerlei finanzielle Probleme. Durch den Erfolg seiner neorealistischen Filme, bei denen Amato nie ein finanzielles Risiko scheute, hat dieser ganz andere Möglichkeiten. Das Filmprojekt landet somit bei ihm. Während am Drehbuch geschrieben wird, schaut man sich nach einem passenden Regisseur um. Große Namen wie Mario Camerini, Alessandro Blasetti oder Vittorio De Sica werden kontaktiert. Aber keiner der sozialistisch geprägten Filmemacher, die allesamt den italienischen Neorealismus beeinflussten, hat Interesse an dem antikommunistischen Stoff. Im Februar 1949 vermeldet das Magazin Euror, dass Guareschis Buch von Blasetti verfilmt werden soll und dieser mit Sergio Amidei an einem Drehbuch mit einer »menschlichen Geschichte ohne politische Parolen« arbeitet. In Wirklichkeit ist Blasetti jedoch gar nicht interessiert. Vittorio De Sica sieht sich nach der Anfrage bei ihm übrigens dazu verpflichtet, einen öffentlichen Brief an die Zeitung L’Unità, eine linke Tageszeitung, zu schreiben und seine Argumente für eine Ablehnung des Stoffes aufzuzählen.
Im Juni 1950 liegt endlich ein Skriptentwurf für einen Film vor. Giovannino Guareschi wird zur Besprechung nach Rom eingeladen. Kurz nach der Ankunft muss er aber nach Mailand zurückreisen, da unerwartet seine Mutter gestorben ist. Guareschi wird später den Produzenten einige Anmerkungen und Vorschläge für die filmische Umsetzung seiner Geschichten schreiben. Naiv glaubt er, Empfehlungen geben zu können und dass man seine Ratschläge berücksichtigt. Das wird aber nicht der Fall sein!
Unterdessen wurden die ersten Geschichten von Don Camillo 1948 unter dem Titel Little World: Don Camillo auch in den USA veröffentlicht. Das macht sie international bekannt, und auch für Filmemacher im Mekka des Filmes interessant. Ein gebürtiger Sizilianer, der Top-Hollywood-Regisseur Frank Capra (1897–1991), weltbekannt geworden durch Komödien und Melodramen wie MR. DEEDS GOES TO TOWN (Mr. Deeds geht in die Stadt, 1936), ARSENIC AND OLD LACE (Arsen und Spitzenhäubchen, 1944) oder IT’S A WONDERFUL LIFE (Ist das Leben nicht schön?, 1947), erkennt das Potenzial der Geschichten.
Hinzu kommt, dass Capra der Stoff gelegen kommt. Er ist dem konservativen Lager zuzurechnen und ein überzeugter Antikommunist. Nachdem er das Buch gelesen hat, sendet Capra schnellstens ein Telegramm (10. Oktober 1950) an Giuseppe Amato in Rom: »Denke, Sie haben die Filmrechte an Don Camillo. Wenn ja, könnten Sie das mir mittels Telegramm bestätigen. Ich könnte Ihnen einen interessanten Vorschlag machen.« In Rom weiß man sofort um die Möglichkeiten, die sich aus der Zusammenarbeit mit einem solchen Top-Regisseur aus Hollywood ergeben könnten. Unverzüglich übermittelt man nach Hollywood, dass man »exklusive Rechte« an dem Stoff besitzt und gespannt auf den Vorschlag ist. Frank Capra hat unterdessen bereits am 11. Oktober einen langen Brief an Produzent Amato verfasst und teilt seine Überlegungen mit:
»1. Ich würde gerne für die weltweiten Rechte an diesem Buch bieten, falls sie zum Verkauf stehen. Ich vermute, dass Sie bereits einige Angebote erhalten haben. Ich würde die Möglichkeit zu schätzen wissen, jedem der Angebote zu begegnen, oder vielleicht können Sie mir einen Preis für die weltweiten Rechte nennen.
2. Wenn die Rechte nicht zum Verkauf stehen, wäre ich daran interessiert, den Film mit Ihnen in Italien mit amerikanischem oder italienischem Kapital auf einer gewinnteilenden Basis für alle Beteiligten zu machen. Ich würde den Verleih übernehmen, die amerikanische Besetzung, und vielleicht einen Teil oder das ganze Kapital. Sie liefern die Geschichte, die Produktionseinrichtung, und was auch immer für einen Teil des Investments, den Sie übernehmen möchten.
3. Der Film wird in Italien gemacht, größtenteils mit Außenaufnahmen, in einer geeigneten kleinen Stadt. Die wenigen notwendigen Innenaufnahmen macht man am besten wahrscheinlich in einem italienischen Studio. Wenn die tatsächlichen Kosten sich auf Besetzung, Filmentwickung und Material beschränken und keine Kosten (außer den üblichen Lebenshaltungskosten) für Drehbuch, Regie und Studioeinrichtung anfallen, könnte der Film mit sehr geringen Kosten gedreht werden.
4. Die Charaktere in dem Buch sind wunderbar. Ich bin in Italien geboren, spreche italienisch und glaube, dass ich die Charaktere so gut wie jeder andere auch verstehe. Ich glaube aufrichtig daran, einen schönen Film mit weltweiter Wirkung machen zu können. Unter der Voraussetzung, dass sich die Kosten auf ein Minimum begrenzen lassen, habe ich das Gefühl, dass es für alle ein profitables Geschäft sein wird. Aber am wichtigsten von allem ist, dass das Buch einen solchen großartigen Humor aufweist, eine solch warme, menschliche Botschaft, solch großartige Hoffnung für eine beunruhigte Welt, und ich wäre überaus geehrt, derjenige zu sein, der das umsetzt. Obwohl der Schriftsteller in seiner Einleitung sagt, ihm seien Filme gleichgültig, würde ich mich freuen, ihn bei dem ganzen Film an meiner Seite zu haben.
5. Der Film müsste natürlich für den Weltmarkt in Englisch gedreht werden, vielleicht mit einer italienischen und einer spanischen Version für die Märkte in Italien und Spanien. Die Besetzung könnten große amerikanische Namen sein, oder noch besser, vielleicht gibt es einige bekannte italienische Schauspieler, die englisch sprechen und die Hauptrollen spielen können. Diese Details, und anderes, ob in Farbe oder Schwarzweiß, Drehorte, etc., kann alles später herausgearbeitet werden.
6. Meine Situation im Moment ist diese: Ich beginne gerade einen Film und habe einen weiteren zu machen, der vielleicht im nächsten Sommer beendet ist. Danach bin ich vollständig frei von Verträgen oder Verpflichtungen.
7. Möglicherweise können oder wollen Sie kein Risiko bzgl. Ihrer Kostenbeteiligung eingehen und daher Geld bevorzugen. Auch das kann vereinbart werden. Die Hauptfrage ist die, ob Sie die Rechte für Geld verkaufen wollen oder ob Sie den Film mit mir zusammen produzieren wollen? Sobald ich Ihre Meinung in dieser Angelegenheit weiß, können wir uns mit Details beschäftigen. Am wichtigsten ist, dass dieses Buch in der richtigen Weise umgesetzt wird. Es wäre eine großartige Herausforderung für mich, daran beteiligt zu sein …«
Am 18. des Monats telegrafieren Rizzoli und Amato, dass sie erfreut wären, mit dem bekannten Regisseur aus Hollywood zusammenzuarbeiten, und alle anderen Angebote abgelehnt hätten. Amatos Antwortbrief am 23. Oktober 1950 fasst die aktuelle Situation zusammen: »Sehr geehrter Herr Capra, wie ich Ihnen in meinem letzten Telegramm mitteilte, wären wir sehr glücklich, falls es möglich ist, mit Ihnen eine Produktionsabmachung für den Film DON CAMILLO abzuschließen. Wir haben viele, viele Angebote von amerikanischen Gesellschaften erhalten, aber es ist mit niemand zu einem Vertragsabschluss gekommen. Es war immer unsere Absicht, diesen Film selbst zu produzieren. Wir glauben ebenso wie Sie entschieden an den Erfolg dieses Films. Wir erwarben die Filmrechte, bevor das Buch überhaupt irgendeinen Erfolg erzielte. Wir waren so sicher, dass es ein herrlicher Film sein würde, der in diesen Zeiten der ganzen Welt nützlich sein könnte. Niemand könnte aus diesem Stoff einen schöneren Film malen als Sie. Ihr Name ist so bekannt, dass er alleine schon den Erfolg garantiert. Ich bin mit einem der bemerkenswertesten Männer in Italien verbunden, bekannt sowohl für seinen Charakter als auch für seine finanziellen Fähigkeiten. Es ist Angelo Rizzoli, einer der wichtigsten Zeitungsherausgeber und Verleger. In letzter Zeit haben wir verschiedene Filme produziert, die sich als wichtig herausgestellt haben. Der letzte heißt TOMORROW IS TOO LATE, der einen riesigen hiesigen Erfolg hatte. Vor einigen Monaten haben ihn Arthur Loew und Samuel Goldwyn in Rom gesehen. Beide haben ihn begeistert gelobt und wollten mit mir einen Handel für den Verleih in Amerika beraten. Ich konnte das wegen früherer Verpflichtungen nicht akzeptieren.
Wenn Sie interessiert sind, vielleicht fragen Sie diese Gentlemen nach ihren Eindrücken von diesem Film. RKO hat eine Kopie in Amerika, denn RKO verleiht diesen Film in Italien, und wird ihn vielleicht in den Vereinigten Staaten verleihen. Diesen November gehen wir in Produktion mit einer prächtigen Geschichte unter der Regie von Vittorio De Sica. Danach haben wir die Absicht mit DON CAMILLO in Produktion zu gehen. Zur Zeit haben wir diese Idee aufgeschoben, in der Hoffnung, dass wir vielleicht eine Art Produktionsvereinbarung mit Ihnen abschließen können. Bei der Möglichkeit einer Verbindung mit Ihnen glauben wir, dass es nicht viele Schwierigkeiten geben wird. Es bedarf einer kurzen Formalität, die von Vorteil für beide Seiten sein könnte. Wir haben keine Schwierigkeit, den kompletten Film zu finanzieren, die amerikanische Beteiligung genauso gut wie die italienische. Aber da wir denken, dass Ihr Interesse an diesem Film genauso wichtig wie das unsere ist, wäre es möglich, irgendeine Form einer 50:50-Teilhaberschaft oder jede andere Form, die Sie andeuteten, zu treffen. Denn es wäre uns ein Vergnügen, eine Abmachung mit Ihnen zu treffen. Wir stimmen mit Ihnen überein, dass der Film in Italien gemacht werden sollte, und drei Viertel der Aufnahmen sollten in einer kleinen Stadt entstehen. Seien Sie versichert, dass wir alle notwendigen technischen Mittel dafür zur Verfügung stellen.
Für den besten weltweiten Filmverleih bin ich mit Ihnen einig, dass wir einige große amerikanische Namen verwenden sollten. Zu Ihrer Information nenne ich Ihnen Namen von einigen Schauspielern, an die ich bei meiner italienischen Produktion dachte: Aldo Fabrizi für die Rolle des Peppone, Gino Cervi für den Part des Don Camillo. Letzterer spielte die Hauptrolle in einem meiner Filme, der einen enormen weltweiten Erfolg hatte, und den Sie vielleicht in Hollywood sahen. Der Filmtitel lautet FOUR STEPS AMONG THE CLOUDS.
Das Wichtigste für uns ist die Drehzeit von DON CAMILLO. Wegen der internationalen Verwicklungen, die sich von einem auf den anderen Moment ändern könnten, sollten wir Möglichkeiten und Wege finden, diesen Film so schnell wie möglich zu produzieren. Wir hatten mehrere Drehbücher für diesen Film vorbereitet. Das letzte betrachten wir als gut, aber nicht endgültig. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen dieses ins Englische übersetzt schicken, oder, falls Sie es bevorzugen, in Italienisch. Auf diese Weise können Sie sehen, was wir bereits getan haben, und den Nutzen aus unseren Ideen ziehen. Wenn es notwendig für mich ist, nach Amerika zu kommen, um das Geschäft abzuschließen, würde das kein Hindernis darstellen.
Meine besten Grüße für Sie, und ich hoffe aufrichtig, dass wir diese Angelegenheit zufriedenstellend abschließen können und dass wir uns künftig größeren und besseren Dingen zuwenden können.«
Zuversichtlich über ein »gegenseitig faires Geschäft« äußert sich wieder Capra in einem Telegramm vom 30. Oktober 1950. Er hält es für wichtig, wenn Amato möglichst bald zur Besprechung weiterer Details nach Hollywood kommt. Als Giuseppe Amato nicht gleich darauf antwortet, telegrafiert Frank Capra am 8. November 1950 erneut nach Italien und bittet um unverzügliche Antwort. Tags darauf meldet sich Amato wieder, der für einige Tage in London weilte, und teilt mit, dass er »um den 1. Januar« nach Kalifornien kommen könnte. Anfang Januar 1951 weilt Giuseppe Amato tatsächlich in der Filmstadt.
Leider entwickeln sich die Dinge anders als geplant. Entnehmen wir die neue Situation einem Brief Frank Capras vom 18. Januar 1951 an Giuseppe Amato, zu dieser Zeit wohnhaft im Beverly Hills Hotel in Los Angeles: »Mein lieber Herr Amato, ich schreiben Ihnen dieses zwischen Szenen meines derzeitigen Filmes. Vor einigen Monaten kommunizierte ich mit Ihnen in Italien über den Kauf der Rechte an DON CAMILLO oder die Produktion des Filmes gemeinsam mit Ihnen. Zu der Zeit versuchte ich Ihnen zu erklären, dass ich neben dem aktuellen Film aufgrund einer exklusiven Absprache mit Paramount noch einen weiteren machen muss. Danach wäre ich frei. Inzwischen wurden die beiden Geschichten von Paramount ausgewählt. Es waren HERE COMES THE GROOM (wird zur Zeit gedreht) und THE TRIAL. Es gab eine geringe Möglichkeit, dass ich diese beiden Filme bis August 1951 abschließen könnte, wenn alles gut geht. Vor ungefähr drei Wochen informierte mich Paramount, dass sie wegen der übermäßigen Kosten THE TRIAL nicht produzieren möchten. Das führte dazu, dass für meinen letzten Paramount-Film keine Geschichte ausgewählt ist. Das bedeutet, dass ich möglicherweise meine Verpflichtungen ihnen gegenüber nicht innerhalb eines Jahres erledigen kann. Als Sie so freundlich waren, den ganzen langen Weg hierherzukommen mit der Absicht, mit mir ein gemeinsames Produktionsgeschäft für DON CAMILLO auszuarbeiten, war ich sehr geschmeichelt und geehrt, dass ein Produzent Ihres Ranges und Rufes Zeit und Mühen auf sich nimmt, um eine Zusammenarbeit mit mir zu vereinbaren. Wir Italiener sind selbstverständlich stolz aufeinander. Leider kamen Sie in einer Zeit, als ich mitten in Dreharbeiten eines wichtigen Filmes war. Wenn ich arbeite, sind meine Kräfte und meine Loyalität auf den Film konzentriert, an dem ich arbeite. Zu meinem tiefen Bedauern konnte ich Ihnen nicht die Zeit und Aufmerksamkeit widmen, die Ihr Besuch verdiente. In den letzten acht Tagen arbeiteten wir am Außenset in Pasadena, sodass ich Sie nicht einmal beim Mittagessen sehen konnte, sonst hätten wir uns jeden Tag treffen können. Bei unserer ersten Begegnung vertraten Sie die Meinung, dass DON CAMILLO im Sommer 1951 gemacht werden muss. Das würde bedeuten, dass ich Paramounts Erlaubnis bekommen müsste, um meinen letzten Film für Sie zu verschieben. Mein Agent, Bert Allenberg, diskutierte diese Möglichkeit mit Paramount. Sie stimmten widerwillig zu, vorausgesetzt, dass ich Ihnen im Gegenzug Zugeständnisse gewähre. Die Bedingungen sind so, dass ich sie nicht akzeptieren kann. Unter den gegebenen Umständen bin ich daher gezwungen, Ihnen mitzuteilen, dass ich mich wahrscheinlich 1951 nicht für DON CAMILLO verpflichten kann. Eine feste Verpflichtung für 1952 zu unterzeichnen, im Angesicht der sich ändernden Weltlage, wäre nicht klug für Sie oder für mich. So wie die Dinge ausschauen, bin ich vielleicht bald wieder zurück in meinem alten Job bei der U.S. Army. Ich denke immer noch, dass DON CAMILLO ein hervorragendes Thema für Filme ist. Ich glaube, das vorliegende Drehbuch legt zu viel Gewicht auf die junge Liebesgeschichte. Das Großartige an dem Buch ist die menschliche Beziehung zwischen dem Priester und dem Kommunisten. Seien Sie versichert, dass mir nichts eine größere Freude machen würde, als diesen Film mit Ihnen zu machen. Ich hege die größte Bewunderung für Ihre letzten Filme und für italienische Produktionen im Allgemeinen.
Ich bin sehr glücklich, Sie getroffen und gesprochen zu haben, und ich möchte Sie wissen lassen, dass ich Ihnen zutiefst dankbar bin für das große Interesse, das Sie gezeigt haben. Ich bedauere tief und aufrichtig, dass nur vorherige Verpflichtungen und unerwartete Umstände außerhalb unserer Kontrolle es uns unmöglich machten, diesen Film in diesem Jahr zusammen zu drehen. Sehr dankbar, Ihr Frank Capra.«
Der erfahrene Hollywood-Regisseur hat einsehen müssen, dass eine Zusammenarbeit mit den Italienern bei dem Projekt in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Und doch hat Frank Capra abseits der Verhandlungen mit Giuseppe Amato auch eine andere Möglichkeit prüfen lassen. Seinen Anwälten Kopp & Tyre wurde mit Datum vom 12. Januar 1951 eine Anfrage an das Patentamt in Washington beantwortet. In den Ausführungen eines gewissen Fulton Brylawski heißt es unter anderem: »Der Roman mit dem Titel The Little World of Don Camillo ist eine Übersetzung Una Vicenzo Troubridges von einem italienischen Roman namens Mondo Piccolo ›Don Camillo‹ von Giovanni Guareschi, der 1948 von Rizzoli & Co, Mailand, veröffentlicht wurde. Es gibt keine Akte mit einer Urheberrecht-Registrierung für die italienische Arbeit. Die Übersetzung The Little World of Don Camillo ist von Giovanni Guareschi urheberrechtlich geschützt worden, am 15. August 1950 … das Urheberrecht beansprucht nur die Übersetzung. Wenn die Originalarbeit ohne eine Anzeige von Urheberrechten publiziert wurde, dann ist dieser Roman in den Vereinigten Staaten im öffentlichen Bereich … Keine Angaben von Urheberrechten zu dieser Arbeit, noch Lizenzen oder andere Rechte sind im Copyright-Büro verzeichnet.« Die Auskunft wird am 15. Januar 1951 an Frank Capra weitergeleitet. Wahrscheinlich hat der Regisseur die beiden nächsten Tage diese Möglichkeit durchdacht – bevor er den Brief an Amato verfasste. Weitergehende Schritte in der Sache sind nicht bekannt. Die Anwälte Capras teilen ihm am 15. Januar allerdings mit, dass bei Interesse die Urheberrechtssituation »unverzüglich geklärt« werden müsse, bevor irgendwelches Geld in das Schreiben eines Drehbuches investiert wird.
Im Jahr darauf äußert sich Frank Capra in der italienischen Zeitung Il Pomeriggio nochmals zum Thema. »Eine verpasste Gelegenheit«, nennt er das nicht zustande gekommene Projekt. In der heutigen harten Zeit gäbe es einen immer größeren Bedarf an Humor, um die vielen sozialen Probleme zu lindern und die Welt zu vermenschlichen. »Die Welt braucht Freundschaften. Menschen müssen mit Menschen befreundet sein. Die Menschen wollen keine Kriege … ich glaube an die guten Instinkte der Menschen«, philosophiert Capra weiter. Die Geschichten auf der Leinwand zu illustrieren, wäre ihm nicht schwergefallen, ist sich der Regisseur sicher. Bei der Besetzung der Rollen habe er an zwei große US-amerikanische Schauspieler gedacht: Spencer Tracy als Don Camillo und Paul Douglas als Peppone (Anmerkung des Autors: Andere Quellen berichten, dass Capra bei der Besetzung des Don Camillo zunächst Bing Crosby ins Auge gefasst hat). Spencer Tracy hätte ihm erzählt, dass er das Buch bereits mehrfach gelesen habe. Auch Douglas wäre gleichermaßen begeistert gewesen. Für ihn (Capra) wäre der Film eine moderne Fabel, diesmal in der Politik, geworden. Vertragliche Dinge seien dann ausschlaggebend gewesen, dass er den Film nicht habe machen können. Außerdem, so fügt Capra an, war es auch noch gar nicht sicher gewesen, ob die beiden genannten Hauptdarsteller an den vorgesehenen Drehterminen zur Verfügung gestanden hätten. Seine Enttäuschung über die »verpasste Gelegenheit« kann er nicht verbergen. Aber Frank Capra wird nochmals mit Don Camillo und Giovannino Guareschi in Berührung kommen. Dazu später mehr.
Capra ist nicht der Einzige, der sich in Hollywood mit Don Camillo beschäftigte. Produzent Jerry Bresler spielt 1950 ebenfalls mit dem Gedanken, Guareschis Buch für Columbia Pictures zu verfilmen. Nach Beratschlagung mit Joseph I. Breen, dem Verwaltungsleiter der Motion Picture Association of America (der freiwilligen Zensurbehörde), wird das Vorhaben allerdings schnell fallengelassen. Breens erhalten gebliebene Antwort an Bresler vom 28. August 1950 bringt die (letztlich fatale) Fehleinschätzung der Sittenwächter zutage: »Lieber Jerry, ich habe mit großem Interesse das Buch The Little World of Don Camillo gelesen, das Du mir freundlicherweise geschickt hast, und hier lasse ich Dir unsere Reaktion darauf zukommen. Natürlich würde es gänzlich unmöglich sein, einen Spielfilm zu billigen, der den Zeilen dieser verschiedenen Geschichten genau folgt, vor allem wegen des Bestandteiles mehrerer Geschichten, die andeuten, dass Christus häufig vom Kruzifix auf dem Hochaltar zu Don Camillo spricht. Ich glaube, dass jede solche Andeutung in einem Spielfilm als Blasphemie und Sakrileg ausgelegt werden würde. Du musst natürlich auch bedenken, dass für unzählige Millionen Menschen auf der Welt Christus das Höchste ist, und ihn in irgendeine dieser Situationen zu verwickeln, wie es in den Geschichten geschieht, würde höchst anstößig sein. Abgesehen und unabhängig davon musst Du bedenken, dass einige Zensurbehörden in diesem Land, und ebenfalls in anderen Ländern – und ganz besonders die Zensur in England – auch im besten Fall nicht ihren Stempel der Billigung unter eine solche Leinwandfassung setzen würden. Auch wir empfinden, dass an bestimmten Stellen der Charakter des Priesters Don Camillo definitiv unakzeptabel für Filmzwecke ist. Die Vorschläge in einer Reihe von Beispielen dieses sehr unpriesterlichen Betragens von Don Camillo würden, so denken wir, ernste Verstöße bedeuten und könnten von uns natürlich nicht gebilligt werden. Beachte in diesem Zusammenhang auch, dass es eine Bestimmung im Produktions-Kodex gibt, die besagt, dass ›Geistliche in ihrer Eigenschaft als Geistliche nicht als Comic-Charaktere oder Bösewichter verwendet werden sollten‹. Wenn Du eine Filmgeschichte aus diesem Material entwickelst, müsstest du einige bedeutende Änderungen vornehmen und weiterhin immer mit der größtmöglichen Sorgfalt verfahren. Vielleicht rufst Du mich einmal an, dann könnten wir eventuell zusammen zu Mittag essen und darüber sprechen. Ich habe eine oder zwei Ideen, die für Dich vielleicht hilfreich bei dem Versuch sind, dieses Material für die Leinwand zu bearbeiten.« Es ist nicht bekannt, ob es zu diesem Gespräch gekommen ist. Wahrscheinlich hat die Beurteilung der Zensur aber dazu beigetragen, dass Jerry Bresler seinen Plan schnell aufgibt und nicht mehr fortführt. Geoffrey Shurlock, Breens »Thronfolger« bei der Motion Picture Association of America und ein nicht so strenger Sittenwächter wie der katholische Reformer Breen, äußert sich am 16. Juni 1953 nach dem Erfolg des ersten Don-Camillo-Filmes in einem Brief an einen Kollegen in Washington wieder zu dem Thema: »… Ich hatte nie das Gefühl, dass die Darstellung der Religion in diesem Film irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Kodex verursachen würde. Vor allem, nachdem nun die Legion of Decency (Anmerkung des Autors: Zensurbehörde der Katholischen Kirche in Hollywood) den Film als A-2 klassifiziert hat …« Die Beurteilung »A-2« bedeutete: »Geeignet für Erwachsene. Keine Vorbehalte« und ist auch weniger streng als die Beurteilung »A-3«, die »Geeignet nur für Erwachsene« bedeutete. Das muss Joseph I. Breen, den Moralhüter vom Motion Picture Association of America, in seinen Fundamenten getroffen haben. Urteilte doch die Legion of Decency meist viel konservativer als er.
Unterm Strich kann es als Glücksfall betrachtet werden, dass die Geschichten von Don Camillo und Peppone von Europäern auf die Leinwand gebracht werden. Selbst ein Regisseur wie Frank Capra hätte sich den Vorgaben der Zensurbehörden nicht gänzlich verschließen können. Die Dinge nehmen somit ihren Lauf.
DER ERSTE FILM
Angesichts der ablehnenden Haltung der italienischen Regiegrößen und dem im Ausland gezeigten Interesse an dem Stoff ist den beiden italienischen Produzenten klar geworden, dass sich das Projekt vielleicht am besten mit Partnern aus dem Ausland abwickeln lässt. Gemeinschaftsproduktionen sind nach dem Krieg mittlerweile in Europa im Kommen und mit dem ebenfalls florierenden und künstlerisch anspruchsvollen französischen Film haben italienische Produzenten in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Die anhaltende Entwicklung auf diesem Sektor und den damit verbundenen Nutzen beschreibt das deutsche Magazin Der Spiegel unter dem Titel »Geschmack zweier Märkte«wie folgt: »Mit der Gemeinschaftsproduktion verhält es sich wie mit der Gleichberechtigung der Frau: Im idealen Fall funktioniert sie, im ungünstigen drängt sich der stärkere Partner in den Vordergrund und schiebt den anderen unter den Pantoffel. Die wirtschaftlichen Vorteile sind aber so attraktiv, dass die Filmproduzenten diese Gefahr heute mutig in Kauf nehmen: ein in Koproduktion hergestellter Film kostet jeden der Partner nur einen Teil der normalen Produktionssumme und kann sich überdies auf dem vergrößerten Markt viel schneller amortisieren.« Unter diesen Gesichtspunkten ist es nur allzu logisch, dass sich Giuseppe Amato wieder auf Reisen begibt. Ziel ist diesmal Paris, wo er sich mit Robert Chabert, dem Produzenten der Francinex-Film, trifft. Der ist seit den späten 1930er-Jahren im Filmgeschäft tätig und hat zuletzt mit italienischen Partnern zusammen produziert. Beide Verhandlungspartner finden schnell die Basis für eine Zusammenarbeit. Bei der Besetzung des Regiestuhls kann sich der Franzose durchaus einen Nachwuchsmann vorstellen. Amato möchte aber einen ganz bestimmten Routinier. Es ist Julien Duvivier (1896–1967), ruhmreicher Regisseur des französischen Films seit den 1930er-Jahren mit Filmen wie LA BANDERA (Die Kompanie der Verlorenen, 1935), LE BELLE ÉQUIPE (Die zünftige Bande, 1936), UN CARNET DE BAL (Spiel der Erinnerungen) oder PÉPÉ LE MOKO (Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier, beide 1937). Allen diesen Filmen ist gemeinsam, dass sie ein eindrucksvolles Bild der jeweiligen sozialen Verhältnisse wiedergeben. Duvivier gilt als typischer Vertreter des Poetischen Realismus. Zuletzt hat er es aber auch verstanden, verschiedene Einzelschicksale und Geschichten in dem Großstadtporträt SOUS LE CIEL DE PARIS (Unter dem Himmel von Paris, 1951) in Szene zu setzen. Genau der richtige Mann, so denkt sich Giuseppe Amato, der die losen, nicht zusammenhängenden Geschichten von Don Camillo und Peppone zu einem einheitlichen Film verbinden könnte. Julien Duvivier stimmt dem Angebot zu, unter der Bedingung, dass er das Drehbuch zusammen mit René Barjavel schreiben darf. Barjavel ist ein bekannter Autor, interessanterweise von Science-Fiction-Romanen, und schreibt seit einigen Jahren auch Filmdrehbücher. Gemeinsam machen sich beide ans Werk, unter Verwendung einer französischen Übersetzung des Guareschi-Buches. Später ziehen die Filmemacher auch noch den Italiener Oreste Biancoli heran, einen vielbeschäftigten Drehbuchautor, der schon in der Stummfilmzeit eine Reihe erfolgreicher Komödien schrieb. Nur sporadisch finden sich im fertigen Drehbuch Giovannino Guareschis eigene Vorschläge für die filmische Umsetzung wieder. Alberto und Charlotta Guereschi dazu: »Unser Vater hatte Drehbücher für alle fünf Filme geschrieben. Als er bemerkte, dass sich die Endfassungen von seinen zu sehr entfernten, schlug er die Nennung seines Namens in den Credits aus. Lediglich im dritten und vierten Film der Reihe taucht sein Name auf.« Die Drehbuchautoren wählen letztendlich einige Episoden aus Guareschis Roman aus und verbinden das Ganze geschickt miteinander. Dabei liegt ihr Schwerpunkt auf der Präsentation von möglichst viel Menschlichkeit.
Von besonderer Bedeutung ist die Wahl geeigneter Schauspieler für die beiden Hauptdarsteller. Mit ihnen wird der Erfolg des Filmes stehen oder fallen. Wie bereits aus dem Briefverkehr mit Frank Capra bekannt, hat Giuseppe Amato den italienischen Schauspieler Gino Cervi als katholischen Geistlichen im Blickfeld. Cervi ist auch der erste Schauspieler, mit dem für das Projekt ein Vertrag abgeschlossen wird. »Ich hatte einen Vertrag für den ersten Don-Camillo-Film, nach dem ich entweder den Priester oder den Bürgermeister spielen sollte. Man machte mit mir einige Probeaufnahmen in der Soutane, die zur Zufriedenheit ausfielen. Doch Julien Duvivier bevorzugte letztlich einen Landsmann in der Rolle, und so bekam Fernandel den Part. Ich sollte dann den Peppone spielen. Bis plötzlich, aus irgendeinem geheimnisvollen Grunde, alles anders aussah. Ich erfuhr, dass Duvivier Probeaufnahmen mit Fernandel gemacht hatte, bei denen – glauben Sie es? – Giovannino Guares-chi, der Autor der Geschichten, die Rolle des Peppone übernahm,« schildert Gino Cervi einige Jahre darauf die weiteren Ereignisse bei der Besetzung der Rollen. In einem Schreiben vom 11. September 1951 hatte Amato diese Idee dem Schriftsteller Guareschi selbst vorgeschlagen. Seine Kinder heute dazu: »Peppino Amato dachte, wenn der Autor der Geschichte einen der Charaktere verkörpert, die er erfunden hatte, dann würde der Film sehr erfolgreich werden. Unser Vater war zu der Zeit sehr populär in Europa. Er stimmte Testaufnahmen in der Rolle des Peppone zu. Julien Duvivier wollte zwei Hauptdarsteller, einen Italiener und einen Franzosen. Wenn unser Vater Peppone spielen würde, dann sollte Gino Cervi Don Camillo werden. Unser Vater wurde von Duvivier verpflichtet, den ersten und einzigen Test unzählige Male zu wiederholen, was ihn verärgerte, sodass er verzichtete …« Natürlich ist Giovannino Guareschi kein Schauspieler und ihm liegt diese Arbeit auch überhaupt nicht. Anfangs ist er aber nicht abgeneigt und lässt sich somit auf diese Idee ein. Ein Grund, weshalb man auf Guareschi als Peppone gekommen ist, liegt darin, dass Gino Cervi im September 1951 noch an einem anderen Film arbeitet. Um keine Zeit mehr zu verlieren, soll Guareschi mit seinem markanten Schnurrbart und gekleidet in ein kariertes Hemd sowie mit einem roten Tuch um den Hals seinen kommunistischen Bürgermeister selbst spielen. Als Duvivier die Probeszene mit Guareschi und Franco Interlenghi 14-mal wiederholen lässt, reißt ihm der Geduldsfaden. Das Ergebnis ist bekannt. Franco Interlenghi rückblickend über den Schauspieler Guareschi: »Soweit ich mich erinnere, drehten wir die Szene, in der ich zu spät zum Fußballspiel komme. Guareschi musste mich am Hals drücken. Und das tat wirklich weh, denn er verstand nichts von Schauspielerei und den erforderlichen technischen Kniffen. Duvivier verzweifelte.« Und doch haben die Probeaufnahmen mit ihm eine neue Erkenntnis gebracht. Es ist nun klar, dass Peppone im Film einen Schnurrbart tragen wird. Den von seinem Erfinder Giovannino Guareschi, der auch ein bisschen an den Sowjet-Diktator Stalin erinnert!
Im Candido formuliert der Schriftsteller seinen schauspielerischen Schiffbruch mit einer anderen Erklärung: »Man weiß nicht, ob in einem Moment geistiger Umnachtung oder durch schlechte Freunde beraten oder durch seinen politischen Opportunismus Guareschi sich bereit fand, die Rolle zu übernehmen. Jedenfalls drehte er einige Szenen mit bestem Erfolg. Dann dachte er wahrscheinlich an seine Frau, die ihm damit drohte, nach Venezuela auszuwandern, wenn er diese Verrücktheit nicht aufgeben würde. Und so nahm er sein normales Leben wieder auf und verzichtete auf seine Schauspielerkarriere.«
Szenen-Fotograf Osvaldo Civirani erlebt das Besetzungskarussell auf seine Weise: »Zunächst machte ich im Haus von Gino Cervi Bilder von ihm im Priesterkleid. Das schien entscheidenden Einfluss zu haben. Hatte es aber doch nicht. Wenige Tage darauf tauchte im Büro der Produktion ein französischer Schauspieler auf, den niemand kannte. Sein Name war Fernandel. Sie baten mich, von ihm ein Foto im Priestergewand zu machen. Unterstützt von dieser Aufnahme bekam Fernandel dann die Rolle … Die Don-Camillo-Filme wurden dann eine wichtige Erfahrung für mich. Meine erste fotografische Kulisse. Ich durfte bei den Dreharbeiten umsetzen, was ich gelernt hatte.« Nicht ganz unwesentlich für die Besetzung der Priesterrolle dürfte es gewesen sein, dass Fernandel in dem französischen Film L’AUBERGE ROUGE (Die rote Herberge, 1951) gerade einen Mönch gespielt hatte und sich Julien Duvivier womöglich bei seinem Kollegen Claude Autant-Lara Informationen darüber einholte, wie sich der Schauspieler in dieser Rolle gab. Ein Wagnis ist es allemal, einen Komiker einen katholischen Priester spielen zu lassen. Ob das von der katholischen Kirche akzeptiert wird? Für die Verpflichtung Fernandels müssen die Produzenten tief in die Tasche greifen. Neben einem üppigen Salär handelt der französische Komikerstar auch aus, während der Dreharbeiten in dem besseren Hotel Jolly in Parma untergebracht zu werden und für den Weg zum Drehort, jeweils eine Wegstrecke von 20 Kilometern, eine Kostenerstattung für Benzin und Chauffeur zu erhalten.
Auch wenn Giovannino Guareschi seine misslungene Mitwirkung in dem Film schnell verkraftet, so hat er doch erhebliche Bedenken gegen die Wahl Fernandels. Er hält den Schauspieler für einen Komiker, der nicht für die Verkörperung seines Priesters geeignet ist. »Gino Cervi entspricht ganz genau meinem Peppone. Aber Fernandel hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit meinem Don Camillo«, meint er zunächst. Mit dem Erfolg Fernandels ändert er aber seine Meinung: »Er ist so gut und hat Talent, sodass ich beim Schreiben neuer Geschichten das Gesicht von Fernandel vor Augen habe.«
Parallel zur Suche der beiden Hauptfiguren macht sich Regisseur Julien Duvivier auch auf, geeignete Schauplätze für die Dreharbeiten zu finden. Von Anfang an ist klar, dass die Poebene in der Emilia-Romagna Schauplatz der Außenaufnahmen sein soll. Kurz vor der Abreise aus Rom trifft sich der Regisseur mit dem Magazin Cinema für ein Interview und gibt einige Informationen zum Projekt preis: »Ich las nach dem Erscheinen die französische Ausgabe des Romanes und fand sie sehr lustig. Schließlich traf ich mich auf einer Urlaubsreise in Italien mit dem Produzenten, der die Filmrechte besitzt. Wir kamen überein, den Film zu machen … Meine Absicht ist es, keinen Film mit sozialen oder politischen Problemen zu drehen. Vielmehr soll die Beziehung zweier Männer auf der menschlichen Ebene dargestellt werden. Ich glaube, dass ist auch die Absicht des Autors … Was halten Sie von Gemeinschaftsproduktionen? Ich denke, dass das aus wirtschaftlicher Sicht von Vorteil ist. Künstlerisch weiß ich nicht. Es ist der erste Film, den ich unter diesen Bedingungen mache. Ich befürchte, dass es schwierig sein wird, die Ansprüche des französischen wie auch des italienischen Publikums an diesen Film zu erfüllen. Vielleicht können wir am Ende keinen befriedigen. Gewisse Vorbehalte zu diesem Experiment meinerseits gibt es. Aber wir werden sehen. Richtige Probleme gibt es aber nicht. Das Drehbuch wurde von mir und René Barjavel geschrieben, und ich habe die Schauspieler, die ich wollte.«
Die Drehortsuche scheint ein aussichtsloses Unterfangen zu werden. Keiner der vorgeschlagenen Orte gefällt dem Regisseur. Entweder liegen die Ortschaften zu weit vom Po entfernt oder die wichtigen Schauplätze Kirche und Gemeindeplatz befinden sich nicht in der richtigen Lage zueinander. Denn das ist für den Filmemacher eine wichtige Voraussetzung, um die Geschichte möglichst perfekt umzusetzen. Man schaut sich in der »kleinen Welt« in der Umgebung Parmas Orte wie Busseto oder Roccabianca an. Keiner sagt dem Filmmann zu. Guareschi, der gerne seinen Heimatort Fontenelle als Drehort sehen würde, winkt verzweifelt ab. Mit dem Leiter des Tourismusbüros in Parma, Francesco Borri, wird die Suche fortgesetzt. Und siehe da: Duvivier findet tags darauf den passenden Ort. Es ist Brescello, am Ufer des Po 20 Kilometer nordöstlich von Parma gelegen. Vorteilhaft für ihn ist, dass auf der einen Seite der örtlichen Piazza die Kirche und auf der anderen Seite das Rathaus liegt. Ein unbeschriebenes Fleckchen Erde in der »kleinen Welt«. Aber schon die Suche nach dem »richtigen« Drehort hat gezeigt, dass Duvivier ganz andere Vorstellungen vom filmischen Don Camillo hat als Giovannino Guareschi.
Damit es mit den Dreharbeiten bald losgehen kann, sind noch einige Vorbereitungen zu treffen. Auf dem örtlichen Sportplatz müssen zwei Tribünen sowie Umkleideräume für die Spieler gebaut werden. Die Kirche bekommt ein Vordach verpasst. Dazu werden Filmrequisiten wie eine Glocke aus Pappmaschee und ohne Klöppel angefertigt. Der Bildhauer Bruno Avesani kreiert, mit Unterstützung eines einheimischen Tischlers, ein schönes, großes Kruzifix aus hellem Holz. Julien Duvivier möchte eigentlich drei unterschiedliche Köpfe von Christus mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken haben, die je nach Filmsituation ausgetauscht werden können. Die Idee wird aber aus Sorge vor Blasphemie-Vorwürfen verworfen.
Neben der Suche nach den alles prägenden Hauptdarstellern läuft auch das Casting der weiteren Akteure. Die Römerin Leda Gloria (eigentlich Leda Nicoletti) wird als Peppones Ehefrau, Signora Bottazzi, gut besetzt. Gleiches lässt sich für die Genossenschar um Bürgermeister Peppone sagen. Der großgewachsene, hagere Marco Tulli spielt den verschmitzten Smilzo, der bärtige Saro Urzi glänzt als Barbier Brusco. Aus Frankreich kommt der Darsteller des alten Bischofs (Charles Vissière), während den hochbetagten Dr. Stiletti wieder ein Italiener verkörpert. Mario Siletti ist zum Zeitpunkt der Dreharbeiten aber noch keine 50 Lenze alt, dank ausgezeichneter Maske gerät die Darstellung des Alten dennoch eindrucksvoll. Die renommierte französische Charakterschauspielerin Sylvie übernimmt den Part der alten Lehrerin Christina. Sie zählt immerhin schon 68 Jahre. Die Romeo- und Julia-Rollen, im Film heißen sie Mariolino und Gina, übernehmen Franco Interlenghi und Vera Talchi. Franco Interlenghi, der aufgrund seines guten Aussehens schnell den Durchbruch schafft und zu einem Teeniestar avanciert, erinnert sich an seine Verpflichtung: »Eines Tages rief mich Romano Dani (Anmerkung des Autors: Produktionsassistent von Rizzoli) an, und wollte, dass ich mit dem Zug komme, um vorzuspielen. Duvivier meinte direkt: ›Das ist Mariolino!‹ Ich weiß nicht, ob er mich schon in Frankreich auf der Leinwand gesehen hatte.« Dann geht es endlich los. Am 6. September 1951 fällt für den ersten Don-Camillo-Film die erste Klappe in Brescello. Fünf Wochen dauert es, bis alle Aufnahmen in und um den kleinen Ort in der Emilia-Romagna »im Kasten« sind. Am 12. Oktober ist der Außendreh abgeschlossen. Anschließend werden in den römischen Cinecittà-Studios die Innenaufnahmen in Szene gesetzt. Am 24. November sind die Aufnahmen endgültig abgeschlossen.
Nicht alle Aufnahmen, die im Film als Brescello zu sehen sind, können auch in dem Ort entstehen. So kann beispielsweise die Szene »Segnung des Flusses« nicht in Brescello gedreht werden, da der Ort überhaupt nicht am Po liegt. Diese Szenen filmt man in der Nachbargemeinde Boretto. Die Geschichte verlangt weiterhin den Dreh an verschiedenen Bahnhofsstationen. Neben der in Brescello (im Film sieht man den vollständigen Namen der Station »Brescello-Viadana«) finden Aufnahmen in den Nachbarortschaften Gualtieri und Boretto statt.
Die Menschen in Brescello stehen den Filmleuten aus Cinecittà