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Forscher stimmen darin überein, dass die Indusschrift Zahlzeichen enthält. Der Verfasser geht der Frage nach, ob das Zahlensystem der Induskultur bestimmt werden kann. Angesichts des Fehlens eines bilingualen Textes haben Forscher versucht, eine mit der Indussprache verwandte Sprache zu finden. Hier soll auf die Problematik des Themas aufmerksam gemacht werden. Der Verfasser bemüht sich zu erkennen, inwieweit aufgrund der Befunde dieser Untersuchung eine Inschrift der Induskultur verständlich werden kann und befasst sich im Anhang mit den noch nicht geklärten Fragen des Tieres mit einem Horn (Unicorn) und des sich unter dem Kopf des Tieres befindlichen Gegenstandes.
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Seitenzahl: 226
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Die Ergebnisse einer dreijährigen Forschungsarbeit über die Induskultur werden vorgelegt. Die Themen über die Zahlen und die Schrift sind an anderem Ort bereits behandelt worden.1 Hier werden die darin verfassten Texte geringfügig korrigiert, erweitert und umstrukturiert. Das Kapitel über die Sprache und der Anhang sind in dieser Arbeit hinzugekommen.
Forscher stimmen darin überein, dass die Indusschrift Zahlzeichen enthält. Der Verfasser geht der Frage nach, ob das Zahlensystem der Induskultur bestimmt werden kann. Angesichts des Fehlens eines bilingualen Textes haben Forscher versucht, eine mit der Indussprache verwandte Sprache zu finden. Hier soll auf die Problematik des Themas aufmerksam gemacht werden. Der Verfasser bemüht sich zu erkennen, inwieweit aufgrund der Befunde dieser Untersuchung eine Inschrift der Induskultur verständlich werden kann und befasst sich im Anhang mit den noch nicht geklärten Fragen des Tieres mit einem Horn (Unicorn) und des sich unter dem Kopf des Tieres befindlichen Gegenstandes.
Als Vorlagen der Zeichnungen der Arbeit dienen die Fotografien aus CISI, darin werden abgekürzt M: Mohenjo-daro, H: Harappa, L: Lothal, K: Kalibagan, Dmd: Daimabad, Ai: Amri. Es ist noch zu berücksichtigen, dass die Abbildungen hier nicht maßstabgerecht wiedergegeben worden sind. Stattdessen ist versucht worden, die in Betracht kommenden Zahlzeichen bzw. Darstellungen auf den Funden hervorzuheben. Für das Durchsehen des Manuskripts dankt der Verfasser seiner Frau Brigitte Das Gupta.
Hamburg, im April 2019
Tapan Kumar Das Gupta
1 Das Gupta, 2017.
Kapitel 1: Zahlen
Rückblick
Schlussfolgerung
Induszahlen nach Bryan K. Wells
Zahlensystem der Induskultur
Zahlzeichen auf Funden
Zahlzeichen 10 und 12
Polyvalenz der Induszahlen nach Wells
Offene Fragen
Tabellen
Ergebnisse
Kapitel 2: Sprachen
Indussprachen
Dravidische Sprache
Sprache X
Multilingual
Problematik der Indussprache
Kapitel 3: Schrift
Induszeichen nach Steve Farmer
et al
Darstellung und Bedeutung der Induszeichen
Deutungsversuch der Indusschrift
Induszeichen nach Benille Priyanka
Problematik der Symbole
Offene Frage
Ergebnisse
Tabellen
Zusammenfassung
Abstract
Literatur
Personenregister
Sachregister
Anhang: Unicorn-Komplex der Induskultur
Bisherige Vorschläge zur Lösung der Probleme
Unicorn-Komplex
Feigenbaum
Unicorn
Kultobjekt
Entstehung und Weiterentwicklung des Kultobjekts
Literatur
1931 veröffentlichte John Marshall den Bericht über die archäologischen Ausgrabungen in Mohenjo-daro, die in den Jahren 1922 und 1927 im Auftrage der damaligen Britisch-Indischen Regierung ausgeführt worden waren.2 Marshall äußerte seine Ansichten über die Zeichen auf den Siegeln und ging davon aus, dass es sich bei diesen um eine Schrift handelte. Nach seiner Meinung könnte man den Inhalt unter den damaligen Umständen lediglich mutmaßen, möglicherweise seien darauf die Namen der Eigentümer mit Rang und Titel angebracht. Was die Zahlzeichen anbelangt, wäre es zwar denkbar, dass die Anzahl der Objekte auf Behältern gekennzeichnet werden sollten. Dies erscheine jedoch nicht sehr logisch, denn es sei anzunehmen, dass die Menge der Objekte von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gewesen sei. Es erhebe sich die Frage, wofür dauerhaft angelegte Siegel erforderlich wären.
Ein Zahlensystem in den Belegen lasse sich ebenfalls nicht erkennen: „…it should be observed that to extract a numeration-system from these writings seems impossible. Counting strokes, the only numbers found are 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, and 12, and even these occur in different sizes and arrangements of unknown significance. Nine, ten and eleven cannot be identified though there is a possibility that they are denoted by a different kind of signs; thirteen is, it may doubtfully be suggested… With so restricted a range of numerals, even admitting the possibility of others not identified, it is hard to believe that a complete numerical-system exits in these inscriptions... The general conclusion is that these collections of strokes, though obviously containing a certain number of units, are not here used in a numerical sense, but most probably with a phonetic value, which is perhaps derived from the native words expressing the respective numbers.” 3
In der 1934 erschienen Dissertation gelangte G. R. Hunter zu dem Ergebnis: Die Indusschrift war phonetisch und monosilbig und aus Ideogrammen und Piktogrammen hervorgegangen. Die Sprache der Induskultur gehörte nicht zur indoeuropäischen Sprachfamilie. Hunter bezeichnete die Indusschrift als proto-indisch und teilte die Auffassung des Assyriologen Stephen H. Langdon, dass die spätere Brāhmī-Schrift der Indusschrift zu Grunde lag.4 Die unterschiedlich dargestellten langen und die kurzen Strichen der Indusschrift sind nicht nur Zahlzeichen, sondern haben auch andere Verwendungen. So sind z. B. ein kurzer Strich und zwei kurze Striche zwei Vokale. Möglicherweise sind die Bezeichnungen der Zahlzeichen 1 und 2 und der beiden Vokale gleichlautend (homonym). Hunter nannte zwei Merkmale, um zu erkennen, ob die Striche der Indusschrift Zahlzeichen oder Wörter oder Silben sein sollen: „To decide whether in a given text a numeral sign is to be read as a numeral or as a word or syllable that happens to be a homophone of that numeral we have two indicators: (a) the recurrence of a particular sign accompanied by several different numerical signs, (b) the recurrence of one numeral sign, and one only, a number of times with one and the same non-numeral sign. In the former case the numeral sign is to be read as numeral, in the latter as a homophone unconnected with any numeral except by the accident of phonetic identity. There will remain a number of cases where a given sign is found only once or twice with a numeral sign. These will remain for the present dubious”.5 Hunter ging davon aus, dass ein Zeichen für 10 nicht sicher sei.6
1938 veröffentlichte Alan S. C. Ross die Arbeit über „The ‚Numeral-Signs‘ of the Mohenjodaro Script“. Es ging ihm in erster Linie nicht um das Zahlensystem der Induskultur, sondern um die Art der Verwendung der Zahlzeichen mit Strichen in der Indusschrift, auch wenn er beiläufig auf das Zahlensystem einging. Außerdem beabsichtigte er die Frage zu klären, ob eine mit der Indussprache verwandte Sprache existiert und legte zu diesem Zweck zwei Hypothesen vor, von denen unten gleich die Rede sein wird.
Um die Charakteristika der Zahlzeichen zu erkennen, stellte Ross die Belege aus der Publikation von Marshall tabellarisch zusammen und bemerkte, dass es zwar denkbar wäre, dass Zahlzeichen der Indusschrift tatsächlich als Zahlzeichen verwendet worden waren, was er jedoch nicht für wahrscheinlich hielt: „Let us first consider the obvious possibility - that some or all of the numeral-signs actually signify the numbers indicated, i.e., that the numeral-signs are simple ideograms… if some of the numeral-signs are ideograms signifying the numbers indicated, the positions of the numeral-signs relative to the other signs of the script might be expected to be, in many cases similar. On the ideogram-hypothesis we should expect that the same sign would often be found to the immediate left or right (according to the direction of the script and the position of the numeral with regard to the thing qualified in the language concerned) of different numerals-signs. Actually this is not the case… Under these circumstances the obvious hypothesis - that the numeral-signs are in general used as ideograms signifying accrual numbers - is not tenable.”7 Nach Ross bleiben noch zwei Hypothesen übrig: I. Zahlzeichen werden für homonyme Wörter verwendet. Die Schwierigkeit einer solchen Hypothese besteht allerdings darin, dass es kaum Sprachen gibt, in denen ein Homonym zu jedem Zahlzeichen vorkommt. II. Zahlzeichen sind Phoneme. Ross hielt diese Hypothese für wahrscheinlicher und ging davon aus, dass es sich dabei um die Silben handelte.
Das Zahlensystem der Induskultur setzte Ross als dezimal voraus. Er berief sich dabei auf A. S. Hemmy, der einige Objekte im Hinblick auf ihre Gewichte untersuchte und feststellte, dass das dabei verwendete Zahlensystem teils dezimal und teils binär sein müsste.8 Aus den Belegen der Indusschrift lasse sich allerdings das System nicht erkennen: „All that we should be entitled to conclude from the script itself on this point would be that the base of the chief numeration-system was greater than 8 and that it was not 11; for the next number to the base is usually a change-point… and, as we have shown, none of the numbers 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, are change-points; further 12 is not a change-point.”9 Mit dem Ausdruck „change-point“ ist die Rangschwelle eines Zahlensystems gemeint. Die 12 soll ein Sonderfall sein, über deren Ursprung Ross lediglich mutmaßen konnte. Er implizierte, dass neben dem Dezimalsystem auch ein anderes System vorhanden sein könnte.10 Es könnte ähnlich wie bei den Sumerern auch in der Induskultur ein sexagesimales Zahlensystem gegeben haben, das aus einer 60er Basis und 10er Sub-Basis bestand, und die 12 der Induskultur wäre darauf zurückzuführen: „If we assume that ‚12‘ is intrusive in the Mohenjo-daro system we might suppose that it is of autochthonous origin here also. But it is tempting to seek its origin to the west, where, in Mesopotamia (between which and the Indus Valley there was close contact), the early presence of a compound system, part decimal and part sexenary, might easily have given rise to such a concept.”11
Schließlich verglich Ross mit der Indussprache vier Sprachen (dravidische, indonesische, Munda und Burushaski), um zu erkennen, ob zwischen ihr und einer der vier Sprachen eine Ähnlichkeit besteht. Das Ergebnis: die Bedingungen der Hypothese I werden von keiner und die der Hypothese II von allen vier Sprachen erfüllt, am ehestens aber von der indonesischen Sprache, denn sie weist ein dezimales Zahlensystem mit keiner Rangschwelle unter 11 auf.12 Ob dieser Befund allein einen brauchbaren Hinweis zum Problem des Zahlensystems der Induskultur liefere, sei freilich eine andere Frage.13
1958 teilte der Geistliche Pater Henry Heras die Ergebnisse seiner langjährigen Forschungsarbeit über die Indusschrift in einem umfangreichen Werk mit.14 Darin nannte er 10 Voraussetzungen als Grundlage seiner Entzifferung der Indusschrift.15 Heras vertrat die Auffassung, dass die Sprache der Induskultur proto-dravidisch war, und die Grammatik sich in einem frühen Stadium befand. Die Schrift ist eine „pikto-phonographische Schrift“. Die Zeichen der Schrift sind weder Silben, noch bestehen sie aus Konsonanten, sondern stehen für Wörter. Um den Inhalt der Schrift zu verstehen, sollte versucht werden, die Wurzel der proto-dravidischen Wörter zu erkennen. Anhand des Zeichens des Fisches zeigte Heras, wie sie ermittelt werden können. Dazu heißt es: „First of all, there are some signs in our script whose values can only be explained in Dravidian languages. To give an instance, let us take the three following signs which are evident pictographs of fish:-
mīn, “fish”, “the fish”.
min “shining”, “glittering” “glorious”.
mīn, “star” and proper name or title of king.
Only in Dravidian languages these three signs have the same phonetic values corresponding to three different meaning, according to the three differences shown in the signs themselves. If we suppose for a moment that the language of Mohenjo-Daro was Sanskrit, we should read the three above signs mātsya or even mīna - a word borrowed from Dravidian languages; but these two words in Sanskrit have no other meaning than fish, and therefore we shall not be able to assign a proper meaning to the other two signs.”16 So soll das Zeichen des Fisches als ein proto-dravisches Wort min aufgefasst werden.
Heras präsentierte eine Liste der proto-dravidischen Wörter.17 Ein piktographisches Zeichen, z. B das Zeichen eines Mannes (ā), ist ein Mann. Unter den phonographischen Zeichen versteht Heras eine Klasse von Zeichen, in der keine konkreten Objekte, sondern abstrakte Ideen enthalten sind.18 Die Bedeutung solcher Zeichen sollen in piktrographischen Verwendungen anderer Völker der Antike gesucht werden. Z. B. hat ein Zeichen mit kleinen horizontalen Strichen darauf bei den Sumerern den phonetischen Wert „groß“, ein ähnliches Zeichen der Indusschrift hat den phonetischen Wert per und deshalb die Bedeutung „groß“. Es gibt in der Indusschrift auch Ligaturen, z. B. eine aus zwei Zeichen zusammengesetzte Wiedergabe - „ein Mann (ā) in der Hand (per) das Zeichen mit kleinen horizontalen Stichen darauf“ - hat die Bedeutung „ein großer Mann (perā)“. Eine eckige Klammer (van) über einem Zeichen ist als Determinativ zu verstehen, so hat z. B. das Zeichen aus drei Dreiecken (nila) mit der eckigen Klammer (van) darauf die Bedeutung „Landbesitzer (nilavan)“.
Heras schrieb schon im Jahre 1939 eine Arbeit über die Zahlzeichen der Induskultur.19 Dabei wurde ebenfalls zwischen der piktographischen und der phonographischen Verwendung der Striche unterschieden. In den piktographischen Darstellungen sind die Striche Zahlzeichen, dabei sind die kurzen und langen Striche Varianten, und ihre unterschiedlichen Platzierungen sind lediglich durch den zur Verfügung stehenden Platz bedingt. Heras verwendete folgende Bezeichnungen der Zahlzeichen: or (1), ir (2), mūn (3), nāl (4), ai (5), ār (6), ē (7), e (8), onpad (9), pad (10), padrā (12), mūnē (21), mūne (24), mūnpadrā (36).20 Die Benennungen der Zahlzeichen sind die „proto-dravidischen“ Kardinalzahlen, und es wird bei den phonographischen Wiedergaben der Striche davon Gebrauch gemacht. Die Zahlzeichen werden stets zusammen mit einem piktographischen bzw. phonographischen Nichtzahlzeichen verwendet. Z. B. bedeuten die sieben Striche neben dem Zeichen des Grabmales „sieben Tote (ē kā)“. Die Zahlzeichen werden nicht nur getrennt von dem piktographischen bzw. phonographischen Zeichen verwendet, sondern auch an das Zeichen angehängt. So ist das phonographische Zeichen einer Stadt (ūr) ein Zeichen eines Kreises bzw. eines Ovals. Werden drei Striche an das Zeichen der Stadt angefügt, dann heißt es „drei Städte (mūnūr)“. Soll darüber hinaus die Einheit der drei Städte hervorgehoben werden, dann wird zusätzlich ein langer Strich neben dem Zeichen der „drei Städte“ angebracht.
In Folgendem werden einige Beispiele zum phonografischen bzw. grammatischen Gebrauch der Striche darlegt: Die Bezeichnung des Zahlzeichens Vier in der Indusschrift ist nāl und in der tamilischen Sprache heißt nal „gut“. Das Zeichen eines Mannes (ā), der den ersten Strich der neben ihm stehenden vier Striche festhält (nālā), ist auszulegen als „ein guter Mann“. Es handelt sich also um eine homonyme Verwendung. Das Zahlzeichen für Eins, also ein Strich kann auch benutzt werden, um den Plural auszudrücken: Wenn der Mann in einer Hand einen Strich hochhält (āor), dann handelt es sich um „Mann mehrfach, also Männer“. Schließlich können die Striche auch ein Determinativ sein: Ein Zeichen aus zwei ineinander greifenden Ovalen hat die phonographische Bedeutung „zwei verbündete Staaten (kalakūr)“, erhält dieses Zeichen auf der rechten und auf der linken Seite jeweils zwei kurze Striche, dann heißt das Zeichen “Bürger der verbündeten Staaten (kalakūrir).
Heras hatte sich auch bemüht, einige Übersetzungen der Indusschrift vorzulegen.21 Er konnte Forscher von deren Richtigkeit jedoch nicht überzeugen, sein methodisches Vorgehen erhielt dagegen Anerkennung.22
1974 veröffentlichte der Assyriologe James V. Kinnier-Wilson eine Monographie über die Indusschrift und 1984 das Wesentliche des Inhaltes seiner früheren Veröffentlichung.23 Er vertrat die Auffassung, dass die Schrift der Sumerer und die Indusschrift auf eine gemeinsame Quelle zurückgingen. Später hatten sie sich zwar unterschiedlich entwickelt, einige der ursprünglichen Merkmale waren jedoch in den beiden Schriften noch erhalten geblieben.24 Kinnier-Wilson war der Auffassung, dass Inhalte der Indusschrift die Rechnungswesen/Buchführung betrafen.25 Er legte eine Tabelle mit einigen Zeichenkombinationen der Indusschrift vor. Darin ist mehrfach folgendes Zeichen zu erkennen:26
Aus praktischen Gründen bezeichnete Kinnier-Wilson es in seiner Arbeit als „Q-Zeichen“. Auf der rechten Seite vom Q-Zeichen erscheinen jeweils 3, 4, 5, 6, 7 und 8 Striche. Das Q-Zeichen mit 9 Strichen ist zwar nicht belegt, wird aber in der Tabelle ergänzt und mit einer eckigen Klammer wiedergegeben, um dies zu kennzeichnen. Es sind noch zwei weitere Zeichen vorhanden, ein Kreis, in dessen Mitte sich ein Q-Zeichen befindet und ein Q-Zeichen, an deren rechten Seite zwei ineinander greifende Kreise abgebildet sind. Kinnier-Wilson bemerkte dazu: “From these examples our first conclusion would be that the „numeral signs“ are indeed being used as numerals, and secondly that the sign „Q“ is most likely to have been a unit of measure.”27
Iravatham Mahadevan, Beamter des gehobenen Dienstes der indischen Regierung, befasste sich zunächst aus Interesse mit der Erforschung der Tamil Inschriften und dann später mit der Entzifferung der Indusschrift. Nachdem er in den Ruhestand getreten war, widmete er sich ausschließlich wissenschaftlichen Arbeiten. Sein größter Verdienst besteht darin, dass unter seiner Federführung eine Konkordanz der Indusschrift verfasst wurde.31 Mahadevan legte auch ein theoretisches Konzept zur Entzifferung der Indusschrift vor. Er nannte es „die bilingualen Parallelen“. 1988 hielt er anlässlich einer Tagung des Indian History Congress einen Vortrag, in dem er sein Konzept kurz so erörterte: „The Indian historical tradition has come down to us in two main linguistic streams, viz., Indo-Aryan and Dravidian. It is likely that due to prolonged bi-lingualism and racial fusion in the Indian subcontinent, Harappan names passed into the Indo-Aryan as loan-words and translations. It is therefore useful to search for bi-lingual parallels from both Indo-Aryan and Dravidian sources while attempting to interpret the ideographic signs. The advantage of the method of bi-lingual parallels is that it is not necessary to make any a priori assumption about the linguistic affinity of the Harappan language, even while hoping that accumulation of evidence would ultimately help to resolve this question.”32
Nach Mahadevan müssten in der Indusschrift die Zahlen vorhanden sein - wenn sich in den Strichen auf Töpferwaren und Objekten aus Bronze eine Sequenz von 1, 2, 3 usw. erkennen lasse, dann sei es logisch, dass es sich um die Zahlzeichen handele. Offensichtlich waren sie dafür gedacht, Gegenstände aufzuzählen. Allem Anschein nach war das Zahlensystem dezimal, in dem die Ziffer 1 bis 9 mit kleinen Strichen und 10 mit einem hufeisenförmigen Zeichen verwendet wurden, wie bei dem Zahlensystem in Altägypten. Die Ziffern von 6 bis 9 wurden auch mit Strichen in zwei Reihen geschrieben. Die langen Striche sollen keine Zahlzeichen sein, lediglich könnten es auf kleinen Tafeln aus Harappa solche gewesen sein. Manche kleinen Striche, die etwa mit anderen Zeichen erscheinen, waren sicherlich keine Zahlzeichen, sondern wohl Suffixe. Was die 12 Striche anbelangt, heißt es dann: „The sign with 12 strokes arranged in three tiers does not function as a numeral as the number of strokes is found to be variable and the occasional zig-zag arrangement of the tiers and doubling of the sign are features not shared by the numeral signs. Numerals also appear to be used in ideographic (non-numeral) function especially when they appear as fixed numbers in set combinations (e.g.) VII-CITY, III-FENCE. The largest numbers identified so far are 35 and 76 occurring on two bronze axes (6306, 2925). Signs for higher numbers, especially for 100 and 1000, may exist as still un-identified word-signs.”33
Seit 1965 bemühte sich eine russische Arbeitsgemeinschaft unter der Federführung von Yuri V. Knorozov die Indusschrift zu entziffern, die „proto-indisch“ genannt wurde.34 Die Grundlage der russischen Forschung bildete eine auf dem Computer gestützte statistische Ermittlung der Strukturen der Indusschrift. Die Schrift wird in Blöcken aufgeteilt, die aus Wörtern, Präpositionen, Partikeln, Suffixen, Konjunktionen, usw. bestehen sollen. Das Wesentliche der Auffassungen von Knorozov fassten Zide/Zvelebil in 6 Punkten zusammen: „In general, the characteristic features of the Proto-Indian script are the following: 1. There is stable word-order in a sentence; 2. Determination precedes that which is determined (e.g., adjectives precede substantives); 3. Nouns occurring before other nouns function as adjectives and are without suffixes; 4. The combination of a numeral with a substantive does not require plural affixes; 5. Only suffixes occur (there are no prefixes or infixes); 6. Suffixes may be combined in pairs of definite combinations”.35 Nach Knorozov weisen diese Merkmale darauf hin, dass die proto-indische Sprache zur Familie der dravidischen Sprachen zu rechnen sei. Es sei wünschenswert, eine Grammatik und ein Lektion der proto-indischen Sprache zu entwickel, das vorhandene Material reiche aber hierfür nicht aus.36
Was das Zahlensystem der Induskultur anbelangt, handele es sich um ein dezimales System. Dabei bestehen 1 bis 9 aus kurzen Strichen, und das Zeichen soll 10 darstellen: „Vertical short strokes occurring in combinations from one to nine are undoubtedly numbers and constitute a special group of signs. The Proto-Indians used decimal numeration which is proved by the rendering numbers as well as by the discovery of a graded scale. The sign was apparently used to denote 10. In some blocks, however, the numbers 12 and 24 are written only by means of short strokes”.37 Auch wenn hier die langen Striche nicht ausdrücklich erwähnt werden, werden sie doch an manchen Stellen durchaus als Zahlzeichen aufgefasst, so zum Beispiel das U-Zeichen mit langen Strichen 1 bis 4.38 Wenn vier kurze Striche häufiger erscheinen, könne es sich dabei um eine homophone Verwendung handeln.39 Es ist hier noch zu bemerken, dass Knorozov nicht sagt, wie ein Dezimalsystem mit Strichen 12 und 24 erklärt werden kann. Kamil V. Zvelebil schlägt an dieser Stelle ein oktales System vor.40 Das Problem bleibt aber weiterhin bestehen. Wie unten noch zu erkennen sein wird, wird die Klärung dieser Frage zum Verständnis des Zahlensystems der Induskultur von entscheidender Bedeutung sein.
In den siebziger Jahren - in der Zeit, als sich die russischen Forscher mit der Indusschrift befassten - widmete sich diesem Thema eine Arbeitsgruppe von finnischen Forschern.41 Dabei werden die Inschriften der Induskultur ähnlich wie von den russischen Forschern mit Hilfe vom Computer analysiert und eine Konkordanz aufgestellt.42 Von den Verfassern, die dabei beteiligt waren, ist Asko Parpola mit seinen Veröffentlichungen besonders hervorgetreten. Sein Verdienst besteht nicht nur darin, dass er sich bemühte, die Indusschrift zu entziffern, sondern auch darin, dass es ihm gelang, erforderliche finanzielle Mittel dafür zu gewinnen und in Zusammenarbeit mit indischen, pakistanischen sowie anderen Forschern ein dreibändiges Werk „Corpus of Indus Seals and Inscriptions (CISI)“ herauszugeben.43 Diese Arbeit und die bereits erwähnte Konkordanz der Indusschrift unter der Federführung von Mahadevan bilden zurzeit ein unentbehrliches Hilfsmittel zu weiterer Erforschung der Indusschrift.
So hat sich Parpola seit mehr als vier Dekaden mit der Entzifferung der Indusschrift befasst. Dabei lässt sich eine allmähliche Entwicklung seiner theoretischen Überlegungen erkennen. Seine ersten Veröffentlichungen betrachtet Parpola selbst als unreif.44 Die Vollendung seiner Theorie findet sich in seinem Hauptwerk „Deciphering the Indusscript“ aus dem Jahre 1994. Nachdem er darin über den Forschungsstand der Indusschrift referiert hatte, bemerkt er selbstkritisch: „In sammary, none of the attempts at deciphering the Indus script made so far (including that of our Finnish team) has gained wide acceptance. Not all work on the Indus script can be disqualified, however. There are solid contributions on various aspects of the script by a number of scholars…”45 Parpola ist davon überzeugt, dass die Zeichen auf den Siegeln der Induskultur eine schriftliche Wiedergabe einer Sprache sein müssen. Erst in den letzten Jahren haben Steve Farmer et al die Richtigkeit dieser Ansicht in Zweifel gezogen.46 Sie gehen davon aus, dass solche Zeichen gar nicht die Schrift einer gesprochenen Sprache sein können. Sie sollen eher - ähnlich wie die Darstellungen auf den babylonischen Grenzsteinen (Kudurri) - lediglich „Symbole“ gewesen sein.47 Parpola hat seinerseits gegen diese Auffassung ausführlich Stellung bezogenen.48 Zugleich war die Kontroverse auch der Anlass dafür, dass er seine theoretischen Überlegungen mit wenigen Worten zusammenfasste.
Die Ansichten von Parpola stützen sich auf drei prinzipielle Überlegungen. Sie beziehen sich auf die Gestaltung der Schrift, die Darstellung der Schriftzeichen und die Art der Indussprache. Eine Schrift kann sein: logosilbig, in der die Zeichen vollständige Wörter oder Silben darstellen, silbisch, in der die Zeichen die Werte der Silben aufweisen, oder alphabetisch, in der die Zeichen getrennte Phoneme - in älteren Schriften hauptsächlich Konsonanten - bilden. Zurzeit sind in der Indusschrift ca. 400 Zeichen auf einer Basis von 200 Elementen bekannt. Diese Anzahl sei zu groß für die silbischen oder die alphabetischen Schriften, entspräche jedoch gut den logosilbischen Schriften früherer Zeiten. Parpola schließt daraus, dass die Indusschrift logosilbig sein müsste. Das einzelne Zeichen einer logosilbischen Schrift könne Homophon sein und so sich auf ein anderes Objekt als auf den unmittelbar erkennbaren Gegenstand beziehen (Rebus). Zum Beispiel sei das häufig verwendete Fischzeichen der Indusschrift ein Rebus. Parpola geht nun davon aus, dass etwa 1 Millionen Menschen in einer Zeitspanne von 700 Jahren die Indussprache gesprochen haben könnten, und es sei unwahrscheinlich, dass die Sprache später vollständig verlorengegangen sei. Er nimmt an, dass die Indussprache, am ehesten zur Familie der dravidischen Sprachen gehörte.
Parpola erkennt lange Striche, kurze Striche und ein hufeisenförmiges Zeichen als die Zahlzeichen der Induskultur. Einige kurze Striche werden als Zahlzeichen zugleich als diakritisches Zeichen aufgefasst.49 Die längeren Striche sollen in den früheren Inschriften charakteristischer gewesen sein. Manche längeren Striche haben jedoch andere Bedeutung als die Zahlzeichen: “From Murukans name we now turn to astronomical terms. The word for white with the widest distribution in Dravidian languages is Vel, a close homophone of Murukans name Veel. … The phonetic shape veL/veel has thus emerged as the shared component X in the compounds Muruku-X and X-miin. This intended meaning of the sign two long vertical strokes is homophonous with Proto-Dravidian veLi open or public space, space (in general) and intervening space, i.e. the atmosphere between heaven and earth (Samskrit antarikaSa). Intervening space, atmosphere could be pictorial meaning of the sign, for on the basis of various other evidence it seems likely that the sign consisting of three long strokes denotes the three worlds. Another attested meaning for veLi is space between two furrows in ploughing, which also fits well the two long vertical strokes.”50
Anders als die russischen Autoren glaubt Parpola nicht, dass ein Zeichen aus 12 kurzen Strichen überhaupt ein Zahlzeichen war. Das Hufeisenzeichen stehe wahrscheinlich für die Zehn.51 Unter Hinweis auf das proto-dravidische Zahlensystem vermutet Parpola, dass der Induskultur zwei Zahlensysteme, dezimal und oktal zur Verfügung gestanden haben könnten: „There is evidence in the numeral system of Proto-Dravidian for both a decimal and an octonary system. The numerals for both ‘ten’ (*paktu) and ‘hundred’ (*nūru) can be reconstructed for Proto-Dravidian. On the other hand, in Proto-Dravidian the root for ‘eight’ (*e) also means ‘number’ and ‘to count’, suggesting that this was the original turning-point in counting (once apparently performed with the help of the fingers but excluding the thumbs).”52
Der Archäologe Walter A. Jr. Fairservis, der Ausgrabungen in Harappa (Allahdino ca. 40 km von Karachi, Pakistan) ausgeführt hatte, stellte seine Hypothese über die Indussprache auf. Zusammenfassungen der Ansichten Fairservis finden sich bei Kamil V. Zvelebil und Gregory L. Possehl.53 Zvelebil beschrieb die Hypothese von Fairservis mit folgenden Worten: „… Fairservis came around 1980 with the hypothesis that the Harappan language is a form of Dravidian which in is basic root morphemes is closest to Tamil-Kanna