Infinity Falling - Bring Me Home - Sarah Sprinz - E-Book

Infinity Falling - Bring Me Home E-Book

Sarah Sprinz

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Beschreibung

WIR HATTEN ALLES RISKIERT, UND DER EINSATZ WAR MEIN HERZ GEWESEN

Megan Sutton kann ihr Glück kaum fassen. Am Set von Infinity Falling wird sie eine Hauptrolle übernehmen und in Vancouver all die grausamen Gerüchte Hollywoods hinter sich lassen. Doch ein Presseskandal gefährdet ihren Traum, und Megan sieht nur eine Möglichkeit, um ihr Image aufzupolieren: eine Fake-Beziehung mit dem charmanten Typen, den sie letzte Nacht im Affekt geküsst hat ...

Cole Buchanan hat der Liebe abgeschworen. Sein Herz schlägt einzig und allein für die Medizin, doch als ihm ein folgenschwerer Behandlungsfehler unterläuft, weiß er nicht, wohin mit sich. Verzweifelt sucht er Ablenkung in einer Bar und findet sie in einer jungen Frau, der er sich nach einem spontanen Kuss anvertraut. Womit er nicht gerechnet hat: Die Unbekannte entpuppt sich als berühmte Schauspielerin, die ihn bittet, ihren Fake-Freund zu spielen. Kein Problem, zumindest solange keine Gefühle ins Spiel kommen und die Presse niemals von seinem Fehler erfährt ...

Abschluss der neuen SPIEGEL-Bestsellerreihe von Sarah Sprinz

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Sarah Sprinz bei LYX

Impressum

SARAH SPRINZ

Infinity Falling

BRING ME HOME

Roman

ZU DIESEM BUCH

Megan Sutton kann es kaum erwarten, für ihre Rolle ans Set von Infinity Falling zu reisen. Nur die Skandale, die die Presse ihr andichtet, trüben ihre Freude – und die Tatsache, dass sie noch nie jemanden geküsst hat, nun jedoch vor der Kamera mit ihrem Schauspielpartner intim werden soll. Die Lösung: Cole Buchanan – Arzt, verständnisvoll, attraktiv und die perfekte Gelegenheit, ihren ersten Kuss noch rasch vor Drehbeginn in einer Bar in Vancouver nachzuholen. Doch als Bilder davon an die Öffentlichkeit gelangen, sieht Megan nur eine Lösung: Cole muss sich für die Zeit der Dreharbeiten als ihr Freund ausgeben. Perfekt, um ihr Image aufzupolieren und das nächste PR-Drama abzuwenden. Die Ablenkung kommt dem engagierten Mediziner gerade recht, nachdem ihm im Krankenhaus ein folgenschwerer Fehler unterlaufen ist und er von seinem Dienst freigestellt wurde. Außerdem wäre er einer Begleitung nicht abgeneigt, wenn er in Kürze auf der Hochzeit seines besten Freundes seiner Ex-Partnerin begegnet. Doch was, wenn aus Fake bald schon mehr wird und der nächste Medienskandal bereits hinter der Ecke lauert?

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält Elemente, die triggern können.

Deshalb findet ihr hier einen Contenthinweis.

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Eure Sarah und euer LYX-Verlag

Für alle, die einen Platz

zum Landen suchen.

PLAYLIST

»slut!« (taylor’s version) (from the vault) – taylor swift

because i liked a boy – sabrina carpenter

teenage dream – olivia rodrigo

on a night like tonight – niall horan

heartbreak in the making – dagny

red line – 5 seconds of summer

compass – the neighbourhood

dress – taylor swift

all of the girls you loved before – taylor swift

out of my hands – shy martin

call it what you want – taylor swift

what if i loved you – gatlin

king of my heart – taylor swift

the show – niall horan

wishful thinking – gracie abrams

foolish one (taylor’s version) – taylor swift

@ my worst – blackbear

tell my heart – picture this

into the fire – thirteen senses

car’s outside – james arthur

long live (taylor’s version) – taylor swift

iris – the goo goo dolls

unwritten – natasha bedingfield

PROLOG

Ein wunderschöner Tag, um Leben aufs Spiel zu setzen.

Ich wäre zu Hause geblieben, wenn ich das geahnt hätte. Hatte ich aber nicht. Ich war zu meinem Vierundzwanzig-Stunden-Dienst erschienen, so wie es sich für einen vorbildlichen Kollegen gehörte. Dass es bereits der dritte Nachtdienst innerhalb einer Woche war, war sicher nicht ideal, aber anscheinend meine wenig überraschende Realität in dieser mies besetzten Notaufnahme, aus der ich niemals pünktlich nach Hause ging. Auch heute nicht. Nicht nachdem so viel Papierkram und Dokumentation aus der Nacht liegen geblieben war und der Tagdienst schon jetzt, am frühen Vormittag, mit den Neuaufnahmen kaum hinterherkam.

Es ging brutal zu um zehn Uhr morgens hier unten bei uns, das gefiel mir ja ganz grundsätzlich an diesem Job, doch jetzt, nach einer durchgemachten Nacht, pochte mein Schädel ordentlich, aber wer zeigte schon Schwäche? Ich jedenfalls nicht, auch wenn ich schon drei Stunden länger im Dienst war als gesetzlich überhaupt erlaubt. Doch wenn es hart auf hart kam und die Hütte brannte, stempelte man nicht aus, sondern sah zu, dass man mit anpackte. Also dokumentierte ich und machte die Briefe meiner Patientinnen und Patienten aus der Nacht fertig, so wie es sich gehörte, um die anderen nicht mit einem Haufen Arbeit zurückzulassen.

»Warum sind Sie noch hier, Dr. Buchanan?«, fragte Sam, als er für ein Konsil aus der Neurointensiv zu uns nach unten kam. Eine rein rhetorische Frage, denn natürlich wusste mein bester Freund und mittlerweile Kollege das ganz genau. Er hatte ebenfalls eine Nacht gemacht, aber sein Dienst ging noch bis siebzehn Uhr, worum ich ihn gerade nicht beneidete.

»Weil ich kein Zuhause habe«, murmelte ich, während Sam sich am Computer neben mir einloggte. »Zu wem musst du?«

»Zu einer Ms Young mit Verdacht auf SDH«, murmelte er, während er durch den Belegungsplan der Notaufnahme scrollte.

»Oh, ich hab auch eine«, sagte ich. »Also eine Ms Young. Sie hat aber keine Hirnblutung.«

»Gut für sie.« Sam unterdrückte ein Gähnen. »Ich glaube, meine ist gerade auf dem Weg ins CT. Soll ich deine Studentin mitnehmen und ihr zeigen, wie man Kreuzblut abnimmt?«

Ja, so war Sam. Sogar dann noch Zeit für Lehre, wenn man kaum wusste, wo einem der Kopf stand. Ich nickte und machte mir eine Notiz, bevor ich einen meiner noch unvollständigen Entlassbriefe weiterdiktierte. Als besagte Studentin namens Cassie von ihrem Ausflug mit ihm zurückkam, ließ ich sie das gerade Gelernte gleich bei unserer Ms Young verfestigen, der wir ebenfalls Blut abnehmen mussten, damit Konserven für eine Transfusion vorbereitet werden konnten. Als sie anbot, die Proben ins Labor zu bringen, dankte ich ihr tausendmal. Ich wusste noch, wie das war als fast fertig ausgebildeter Medizinstudent, der nie auch nur ein einziges Danke hörte für die Drecksarbeit, die auf ihn abgewälzt wurde. Ich hatte mir geschworen, es besser zu machen, aber zu meiner Schande hatte ich feststellen müssen, dass es in der ganzen Hektik nicht einfach war, stets freundlich und geduldig zu bleiben.

»Bist du heute Abend dabei?«, fragte Sam, der noch einmal zurück an den Computer gekommen war. »Bei Scott«, half er mir auf die Sprünge, als ich den Kopf hob. »Bretterabend?«

»Fuck, war das heute?«

»Hättest du dich in die Liste eingetragen, wüsstest du das.« Er warf mir einen belustigten Seitenblick zu. »Würde Laurie jetzt sagen.«

»Wenn sie wüsste, in wie viele Listen sie sich in Kürze jeden Tag eintragen darf …«

»Ja, sie wird sich wundern.« Er lachte. »Vielleicht ist Psychiatrie entspannter.«

»Wünsch ihr Glück«, sagte ich. »Aber ja, ich schaue mal, wie fertig ich später bin.«

»Wenn sie hören, dass ich direkt nach dem Dienst komme, sind sie bestimmt beleidigt, wenn du passt.«

»Wenn sie hören, dass ich die dritte Nacht in sechs Tagen gemacht habe, entspannen sie sich vielleicht wieder.«

»Scheiße, echt?« Sam seufzte. Er sagte nichts weiter, aber ich wusste, was er dachte. Dass man so etwas besser für sich behielt, denn es war arbeitsrechtlich eigentlich mehr als fragwürdig, so viele Vierundzwanzig-Stunden-Dienste in so kurzer Zeit zu arbeiten.

»Bin eingesprungen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Du siehst ja, was hier unten los ist.«

»Warum hielten wir diese Karriere noch gleich für erstrebenswert?«, erkundigte sich Sam.

»Es wird Spaß machen, haben sie gesagt … Es wird dich erfüllen«, spottete ich. Manchmal musste man einfach jammern. »So sehr, dass du ganz vergisst, dass du seit zehn Stunden nicht auf der Toilette warst.«

»Gott, hör auf, wir wollten nie so bitter werden.« Sams Lachen klang gequält.

»Nach der Assistenzarztzeit wird es ja auch besser.«

»Klar, genau wie nach dem Studium.« Er loggte sich aus dem Computer aus und stand auf, als sein Telefon klingelte. »Ich glaube, ich muss noch mal hoch. Wehe, du bist nachher noch hier, wenn ich zurückkomme.«

»Was passiert sonst?«

Er strich seinen Kittel glatt. »Schätzungsweise nichts. Ich hoffe es trotzdem für dich.«

»Nur noch ein Brief.«

»Natürlich.« Sam winkte mir zu, bevor er das Arztzimmer wieder verließ.

Es war wirklich nur noch ein Brief, den ich fertig diktierte und abspeicherte. Ich hatte gerade meine Untersuchungsbefunde und die Labore ergänzt, als Dr. Anderson, eine unserer Oberärztinnen hereinkam, um mir mitzuteilen, dass die Blutgasanalyse von Ms Young einen gefallenen Hämoglobinwert zeigte.

»Ich weiß, Sie sind eigentlich schon im Feierabend, aber vielleicht können Sie noch schnell transfundieren, solange die Kolleginnen und Kollegen anderweitig beschäftigt sind? Ich habe den Bed Side Test eben durchgeführt.«

Natürlich konnte ich das, selbst wenn ich das Gefühl hatte, vor Müdigkeit überhaupt nicht mehr richtig sehen zu können. Auch nach zweieinhalb Berufsjahren war es mir rätselhaft, wie uns zugemutet werden konnte, potenziell lebensgefährliche Prozeduren durchzuführen, nachdem wir mitunter zwei Tage am Stück wach waren. Dass ich schon lang nicht mehr mit dem Auto zum Dienst kam, sondern lieber das Fahrrad nahm, lag nicht an der relativen Nähe meines Apartments zum Vancouver General Hospital. Es kam mir schlicht und ergreifend unverantwortlich vor, in diesem Zustand noch am Straßenverkehr teilzunehmen. Tat ich als Fahrradfahrer zwar auch, aber wenn ich unachtsam war, richtete das im Zweifel wenigstens geringeren Schaden an als der Kühlergrill eines Dodge Ram. Wie bitter, über so etwas überhaupt nachdenken zu müssen.

Im Versorgungsraum hatte die Pflege bereits Infusionsbesteck vorbereitet. Die Blutkonserven waren aus dem Labor angekommen, doch Vorbereitung und Verabreichung waren eine ärztliche Aufgabe und demnach nicht delegierbar. Ich warf einen Blick auf den Stationsflur, aber ich konnte Cassie nirgends entdecken, also machte ich mich ohne unsere Studentin auf den Weg zur Patientin, nachdem ich den Bed Side Test kontrolliert hatte. Vermutlich war sie mit den anderen unterwegs. Schade, aber das hier würde sicher nicht die letzte Transfusion sein, die sie sehen würde.

Bei der Durchführung meiner ersten Bluttransfusion hatte ich mir fast in die Hose gemacht. Dass ich zuvor etliche Male zugesehen und die Abläufe verinnerlicht hatte, hatte daran nichts geändert. Es war etwas anderes, plötzlich selbst derjenige zu sein, der beaufsichtigte, anleitete und die Verantwortung trug. Ich war heute nicht weniger aufmerksam, aber Prozeduren wie diese hatten ihren Schrecken verloren. Ich hatte gelernt, mir selbst zu vertrauen, ohne den Respekt vor dem zu verlieren, was ich tat. Sogar völlig übermüdet war ich noch in der Lage, mit Patientinnen und Patienten zu sprechen und zeitgleich meine gedanklichen Checks durchzuführen.

Ich hatte gerade die Infusion angeschlossen und sichergestellt, dass sie gut lief, Ms Young noch einmal über potenzielle Risiken und Nebenwirkungen der Transfusion aufgeklärt und mich versichert, dass die Aufklärung unterschrieben bei den Dokumenten lag, als die Tür aufflog.

»Um Himmels willen, jetzt wird nicht einmal mehr angeklopft«, scherzte ich. Dann sah ich Sam, der auf mich zukam.

Seine Miene war undurchdringlich, sein Blick ging sofort zur Transfusion.

»Ms Young«, sagte er. »Dr. Buchanan wird leider dringend draußen gebraucht.«

Ich kannte diese Tonlage. Gefährlich ruhig und bestimmt, wie immer, wenn es irgendwo brannte. Er sah mich nicht einmal an.

»Was zur Hölle?«, zischte ich, während er zum Infusionsschlauch griff und das Ventil zudrehte. Er warf mir einen warnenden Blick zu, und in diesem Moment kam die Unsicherheit.

Was passierte hier? Was war sein verdammtes Problem?

»Geh raus«, murmelte er.

»Warum?

»Ich erkläre es dir gleich.«

»Gibt es ein Problem, Doktor?«

»Seien Sie ganz unbesorgt, Ma’am«, sagte Sam. Ich glaubte ihm kein Wort.

Mein Herz begann zu rasen, ich wich einen Schritt zurück.

»Was tun Sie da?«, erkundigte sie sich, während Sam sich Handschuhe überzog. Ja, das hätte mich auch interessiert. Ich wollte ihn fragen, was die Scheiße sollte, aber etwas in mir wagte es nicht. Ich kannte Sam Averett. Er war verlässlich, kompetent und erfahren. Der vermutlich beste Mediziner in meinem Bekanntenkreis. Und niemand, der grundlos in fremde Behandlungen eingriff, um andere bloßzustellen. Das hier hatte einen triftigen Grund. Und ich wusste nicht, ob ich ihn erfahren wollte.

Ich hörte nicht, was Sam sagte. Ich hörte nur das Rauschen in meinen Ohren, während ich zur Tür ging. Meine Beine bewegten sich ohne mein Zutun, alles passierte wie in Zeitlupe.

Es mussten nur Sekunden gewesen sein, die verstrichen, bis Sam ebenfalls nach draußen auf den Flur kam, aber sie fühlten sich an wie Stunden. Er hielt die Blutkonserve in einer Hand.

»Du hattest die falsche.« Ein Satz, und mir wurde schlecht.

Gleichzeitig verstand ich nicht. Was redete er? Ich hatte den Namen überprüft und … »Du hattest die Konserve von meiner Ms Young«, sagte Sam. »Anna. Jahrgang dreiundneunzig. Nicht Erin.«

Was? Nein …

Fuck.

Ich musste mich an der Wand festhalten. Dunkle Punkte tanzten vor meinen Augen.

»Welche …?«, begann ich, aber meine Stimme glich einem Krächzen.

»B positiv«, sagte Sam. »Deine ist null negativ. Ruf deine Oberärztin an, sie muss herkommen. Ich kläre in der Zeit ein Intensivbett.«

Ich nickte, ohne etwas zu fühlen.

Anrufen. Telefon. Ich benötigte drei Anläufe, bis ich die Kurzwahl endlich korrekt gewählt hatte. Mein Herz raste, eiskalte Panik lähmte meine Finger. Ich erinnerte mich nicht, was ich Dr. Anderson gesagt hatte. Ich erinnerte mich nur an die Hektik, an das atemabschnürende Gefühl, als die Pflegekräfte und der Rest des ärztlichen Teams über den Transfusionszwischenfall informiert wurden. An die unerträgliche Taubheit, die sich in mir ausbreitete, mit jeder Minute, mit der mir klarer wurde, was ich getan hatte.

Reanimierten sie bereits? Wie viel von dem inkompatiblen Blutprodukt war schon durchgelaufen, bevor Sam hereingekommen war? Was wäre geschehen, wenn er nicht hereingekommen wäre? Wenn es niemandem aufgefallen wäre? Ihm nicht, mir nicht … Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Ich hatte immer geglaubt, eine meiner Stärken wäre es, ruhig zu bleiben, auch dann, wenn alle um mich herum die Nerven verloren. Die perfekte Eigenschaft für einen Job wie diesen. Es war, wofür ich gemacht war. Diese Arbeit, Arzt sein, die richtigen Entscheidungen treffen, besonders dann, wenn es um Leben und Tod ging und andere versagten. Nicht ich. Ich hielt es aus. Es war in meinem Blut.

Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass heute der Tag sein würde, an dem ich vom Gegenteil überzeugt werden würde.

1. KAPITEL

Megan

Etwas war vorgefallen. Das war mir bereits klar gewesen, als Holly völlig überraschend am Flughafen in Vancouver aufgetaucht war, um mich höchstpersönlich in Empfang zu nehmen. Eigentlich hatte man mir gesagt, dass sie erst morgen, zum offiziellen Start der Dreharbeiten für den dritten Infinity-Falling-Film, hier ankommen würde. Schließlich reiste sie doch gerade mit Aven und Hayes, die erst Ende der Woche mit ihren PR-Terminen fertig sein und zu uns stoßen würden. Meine Managerin hatte sich bereits im Vorfeld zigmal dafür entschuldigt, dass sie mir nur einen Wagen zur Abholung schicken konnte, anstatt mich selbst zum Hotel zu bringen. Nun war sie wider Erwarten doch hier, was laut ihr keine besonderen Gründe hatte. Schon klar.

Nur meine Angst, grausame Dinge über mich im Internet zu lesen, hielt mich davon ab, auf der Fahrt ins Stadtzentrum zu googeln, welcher neue Skandal in der Zwischenzeit womöglich hochgekocht war und Holly dazu zwang, mich einzusammeln.

»Gefällt es dir?«, fragte sie, als sie mich im Hotel zu meinem Zimmer gebracht hatte. Der angespannte Ton in ihrer Stimme machte mich wahnsinnig, also drehte ich mich zu ihr um. Der Flur hinter uns war leer.

»Holly, warum bist du hier?«

Sie hatte ihr Pokerface aufgesetzt und lächelte, aber ich kannte diese Frau inzwischen gut genug, um zu ahnen, dass sie nur höflich sein wollte. Oder diskret. Für Förmlichkeiten dieser Art war ich jedoch nicht gemacht. Wenn es ein Problem gab, wollte ich, dass darüber gesprochen wurde. Alles andere machten meine Nerven nicht mit. Erst recht nicht nach allem, was in letzter Zeit geschehen war, aber meine Managerin antwortete mir nicht, bis ich die Tür meines Zimmers geöffnet hatte und hineingegangen war.

»Bist du sehr erschöpft von der Reise?« Holly folgte mir. »Ich hätte ansonsten vorgeschlagen, dass wir uns eine Kleinigkeit zu essen bringen lassen und ein wenig über die nächste Zeit sprechen.«

»Über die nächste Zeit? Was soll das heißen?« Mein Herz pochte nervös. »Gibt es Probleme wegen der Dreharbeiten? Hast du Aven deshalb allein nach Chicago fliegen lassen?«

Holly schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht allein, Ruben reist mit ihr, und Hayes. Dass ich vor Ort geblieben bin, lag an einem Gespräch mit Matt Navarro und dem PR-Team von Aroda, zu dem ich heute Vormittag gebeten wurde.«

»Meinetwegen?«

»Setzen wir uns doch.«

Mein Magen verknotete sich. Was, wenn nicht eine absolute Katastrophe, hatte es zu bedeuten, wenn der ausführende Produzent und die Presseleute der Produktionsfirma, die mich für eine wichtige Hauptrolle verpflichtet hatte, mit meiner Managerin über mich sprechen wollten?

»Holly«, flehte ich leise, als sie noch immer nichts sagte. »Bitte sag mir einfach, was los ist.«

Sie atmete kurz durch. »Bevor ich ins Detail gehe, schon mal so viel: Deine Rolle in dieser Produktion war und ist zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, in Ordnung? Ich weiß, dass du dir nach all dem Medienrummel in den letzten Wochen große Sorgen machst, aber die sind nach wie vor unbegründet.«

Waren sie das? Ich bezweifelte es. »Und worüber wollten sie dann reden? Sind sie zu dem Schluss gekommen, dass diese Gerüchte und die Rolle, die ich übernehmen soll, vielleicht doch nicht die beste Kombination sind, damit sich die Leute mal beruhigen?«

Das war schließlich schon vor einigen Wochen Thema gewesen. Ich erinnerte mich gut an das Gespräch mit Holly. Arodahatangerufen.SiesindbesorgtwegenderjüngstenSchlagzeilen.

»Nein, Megan, sie sind nach wie vor sehr von dir in der Rolle der Daria überzeugt«, sagte Holly, aber ich hörte sie nicht mehr. Jegliche Titelstorys der letzten Zeit rauschten vor meinem inneren Auge an mir vorbei. Bis ich heute Vormittag einen Fuß in diese Maschine nach Kanada gesetzt hatte, um wie geplant nach Vancouver zu fliegen, hatte ich befürchtet, dass dieser Medienskandal meine Rolle gefährden würde. Eine Rolle, für die ich bereits vor Monaten gebucht worden war – damals, mit einem zwar schon nicht mehr unbefleckten, aber noch nicht völlig ruinierten Image. »Sie wollten lediglich darüber sprechen, wie wir heikle Situationen in den nächsten Wochen am Set möglichst vermeiden können.«

»Warum?«, stieß ich hervor. »Wegen dieser Halloweensache? Ich hab nichts gemacht, Holly! Was die alle schreiben, ist gelogen, ich hätte niemals eine andere Frau …«

»Megan.« Holly griff nach meiner Hand, doch mein Herzschlag wollte sich nicht beruhigen. »Ich weiß das. Alle, auf die es ankommt, wissen das. Und was der Rest der Welt meint, muss uns nicht kümmern.«

Wem wollte sie etwas vormachen? Es war Hollywood, es ging ausschließlich darum, was der Rest der Welt meinte. Ich schluckte hart. »Das sehen die Aroda-Presseleute sicher etwas anders.«

Holly ließ den Atem entweichen, und das letzte bisschen Zuversicht in mir löste sich leise in Luft auf. »Tatsächlich wollten sie unter anderem darüber sprechen, was deine aktuelle Darstellung in den Medien womöglich für die Produktion bedeuten könnte. Ich wollte das eigentlich von dir fernhalten, doch seit ein paar Tagen machen Bilder von dir und Hayes während eurer Proben in Los Angeles die Runde. In der Community sorgt das aktuell für etwas Aufregung, weil Aven nicht mit anwesend war.«

Ich schluckte hart. »Drohen sie wieder an, den Film zu boykottieren, wenn Aroda mich nicht aus dem Cast streicht?«

»Allen Beteiligten ist klar, dass solche Aussagen völlig irrelevant sind, Megan. Die Produktion kann genau genommen sogar froh sein über die aktuellen Schlagzeilen und die damit einhergehende Aufmerksamkeit für euren Film.«

War sie aber nicht. Genau so wenig, wie ich es war. Das war kein Geheimnis, denn ja, ich war derzeit in aller Munde, aber ich war es nicht auf die Art, von der ich immer geträumt hatte. Ich war die Betrügerin, die Unruhestifterin, die Schlampe und unkollegiale Konkurrentin. Und egal, was ich tat oder nicht tat, bestätigte das Bild, das von mir gezeichnet wurde. Ich konnte es längst nicht mehr richtig machen. Für niemanden.

»Und was schlagen sie vor, um heikle Situationen möglichst zu vermeiden? Ich fürchte, mich in den nächsten Wochen nicht mit Hayes blicken zu lassen könnte etwas schwierig werden.«

»Zumindest am Set, das stimmt.« Holly schwieg kurz. »Wir wollten dazu im Team mit dir überlegen, wie wir uns am besten verhalten. Es wäre ratsam, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, um die Situation nicht weiter zu verschärfen.«

Ich wollte lachen. Und weinen. »Holly, ich versuche schon, quasi unsichtbar zu sein. Ich weiß nicht, wie man noch weniger Angriffsfläche bieten soll.«

Ihr Blick wurde weicher. »Megan, das weiß ich doch. Und es tut mir leid, dass du das gerade mitmachen musst. Ich wünschte, diese Erfahrung wäre dir erspart geblieben.«

»Das ist gerade erst der Anfang, oder?«, brachte ich hervor. Holly schwieg, als ich sie ansah. Ich rechnete ihr hoch an, dass sie nickte, anstatt mich anzulügen. Zugleich stumpfte etwas in mir weiter ab, weil es sich nun nicht mehr leugnen ließ. Ich war längst Teil dieser wirren Geschichte, laut derer ich angeblich den Männern meiner vergebenen Freundinnen nachstellte – Aven und Hayes miteingenommen. War es ein Fehler gewesen, diese Rolle an ihrer Seite anzunehmen? Wie hätte ich damals wissen sollen, dass sich alles so furchtbar entwickeln würde? Fast jeder bekam in der Presse hier und da mal sein Fett weg, aber die Medien hatten wohl etwas zu viel Gefallen daran gefunden, mir einen Skandal nach dem anderen anzudichten. Nun sah alles danach aus, als warte der nächste bereits um die Ecke.

Holly schien ihre folgenden Worte genau zu überdenken, bevor sie mir antwortete. »Ich fürchte, die Dreharbeiten mit Aven und Hayes werden Raum für weitere Spekulation bieten«, sagte sie. »Wir sollten uns eine Strategie überlegen, ob und wie ihr euch während dieser Zeit gemeinsam zeigt. Ich möchte unbedingt verhindern, dass du weiter ins Kreuzfeuer der Kritik gerätst. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass wir nicht länger in den Staaten sind. Das Paparazziverbot hier in Kanada spielt uns in die Karten, aber wir müssen vorsichtig bleiben. Was wir vermeiden sollten, ist, dass Hayes und du allein gesehen werdet. Und selbst wenn ihr zu dritt seid … du weißt, wie die Presse Bildausschnitte verändert und Informationen ohne Kontext veröffentlicht.«

Ich nickte betäubt. Das war mir vor vier Monaten erschreckend bewusst geworden.

Diese Videos von Giselle Kennedys Halloweenparty in Beverly Hills hatten es mir vor Augen geführt. Ja, ich hatte dort mit meiner Schauspielkollegin Estelle Leclair diskutiert, womöglich hatte ich sogar mit ihr gestritten und sie kurz angeschrien. Weil sie es verdient hatte, okay? Ich war so wütend geworden, als sie dort mit ihrer Entourage über Aven hergezogen und Lügen verbreitet hatte. Absurde Geschichten von einer gescheiterten Beziehung zwischen Estelle und Hayes, die Aven zu verantworten hatte. Es war nichts als lächerlich gewesen, und im Grunde hätte ich überhaupt nicht hinhören sollen, aber als das B-Wort gefallen war, hatte ich alles vergessen, was mir in Medientrainings beigebracht worden war. Ich ertrug keine Ungerechtigkeit, erst recht nicht gegenüber meinen Freundinnen. Ich hätte nicht anders reagiert, wenn mir bewusst gewesen wäre, dass diese Fotos von unserer Auseinandersetzung je nach Perspektive aussahen, als hätte ich in meiner Rage die Hand gegen Estelle erhoben. Oder dass die Presse den wahren Grund der Diskussion außer Acht lassen und stattdessen behaupten würde, wir hätten wegen eines Typen gestritten. Woher hätte ich wissen sollen, dass Estelle Leclair seit Kurzem mit Mathias Kelk liiert war, einem Schauspielkollegen, an dessen Seite ich über Monate hinweg ein Format für HBO gedreht hatte und auf entsprechend vielen Fotos mit ihm gemeinsam zu sehen war. Natürlich sahen diese Bilder aus dem Kontext genommen aus, als wollte ich mich ihm an den Hals werfen, um einer anderen Frau den Kerl auszuspannen. So wie ich es doch anscheinend ständig tat. Mädels, versteckt eure Männer – Homewrecker Megan ist in der Stadt!

Ja, Mädels, genau. Passt bloß auf. Vor jemandem wie mir sollte man sich in Acht nehmen. Erst hatte ich gedacht, es wäre besser, sie schrieben so etwas, anstatt zu verbreiten, dass ich in Wahrheit noch nicht eine einzige Beziehung gehabt, geschweige denn mit einem Typen geschlafen hatte. Das war gewesen, bevor alles außer Kontrolle geraten war. Bevor die Leute angefangen hatten zu glauben, ich datete jedes Wochenende einen anderen und fände auf perfide Art und Weise Gefallen daran, jedes Liebesglück in meinem Umfeld zu zerstören. Man musste keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen, um zu ahnen, was los sein würde, wenn ich in Kürze den Freund meiner besten Freundin vor der Kamera küssen musste, um ihn zu verführen. So wie es im Skript für den dritten Infinity-Film stand. Ich, die Bösewichtin der Nation, eine Rolle, die mir inzwischen wie auf den Leib geschneidert war. Verdammte Scheiße, es war ein Fehler gewesen.

»Megan?« Hollys Stimme riss mich aus meiner Gedankenspirale.

»Was hast du gesagt?«

»Würde es dir passen, wenn wir morgen früh vor dem Kennenlerntag am Set einen Call im erweiterten Team einplanen, um zu besprechen, wie wir an die Imagearbeit herangehen könnten?«

Imagearbeit. Schadensbegrenzung. Worte, die man nicht hören wollte, wenn man dabei war, sich in der Schauspielwelt zu etablieren. Ein falscher Schritt, und man war Geschichte. Seit Monaten fühlte es sich so an, als würde ich auf Eierschalen gehen.

»Sicher«, murmelte ich. »Ich richte mich ganz nach euch.«

Holly sah mich besorgt an. »Gibt es etwas, das ich gerade für dich tun kann?«

Ich schluckte. »Würde es helfen, wenn wir doch auch ein Statement teilen? Gemeinsam mit Aven vielleicht, damit die Leute wissen, dass wir nicht zerstritten sind?«

Würde es nicht. Ein Blick in Hollys Gesicht genügte, und ich war mir sicher. »Lass uns das morgen mit ins Teamgespräch nehmen und sehen, was die anderen meinen«, schlug sie vor.

Also konnte ich diese Idee gleich wieder verwerfen. Raushalten, schweigen, bloß nichts kommentieren, weil es als Rechtfertigung aufgefasst werden könnte – oder schlimmer noch: als indirekte Bestätigung. Es war ungerecht, und mit jedem Tag wuchs in mir der Wunsch, klarzustellen, dass all diese Dinge nicht stimmten. Dass ich bis heute auf meinen ersten Kuss wartete, keinen blassen Schimmer hatte, wie man anders mit Männern interagierte als auf einer rein freundschaftlichen Ebene, und erst recht nicht in der Lage war, irgendjemanden zu verführen, der vergeben war. Das war nicht, was ich wollte. Ich wollte meine ersten Male mit jemandem, der wirklich etwas für mich übrighatte. Und nicht irgendein bedeutungsloser Seitensprung sein. Dafür hatte ich nicht so lange gewartet. Aber das war der Presse ja egal. Aven war die Einzige, mit der ich je offen darüber gesprochen hatte, dass diese Vorwürfe purer Ironie glichen in Anbetracht der Tatsache, dass ich in meinen zwanzig Jahren auf diesem Planeten noch nicht einmal jemanden geküsst, geschweige denn auf eine romantische Art und Weise mit jemandem Händchen gehalten hatte – auch nicht für die Kamera. Bislang waren die Rollen, für die ich gebucht worden war, entweder Nebenfiguren ohne eigene Liebesgeschichte oder Hauptrollen für Formate im Kinderfernsehen gewesen. Dass diese Zeiten mit einer Aroda-Rolle der Vergangenheit angehören würden, hatte ich mit Holly besprochen und geglaubt, dass es okay für mich war. Doch nun jagte mir der Gedanke, mit Hayes Filmküsse und explizite Szenen zu simulieren, Respekt ein. Nicht, weil ich ihm nicht vertraute. Aber was, wenn es den Anfang vom Ende bedeutete, genau wie damals in der Highschool mit Noah und meiner besten Freundin Pat? Was, wenn Aven doch nicht mehr so okay mit diesen Szenen war, wie sie mir andauernd versicherte? Was, wenn sich ihre Meinung änderte und auch unsere Freundschaft darüber zerbrach, weil sie wusste, dass diese ersten Male für mich von nahezu symbolhafter Bedeutung waren? Verdammte Scheiße, ich hätte dafür sorgen müssen, dass ich vorbereiteter in die Dreharbeiten ging. Warum hatte ich in Los Angeles nicht gedatet und einfach irgendwen geküsst? Schlicht und ergreifend, um mir zu beweisen, dass es nichts bedeutete? Vielleicht hätte es sogar geholfen, um der Presse zu zeigen, dass ich nicht vorhatte, mich Hayes an den Hals zu schmeißen. Es wäre vermutlich sogar die einzig sinnvolle Möglichkeit gewesen, diese Geschichte in eine andere Richtung zu lenken. Doch jetzt war es dafür zu spät. Nun war ich hier und konnte nur hoffen, dass mir diese Sache nicht noch ganz gewaltig um die Ohren flog.

2. KAPITEL

Megan

Ich war erst traurig gewesen, dass Aven und Hayes derzeit nicht in der Stadt waren und ich meinen ersten Abend in Vancouver allein verbringen musste, aber wenn ich Holly vorhin richtig verstanden hatte, sollte das besser auch so bleiben. Wie unendlich bitter, schließlich war einer der Gründe, weshalb ich mich so auf die Dreharbeiten gefreut hatte, gewesen, endlich wieder in der Nähe meiner besten Freundin zu sein.

Gerade wünschte ich wirklich, Aven wäre hier, damit ich ihr mein Herz ausschütten konnte. Stattdessen hatte ich mit Holly im Restaurant des Fairmont zu Abend gegessen, nun war meine Managerin in ihr Hotelzimmer gegangen und ich in meines. Es war geschmackvoll, großzügig und bot einen sagenhaften Ausblick auf Vancouver und den Hafen, doch nichts von alldem verbesserte meine Laune. Ich hasste mich dafür, dass ich mein Handy nicht zur Seite legte. Dass es mir nicht einfach egal sein konnte, was im Internet über mich gesagt wurde, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich beobachten musste, was dort kursierte, so als hätte ich kein ganzes Team im Rücken, das genau diesen Job für mich übernahm.

Ich entschied mich, noch eine Runde an die frische Luft zu gehen, als ich erneut auf Videos von der Halloweenparty stieß. Höchste Zeit, meinen Kopf durchzulüften, bevor meine Gedanken wieder in dieser Abwärtsspirale endeten und ich die halbe Nacht wach liegen würde.

Dass vor dem Hotel Leute waren, die mich erkennen und mir folgen könnten, war mir nicht in den Sinn gekommen, als ich kurzentschlossen aufbrach. Bereits wenige Schritte entfernt, fühlte ich mich unangenehm beobachtet.

Ich bemühte mich, schnell weiterzugehen und keine auffälligen Blicke über die Schulter zu werfen. Nachdem ich den beleuchteten Canada Place hinter mir gelassen hatte und niemanden entdecken konnte, der mir nachging, entspannte ich mich wieder etwas. Ich wählte den Weg nach links in eine gepflasterte Straße, die auch um diese Uhrzeit äußerst belebt war. Perfekt, hier konnte ich mich unerkannt unter die Menge mischen. Dachte ich zumindest, doch dann hörte ich meinen Namen.

Nicht reagieren. Megan war ein häufiger Vorname in Nordamerika, aber als die Stimme ihn mit meinem Nachnamen wiederholte, konnte ich nicht länger leugnen, dass ich aufgeflogen war.

Egal. Nicht schlimm. Die Interaktion war nett, zwei junge Frauen, aber als eine von ihnen nach einem Selfie fragte, woraufhin die andere mir einen abfälligen Blick zuwarf, wusste ich, was Sache war.

»Komm mit drauf, Ash«, sagte die erste. »Das ist Megan Sutton!«

»Mit so jemandem brauche ich kein Bild.«

Sie hatte leise gesprochen, doch ich hatte sie verstanden. Mein Lächeln fror ein, und ich bemerkte, dass sich weitere Menschen zu uns umgewandt hatten. Es war seltsam, wie deutlich ich einen Wechsel der Stimmung wahrnehmen konnte, obwohl diese Menschen völlig Fremde waren. Aus dem Augenwinkel registrierte ich die Handykameras, die auf mich gerichtet waren. Ich ging weiter, sobald das Selfie gemacht war und jemand einen Kommentar zu der Sache mit Estelle abgab.

»Könntet ihr bitte aufhören zu filmen?«, hörte ich mich sagen, als mir ein paar Leute folgten.

»Könntest du bitte aufhören, dich wie eine Schlampe zu benehmen?«

Mein Herzschlag beschleunigte sich. Es war eine Sache, Sätze wie diese im Internet über sich zu lesen, aber sie ins Gesicht gesagt zu bekommen war eine völlig andere.

Ruhe bewahren, nicht darauf eingehen. Ich wusste, wie ich mich zu verhalten hatte, aber in diesen Sekunden wollte ich nichts lieber, als mich zu rechtfertigen. Für Klarheit sorgen. So wie auf dieser Party. Aber ich hatte ja gesehen, was ich davon hatte. Nur noch mehr Chaos.

Ich zwang mich, weiterzugehen. Als ich bemerkte, dass mir die Leute immer noch folgten, bekam ich zum ersten Mal seit langer Zeit Angst. Ich hatte eine Weile in New York gedreht, länger in Los Angeles gewohnt, schreiende Reporter und Fotografinnen waren nichts, womit ich nicht zurechtkam, doch das hier war anders. Es waren keine Leute von der Presse, die einfach nur ein Bild von mir wollten, um es an die Boulevardmedien zu verkaufen. Die Paparazzi mochten nervig sein, aber sie stellten keine Bedrohung dar. Ich wusste, was sie von mir erwarteten, und solange ich es ihnen gab, ließen sie mich in Ruhe. Es war eine unausgesprochene Etikette, an die man sich hielt. Nicht aber jetzt. Das hier waren Leute, die mich ihre Wut spüren ließen. Weil sie glaubten, was sie über mich lasen.

»Wenn du Anstand hättest, würdest du jetzt Bezug nehmen!«

Offensichtlich hatte ich keinen. Ich hatte nur ein klopfendes Herz und Blut, das in meinen Ohren zu rauschen begann. Warum hatte ich Holly nicht Bescheid gesagt, dass ich nach draußen gehen wollte?

Weil ich mich nach Ruhe gesehnt hatte. Und weil ich geahnt hatte, dass sie mir höchstwahrscheinlich davon abraten würde, das Hotel noch einmal zu verlassen. Aus gutem Grund, das verstand ich nun. Ich bog um eine Ecke und begann zu laufen.

Arodahatangerufen.SiesindbesorgtwegenderjüngstenSchlagzeilen.

Aufmerksamkeit schadete nie, badpressisbetterthannopress, doch die Grenze schien erreicht zu sein, nun, wo immer mehr treue Fans von Aven und Hayes ankündigten, den Film zu boykottieren, wenn ich darin zu sehen war. Keiner würde mir das je ins Gesicht sagen. Gut, bis auf die Leute, die mir hinterherliefen. Ich musste verflucht noch mal von hier verschwinden. Mit jedem Schritt schlug mein Herz härter gegen meine Rippen. Ich rang nach Luft und bog um die nächste Ecke.

Was, wenn sich alles wiederholte? Wenn diese Rolle dafür sorgen würde, dass meine Freundschaft zu Aven zerbrach? Wenn sie unterschätzte, was alles auf uns zukam, sobald die Dreharbeiten mit uns dreien begannen und die Presse immer wildere Gerüchte streute? Es war anstrengend, warum hatte ich das überhaupt gewollt? Ich war es leid, Tag für Tag beweisen zu müssen, dass das, was andere über mich dachten, nicht zutraf. Es nützte doch sowieso nichts. Das hatten die Jahrbuchkommentare in der Highschool gezeigt, und die aktuellen Schlagzeilen bewiesen es erneut. Damals hatte ich geglaubt, dass alles besser werden würde, wenn ich die Schule verlassen hatte und neu anfangen konnte. Wenn es nicht andauernd hinter vorgehaltener Hand heißen würde: Oh mein Gott, hast du das von Megan gehört? Ich dachte, sie und Pat wären Freundinnen. Wie konnte sie nur?

Würde ich zum zweiten Mal eine Freundin verlieren, wenn es hieß: mein Wort gegen die kollektive Meinung der anderen? Noch sagte Aven Dinge wie, ich solle mir keine Gedanken machen, sie wüsste, dass das alles Quatsch sei, was die Presse schreibe, aber wie sah das in einem Monat aus? Wieso hatte ich diese Rolle angenommen, wenn mein Bauchgefühl mir schon bei der Lektüre des Skripts gesagt hatte, dass mir diese Sache potenziell um die Ohren fliegen würde? Sollte ich besser meine Sachen packen und wieder von hier verschwinden? Ließen sich die Drehbücher noch ändern? Konnten die Küsse rausgenommen werden, oder zumindest diese Szene, in der Hayes und ich halb nackt miteinander …

Ein lautes Hupen riss mich aus meiner Panik. Es gelang mir rechtzeitig, stehen zu bleiben, doch nur Zentimeter trennten meine Beine vom Kühlergrill des Wagens, der direkt vor mir zum Halten gekommen war. Mein Magen sackte eine Etage tiefer, ich hob entschuldigend die Arme. Meine Brust hob und senkte sich schnell, während ich rückwärts zum Bürgersteig ging.

»Verdammt, pass doch auf, wo du hinläufst!«

Mir wurde kalt, als sich die Wagentür öffnete. Bevor die Person ausgestiegen war, hatten sich meine Beine erneut in Bewegung gesetzt. Was ich nun am allerwenigsten wollte, war, weitere Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, auch wenn es wohl angemessen gewesen wäre, mich für meine Unachtsamkeit zu entschuldigen.

Regentropfen verfingen sich in meinen Wimpern, während ich über die Straße lief. Aus welcher Richtung war ich gekommen? Musste ich nach links abbiegen, um zurück zum Hotel zu gelangen, oder weiter geradeaus?

Ich warf einen Blick über die Schulter und sah einige Leute an der Kreuzung, an der ich gerade vor diesen Wagen gelaufen war. Waren das die Menschen von vorhin? Mein Herz raste, mein Brustkorb schmerzte vor Anstrengung, also wich ich in eine Hausnische und tastete nach meinem Handy, nur um festzustellen, dass es sich nicht mehr in meiner Jackentasche befand.

Nein …

Meine Kehle schnürte sich weiter zu. Was hatte ich dem Universum getan? Jegliche Insekten, die sich in meine Wohnung verirrten, brachte ich stets unversehrt zurück nach draußen, die einzigen Lebewesen, die ich manchmal zerquetschte, waren Moskitos, aber hallo, wie sollte man die anders loswerden, vor allem nachts? Ich war ein guter Mensch, ich bemühte mich. Warum lief seit geraumer Zeit nahezu alles in meinem Leben schief, und warum ging es hier angekommen genauso weiter?

Nun, wo ich verstand, dass ich nicht einmal ein Handy bei mir hatte, um Holly zu erreichen, breitete sich ein unbeherrschbares Beben in mir aus. Ich wusste nicht, wo ich war, wie ich zurück in mein Hotel finden sollte. Neben mir öffnete sich eine Tür. Eine Gruppe lachender Leute trat nach draußen, sie gingen an mir vorbei, ich brachte kein Wort heraus und presste mich mit dem Rücken gegen die Hauswand. Erst als sie einige Meter entfernt waren, trat ich aus meinem Versteck. Bevor ich verstand, was ich tat, schlüpfte ich durch die Tür.

Die Bar, aus der die Leute gekommen waren, war nicht besonders gut besucht, das Licht war schummerig. Ich würde jemanden, der hier arbeitete, bitten, mir den Weg zum Hotel zu erklären. Vielleicht ließen sie mich auch telefonieren. Nicht, dass ich Hollys Nummer auswendig wusste, aber vielleicht konnte man mich am Front Desk des Fairmont zu ihr durchstellen. War so etwas datenschutzrechtlich überhaupt möglich?

Egal. Erst mal musste ich von diesem Schaufenster weg, durch das man mich von draußen sehen würde. Meine Finger hörten nicht auf, zu zittern. Einige Köpfe drehten sich in meine Richtung, als ich gegen einen der Stühle stieß. Meine Knie fühlten sich weich an, meine Atmung wollte sich einfach nicht verlangsamen. Was war los mit mir?

Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen, als ein Kerl an der Bar aufstand. Athletisch, groß, blondes Haar, irgendwie besorgter Blick. Ich wich reflexartig zurück, als er auf mich zukam, und warf einen Blick über die Schulter. Wo war die Toilette? Vielleicht konnte ich mich dort verstecken, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Aber wie sollte ich dann Holly erreichen? Ich musste …

»Hey.« Er stand schon vor mir. Ich wollte rennen. »Brauchst du Hilfe?«

3. KAPITEL

Cole

Auch wenn wir alle sehr erleichtert sind, dass die Patientin den Transfusionsvorfall, so zumindest scheint es derzeit, ohne bleibende Schäden überlebt hat, sehe ich mich gezwungen, Sie aufgrund der aktuellen Umstände bis auf Weiteres von Ihrer ärztlichen Tätigkeit in unserem Haus freizustellen.

Ich hatte wortlos genickt, meine Ausweise und Schlüssel abgegeben und die Klinik verlassen.

Niemand hatte geschrien oder mich verurteilt. Alle waren ruhig geblieben, und mit jedem weiteren schockierten oder mitfühlenden Blick aus der Kollegschaft wollte ich ein wenig mehr sterben. Die Klinikdirektorin hatte mir einen Anwalt empfohlen. Rein provisorisch. Ein erfahrener Ansprechpartner im Medizinrecht, spezialisiert auf Fehler der ärztlichen Kunst.

So nannten wir das. Kunstfehler. Etwas, das man von der Pike auf gelernt hatte, weil es zu wichtig war, um es falsch zu machen. Bis man es doch falsch machte.

In der ersten Nacht hatte ich nicht geschlafen. Noch am selben Abend war Sam vorbeigekommen, um sich zu erkundigen, wie es mir ging. Ich hatte meinem besten Freund kaum ins Gesicht sehen können.

Es ging nicht.

Was wäre gewesen, wenn er die Verwechslung nicht bemerkt hätte? Ich hätte dieses Blutprodukt vollständig transfundiert und wahrscheinlich nur noch dabei zusehen können, wie die Frau an einem Multiorganversagen aufgrund der Blutgruppeninkompatibilität verstorben wäre. Was sie nicht war. Weil Sam es rechtzeitig bemerkt hatte. Aber was, wenn er es nicht bemerkt hätte?

So drehten sich meine Gedanken im Kreis.

Warum waren Sie noch im Dienst?

Wieso sind Sie nicht nach Hause gegangen?

Ja, warum wohl? Weil diese verdammte Notaufnahme wie immer unterbesetzt war und ich mich nicht erinnern konnte, wann ich das Krankenhaus zuletzt zu meiner offiziellen Feierabendzeit verlassen hatte. Genau wie all meine Kolleginnen und Kollegen. Alle wussten, dass sie zu viel arbeiteten, zu wenig schliefen, alle machten es mit, weil es nicht anders ging. Alle waren wütend, weil sich nichts änderte. Aber warum sollte sich auch etwas ändern, schließlich funktionierte es doch auch so.

Bis es eben nicht mehr funktionierte. Bis jemand zu müde, zu überarbeitet, zu unkonzentriert war und einen leichtsinnigen Fehler machte. Warum, verdammte Scheiße, hatte ich das sein müssen?

Diese Frau wäre beinahe gestorben. Und ich ganz allein hätte sie auf dem Gewissen gehabt.

Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir Sie hier als Kollegen sehr schätzen. Dennoch halten wir es für sinnvoll, wenn Sie sich eine Auszeit nehmen, solange rechtlich noch nicht alles geklärt ist.

Eine Auszeit. Schon klar. Der weniger drastische Begriff für Suspendierung, solange noch in den Sternen stand, ob man mir die Approbation entziehen würde und ich überhaupt wieder ärztlich tätig werden konnte. Ob alles umsonst gewesen sein würde, acht Jahre Studium, zweieinhalb Jahre als Assistenzarzt in der Notfallmedizin … Würden sie mir die Weiterbildungszeit aberkennen? Würde ich dann in ein anderes Fach wechseln können? Würde ich das überhaupt wollen? Stellte ich mir diese Frage gerade wirklich? Verdammt, ich musste klarkommen. Und atmen.

Existenzängste waren mir bislang fern gewesen. Klar, dieses Studium kam mit zahlreichen Gründen, sich um die Zukunft zu sorgen, es begann bereits mit der Angst, überhaupt zugelassen zu werden und feststellen zu müssen, dass jemand wie ich tatsächlich nicht für eine akademische Karriere geeignet war. Auch wenn meine Eltern mich mit ihrer Skepsis gegenüber dieses Studiums stets daran erinnert hatten, war es mir gelungen, mich davon freizumachen. Was außer mein Bestes sollte ich geben, und wenn das nicht reichte, dann war es wohl auch besser so. Ganz einfach. Wer sich sorgte, litt doppelt, also sorgte ich mich nicht, sondern arbeitete, lernte und lebte. Es hatte funktioniert, wider Erwarten war ich erfolgreich durch diese Ausbildung gekommen, ich hatte alles mitgenommen, auf wenig verzichtet und mein Ziel erreicht. Mit ihm hatte sich das Gefühl einer gewissen Sicherheit eingestellt, nach der ich mich eigentlich nie gesehnt hatte, aber gut zu wissen, dass ich die horrenden Studienkredite abzahlen konnte und obendrein etwas Sinnvolles tat, war es trotzdem. Es hatte sich gelohnt. Zumindest auf dem Papier. Es hatte sich alles so gut angehört. Ich würde meine erste richtige Stelle antreten, hochmotiviert, aber verhältnismäßig erschöpft und ausgebrannt von diesen acht Jahren, die rückblickend irgendwie kaum vorbereiten konnten auf das, was nun kam. Ich würde feststellen, dass alles nicht ganz so einfach war wie in meiner Vorstellung. Ich würde nicht immer die Art von Arzt sein, die ich mir geschworen hatte, zu werden. Ich würde Patientinnen und Patienten nicht so behandeln, wie mein Gewissen es eigentlich verlangte, ich würde nach Gesprächen mit der Klinikleitung versuchen, schneller zu sein, Kosten und Zeit zu sparen, ich würde Behandlungen durchführen, die ich eigentlich nicht beherrschte, ich würde in diesem eiskalten Wasser lernen zu schwimmen, so wie alle es lernten. Ich würde ein bisschen abstumpfen, zwar nicht entspannter werden, aber gelassener, ich würde mich an den Gedanken klammern, dass es wirklich nicht so ideal lief, aber solange es funktionierte, würde ich mir sagen, Augen zu und durch. Nicht grübeln, sondern machen.

War nun der Punkt erreicht, an dem ich mir zum ersten Mal eingestehen musste, dass ich womöglich nicht der Richtige war für diesen Beruf? Es war doch alles, was ich immer gewollt hatte. Es war meine ganze beschissene Identität. Oh, Arzt. Wow, das könnte ich nicht.

Tja. Sah ganz danach aus, als könnte ich es auch nicht.

Ich hatte nicht gewusst, dass man in der Lage war, so viel auf einmal und gleichzeitig überhaupt nichts zu spüren, aber hier war ich und konnte nicht einmal aufhören zu grübeln. Auch nicht, als Sam Sonntagnachmittag erneut vorbeischaute, um mich aufzumuntern, oder was auch immer. Da ich weder in der Lage war, mit dieser Situation umzugehen, geschweige denn, mit anderen darüber zu sprechen, was gerade in mir vorging, lenkte ich das Gespräch schließlich auf Sams Hochzeit. Alles war besser, als vor ihm in Tränen auszubrechen, was ich bei meinem Glück demnächst getan hätte. Stattdessen erkundigte ich mich, ob Laurie und er mit den Vorbereitungen vorangekommen waren und bei etwas Unterstützung benötigten.

»Wir müssen darüber jetzt nicht reden«, sagte er sofort. Doch, mussten wir. Ich würde sonst den Verstand verlieren. »Außer du willst gerade lieber Ablenkung«, fügte er hinzu, weil er mich offensichtlich kannte wie nur wenige andere. Das war eigentlich kein Geheimnis. Wir hatten genügend Bullshit gemeinsam durchgemacht, aber daran würde ich mich jetzt garantiert nicht auch noch erinnern.

Zu nicken genügte, und Sam hatte verstanden. Ich musste mich bemühen, ihm aktiv zuzuhören, und meinen Gedanken verbieten, sich weiter im Kreis zu drehen, als er von Lauries und seiner Entscheidung nach dem Probeessen erzählte, bei dem wir neulich gewesen waren.

»Ich würde absolut verstehen, wenn du dazu gerade keinen Kopf hast«, fuhr er fort. »Aber übermorgen wäre eigentlich der Termin bei der Anprobe. Ich kann auch anrufen und ihn verschieben.«

»Warum?«, fragte ich. »An mir scheitert es nicht, ich habe jetzt schließlich außerordentlich viel Zeit.«

»Cole«, sagte Sam nur, weil er gerade anscheinend wenig empfänglich war für meinen Zynismus. Die einzige Möglichkeit für mich, mit Dingen umzugehen. Normalerweise akzeptierte er, dass ich so war, aber nicht jetzt. Was wiederum bewies, wie verflucht abgefuckt und aussichtslos das alles war.

»Was?«, murmelte ich. »Es ist die Wahrheit. Arbeiten werde ich so schnell garantiert nicht wieder.«

Und was das bedeutete, war mir klar. Dass zwar mein Gehalt ausgesetzt werden würde, nicht aber meine Miete oder die Rückzahlungsraten meines Studienkredits, die ich mit Aufnahme meines Jobs ordentlich aufgestockt hatte, um den besorgniserregenden Brocken Schulden schnellstmöglich abzustottern.

»Vielleicht klärt sich alles rasch auf, und du kannst schon nächste Woche wieder zurückkommen.«

Ich lachte. »Ja, bestimmt. Vielleicht können die mich in den Filmstudios doch dauerhaft als medizinische Betreuung gebrauchen und nicht nur für diese Außendrehs, für die Teddie und ich uns eingetragen haben.« Zu bitter, dass ich den auf einige Monate befristeten Job dort abgelehnt hatte, weil es mir etwas ambitioniert vorgekommen war, neben dem Brotjob in der Klinik noch jede freie Minute als Honorararzt am Set zu verbringen und die Filmleute bei ihren Stunts zu betreuen, auch wenn ich die Vorstellung interessant gefunden hatte. So was war eigentlich genau mein Ding. Mal den Blick über den eigenen Tellerrand wagen und etwas Neues ausprobieren. In meinem Job war jede Erfahrung eine wertvolle Erfahrung. Korrigiere: in meinem Ex-Job. Wie auch immer. Es war nicht länger relevant.

»Oder du nimmst dir jetzt mal etwas Zeit für dich?«, schlug Sam vor. Um was genau zu tun? Mir eine entspannte Pause in einem Spa zu gönnen nach all den Strapazen?

»Gute Idee«, sagte ich. »Ich schlafe jeden Tag aus, treffe mich zum Brunch mit meinen Freund … Moment, nein, ihr arbeitet ja alle.« Ich seufzte dramatisch.

»Du hast die letzten Jahre durchgehend geackert, Mann. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, mal etwas runterzukommen.«

Das würde mir sicher gelingen. Ich würde auch überhaupt nicht andauernd grübeln, die Situation in Gedanken wieder und wieder durchgehen und mich für alles, was geschehen war, fertigmachen.

»Ja, klar.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber du weißt doch, mir wird langweilig, wenn ich nichts zu tun habe.«

Sam musterte mich wenig überzeugt, aber ich bemühte mich, meine latente Verzweiflung für mich zu behalten. So beschissen das gerade alles war, ich würde das mit mir selbst ausmachen. So wie ich immer alles mit mir selbst ausmachte. Das war besser so, wie ich gelernt hatte.

Vielleicht konnte ich mich bei den Filmstudios erkundigen, ob noch immer eine ärztliche Betreuung für die Stunts während der gesamten Dreharbeiten gesucht wurde. Ansonsten blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mal bei der Bank anzurufen und herauszufinden, wie das aussah, wenn ich die Rückzahlungsraten des Kredits auf unbestimmte Zeit pausieren musste.

Ich versprach Sam, wie geplant zu dem Termin bei der Schneiderin mitzukommen, und googelte erst, wie viel so ein maßangefertigter Anzug kostete, als er schließlich verschwunden war. Ich hätte es wohl besser sein gelassen. Vielleicht würde ich einfach den Anzug tragen, den ich mir vor ein paar Jahren für die Examensfeier angeschafft hatte. Gott, das war erbärmlich. Es war die Hochzeit meines besten Freundes, und ich war sein Trauzeuge. So wenig ich mir persönlich aus Dingen wie Liebe und Beziehung machte, so bewusst war mir doch, wie wichtig Laurie und Sam dieser Anlass war. Sie gingen den Bund der Ehe ein, weil sie offenbar die goldene Ausnahme waren, wobei, irgendwie auch nicht, wenn ich mir den Rest meiner Freundesgruppe so ansah. Alle glücklich und vergeben, was mir völlig logisch vorkam, schließlich waren sie allesamt tolle Menschen. Ich allerdings war dafür nicht der Typ. Allein die Vorstellung, mich auf diese Weise an jemanden zu binden, engte mich ein. Ich hatte schon genug Verantwortung im Job. Wobei, jetzt ja nicht mehr … Mein Gott, ich hielt es kaum aus.

In meinem Apartment zu sitzen und zu leugnen, dass ich womöglich meine gesamte Karriere an einem einzigen Vormittag gegen die Wand gefahren hatte, war jedoch auch keine Lösung. Ich musste raus, aber um den Kite auszupacken und aufs Wasser zu gehen, war es zu spät, die Sonne war bereits untergegangen, und der Wind ließ aktuell zu wünschen übrig. Ein beliebiges Date wäre wohl die effektivste Ablenkung gewesen, doch wenn ich ehrlich war, wollte ich gerade mit niemandem reden. Erst recht nicht mit jemandem, der womöglich mitbekommen hatte, was vorgefallen war. Vancouver war ein Dorf, machten wir uns nichts vor, also ließ ich die beliebten Bars und Studikneipen, in denen wir uns hin und wieder nach dem Dienst auf Drinks und ein paar Runden Dart trafen, links liegen. Ich wollte weder jemandem begegnen, der mit mir arbeitete, noch auf eine Person treffen, die mich so gut kannte, dass sie anfangen würde, Fragen zu stellen. Auf Ed, in dessen Laden ich fast mein ganzes Studium über hinter der Bar gejobbt hatte, traf das zwar eigentlich auch zu. Da er aber noch nie ein Mann großer Worte gewesen war, traute ich mich hin und bereute es nicht. Er schob mir wortlos einen Scotch zu, als ich an der Bar Platz genommen hatte.

Viel los war nicht. Es war Sonntagabend, der Laden hatte seine besten Zeiten gesehen, aber es war immer angenehm gewesen, hier zu arbeiten. Entspannter als in den von Touris überlaufenen Lokalen ein paar Blocks weiter. Ein bitteres Lachen stieg in mir auf, als ich überlegte, Ed gleich zu fragen, ob er mich wieder einstellte. Wer wusste, ob das mit diesem Job am Set noch aktuell war. Ich war verzweifelt genug, um Scott eine Nachricht zu schicken. Er war jemand, der solche Dinge entweder wusste oder genügend Leute kannte, um sie schnell und effektiv in Erfahrung zu bringen.

Ja, Toni sagt, die suchen noch, antwortete er nach wenigen Minuten. Warum?

Tja, schon schäbig, einen Freund anzulügen, aber da mein Beruf doch nun einmal meine gesamte Identität war, brachte ich es nicht über mich, Scott zu erzählen, was geschehen war. Es reichte, dass Sam Bescheid wusste und ich in meiner Verzweiflung am Wochenende mit Amber über den Vorfall hatte sprechen müssen.

Es war nicht so, dass ich Scott weniger vertraute, aber wenn ich in Betracht zog, mich für diese Stelle in den Filmstudios zu bewerben, würde es vermutlich nicht helfen, wenn sein Manager Toni davon hörte, dass ich gerade aus rechtlichen Gründen vom Dienst in der Klinik suspendiert war.

Die Antwort, die ich Scott schickte, kam mir lächerlich vor, aber was sollte ich machen. Hoffen, dass er mir abnahm, dass ich nachgedacht und irgendwie doch Lust darauf hätte, neue Erfahrung zu sammeln. Etwas anderes blieb mir nicht übrig.

IchkannTonibitten,dasindieWegezuleiten, schrieb er. Nichtslieberalsdas, dachte ich zynisch, bedankte mich aber, wie es sich gehörte. Dann schob ich mein Handy mit einem Seufzen zurück in die Tasche. Vielleicht eine Sorge weniger. Oder auch nicht. War das überhaupt legal, eine andere ärztliche Tätigkeit auszuüben, solange man wegen eines Kunstfehlers freigestellt war? Das eine betraf schließlich nicht das andere, und noch war ich in Besitz meiner Approbation, oder etwa nicht? Was für ein Scheißdreck. Ich wollte in der Zeit zurückreisen und diesen dummen Fehler ungeschehen machen.

Aber das konnte ich nicht. Stattdessen starrte ich abwesend die Wand an, nachdem eine größere Gruppe die Bar unter lautem Gejohle verlassen hatte. Ich legte die Finger um mein Glas und warf einen Blick zur Seite, als das Glöckchen an der Glastür läutete. Mit Sicherheit verlaufen. Das war mein erster Gedanke, als ich sie sah. Und ich meine, konnte man es mir verübeln? Die junge Frau, die gerade hereinkam, war das exakte Gegenteil der Mittfünfziger, die sich hier trafen, um bei ein paar Bieren gemeinsam Eishockey zu schauen und sich politisch unkorrekt über die Ice Girls zu äußern.

Sorry,das515isteineEckeweiter.Ja,einFehleraufMaps,dieAdressewirdwohlnichtkorrektangezeigt,haha.EuchnocheinenschönenAbend. Ich hatte es so oft zu verirrten Feierwütigen gesagt, die Worte hatten sich eingebrannt. Jetzt war ich bereit, sie zu wiederholen, obwohl ich hier gar nicht mehr arbeitete. Doch anstatt verwirrt die Inneneinrichtung der Bar zu betrachten, warf sie einen Blick über die Schulter und wich von der Tür weg. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, die dunklen Haare fielen über den Kragen ihres Mantels. Sie sah nicht aus, als würde sie nur ihre Freundinnen suchen. Vielmehr schien sie sich hier verstecken zu wollen. Ihre Augen weiteten sich, als ich aufstand. Sie sah sofort zurück zum Ausgang.

»Hey.« Sie zuckte so heftig zusammen, dass ich auf der Stelle stehen blieb, um ihr nicht zu nahe zu kommen. Und Scheiße, was für eine Frau. Ziemlich sicher hatte ich nie Haut gesehen, die weicher aussah als ihre. Ihre Lippen waren geöffnet und perfekt, ihre Augen weit aufgerissen. Jadegrün und voller Angst. Ich hob wie von selbst beide Hände, als sie vor mir zurückwich. »Brauchst du Hilfe?«

»Was?«, murmelte sie fahrig und sah erneut zur Tür. Ihre Hände glitten in die Taschen ihres geöffneten Mantels und von dort zu ihrer Jeans.

»Folgt dir jemand?«

Sie lachte freudlos auf, doch nach einem Augenblick schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich … ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, aber …« Ihre Stimme bebte, sie brach ab, als draußen ein paar Leute vorbeiliefen. »Ich … ich muss jemanden anrufen, aber ich weiß die Nummer gar nicht, es ist alles in meinem Handy, aber ich muss es verloren haben, wobei ich auch gar nicht sagen kann, ob ich es wirklich eingepackt hatte, als ich vorhin aus dem Hotel kam und losgelaufen bin. Und jetzt weiß ich nicht mal mehr, aus welcher Richtung ich kam, geschweige denn, wie ich dorthin zurückfinden soll und …«

»Welches Hotel?«, fragte ich.

Sie starrte mich voller Grauen an und wurde noch ein wenig blasser.

»Du musst es mir nicht sagen«, fügte ich sofort hinzu. Es war so ein Gefühl. Wenn sie sich gerade verfolgt fühlte, war einem fremden Mann ihren Wohnort zu verraten mit Sicherheit das Letzte, was sie wollte. »Wir finden eine Lösung, versprochen. Wie heißt du?«

Doch anstatt zu antworten, schüttelte sie nur den Kopf und drehte sich von mir weg. Kannte ich sie? Aus irgendeinem Grund kam sie mir bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo ich sie einzuordnen hatte. Vielleicht eine ehemalige Patientin? Mein Gesichtergedächtnis war furchtbar, was mich bereits in die ein oder andere unangenehme Situation gebracht hatte. Aber das spielte nun keine Rolle. Ich spürte, wie die Stimmung kippte und sie immer panischer wurde.

»Sorry, ich … tut mir leid.« Sie presste eine Hand gegen ihre Brust und griff nach der Rückenlehne eines Stuhls in ihrer Nähe. Genug war genug.

»Wie wäre es, wenn du dich erst mal setzt?«

»Nein«, stieß sie hervor.

»Okay.« Ich blieb mit meinem Sicherheitsabstand vor ihr stehen. »Gibt es etwas anderes, das ich tun kann, um dir zu helfen?«

Sie schluckte angestrengt und blinzelte. »Ich weiß es nicht, ich … mein Herz hört einfach nicht auf, zu rasen, und ich … ich bekomme irgendwie gar nicht richtig Luft. Gott, Scheiße, ich … das ist so peinlich.«

»Es ist nicht peinlich«, sagte ich. »Hattest du schon mal eine Panikattacke?«

»Was? Nein, ich … Denkst du, das ist eine?«

»Es kommt mir nicht unmöglich vor.«

»Okay, und wie hört es wieder auf?«

»Indem du dich hier hinsetzt und mich anschaust.«

Sie schüttelte den Kopf, nahm aber auf einem der Barhocker Platz. Ich blieb vor ihr stehen. »Vielleicht sterbe ich.«

»Falls dem so wäre, hast du Glück gehabt. Ich bin Arzt.«

»Oh.« Sie hielt kurz inne und sah zu mir auf. Und ja, oh. Ich konnte nicht zählen, wie oft ich diesen Satz bereits gesagt hatte, doch heute fühlte er sich auf einmal an wie eine Lüge. Wegschieben, nicht daran denken. Nicht jetzt. Es kam mir vor, als sähe sie mir zum ersten Mal richtig ins Gesicht und nicht nur durch mich hindurch. Ihre Augen waren immer noch weit aufgerissen, ihre Haut blass. »Ist das so?«

»Ja. Und jetzt atmen wir«, erklärte ich und machte es ihr vor. »Ein und aus. Und noch mal. Genau so.«

Ihr Blick klebte auf mir, ihre Hände zitterten noch, und als Tränen in ihre Augen traten, wollte ich sie am liebsten in den Arm nehmen. Aber ihre Atemfrequenz verlangsamte sich, und nach einer Weile wich der gehetzte Ausdruck aus ihren Augen.

Ich zog einen weiteren Barhocker heran und dankte Ed mit einem Nicken, als er uns wortlos ein Glas Wasser über den Tresen zuschob.

»Danke«, murmelte sie, als ich neben ihr Platz genommen hatte. Sie verbarg das Gesicht für einen Moment in beiden Händen. »Ich weiß nicht, was gerade los war. So was ist mir noch nie passiert.«

»Gibt für alles ein erstes Mal, schätze ich.« Ich gab ihr Zeit, einen Schluck zu trinken. Anschließend legte sie den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete durch. »Wenn du einem unbekannten Fremden nicht sagen möchtest, in welches Hotel du musst, kann ich dich zur Polizei begleiten. Das Revier ist gleich um die Ecke, dort können sie dir sicher helfen.«

»Oh, nein … das ist …« Sie wandte mir das Gesicht zu und stockte. Scheiße, sie war schön. Alles an ihr war feminin und zart, ihre Lippen voll, ihre Wimpern lang. »Ich muss ins Fairmont«, fügte sie nach einem Moment hinzu.

»In welches?«

Sie blinzelte und sah aus, als würde sie am liebsten in Tränen ausbrechen. »Es gibt mehrere?«

»Ja, aber sie befinden sich in fußläufiger Nähe zueinander. Zumindest das Waterfront und Pacific Rim. Ist es eins davon?«

»Ich weiß nicht, meine … eine Freundin hat das für mich gebucht.«

»Hast du direkten Blick aufs Wasser?«

Ihr Gesicht hellte sich auf. »Ja!«

»Und dein Zimmer hat keinen Zebrastreifen-Gedächtnisteppich, richtig?«

Sie stutzte. »Wie bitte?«

»Nein? Okay, dann ist es das PacificRim, Glückwunsch. Sonst wüsstest du genau, wovon ich rede. Ich kann dich hinbringen.«

Meine Worte überforderten sie, das war mir klar, aber sie lenkten sie auch ab. Eine Fähigkeit, die ich mir mit den Jahren im Rettungsdienst angeeignet hatte. Einfach reden und Fragen stellen, ohne die kleinen Zeichen zu übersehen, die mir Hinweise zum Wohlbefinden meines Gegenübers lieferten. Auf Herzfrequenz und Blutdruck konnte ich hier zwar nicht zurückgreifen, aber ihre weniger blasse Gesichtsfarbe und die normalisierte Atemfrequenz reichten auch, um zu bemerken, dass es funktionierte.

»Bist du auch dort untergebracht?«, fragte sie.

»Nein, ich wohne hier. Also in Vancouver. Nicht in einem Fünf-Sterne-Schuppen.«

»Kann man sich das als Arzt etwa nicht leisten?«

Okay, Schlagfertigkeit und Humor. Es ging ihr also besser. Ich lächelte. »Doch, aber man hat keine Zeit dafür.«

Sie lachte leise, ein schönes Geräusch. Ihre Schultern wirkten nicht mehr ganz so verkrampft, und ihre Finger bebten nur noch leicht. Ein Glück. »Und dennoch bist du über die Bodenbeläge in beiden Hotels informiert.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin eben sehr aufmerksam, auch dann noch, wenn ich mich nach einem Medizinkongress im Canada Place als Begleitung in das ein oder andere Zimmer zur Verfügung stelle.«

Vielleicht lag es an dem schummerigen Licht hier drinnen, aber es kam mir vor, als legte sich während meiner Worte ein Schatten über ihre Augen. Was redete ich? Sollte das verwegen und cool klingen? Mein Gott, wie alt war ich? Siebzehn? Mehr als zwei Mal war das schließlich nicht vorgekommen.

»Das ist also dein Ding?« Sie schob das Wasserglas vor sich mit den Fingerspitzen hin und her, bevor sie aufblickte und mir ins Gesicht sah. »Als Begleitung mit in Hotelzimmer zu gehen?«

»Wenn es ausdrücklich erwünscht ist?« Ich zuckte mit den Schultern. »Also mit Konsens der jeweiligen Frau und zu einem angemessenen Zeitpunkt.«

Sie schmunzelte. »Schon gut, du musst dich nicht rechtfertigen.«

»Das klang wie eine dämliche Anmache, bitte entschuldige. Ich wollte damit nicht sagen, dass ich als Begleitung mit in dein Zimmer kommen würde.«