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Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1, Freie Universität Berlin (Institut für deutsche und niederländische Philologie), Veranstaltung: GK A+B Gegenwartsliteratur, Sprache: Deutsch, Abstract: 1991 verfilmt Werner Schroeter den 1971 erschienen Roman ‘Malina’ von Ingeborg Bachmann. Elfriede Jelinek, die sich bereits zuvor intensiv mit Bachmann beschäftigt hat, schreibt das Drehbuch zu der Verfilmung: „Von meiner Beschäftigung mit Bachmann hat man, glaube ich, vorher kaum etwas gewußt“, sagt Jelinek in einem Interview mit Dorothee Römhild. Diese Arbeit interessiert sich für Jelineks Behandlung des „Malina-Stoffes“. Den ersten Teil bildet ein relativ weitgefaßter Blick auf den Roman, um die Komplexität dieses Stoffes aufzuzeigen. Ein Vergleich des Romans mit dem Drehbuch ist auf viele Art und Weisen möglich. Ich habe zwei Aspekte ausgewählt: Erstens vergleiche ich die Struktur des Drehbuchs mit der des Romans, zweitens die Personen des Romans mit denen des Drehbuchs. Auf diese Weise sollen in Jelineks Behandlung des „Malina-Stoffes“ Züge einer „persönlichen Lesart“ nachgewiesen werden, die mit einer persönlichen Schwerpunktsetzung einhergegangen sind. Der letzte Teil meiner Arbeit untersucht die Erzählperspektive bei Bachmann und Jelinek und verbindet diese mit den herausgearbeiteten Unterschiedlichkeiten. Leider muß aus Gründen des Umfangs die Frage nach der filmischen Umsetzung durch Werner Schroeter ausgeklammert werden. Thema dieser Arbeit wird auch nicht sein, die dem Drehbuch innewohnenden Zwänge und Notwendigkeiten aufzuspüren, die durch die Transposition von einem Medium ins andere (vom Buch zum Film) entstanden sind. Der mediale Aspekt bleibt also (weitgehend) ausgeklammert.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Themenkomplexe des Romans
3. Das Drehbuch im Vergleich zum Roman
3.1. Struktur des Romans und Arrangement der Szenen im Drehbuch
3.2. Die Personen im Roman und im Drehbuch
3.2.1. Ivan und Malina bei Bachmann
3.2.2. Ivan und Malina bei Elfriede Jelinek
3.2.3. Der Vater bei Jelinek und Bachmann
3.2.4. Das Ich/die Frau
4. Erzählposition Bachmanns und Jelineks: Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1991 verfilmt Werner Schroeter den 1971 erschienen Roman ‘Malina’ von Ingeborg Bachmann. Elfriede Jelinek, die sich bereits zuvor intensiv mit Bachmann beschäftigt hat, schreibt das Drehbuch zu der Verfilmung: „Von meiner Beschäftigung mit Bachmann hat man, glaube ich, vorher kaum etwas gewußt“[1], sagt Jelinek in einem Interview mit Dorothee Römhild. Diese Arbeit interessiert sich für Jelineks Behandlung des „Malina-Stoffes“. Den ersten Teil bildet ein relativ weitgefaßter Blick auf den Roman, um die Komplexität dieses Stoffes aufzuzeigen. Ein Vergleich des Romans mit dem Drehbuch ist auf viele Art und Weisen möglich. Ich habe zwei Aspekte ausgewählt: Erstens vergleiche ich die Struktur des Drehbuchs mit der des Romans, zweitens die Personen des Romans mit denen des Drehbuchs. Auf diese Weise sollen in Jelineks Behandlung des „Malina-Stoffes“ Züge einer „persönlichen Lesart“ nachgewiesen werden, die mit einer persönlichen Schwerpunktsetzung einhergegangen sind.
Der letzte Teil meiner Arbeit untersucht die Erzählperspektive bei Bachmann und Jelinek und verbindet diese mit den herausgearbeiteten Unterschiedlichkeiten.
Leider muß aus Gründen des Umfangs die Frage nach der filmischen Umsetzung durch Werner Schroeter ausgeklammert werden. Thema dieser Arbeit wird auch nicht sein, die dem Drehbuch innewohnenden Zwänge und Notwendigkeiten aufzuspüren, die durch die Transposition von einem Medium ins andere (vom Buch zum Film) entstanden sind. Der mediale Aspekt bleibt also (weitgehend) ausgeklammert.
„Todesarten” des Weiblichen darstellen zu wollen. So hat Ingeborg Bachmann ihr Anliegen anläßlich der Veröffentlichung ihres Romans „Malina” als Teil eines dreiteiligen Zyklus formuliert[2]. „'Todesarten des Weiblichen’, das heißt: das Fehlen von Identifikationsmustern des Weiblichen, jenseits dessen, was männliche Phantasie je als 'weiblich’ imaginierte und definierte: die Vereinnahmung des Weiblichen durch das Männliche“[3]. Das Subjekt in Ingeborg Bachmanns Roman ist gespalten in eine weibliche und eine männliche Hälfte, die sich in einem „permanenten Kriegszustand” befinden. Der Riß, der das weibliche „Ich” von seiner männlichen Hälfte Malina trennt, führt in letzter Konsequenz zu ”ihrer”[4] Vernichtung, da das „Ich” alleine nicht lebensfähig ist. Diese Spaltung hat ihre Ursache in der Gesellschaft, welche auf einem logo- und phallozentrischen Weltbild[5] aufbaut, und dem „Ich“ keinen Platz zuweist. Sie wird somit zum „allergrößten Mordschauplatz”[6]. Einen zentralen Themenkomplex bildet das Schreiben des „Ich“ im Roman: Als Schriftstellerin befindet sich das „Ich” Ingeborg Bachmanns in einer paradoxen Position. Es bedient sich als unvollständiges, weil gespaltenes Subjekt der Sprache, des „logos”. Die Sprache aber, als Teil der Symbolischen Ordnung, die die Welt nach dem „Entweder-oder-Prinzip“ in polare Gegensätze zerfallen läßt, ist eine männlich geprägte Sprache: „An dieser 'Symbolischen Ordnung’ hatte die Frau nie aktiv teil”[7]. Wie also soll weibliches Schreiben aussehen, wenn die Frau in diesem Kontext kein unabhängiges Subjekt darstellt, da das „Weibliche“ innerhalb dieser „Polaren Ordnung” nur als Gegensatz, als „das Andere” definiert wird ? Das Schreiben wiederum dieses „unvollständigen Subjektes” ist nur in einer männlich geprägten Sprache möglich, da die Sprache an sich, als Teil der Symbolischen Ordnung, für „das Andere” keine Ausdrucksmöglichkeit jenseits des durch die Symbole Repräsentierbaren bietet.
„Thema” des Romans ist also die Verdrängung von Weiblichkeit durch das Männliche im Individuum, in der Sprache, wie in der Gesellschaft, wobei dies im Traumkapitel auf einer geschichtlichen Ebene mit dem Faschismus in Zusammenhang gebracht wird: Das „Ich“ wird im Traum durch das übermächtige „Vater -Gesetz“, das die Symbolische Ordnung repräsentiert, eliminiert. Ingeborg Bachmann sucht in ihrem Schreiben einen Ausweg aus dieser scheinbar unabwendbaren Zerstörung des „Ich“. Perspektiven eröffnen bei ihr die Musik: Hier wird vor allem „das bewußtseins -und erlebniserweiternde Moment“[8] wichtig, das heißt, daß Musik eine Dimension jenseits dieser polaren Weltsicht erreichen kann. Im Roman selbst finden sich kompositorische Strukturen[9] auf die hier allerdings nicht näher eingegangen wird. Auch in der Utopie liegt ein solcher Ausweg, das „Ich“ imaginiert sich zum Beispiel in der Legende der Prinzessin von Kagran eine Welt, in der grenzenlose Liebe noch möglich ist, zu einer Zeit, als die Spaltung des Subjekts durch die Symbolische Ordnung noch nicht vollzogen wurde. Das „Ich“ erträumt sich auch eine bessere zukünftige Welt, in der diese Spaltung mittels Liebe wieder aufgehoben werden wird: „Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen schwarzgoldene Augen haben“[10], an dem also die Menschen die unvereinbaren Widersprüchlichkeiten, Gegensätze, Polaritäten, die die Symbolische Ordnung geschaffen hat, wieder in eine Einheit überführen können. Das „Schreiben“ selbst wird bei Bachmann zur Utopie, denn das „Ich“ schreibt die Legende der Prinzessin von Kagran, es schreibt seine utopischen Phantasiebilder auf, begibt sich damit auf die Suche nach einem „weiblichen Schreiben“ in einer „anderen“ Sprache, die sich jenseits der Symbole manifestiert: „Die Basis ist locker und gut, und was auf meinen Boden fällt, das gedeiht, ich pflanze mich fort mit den Worten und ich pflanze auch Ivan fort, ich erzeuge ein neues Geschlecht“[11].
So in etwa könnte man sich der Thematik des Romans annähern. Jedoch verbietet die Vielschichtigkeit des Romans die Festlegung auf ein „Thema”. Ingeborg Gleichauf zitiert in diesem Kontext die Autorin Bachmann selbst in einer Äußerung über Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” und meint, dies ließe sich auch auf Bachmanns eigenes Werk anwenden: „Weil es so umfangreich ist wie ‘Tausendundeine Nacht’, voll von Beziehungen und Welthaltigkeit, wird es viele Möglichkeiten geben, es zu lesen”[12] Auch Elfriede Jelineks Drehbuch wird somit zu solch einer „Möglichkeit“. Ein Vergleich der Struktur des Drehbuches soll zeigen, inwiefern das Drehbuch dem Roman folgt und wo es andere Wege einschlägt.
Der Roman ist in drei Kapitel eingeteilt. In jedem der drei Kapitel wird das „Ich“ in Beziehung zu einer männlichen Instanz gesetzt. Im ersten Kapitel ist es Ivan, an dem das „Ich“ seine Spaltung erfährt, obwohl er für das „Ich” Projektionsmöglichkeit „seiner“ Utopien wird. Die Utopien erweisen sich jedoch als untauglich. Im zweiten Kapitel tritt der Vater des „Ichs” in Träumen dem „Ich” gegenüber, das dritte Kapitel stellt Malina als männliche Hälfte dem „Ich” antagonistisch gegenüber, bis das „Ich” schließlich in die Wand verschwindet. Die Kompostion folgt also einer gewissen Logik. Darin sieht Irene Heidelberger-Leonard die „organische Dynamik“[13] des Romans. Die „Handlung” im Roman entsteht „inwendig”, das heißt, das „Ich” reflektiert in seinem Inneren über das äußere Geschehen. Dieser „stream of consciousess” setzt sich aus mehreren Elementen zusammen, die teppichartig ineinander verwoben sind: Dialogische (vor allem im 3. Kapitel zwischen Malina und dem ich) Passagen, Zitate, die intertextuell eingebaut werden ( z.B. Celan), leitmotivisch verwendete Sätze („Ein Tag wird kommen”), utopische Bilder (Legende der Prinzessin von Kagran), traumartige Szenarien (im zweiten Teil). Jelinek selbst spricht von einem „Montageroman”[14].
Im Drehbuch wird die Dreiteilung des Romans weitgehend eingehalten- Ivan, Vater, Malina behalten ihren Platz in der Chronologie des Verfallsprozesses des „Ich” bei. Es existiert keine Trennlinie wie das zwischen den Kapiteln des Romans der Fall ist. Die reflexiven Gedankenströme werden nach „außen“ in Dialoge verlagert. Dies bringt es mit sich, daß viele der reflexiven Passagen fehlen oder in andere Szenen integriert werden. Ein Beispiel dafür sind die Ausführungen Bachmanns über die verschiedenen Arten des „Du“ -Sagens auf S.130. „Mein Du für Malina ist genau und gegeignet für unsere Gespräche und unsere Auseinandersetzungen. Mein ‘Du’ für Ivan ist ungenau“[15]. Dies verlegt Jelinek im Drehbuch in Szene 9 Vortragssaal (eine von Jelinek hinzuerfundene Szene) in ein Gespräch zwischen Malina und der „Frau“. Ein Strukturproblem des Drehbuchs ist, daß Jelinek zum Teil direkt von Bachmann ganze Sätze und Passagen übernimmt, diese aber aus ihrem reflexiv entwickelten Kontext gelöst werden. So bleibt von Bachmanns Reflexion über die Qualität des des Du’s bei Malina im Gegensatz zu Ivan und der Familiarität, die dieses Wort schafft, bei Jelinek folgendes übrig: „DIE FRAU: 'Wenn ich denke, wie viele unrechtmäßige Duworte ich nach einer Nacht wieder zurückgeholt habe! Als ob ich sie alle für dich gespart hätte. Zu dir könnte ich nie 'Sie' sagen'! MALINA: 'Und zu wem sagst Du 'Sie''? DIE FRAU: ‘Das sind die anderen Männer, mit denen etwas sein könnte'“[16]. Im Interview von Dorothee Römhild spricht Elfriede Jelinek von Ihrem Drehbuch als „eine Art Filmpartitur"[17] und „Der Montagecharakter des Drehbuchs entspricht dem ( Montageroman Malina, Anm. der Verf.)“[18]. Irene Heidelberger-Leonard sieht dadurch aber die „organische Dynamik“ zerstört[19]. Zum Beispiel ist bei Jelinek Malina schon von der ersten Szene an präsent, während er im Roman erst in den Dialogen im dritten Kapitel wichtig wird. Trotz grundsätzlicher Orientierung an der groben 'Handlungsführung' Bachmanns (Ivan und das „Ich“, Besuch bei den Altenwyls, Traumsequenzen, Dialoge mit Malina, Verschwinden im „Riß“ in der Wand) ist das ein grundsätzlicher Unterschied zum Roman: Wichtig ist auch, daß Jelinek die Reflexionen über das Phänomen der Öffentlichkeit im ersten Kapitel nicht übernimmt, wo „dieses Gemetzel in der Stadt“[20]mit der Gesellschaftlichkeit der Altenwyls in Verbindung gebracht wird. Diese tauchen zwar bei Jelinek auf, aber in anderem Kontext, nämlich als vermeintliche Rückzugsmöglichkeit, nicht paradigmatisch für den „Mordschauplatz Gesellschaft“.
Die im Traumkapitel vorgegebenen Bilder gestaltet Jelinek fast fotographisch nach der Vorlage, jedoch fehlen vor allem die Träume, die eng mit dem Utopischen in Verbindung stehen, z.B. der „Wüstentraum“ und der Traum, der eine Art Gleichnis von drei Steinen erfindet. Der „Gaskammertraum“, welcher die Geschlechterproblematik in den Kontext des Faschismus stellt, fehlt auch, allerdings behält Jelinek diese Dimension in der Übernahme des „Gerichtstraums“, wo der Vater in einer SS-Uniform auftritt. Irene Heidelberger-Leonard kritisiert allerdings, daß diese Dimension sich bei Jelinek auf nur ein Bild reduziert (Vater in SS-Uniform), das sich „durch keine inhaltliche Notwendigkeit rechtfertigen“ läßt[21]. Hier kommt also wieder das bereits erwähnte Strukturproblem zum Tragen. Auch hat Jelinek auf Szenen des Romans verzichtet, in denen der Musik eine besondere Bedeutung zukommt.[22] Musik existiert bei ihr nur als „Hintergrundgedudel“: (Szene 20: „Das Autoradio dudelt laut“; Szene 80: „Es ertönt die blöde Volksmusik aus einem Radio, die die Regionalsender der Rundfunkanstalten so bringen“).