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In optima forma von Ludwig Bechstein ist eine kurze Erzählung aus der Zeit der Hexenprozesse in Deutschland. Sie zeigt den vollendeten Blödsinn dieser Prozesse. Die Erzählung beginnt wie eine Posse, aber mit dem Fortschreiten der Erzählung bleibt das Lachen in der Kehle stecken!
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Ludwig Bechstein
In optima forma
Nach Aktenstücken im Großherzoglichen Amtsarchive zu Kaltennordheim
1. elektronische Auflage 2014
[email protected], Basel
Nach Aktenstücken im Großherzoglichen Amtsarchive zu Kaltennordheim
Der Amtmann Samuel Ebert lächelte und tippte auf die längliche Schnupftabaksdose von graviertem Kupferblech, auf welcher sich in zierlichen Arabeskenradierungen nach Art der Goldschmiedsgrillen hübsche Gruppen von Drachen, Vögeln und Phantasiegebilden befanden. Des Amtmanns Gehilfe, der Amtsschreiber Jodocus Grauschmied, hatte ein Protokoll vollendet, und die Personen, deren Anwesenheit dieses Protokoll hervorgerufen hatte, waren teils abgetreten, teils abgeführt worden, erstere waren nach ihren Häusern gewandert, letztere in ihre Haft. Es wurden Prisen genommen und gewechselt, und der Amtsschreiber reichte seine Niederschrift dem Amtmanne zur Durchsicht und Bezeichnung. »Protocollum in optima forma - lieber Amtsschreiber, freut mich, freut mich sehr - alles wohl notieret.«
Der Amtmann las sich laut vor:
»Katharina Dietmar, Andreas Dietmars Wittib insgemein die Geißkäth genannt, gebürtig aus Kaltennordheim, wohnhaft daselbst, ist eingezogen worden, dieweil sie seit Jahren her der Hexerei verdächtig, und sintemalen und alldieweilen Heinz Traberts Weib am achtzehnten Augusti sechzehnhundert dreiundsechzig in scharfer Frage öffentlich bekannt hat, mit der Geißkäth und andern die Teufelstänze besucht zu haben, und zwar bei der Hexenlinde überm Dorfe Westheim.«
»Bekannt hat!« - unterbrach sich Herr Samuel Ebert, und rieb sich vergnügt die Hände: »und die Geißkäth soll auch bekennen, soll, muß, wird! Was meint Er, Amtsschreiber? Wieder ein Hexenprozeßchen in optima forma. in optima forma!«
»Habe nichts zu meinen, stelle alles in des gestrengen Herrn Amtmanns Beliebung. Führe getreulich mein Protokollum, Tag für Tag und Jahr um Jahr - bringt jeder Tag seine neue Plage.«
»So? Ei!« - stieß der Amtmann verwundert hervor und murmelte dann wieder teils lesend, teils wie vortragend vor sich hin:
»Zeugenaussagen sind in Summa dreizehn - eine böse Zahl, werden wohl der Hexe scharf an den Kragen gehen! Laß doch hören, laß doch hören! Der alte Kurt Limpert, vierundsiebenzig Jahre alt, entsinnt sich Anno vierzig - ei tausend, das ist lange her, scheint ein gutes Gedächtnis zu haben, denn heuer schreiben wir? - Wie schreiben wir doch, Amtsschreiber?«
»Anno sechzehnhundertvierundsechzig!«
»- Vierundsechzig - in optima forma!« wiederholte der Amtmann.
»- entsinnt sich, Anno vierzig - das war, wie die Baßmännischen Schnapphahnen im Lande hausten und wie der flandrische General - Wachtmeister Gilli de Haes in der Grafschaft Henneberg mit seinen Banditen so schrecklich hauste, bis ihn die Schweden unter Feldmarschall Banner und Generalleutnant Holzapfel aus dem Lande trieben und bis jene kaiserlichen Völker wiederum kamen und dem Lande vollends den Garaus zu machen drohten, nachdem schon Anno vierunddreißig der hiesige schöne Flecken mit Amthaus, Kirche, Pfarrwohnungen und Schulen ganz und gar in Asche gelegt war. War eine bitterböse Zeit, dazumal, bös in optima forma; kostete ein Löffel voll Salz einen Groschen und ein Ei einen Batzen, wurde das Bettstroh ausgetan, um zu Hecksel für die Pferde zerschnitten zu werden. Dies beiläufig - also dazumal hat, zeugt der alte Kurt Limpert, bei ihm ein kaiserlicher Soldat im Quartier gelegen, der fand im Nachbarhaus, war das der Geißkäth, einen Topf mit Schmiere und eine Gabel. Jetzt frag' ich Ihn, Amtsschreiber, was hatte der Soldat im Nachbarhaus zu tun?«