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Innovative Versorgungsmodelle E-Book

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Beschreibung

Die BG Kliniken versorgen – im Auftrag der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und mit allen geeigneten Mitteln – Versicherte nach einem Arbeits- oder Wegeunfall oder mit einer Berufskrankheit. Derzeit unterliegt die medizinische Versorgung in Deutschland einem weitgehenden Wandel. Die Zukunft der BG Kliniken wird insbesondere durch die Spezialisierung in der Medizin und die Herausforderungen der Sicherstellung einer umfassenden medizinischen Versorgung wesentlich geprägt. Die BG Kliniken haben eine Gesamtstrategie für die zukünftige Ausrichtung der medizinischen Einrichtungen entwickelt: Das Standortbezogene Integrative Versorgungsmodell (IVM) beschreibt die Fokussierung der BG Kliniken auf ihren Kernauftrag in Verbindung mit strategischen Kooperationspartnerschaften. Mit der Umsetzung der Strategie werden die Versorgungsmodelle der BG Klinikstandorte konsequent weiterentwickelt, damit die BG Kliniken ihren gesetzlichen Auftrag auch in Zukunft erfüllen können. In diesem Fachbuch melden sich die BG Kliniken als relevante Akteure und Vorreiter bei den Gestaltungsaufgaben in der Gesundheitsversorgung nachhaltig zu Wort: Das Buch vermittelt Entwicklungen, Perspektiven und Chancen für die Versorgungsstrukturen und ist Wegweiser in die Zukunft innovativer Versorgungsmodelle.

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Seitenzahl: 533

Veröffentlichungsjahr: 2023

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R. Nieper | A. Ekkernkamp | V. Glöckner (Hrsg.)

Innovative Versorgungsmodelle

Entwicklungen. Perspektiven. Chancen

mit Beiträgen von

B. am Orde | H. Audebert | M. Bamberg | F. Bergmann | S. Bohm | C. Bornschein | M. Bovet | S. Brandenburg | C. Breunig | S. Cleemann | H.-P. Daniel | J. Deerberg-Wittram | D. Dettling | S. Dieffenbach | C. Dreißigacker | M. Dudda | A. Ekkernkamp | A.C. Elvering | M. Endres | H. Erdur | A. Fierek | A.-K. Fischer | L.O. Freiberg | A. Gather | V. Glöckner | B. Göke | B. Götz-Paul | M. Graefen | J. Graf | T. Groll | T. Grübl | M. Grüne | P.-A. Grützner | A. Gutcke | H.-F. Günther | N. Haas | D. Habekost | T. Hagdorn | T. Hagemeijer | T. Harbaum | H. Hauptmann | J. Hecken | S. Heinze | H. Heinzer | F. Hempel | H.-J. Hennes | M. Herbst | H. Hildebrandt | T. Histing | E. Höller | H. Huland | S. Hussy | C. Iken | M. Jones | S. Just | H.-P. Kern | S. Kinze | J. Klimke | U. Kneser | E. Kreßel | B. Kühn | S. Langer | O. Lauth | G. Layer | M. Liebig | C. Löschmann | J. Lütticke | M. Manke | F. Miedaner | T. Moesta | A. Mühlbacher | H. Müller | M. Münzberg | M. Müschenich | F. Niederbühl | R. Nieper | G. Ohm | N. Pecquet | P. Ritter | C. Reimertz | C. Rexrodt | B. Roelfsema | M. Rowedder | A. Schachtrupp | I. Schmehl | B. Schmucker | G. Sonntag | D. Stengel | C. Straub | P. Supantia | I. Thon | E. Toepler | L. Wamprecht | M. Wanck | M. Weerts | J.A. Werner | E. Westerholt | C. Zechel

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Die Herausgeber

Reinhard Nieper

BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH

Leipziger Platz 1

10117 Berlin

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c.

Axel Ekkernkamp

BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH

Leipziger Platz 1

10117 Berlin

Dr. rer. pol. Verena Glöckner

BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH

Leipziger Platz 1

10117 Berlin

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstraße 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-795-6 (eBook: ePDF)

ISBN 978-3-95466-817-5 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2023

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Meike Daumen, Lisa Maria Pilhofer, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Coverbild: © talang/Adobe Stock

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Vorwort

Für das Gesundheitswesen in Deutschland stehen wichtige Entscheidungen an. Die kommenden Jahre werden geprägt sein durch Themen wie die Gewinnung von qualifiziertem Personal, die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben, die auskömmliche Finanzierung von Leistungen, die Gewährleistung qualitativ-hochwertiger Versorgung und die Bewältigung der Pandemiefolgen. Notwendige Reformen im Krankenhausbereich werden folgen und die ersten Vorschläge zur Gestaltung der Krankenhausreform wurden im Dezember 2022 durch die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgelegt.

Für Einrichtungen im Gesundheitswesen ist es ihrerseits wichtig, sich diesen Themen frühzeitig zu stellen und in der eigenen Unternehmensstrategie entsprechend zu berücksichtigen. So haben auch die BG Kliniken bereits 2018 ein strategisches Konzept entwickelt, um sich zukunftssicher aufzustellen. Mit dem „Standortbezogenen Integrativen Versorgungsmodell (IVM)“ haben wir einen strategischen Rahmen für die Weiterentwicklung der BG Kliniken definiert, der ausreichend Platz für agiles Handeln und standortspezifische Besonderheiten lässt.

Die BG Kliniken unterstützen ausdrücklich die Bestrebungen der Gesundheitspolitik, die Spezialisierung der Krankenhäuser und die Kooperation zwischen den Krankenhäusern weiter zu befördern. Die BG Kliniken werden nach dem Siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung vorgehalten, um ihrer Verpflichtung zur Versorgung von Verletzten nach Arbeits- und Wegeunfällen sowie zur Behandlung von Berufskrankheiten nachzukommen. Damit haben wir einen besonderen Auftrag, übernehmen aber zugleich auch mit der Versorgung von SGB-V-Patienten eine wichtige Versorgung für die Gesamtbevölkerung. Seit 2019 arbeiten wir sehr eng mit den Bundeswehrkrankenhäusern zusammen. Die Bundeswehrkrankenhäuser sind – zusammen mit den BG Kliniken – mit ihrer einzigartigen Expertise in der Versorgung von Verletzten ein unverzichtbarer Bestandteil der nationalen Sicherheitsvorsorge der Bundesrepublik („Gesundheitsversorgung in der Gesamtverteidigung“).

Zentrales Anliegen dieses Buches ist es, Entwicklungen, Perspektiven und Chancen für die Versorgungsstrukturen im Krankenhausbereich zu vermitteln und diese in die dynamische Entwicklung insgesamt einzubetten. Es soll als Wegweiser in die Zukunft innovativer Versorgungsmodelle dienen.

In Teil I wird daher zunächst die Zukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Darüber hinaus haben wir einige Expert:innen nach ihrer Einschätzung zu den Erwartungen an die zukünftige Krankenhausversorgung im Rahmen von drei Focus-Fragen in Teil II gebeten. In Teil III werden verschiedene innovative Versorgungsansätze vorgestellt, insbesondere deren Ziele, Herangehensweisen und Herausforderungen. Teil IV widmet sich der Strategieformulierung der BG Kliniken. Das sogenannte Standortbezogene Integrative Versorgungsmodell (IVM) der BG Kliniken wird vorgestellt und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Des Weiteren erfolgt in Teil V eine Darstellung der Umsetzung der Strategie durch die Standorte der Akutkliniken der BG Kliniken. Abschließend blicken wir in Teil VI in die Zukunft und beleuchten weitere Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Steigerung der Versorgungsqualität und des Patientenwohls.

Wir bedanken uns bei allen Autor:innen für ihre Beiträge. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und freuen uns auf den weiteren Austausch mit allen Leser:innen.

Die Herausgeber

Frühjahr 2023

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

IZukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland

1Megatrends und die Auswirkungen auf die Krankenhausversorgung: Vernetzung, Digitalisierung und FachkräftemangelDaniel Dettling

2Innovationsfonds: Neue Versorgungsmodelle für die stationäre VersorgungJosef Hecken

3Digitale Transformation als Gamechanger in der GesundheitsversorgungMarkus Müschenich und Laura Wamprecht

4Fokussierung/Spezialisierung in der stationären Versorgung – Der wissenschaftliche KontextFelix Miedaner

5Bedarfsgerechte Steuerung der Notfallversorgung – Versorgung von Notfallpatienten in DeutschlandMatthias Münzberg, Michael Bovet, Andreas Gather und Tobias Grübl

6Klinikmanagement in der Corona-Krise: Erkenntnisse für zukünftige VersorgungsstrukturenJürgen Graf, Birgit Roelfsema und Markus Jones

IIFOCUS-Beiträge

FOCUS: Drei Fragen – Wissenschaftliche PerspektiveFelix Miedaner

FOCUS: Drei Fragen – Krankenhaus-PerspektiveSylvia Langer

FOCUS: Drei Fragen – Perspektive einer KrankenversicherungChristoph Straub

FOCUS: Drei Fragen – Perspektive gesetzliche UnfallversicherungStefan Hussy und Edlyn Höller

FOCUS: Drei Fragen – Gemeinnützige StiftungAnn-Kathrin Fischer, Axel Mühlbacher und Alexander Schachtrupp

FOCUS: Drei Fragen – Unternehmen für medizinischen SachbedarfStephanie Just

IIIInnovative Versorgungsansätze im Praxischeck

1Das Klinikzentrum Westerstede: Einzigartiges Kooperationsmodell zwischen Bundeswehrkrankenhaus Westerstede und Ammerland-KlinikMatthias Grüne, Peter Ritter und André Gutcke

2Die Weiterentwicklung des Reha-Managements in der Gesetzlichen UnfallversicherungDoris Habekost, Christian Rexrodt und Edwin Toepler

3Traumarehabilitation/Trauma-Reha-NetzwerkeChristoph Reimertz

4prosper/proGesund – Gelebte integrierte Versorgung bei der KNAPPSCHAFTBettina am Orde

5Integrierte, transsektorale und interdisziplinäre Versorgungskonzepte nach dem Beispiel „Gesundes Kinzigtal“Helmut Hildebrandt, Christoph Löschmann und Nathalie Haas

6Das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen – Ein telemedizinisches Netzwerk für die RegelversorgungNadja Pecquet

7Super-Spezialisierung und Vernetzung: Die Martini-KlinikHans Heinzer, Markus Graefen und Hartwig Huland

8Ambulante und stationäre Versorgung neu gedacht: Strukturmigration im Mittelbereich Templin (StimMT)Steffen Bohm, Lutz O. Freiberg und Pramono Supantia

9ANNOTeM – Akutneurologische Versorgung in Nordostdeutschland mit telemedizinischer UnterstützungStephan Kinze, Hebun Erdur, Matthias Endres, Heinrich Audebert und Ingo Schmehl

IVDas IVM der BG Kliniken: Strategie, Ziele, Umsetzung und Herausforderung

1Standortbezogenes Integratives Versorgungsmodell (IVM) der BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbHReinhard Nieper, Axel Ekkernkamp und Verena Glöckner

2Das IVM-Konzept der BG Kliniken: Ein Statement der SelbstverwaltungEckhard Kreßel und Hans-Peter Kern

3Alleinstellungsmerkmale der BG KlinikenMaike Weerts und Josephine Klimke

4Patientenversorgung nach SGB VII ( gesetzliche Unfallversicherung) und SGB V (gesetzliche Krankenversicherung) – Ethische Leitlinie der BG KlinikenStephan Brandenburg und Cornelia Iken

5Exzellenzleistungen der BG Kliniken – Eine Definition und erste Quantifizierung medizinisch herausfordernder Leistungen bei besonders schweren Fällen in der AkutversorgungJürgen Lütticke

6Anforderungen an ein rechtssicheres Schnittstellenmanagement in der Zusammenarbeit mit strategischen KooperationspartnernIngo Thon und Martin Liebig

7Wirtschaftlicher Handlungsrahmen der IVM-ÜberlegungenMarius Manke und Fabian Hempel

8Vernetzung mit Kooperationspartnern: IT- und Digitalisierungsstrategie der BG KlinikenHeiko Hauptmann und Anke Fierek

9Personalmanagement – Die BG Kliniken als attraktiver ArbeitgeberIngo Thon und Elisabeth Westerholt

10Qualitätsmanagement in der Vernetzung/KooperationBeate Schmucker

11Wissenschaft und Forschung in den BG Kliniken – Mehrwert universitärer und nicht-universitärer Kooperationen im IVMDirk Stengel und Ulrich Kneser

12Der Sanitätsdienst der Bundeswehr als Partner des zivilen Gesundheitssystems – BG Kliniken und weitere KooperationspartnerChristian Zechel und Oliver Lauth

VDas IVM der BG Kliniken im Praxischeck

1EinführungReinhard Nieper, Axel Ekkernkamp und Verena Glöckner

2IVM-Strategie des Unfallkrankenhauses BerlinAxel Ekkernkamp

3Vernetzung in regionalen und über regionalen Versorgungsstrukturen: Das BG Universitätsklinikum BochumTina Groll und Anne C. Elvering

4BG Klinikum Duisburg: Die Kooperation mit der Universitätsmedizin EssenMarcel Dudda, Brigitte Götz-Paul und Jochen A. Werner

5BG Unfallklinik Frankfurt am Main: Umsetzung des IVM- Gedankens seit der GrundsteinlegungCorinna Breunig

6Neue Wege in der Krankenversorgung – Kooperation zwischen dem BG Klinikum Bergmannstrost Halle und der Universitätsmedizin HalleThomas Hagdorn und Thomas Moesta

7Medizinischer Dreiklang – Kooperation BG Klinikum Hamburg, UKE und Bundeswehrkrankenhaus HamburgHarald Müller, Thomas Harbaum, Gunda Ohm, Merle Rowedder, Hans-Peter Daniel und Burkhard Göke

8Zusammenarbeit in der Metropolregion Rhein-Neckar: Die IVM-Umsetzung der BG Klinik LudwigshafenSusanneDieffenbach, Paul-Alfred Grützner, Matthias Münzberg, Hans-Jürgen Hennes, Freddy Bergmann, Günter Layer und Hans-Friedrich Günther

9Krankenhaus im Krankenhaus – Kooperation der BG Unfallklinik Murnau mit dem Klinikum Garmisch-PartenkirchenSarah Heinze und Frank Niederbühl

10Das Tübinger Modell – Erfolgreiche Kooperation zwischen der BG Klinik Tübingen und dem Universitätsklinikum TübingenMarcus Herbst, Michael Bamberg, Gabriele Sonntag und Tina Histing

VIIn die Zukunft blickend

1Value-based Health Care – Die nachhaltige InnovationsmethodeJens Deerberg-Wittram

2Der lange Weg von einem Krankenwesen zu einem echten GesundheitssystemChristoph Bornschein, Bruno Kühn, Thomas Hagemeijer und Sebastian Cleemann

3Das nachhaltige Krankenhaus im Kampf gegen den KlimawandelMarkus Müschenich und Christian DreißigackerKommentar von Markus Wanck

I

Zukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland

1

Megatrends und die Auswirkungen auf die Krankenhausversorgung: Vernetzung, Digitalisierung und Fachkräftemangel

Daniel Dettling

Die deutschen Krankenhäuser haben maßgeblich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beigetragen. Zu einer Überlastung des Gesundheitssystems wie in anderen Industrieländern ist es nicht gekommen. 80 Prozent aller stationär behandelten Corona-Patienten wurden in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung behandelt. Dennoch stehen die deutschen Kliniken vor grundlegenden Veränderungen, an deren Ende statt der heute 1.900 Häuser nur noch 1.200 stehen könnten. Es geht um eine Neuaufstellung der Gesundheitsversorgung, die von einer Reihe von Megatrends angetrieben wird. Die Krankenhausversorgung wird vernetzter und patientenorientierter. Die Verweildauern in Krankenhäusern werden kürzer. In der ländlichen Versorgung wird Telemedizin eine größere Rolle spielen. Krankenhäuser, insbesondere die Universitätskliniken, werden sich zu Zentren regionaler Versorgungsverbünde weiterentwickeln.

1.1Das geteilte Gesundheitssystem

Das deutsche Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich durch eine Besonderheit charakterisiert: es ist zweigeteilt zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Die Folge ist ein reaktives Krankheitsbehandlungssystem und kein proaktives Gesundheitsförderungssystem (Bundesverband Managed Care 2022). Ein System mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Vergütungsmodalitäten führt zu erheblichen Schwächen: Überversorgung, Effizienzverluste und mangelnde Patientenorientierung. In 16 Bundesländern mit rund 1.900 Kliniken und fast 100 Krankenkassen werden 411 Milliarden Euro (2021) verteilt, was zwölf Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Die Zweiteilung der Gesundheitsversorgung in ambulant und stationär erzeugt enorme Kosten und bindet Ressourcen. Die zunehmende Spezialisierung hat dazu geführt, dass keiner mehr den gesamten Menschen im Blick hat, und auch keine Verantwortung für bessere Gesundheitsoutcomes übernehmen muss oder will.

Trotz zahlreicher Reformansätze hat sich an dem zweigeteilten System nichts Grundlegendes geändert. Statt um Patienten und einen Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen geht es um Geld und Besitzstände. Kein Akteur ist heute in der Lage, die Strukturen so zu gestalten, dass Versorgung aus einer Hand möglich ist. Stattdessen verharren die Akteure in einer Wartestellung und optimieren den jeweils eigenen Nutzen. Der Patient bleibt passiver Empfänger von Leistungen und ist nicht aktiver Beteiligter und Produzent von Gesundheit. Die Versorgung insbesondere der steigenden Zahl von chronisch erkrankten Patienten fordert die Krankenhäuser heraus. Die Unterstützung ihres Selbsthilfemanagements auch durch digitale Lösungen wird dabei zur neuen Aufgabe der Häuser.

1.212 Megatrends als Treiber der Veränderung

In Zukunft muss es nicht nur um den einzelnen Patienten, sondern auch um seine Umgebung gehen. In einem offenen System wie der Gesundheitsversorgung spielen Megatrends und ihr Verständnis eine entscheidende Rolle (Roche Pharma AG 2020, Zukunftsinstitut 2022) (s. Abb. 1).

Abb. 1 Einflussfaktoren auf das Gesundheitssystem der Zukunft (Roche Pharma AG 2020)

1.2.1Konnektivität

Konnektivität ist der wirkungsmächtigste Megatrend unserer Zeit. Das Prinzip der Vernetzung dominiert den gesellschaftlichen Wandel und eröffnet ein neues Kapitel in der Evolution der Gesellschaft. Digitale Kommunikationstechnologien verändern unser Leben grundlegend, reprogrammieren soziokulturelle Codes und lassen neue Lebensstile und Verhaltensmuster entstehen. Um diesen fundamentalen Umbruch erfolgreich zu begleiten, brauchen Organisationen neue Netzwerkkompetenzen und ein ganzheitlich-systemisches Verständnis des digitalen Wandels. In Bezug auf das System Gesundheit kommt der Konnektivität eine Schlüsselrolle zu: Digitalisierte und hochgradig vernetzte, intelligente Anwendungen heben unser Gesundheitssystem auf das nächste Level. Davon profitieren auch Krankenhäuser und ihre Träger. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) wird zum Enabler einer neuen Gesundheitswelt. Interoperabilität wird bei der Zusammenarbeit eine zentrale Rolle spielen.

1.2.2Individualisierung

Individualisierung ist das zentrale Kulturprinzip der westlichen Welt und entfaltet seine Wirkungsmacht zunehmend global. Der komplexe Megatrend hat in vielen Wohlstandsnationen seinen vorläufigen Peak erreicht und ist Basis unserer Gesellschaftsstrukturen geworden. Der Megatrend codiert die Gesellschaft um: Er berührt Wertesysteme, Konsummuster und Alltagskultur gleichermaßen. Im Kern bedeutet Individualisierung die Freiheit der Wahl. Ihre Auswirkungen sind jedoch komplex und bringen sowohl scheinbare Gegentrends wie eine Wir-Kultur als auch neue Zwänge hervor. In der Gesundheitswelt der Zukunft muss und will sich der Einzelne individuell wiederfinden und gleichzeitig als Teil eines gesunden Systems erleben. Auch die Behandlungsmethoden werden künftig immer individualisierter, die Medizin hochgradig personalisiert. Krankenhäuser reagieren auf diesen Wandel mit einer modernen Arbeits- und Unternehmenskultur.

1.2.3Globalisierung

Handelskriege, diplomatische Krisen, Cyber-Angriffe, internationale Konzernmächte – die Globalisierung wird heute allzu oft als Problem wahrgenommen. Doch die Herausforderungen, die mit einer immer komplexeren, weil zunehmend vernetzten Welt verbunden sind, dürfen nicht den Blick auf die positiven Effekte verstellen, die die Globalisierung bewirkt. Denn während die Politik noch versucht, globale Prozesse mit alten nationalstaatlichen Mechanismen zu regulieren, ist die Weltgesellschaft längst auf dem Weg in die Zukunft des 22. Jahrhunderts. Viele aktuelle Trends von der Postwachstumsökonomie über den Direkthandel zwischen supranationalen Erzeugern und Verbrauchern bis hin zum Aufstieg der Generation Global verstärken die globale Dynamik, die das internationale System in den kommenden Jahren weiter in eine progressive Richtung bewegt. Die Gesundheitssysteme sind global bereits so eng verflochten, dass lokale Alleingänge nicht nur wirtschaftlich unsinnig sind, sondern – viel schlimmer – die Gesundheit der Weltbevölkerung bedrohen. Die COVID-19-Pandemie hat das eindrücklich vor Augen geführt. Für die Krankenhäuser führt dies zu einer verstärkten Vernetzung und Zusammenarbeit auch über Ländergrenzen hinweg.

1.2.4Neo-Ökologie

Das Umweltbewusstsein wird zum systemischen Treiber und unter dem Namen Neo-Ökologie zum Mainstream. Ernährung, Energiewende, Green Deal – der Megatrend Neo-Ökologie reicht in jeden Bereich unseres Alltags hinein. Ob persönliche Kaufentscheidungen, gesellschaftliche Werte oder Unternehmensstrategien – selbst wenn nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, entwickelt er sich nicht zuletzt aufgrund technologischer Innovationen mehr und mehr zu einem der wirkmächtigsten Treiber unserer Zeit. Die Neo-Ökologie sorgt nicht nur für eine Neuausrichtung der Werte der globalen Gesellschaft, der Kultur und der Politik; sie verändert auch unternehmerisches Denken und Handeln in seinen elementaren Grundfesten und damit nachhaltig das System Gesundheit. In den nächsten Jahren werden wir erleben, wie der Klimawandel unser Wirtschaftssystem genauso wie unsere individuelle Vitalität bedroht und die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellt. Auch die Krankenhäuser müssen die Balance aus ökonomisch und ökologisch gesund neu austarieren und sich der Herausforderung der Klimaneutralität stellen.

1.2.5Urbanisierung

Städte sind die Staaten von morgen. Immer mehr Menschen leben weltweit in Städten und machen sie zu den mächtigsten Akteuren und wichtigsten Problemlösern einer globalisierten Welt. Doch Städte sind mehr als Orte. Urbanisierung beinhaltet mehr als den Wandel von (Lebens-)Räumen. Durch neue Formen der Vernetzung und Mobilität wird Urbanität vor allem zu einer neuen Lebens- und Denkweise. Das System Gesundheit muss Raum und Zeit neu denken, um mit der Dynamik der globalen Urbanisierung Schritt halten zu können. Die urbane Lebensweise erweist sich einerseits als Katalysator für eine aufgeklärte und gesundheitsbewusste Lebensweise; andererseits steigen die Risiken sozialökonomischer Spaltungen in den Metropolen rund um den Globus genauso wie die gesundheitliche Belastung durch schädliche Umwelteinflüsse und die soziale Isolation des Individuums weiter an. Dabei spielen Krankenhäuser nicht nur im urbanen, sondern auch im ländlichen Raum eine zentrale Rolle für die Versorgung. Im ländlichen Raum werden sie sich mit anderen Akteuren stärker vernetzen.

1.2.6Silver Society

Auch der Megatrend Silver Society entfaltet seine Wirkung weltweit. Rund um den Globus wird die Bevölkerung älter und die Zahl Älterer steigt. Die Anzahl chronisch kranker Patienten wird in Deutschland auf bis zu 80 Prozent steigen. Die Chance 65 oder älter zu werden, hat sich verdreifacht. Gleichzeitig bleiben die Menschen länger gesund. Damit entsteht eine völlig neue Lebensphase nach dem bisher üblichen Renteneintritt. Dieser Lebensabschnitt verlängert sich und bietet Raum für Selbstentfaltung in neuen Lebensstilen im hohen Alter. Ein neues Mindset bereitet den Weg für eine Gesellschaft, die gerade durch die veränderte Altersstruktur vitaler wird denn je. Sie verabschiedet sich vom Jugendwahn, deutet Alter und Altern grundlegend um. „Pro Aging“ wird zu einem zentralen Treiber für die anstehenden Veränderungen. Der Fachkräftemangel wird zur ständigen Herausforderung (s. Kap. 1.2.9).

1.2.7Gender Shift

Innovation schlägt Tradition, das Geschlecht verliert das Schicksalhafte, die Zielgruppe an Verbindlichkeit. Noch nie hat die Tatsache, ob jemand als Mann oder Frau geboren wird und aufwächst, weniger darüber ausgesagt, wie Biografien verlaufen werden. Der Trend veränderter Rollenmuster und aufbrechender Geschlechterstereotype sorgt für einen radikalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Das hat Konsequenzen für die Gesundheitsberufe. Der Anteil von Frauen in ihnen wird zunehmen und bis zu 80 Prozent ausmachen. Die Krankenhäuser der Zukunft müssen die Unterschiede berücksichtigen. Die Diversität des Systems wird zum Gradmesser seiner Adaptionsfähigkeit (s. Kap. 1.2.9.).

1.2.8Gesundheit

Gesundheit ist das Synonym für ein gutes Leben. Als zentrales Lebensziel hat sich der Megatrend tief in das Bewusstsein, die Kultur und das Selbstverständnis von Gesellschaften eingeschrieben und prägt sämtliche Lebensbereiche. Gesundheit und Zufriedenheit sind dabei kaum noch voneinander zu trennen. Mit selbstständig erworbenem Wissen treten Menschen dem Gesundheitssystem im besten Fall auf Augenhöhe gegenüber und stellen neue Erwartungen an Unternehmen und Infrastrukturen: gesundheitsbewusste Menschen wollen sich in gesundheitsfördernden Lebenswelten bewegen und fordern dies als neuen Normalzustand ein. Der Trend zu mehr Eigenverantwortung des Patienten hat weitreichende Folgen für die weitere Ausgestaltung des Systems Gesundheit in Zukunft und setzt eine Menge Transparenz und Vertrauen vor allem in der Wissensvermittlung und individuellen Behandlung des einzelnen Patienten voraus. Prävention vor Therapie wird zu einem Grundansatz, dem sich auch die Krankenhausversorgung stellen muss.

1.2.9New Work

Die Digitalisierung wirft den Menschen auf sein Menschsein zurück – vor allem im Arbeitsleben. Wenn Maschinen künftig bestimmte Arbeiten besser verrichten können als der Mensch, beginnen wir über den Sinn der Arbeit nachzudenken. Wenn die Arbeit uns nicht mehr braucht, wofür brauchen wir dann die Arbeit? New Work beschreibt einen epochalen Umbruch, der mit der Sinnfrage beginnt und die Arbeitswelt von Grund auf umformt. Das Zeitalter der Kreativökonomie ist angebrochen – und es gilt Abschied zu nehmen von der rationalen Leistungsgesellschaft. New Work stellt die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt und damit gleichzeitig immer auch seine Gesundheit von Körper, Geist und Seele. Denn Arbeit steht im Dienst des Menschen: Wir arbeiten nicht mehr, um zu leben, und wir leben nicht mehr, um zu arbeiten.

In Zukunft geht es um die gelungene Symbiose von Leben und Arbeiten in Form eines Work-Life-Blendings – und damit um eine ganzheitliche Erweiterung des Gesundheitsverständnisses von Individuen und Organisationen gleichermaßen.

Als moderne Arbeitgeber werden sich die Krankenhäuser im Wettbewerb um Fachkräfte neu aufstellen und unterscheiden müssen. Entscheidende Parameter sind dabei die Arbeits- und Führungskultur sowie moderne Arbeitszeitmodelle.

1.2.10Wissenskultur

Insbesondere das Zusammenspiel mit dem Megatrend Konnektivität verändert unser Wissen über die Welt und die Art und Weise, wie wir mit Informationen umgehen. In dezentralen Strukturen werden enorme Mengen an Wissen generiert, es entstehen neue Formen der Innovation und des gemeinsamen Forschens, auch zum Wohle der globalen Patientengesundheit. Wissen verliert seinen elitären Charakter und wird zunehmend zum Gemeingut, der globale Bildungsstand ist heute so hoch wie nie. Komplexere, unvorhersehbare Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und neue, kollaborative Formen der Wissensaneignung verlagern zudem den Fokus: hin zum lebenslangen Lernen, zur Vermittlung von Methoden und zu Soft Skills. Bildungszeit wird zur Arbeitszeit. Neue Wissenstools unterstützen die Beschäftigten on demand und on the job. Bezogen auf die Auswirkungen für unser Gesundheitssystem impliziert der Megatrend Wissenskultur auch, dass die Patienten zu Experten der eigenen Gesundheit sowie zu den Verwaltern ihrer Gesundheitsdaten werden. Dabei benötigen sie professionelle und glaubwürdige Unterstützung. Im Unterschied zu profitgetriebenen privaten Plattformen internationaler Konzerne können Krankenhäuser von diesem Wandel profitieren.

1.2.11Mobilität

Die Welt im 21. Jahrhundert ist nicht nur durch einen weiterwachsenden Mobilitätsbedarf gekennzeichnet, sondern vor allem durch eine zunehmende Vielfalt an Mobilitätsformen. Individualisierung, Konnektivität, Urbanisierung und Neo-Ökologie bestimmen die Mobilität von morgen. Technische Innovationen und veränderte Bedürfnisse der Menschen werden zum Motor neuer Formen der Fortbewegung: vernetzt, digital, postfossil und geteilt. Was wir erleben, ist eine Evolution der Mobilität, die auch durch einen Zuwachs der digitalen Möglichkeiten des Austauschs nicht weniger wird, sich lediglich in ihrer Ausprägung und Umsetzung ändert. Wir stehen am Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters, in dem sich nicht nur Patienten rund um den Globus auf den Weg machen, Gesundheit und Wohlgefühl zu optimieren, sondern auch Krankheiten und Keime mit ihnen reisen. Aber auch im eigenen Umfeld müssen sich Krankenhäuser auf das veränderte Mobilitätsbedürfnis ihrer Patienten und Beschäftigten einstellen. Das betrifft Anschlüsse und Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr wie eine kostengünstige Parkraumbewirtschaftung.

1.2.12Sicherheit

Die Gesellschaft befindet sich im Daueralarm – eine Krise jagt gefühlt die nächste: Corona, Krieg bis hin zu globalen Flüchtlingskrisen aufgrund von Umweltkatastrophen, Bürgerkriegen oder Pandemien. Vor allem nach herrschender Medienmeinung wird alles immer schlimmer und wir stehen kurz vor dem Kollaps. Doch das ist ein Trugschluss: Während unsere Wahrnehmung uns in die Verunsicherung stürzt, wird die Welt nicht immer unsicherer – ganz im Gegenteil: Wir leben in den sichersten aller Zeiten. Zugleich strebten wir aber noch nie so sehr nach Sicherheit wie heute. Der Megatrend Sicherheit verändert zum einen die Sicht auf die Verantwortlichkeit des Individuums für sein persönliches körperliches, mentales und seelisches Wohlbefinden, zum anderen auch die Sehnsucht nach einem fürsorglichen System, das die gesellschaftliche Gesundheit als Ganzes im Blick behält. Hinzu kommt die steigende Relevanz des Themas Cybersicherheit. Erste Angriffe auf die IT-Infrastruktur auch von Krankenhäusern machen die Anfälligkeit des Gesundheitssystems für Angriffe von außen deutlich. Risikobasierte Ansätze können helfen, Sicherheitsrisiken zu reduzieren. Die Ausgaben für IT und Sicherheit werden steigen.

1.3Die Folgen für die Krankenhäuser

In einem umfassenden System Krankenhausversorgung werden Prävention und Betreuung wichtiger. Das Krankenhaus kommt in Zukunft zu den Patienten. Health Care wird erweitert um Self and Home Care. Fragen wie Lebensqualität und Ernährung werden zentral. Ökologie und Gesundheit gehören zusammen. Der Patient von morgen ist gesundheitsbewusster und informierter. Je aufgeklärter der Patient ist, desto stärker wird für ihn die Frage der Qualität. Das hat Folgen auch für die Krankenhäuser. Die Strukturen werden weniger hierarchisch und stärker teamorientiert sein. Teamplay statt Einzelkämpfer wird zum Motto einer vernetzten und sektorenübergreifenden Gesundheitswelt. Gesundheitssysteme werden zu Ökosystemen. Kompetenzzentren in den Metropolen vernetzen sich mit Gesundheitszentren in der Fläche. Gesundheit wird globaler. Internationale Akteure wie die WHO und die Europäische Union nehmen eine größere Rolle bspw. bei der Erkennung und Bekämpfung von Pandemien ein. Das Ziel ist ein funktionierendes öffentliches Gesundheitssystem weltweit, in dem die deutschen Häuser eine zentrale Rolle einnehmen.

Das Krankenhaus der Zukunft ist nicht nur global vernetzt, sondern auch regional, digital und agil (Ekkernkamp u. Dettling 2021).

1.3.1Das Krankenhaus der Zukunft ist regional

Auch nach Corona muss die Notfall- und Grundversorgung flächendeckend sichergestellt werden. Krankenhäuser auf dem Land jenseits der großen Städte und Ballungsgebiete sind stärker vom Wandel betroffen. Während in den großen Städten oft Überversorgung herrscht, haben viele Kommunen im ländlichen Raum mit Unterversorgung zu kämpfen. Die Versorgung über niedergelassene Ärzte wird in dünn besiedelten Regionen immer schwieriger. Gesundheitspolitik im ländlichen Raum ist immer auch Strukturpolitik. Das Krankenhaus vor Ort ist oft größter Arbeitgeber und stärkster Wirtschaftsfaktor. Viele Bürger und Bürgermeister fürchten den Abbau von Häusern sowie eine verstärkte Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser allein nach Profitinteressen der Betreiber. Künftig müssen sich ambulante und stationäre Versorgung ergänzen. Für die Patienten ist die Trennung „stationär“ versus „ambulant“ irrelevant. Zum Modell einer Krankenhauslandschaft der Zukunft gehören regionale und überregionale Netzwerke, in die Maximal- und Spezialversorger eingebunden sind. Eine flächendeckend hochwertige medizinische Versorgung im ländlichen Raum leisten integrierte Versorgungszentren für die Primär- und Langzeitversorgung. In den Zentren arbeiten multiprofessionelle Teams aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammen: Hausärzte, Therapeuten, Pflegeberufe und Sozialarbeit. Angeschlossen sind weitere regionale professionelle wie ehrenamtliche Angebote in den Bereichen Gesundheit – Gesundheitsnetze z.B. für Demenzerkrankungen, Diabetes, Palliativmedizin, Prävention und Gesundheitsförderung, Wohnen im Alter, häusliche Versorgung älterer Menschen sowie Mobilitätsangebote wie etwa Bürgerbusse, Sammeltaxis, mobile Gesundheits- und Pflegedienste. Damit Versorgungsstrukturen regional funktionieren, müssen ambulante, stationäre und poststationäre Leistungserbringer sowie Reha-Einrichtungen und Apotheken eingebunden werden. Das alles im Verbund eines Netzwerkes hochspezialisierter Häuser und Experten. Patienten brauchen Leistungserbringer, Ärzte und Kliniken, die gemeinsam mit ihnen eine bestmögliche Versorgung definieren und sie sicher durch das Gesundheitssystem führen, analog wie digital.

1.3.2Das Krankenhaus der Zukunft ist digital

Der Sachverständigenrat Gesundheit legt in seinem neuen Gutachten den Finger in die Wunde: Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland könnten besser geschützt werden, wenn endlich die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen genutzt würden (Sachverständigenrat 2021). Im internationalen Vergleich glänzen die deutschen Kliniken im Hinblick auf den digitalen Reifegrad lediglich beim Datenschutz. Bei den Faktoren Interoperabilität, Public Health und Patientenorientierung liegen die Häuser dagegen weit zurück bzw. sind sogar Schlusslicht. Eine exzellente digitale Ausstattung ist aber eine Voraussetzung für ein modernes patientenorientiertes Gesundheitssystem. So erhöhen die präklinische Datenerfassung für die Notaufnahme, der e-Medikationsplan und der Einsatz von OP-Robotern die Patientensicherheit nachweisbar. In der Pflege geht es um die Entlastung der Fachkräfte durch digitale Anwendungen (Apps) insbesondere in der Dokumentation. Ein Drittel der Ärzte und Pflegefachkräfte klagt über zu viel Bürokratie. Die Krankenhäuser müssen in Echtzeit kommunizieren können, intern wie mit anderen Häusern und dem ambulanten Bereich. Die deutschen Krankenhäuser müssen sich zu Prozesskrankenhäusern wandeln, Prozess- und Patientensicherheit müssen zusammengedacht werden. Um digital aufzuholen und möglichst bald auch überholen zu können, braucht es eine Kombination von politischem Druck und finanziellen Anreizen. Wer sein Haus innerhalb von zwei Jahren digitalisiert, bekommt die Kosten erstattet, wer dann noch immer kein vernünftiges Krankenhausinformationssystem hat, kann nicht mehr abrechnen. Bei der Finanzierung der Krankenhäuser wird sich der Bund in Zukunft stärker beteiligen müssen. Der Krankenhauszukunftsfonds mit seinen vier Milliarden Euro ist ein erster Schritt. Entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung ist Nachhaltigkeit. Auch die Betriebs- und Folgekosten müssen gewährleistet werden.

1.3.3Das Krankenhaus der Zukunft ist agil

Die kurze Verweildauer in bestimmten Gesundheitsberufen, die hohe Teilzeitquote bei weiblichen Beschäftigten und eine unzureichende Quote von Frauen in ärztlichen Führungsfunktionen schreckt insbesondere jüngere Frauen ab. Die nach der Pandemie befürchtete Flucht der Fachkräfte aus den Pflegeberufen ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Fachkräfte sind überlastet und untermotiviert. Arbeitsformen wie Teamarbeit, familiengerechte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung spielen künftig eine immer größere Rolle ebenso wie moderne Formen der Weiterbildung und Qualifizierung und eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten untereinander und gegenüber Patienten und ihren Angehörigen. Neue Formen von multiprofessionellen und interdisziplinären Teams im Rahmen von regionalen Gesundheitszentren können auch zu einer besseren Nutzung von knappen Fachkräften und einer neuen Kultur der Zusammenarbeit der Berufe führen. Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Transformation ist eine Kommunikation auf Augenhöhe. Ein Denken, das die Berufe in Halbgötter in Weiß und buntes Pflegepersonal unterteilt, passt nicht mehr in die Zeit und schon gar nicht in die Zukunft. Moderne Führungskulturen sind wertebasiert.

Hybrides und zunehmend digital vernetztes Arbeiten benötigt eine andere Kultur der Interaktion und Kooperation als die alte Verwaltungswelt der Kliniken.

1.4Vision: Eine integrierte patientenorientierte Gesundheitsversorgung

Eine nachhaltige Krankenhausstrukturreform als Megaaufgabe muss innovative Antworten auf die genannten Megatrends geben. Aus dem Krankenhaus als Primärversorgungszentrum wird ein Haus der Gesundheit und der Zukunft: regional vernetzt, digital spitze und agil im Zusammenspiel von Teams und Talenten. Zur Vision wird eine integrierte patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Es geht darum, Versorgung konsequent vom Versicherten her zu denken. Die Krankenhausversorgung der Zukunft setzt auf ganzheitliche Versorgung, in der die Patienten auch vor und nach dem Arztbesuch betreut und begleitet werden. Das Gesundheitspersonal versteht sich als Coach der Patienten. Die Versorgung ist nahtlos und beginnt bereits zuhause. Die Zukunft der Krankenhausversorgung ist ein digital vernetztes Gesundheitssystem. (Virtuelle) Kliniken und (regionale) Medizinische Versorgungszentren (MVZ) arbeiten eng mit Hausärzten zusammen. Ziel ist ein besseres Zusammenspiel der Akteure insbesondere für Patienten mit chronischen Erkrankungen. Krankenhäuser, virtualisierte Arztpraxen in Verbindung mit digitalen Lösungen, die den Menschen zuhause helfen, ihr Leben besser zu organisieren und dabei von qualifizierten Gesundheitsfachkräften beraten und unterstützt werden. Aus Krankenhäusern werden Kompetenzzentren für die Transformation der Gesundheitsversorgung von morgen.

Literatur

Bundesverband Managed Care (2022) Geschäftsbericht 2021. URL: https://www.bmcev.de/publikationen/geschaeftsberichte/ (abgerufen am 10.02.2023)

Ekkernkamp A, Dettling D (2021) Das Krankenhaus der Zukunft: regional, digital und agil. URL: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article232930571/Das-Krankenhaus-der-Zukunft-regional-digital-und-agil.html?icid=search.product.onsitesearch (abgerufen am 10.02.2023)

Roche Pharma AG (2020) Gesundheitswelt 2049. Ein Navigator für die Zukunft. URL: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/trendreport-gesundheitswelt-2049/ (abgerufen am 10.02.2023)

Sachverständigenrat (2021) Digitalisierung für Gesundheit. URL: https://www.svr-gesundheit.de/gutachten/gutachten-2021/ (abgerufen am 14.10.2022)

Zukunftsinstitut (2022) Die Megatrends. URL: https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/ (abgerufen am 10.02.2023)

© Laurence Chaperon

Dr. rer. pol. Daniel Dettling

Daniel Dettling ist Gründer der Denkfabrik Institut für Zukunftspolitik und seit Oktober 2022 Geschäftsführer von Gesundheitsstadt Berlin e.V. Der Jurist und Politikwissenschaftler studierte nach seinem Zivildienst in Israel Rechts-, Verwaltungs- und Politikwissenschaften sowie Politische Ökonomie an den Universitäten Freiburg, Fribourg (CH), Berlin (2. Staatsexamen) und Potsdam (Promotion). Er ist Herausgeber der Edition Zukunftspolitik und Mitgründer der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol) und gehört zu den renommiertesten Politikexperten in Deutschland. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Demokratie, Demografie, Digitalisierung, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Bürgergesellschaft und politischen Kommunikation u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung, Süddeutschen Zeitung, WELT und Welt am Sonntag. Seit vielen Jahren ist Daniel Dettling auch gefragter Keynote Speaker bei Unternehmen, NGOs, Ministerien, Verbänden, politischen Parteien und Stiftungen. Aktuelles Buch: „Eine bessere Zukunft ist möglich. Ideen für die Welt von morgen“ (Kösel 2021).

 

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Innovationsfonds: Neue Versorgungsmodelle für die stationäre Versorgung

Josef Hecken

Seit Einführung des Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum 1. Januar 2016 werden Innovationen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erstmals systematisch und gezielt gefördert. Ziel ist es, Projektideen zu unterstützen, die über die bisherige Versorgung hinausgehen und neue Ansätze erproben. Wie groß dabei die Bandbreite des vorhandenen Innovationspotenzials im Bereich der stationären Versorgung ist und auf welche konkreten Herausforderungen für Krankenhäuser reagiert wird, soll beispielhaft an drei Projekten gezeigt werden.

2.1Krankenhäuser stehen vor vielfältigen Herausforderungen

Innovationen im Gesundheitswesen werden nicht selten mit Krankenhäusern verbunden, vor allem mit Universitätskliniken. Gesundheitsversorgung, Forschung und Lehre greifen dort ineinander, bereichern und ergänzen sich. Die Anzahl von ca. 1.900 Krankenhäusern in Deutschland – davon über 30 Universitätskliniken – lässt zunächst auf eine ideale Ausgangssituation für Innovationen und neue Ansätze in der stationären Patientenversorgung schließen. Doch allein auf die Anzahl von Krankenhausstandorten zu setzen, reicht längst nicht aus, denn sie ist keine Garantie für eine hochwertige, innovative Versorgung. Wie schwierig es ist, Veränderungen anzustoßen, zeigt die seit Jahren andauernde und bislang leider fast ergebnislos gebliebene Diskussion um eine Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland (SVR 2018, Augurzky et al. 2020, Busse 2021).

Krankenhäuser in Deutschland sind im internationalen Vergleich nicht nur generell oft viel zu klein und schlecht ausgestattet. Sie haben auch speziell in Sachen Digitalisierung großen Nachholbedarf (Stephani et al. 2019, SVR 2021). So verfügten bis zum Jahr 2020 beispielsweise 234 Krankenhäuser nur über einen Internetzugang mit einer Datenübertragungsrate von weniger als 50 Mbit/s, wie es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen heißt (Bundesregierung 2020). Spricht man vom „schnellen Internet“ als digitales Arbeitsinstrument für eine telemedizinische Kooperation, sind weitaus mehr Bits gemeint, und zwar nicht Mega-, sondern Gigabits.

Neben den angerissenen Strukturproblemen, die eng mit der politischen Entscheidung verbunden sind, die Krankenhausplanung und die Übernahme der Investitionskosten in die Verantwortung der Bundesländer zu geben, kommen weitere Probleme für Krankenhäuser hinzu, die sich am ehesten mit Sektoren- und Kooperationsproblemen beschreiben lassen: In Deutschland gibt es jahrzehntelang gepflegte Abgrenzungstendenzen zwischen Versorgungsebenen, also zwischen dem stationären und ambulanten Leistungsbereich, aber auch zwischen Fachdisziplinen und zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen. Das erzeugt nicht nur Kommunikationsprobleme, sondern wirkt sich auch unmittelbar auf die Versorgungsqualität der Patient:innen aus.

Zugleich steigen seit geraumer Zeit die Fallzahlen ambulanter Notfallbehandlungen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Untersuchungen weisen dabei darauf hin, dass dies auch durch eine Verschiebung von einer Notfallversorgung hin zu einer Akutversorgung ohne besondere Dringlichkeit bedingt ist (Schmiedhofer 2017). Es kommen also vermehrt solche Patientengruppen, die auch vertragsärztlich versorgt werden könnten. Hier fehlt es an Transparenz über die ambulanten Versorgungsangebote sowie einer Lenkung der Patient:innen, sodass sie entsprechend ihres medizinischen Bedarfs bestmöglich versorgt werden.

Um neue Wege im laufenden Versorgungsbetrieb einzuschlagen, benötigen Krankenhäuser Zeit, Geld und engagierte qualifizierte Mitarbeitende – also oftmals genau jene Ressourcen, die derzeit fehlen oder knapp sind. Bei der Suche nach finanziellen Mitteln kann der Innovationsfonds helfen.

2.2Projektförderung durch den Innovationsausschuss beim G-BA

2.2.1Arbeitsweise und Struktur

Bereits seit sechs Jahren werden aus Mitteln der GKV neuartige, sektorenübergreifende Versorgungsformen und Vorhaben der praxisnahen Versorgungsforschung unterstützt. Angesichts einer sehr breit aufgestellten Gesundheitsforschung, die insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung institutionell unterstützt wird, eigentlich ein überraschender Befund (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021). Der Innovationsfonds hat jedoch eine andere Zielrichtung: Mit den Fördermitteln sollen Impulse für versorgungsnahe Projekte gesetzt und dahingehende Projektideen finanziert werden. Es sollen neue Ansätze – vor allem auch der berufs- und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit – erprobt und belastbare Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob sie die Versorgung wirklich verbessern und deshalb etabliert werden sollten. Die Summen, die für die Förderung von solchen neuen Versorgungsformen (NVF) sowie von Versorgungsforschung (VSF) zur Verfügung stehen, sind beträchtlich: In den Jahren 2016 bis 2019 waren es jeweils jährlich 300 Millionen Euro, in den Jahren 2020 bis 2024 sind es jährlich 200 Millionen Euro. Bisher laufen rund 140 Projekte, an denen Krankenhäuser unmittelbar oder als Konsortialpartner beteiligt sind.

Mit der eigentlichen Förderentscheidung betraut ist der Innovationsausschuss beim G-BA. Diesem Gremium gehören Vertreter:innen des GKV-Spitzenverbandes, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie der Autor des Beitrags in seiner Funktion als unparteiischer Vorsitzender des G-BA an. Zudem haben Patientenvertreter:innen ein Mitberatungs- und Antragsrecht. Sie alle stellen sicher, dass die gesetzten Förderziele effektiv erreicht werden.

Der Innovationsausschuss legt nach einem vorgeschalteten Konsultationsverfahren unter Einbeziehung externer Expertise die Schwerpunkte und Kriterien für die jeweiligen Förderbekanntmachungen fest. Neben den konkret vorgegebenen Themenfeldern für eine Förderung (themenspezifische Förderbekanntmachungen) besteht in jeder Förderwelle die Möglichkeit, sich mit abweichenden Projektideen zu bewerben (themenoffene Förderbekanntmachungen). So können auch innovative Projektideen außerhalb der aktuellen Themensetzungen berücksichtigt werden. Anders ausgestaltet ist das Verfahren zur Entwicklung und Weiterentwicklung von medizinischen Leitlinien, für die in der Versorgung ein besonderer Bedarf besteht: Die Förderschwerpunkte werden hier vom Bundesministerium für Gesundheit festgelegt.

Wenn die Förderanträge eingegangen sind, muss der Innovationsausschuss entscheiden, ob und in welchem Umfang die jeweilige Bewerbung die festgelegten Kriterien erfüllt. Dabei hat der Innovationsausschuss die Empfehlungen der Mitglieder des sogenannten Expertenpools einzubeziehen. Bei den Mitgliedern des Expertenpools handelt es sich um Vertreter: innen aus Wissenschaft und Versorgungspraxis.

Die konstant hohen Antragszahlen von insgesamt ca. 350 pro Jahr über alle Förderbereiche hinweg zeigen, dass der Innovationsfonds von den potenziellen Antragstellern als ein attraktives Instrument zur Erprobung von Lösungsansätzen angenommen wird. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass all diese Projekte ohne den Innovationsfonds voraussichtlich nicht initiiert und in dieser Form – einschließlich der zwingend vorgeschriebenen wissenschaftlichen Auswertung der Ergebnisse – nicht konzipiert und durchgeführt würden. Im Ergebnis des Themenfindungs- und Auswahlprozesses des Innovationsausschusses setzen sich die geförderten Projekte mit nahezu allen derzeit relevanten Herausforderungen im Gesundheitswesen auseinander. Stichworte sind beispielsweise die Entwicklungen im Bereich Digitalisierung, die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und die damit oftmals einhergehenden Mehrfacherkrankungen sowie eines daraus resultierenden Pflegebedarfs oder die Gestaltung der Versorgungsangebote in strukturschwachen Regionen.

Nach dem Ende der jeweiligen Projekte berät der Innovationsausschuss über die jeweiligen Schluss- und Ergebnisberichte und empfiehlt ggf. eine Überführung in die Versorgung. Dabei können auch unterschiedliche Lösungsansätze für einen Transfer der in einem Projekt gewonnenen Ergebnisse in Betracht kommen.

Der Innovationsausschuss konkretisiert in seinen Empfehlungen zu den Projektergebnissen, wie eine solche Verankerung in der Versorgung erfolgen soll. Darüber hinaus muss er feststellen, welche Organisation der Selbstverwaltung oder welcher andere Akteur hierfür zuständig ist. Einen verpflichtenden Auftrag zur Prüfung und ggf. Umsetzung kann der Innovationsausschuss bisher nur gegenüber dem G-BA aussprechen, alle anderen Institutionen und Organisationen im Gesundheitswesen kann er lediglich bitten, die Erkenntnisse aus den erfolgreichen Projekten in ihrer jeweiligen Regelungszuständigkeit zu prüfen und zu berücksichtigen.

Kommt der Innovationsausschuss zu dem Ergebnis, dass er ein Projekt nicht für die Regelversorgung empfiehlt, begründet er dies und zeigt in diesem Zusammenhang auch verbliebene Erkenntnislücken auf. Die Abschlussberichte aller geförderten Projekte sind auf der Website des Innovationsauschusses beim G-BA (https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/) einsehbar.

2.2.2Gutachten bestätigt Innovationsfonds

Der Gesetzgeber zielte bei der Ausgestaltung des Innovationsfonds von Anfang an auf eine systematische Evaluierung der geförderten Projekte. Er wollte wissen, ob das Instrument geeignet ist, die Versorgung weiterzuentwickeln. Seit dem Frühjahr 2022 liegt nun der abschließende Evaluationsbericht des Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos vor (Deutscher Bundestag 2022). Das Gutachten zieht ein positives Gesamtfazit und empfiehlt, den Innovationsfonds dauerhaft als Förderinstrument beizubehalten. Damit bestätigt er mit wissenschaftlicher Expertise die im Koalitionsvertrag genannten Pläne der Regierungsparteien, den Innovationsfonds als Förderinstrument zu verstetigen. Aktuell ist die Förderung aus dem Innovationsfonds bis 2024 befristet.

Der Abschlussbericht beleuchtet die Arbeit des Innovationsfonds in den Jahren 2019 bis 2021. In die Analyse sind die in diesem Zeitraum veröffentlichten Abschluss- und Evaluationsberichte der geförderten Projekte sowie Erfahrungen bei der Überführung von Projekterkenntnissen in die Regelversorgung einbezogen worden. Bereits im März 2019 hatte Prognos einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem festgestellt wurde, dass die durch den Innovationsfonds geschaffenen Strukturen und Prozesse gut geeignet sind, die mit ihm verbundene Zielsetzung zu erreichen (Deutscher Bundestag 2019). Zusammenfassend wird im Abschlussbericht konstatiert:

„Mit Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen und des Gesundheitsfonds werden Projekte gefördert, die nahe an der Versorgungsrealität sind und substanzielle Beiträge zur Weiterentwicklung der Versorgung in der GKV in Deutschland leisten können. Insgesamt zeigen die Befunde der Evaluation ein positives Bild des Entwicklungsstandes des Innovationsfonds und ein hohes Potenzial des Fonds zur Weiterentwicklung der GKV-Versorgung.“

Die in relativ kurzer Zeit aufgebauten Strukturen und administrativen Prozesse bewerten die Gutachter als effektiv. Das Gutachten würdigt zudem die hohe Transparenz, die durch die regelmäßige Veröffentlichung der Ergebnisse und Empfehlungen auf der Website des Innovationsausschusses gewährleistet wird.

Zugleich sehen die Gutachter auch Optimierungsbedarf und regen beispielsweise an, die Kommunikation – vor allem in Bezug auf bestimmte Zielgruppen – weiter zu verbessern. Außerdem wird eine größere Flexibilität bei den Fördermitteln für die themenoffene Förderung empfohlen sowie eine systematische Nachverfolgung der adressierten Akteure, um transparent zu machen, welche Aspekte aus den Empfehlungen aufgegriffen und umgesetzt worden sind.

2.2.3Geförderte Projekte aus dem Krankenhaus-Bereich

Bisher haben 54 NVF- und 83 VSF-Projekte mit einem Krankenhaus als Konsortialführung – und damit in der Regel auch Initiator der Projekte – eine Förderung aus dem Innovationsfonds erhalten. Auf den folgenden Seiten sollen drei Projekte vorgestellt werden, die der Innovationsfonds fördert respektive gefördert hat: Zwei Projekte laufen derzeit noch, bei ihnen ist eine abschließende Bewertung im Moment nicht möglich. Ein Projekt ist bereits beendet und hat eine Empfehlung zur Umsetzung in die Versorgung erhalten. Alle drei Projekte lassen sich mit den eingangs skizzierten Herausforderungen für Krankenhäuser verbinden: Digitalisierung vorantreiben, Ergebnisqualität verbessern sowie sektorenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit ausbauen.

Beispiel 1: ERIC – Enhanced Recovery after Intensive Care

In Deutschland werden jährlich 2,1 Millionen Patient:innen auf Intensivstationen behandelt. In vielen Fällen erholen sich die Betroffenen nicht und leiden unter den Folgen in Form eines Post-Intensive-Care-Syndroms. Sie entwickeln Folgeschäden wie kognitive Einschränkungen und Organschäden. Ziel des Projekts ERIC unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin war es, diese Langzeitfolgen zu verringern. Das Projekt wurde für 44 Monate mit insgesamt ca. 6,8 Millionen Euro gefördert. Konsortialpartner waren die Universität München, die Technische Universität Berlin, das Fraunhofer FOKUS Institut, die Ernst von Bergmann Klinik Bad Belzig gGmbH sowie die BARMER. Seit Januar 2022 liegt ein Beschluss des Innovationsausschusses (https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/ericenhanced-recovery-after-intensive-care.55) vor, der den adressierten Institutionen empfiehlt, die Video-Sprechstunde in die Versorgung zu überführen (leider hatte der Projektnehmer selbst nur dieses eine von mehreren erprobten Elementen für eine Überführung empfohlen): Die Gesundheitsministerien der Länder sind gebeten worden zu prüfen, ob in ihrem Bundesland telemedizinische Visiten auf Intensivstationen etabliert werden sollten. An den G-BA erging der Arbeitsauftrag, sich mit der Video-Sprechstunde zu beschäftigen. Anknüpfungspunkt waren die vom G-BA definierten Zentrumszuschläge für Spezialkliniken, die in einem intensivmedizinischen digital-gestützten Versorgungsnetzwerk (IDV-Zentren) eingebunden sind.

ERIC zeigte erfolgreich, dass mithilfe einer multiprofessionellen telemedizinischen Visite das Risiko für Langzeitfolgen einer Behandlung auf der Intensivstation verringert werden kann. Dafür wurde eine zentrale E-Health-Plattform aufgebaut, die die Kommunikation und die Datenerfassung der 15 beteiligten Intensivstationen in einem telemedizinischen Zentrum bündelte. So wurden unter anderem tägliche Televisiten durchgeführt, in der die teilnehmenden Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte über Video standortunabhängig miteinander kommunizierten. Im Mittelpunkt der Televisiten stand die bessere Einhaltung von Qualitätsindikatoren zur intensivmedizinischen Behandlung, die über die E-Health-Plattform automatisch erhoben und ausgewertet wurden. Die Plattform diente zudem dazu, akute stationäre und nachgeschaltete Versorgungsstrukturen wie Reha-Zentren oder Hausarztpraxen miteinander zu vernetzen. Die Qualitätsindikatoren lieferten dabei wichtige Hinweise zur Ermittlung und Steuerung des sogenannten rehabilitativen Potenzials der Patient:innen: Sie zeigten – orientiert an den Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Angehörigen – auf, welche Reha-Maßnahmen zum jetzigen oder späteren Zeitpunkt sinnvoll sind und wo Ressourcen effizient eingesetzt werden können.

Das Projekt hat sich bereits in der Corona-Pandemie bewährt: Über die E-Health-Plattform konnte die Charité das neueste Wissen zur intensivmedizinischen Behandlung von COVID-19 in der Metropolregion Berlin/Brandenburg unmittelbar und standortunabhängig verfügbar machen. Zeitnah passte der G-BA aufgrund der Projektergebnisse die Zuschläge für telemedizinische Leistungen bei Herz- und Lungenzentren auch grundsätzlich an (vgl. https://www.g-ba.de/beschluesse/5353/).

Beispiel 2: OPTINOFA – Optimierung der Notfallversorgung durch strukturierte Ersteinschätzung mittels intelligenter Assistenzdienste

Die Notaufnahmen sind für immer mehr Menschen erste Anlaufstelle bei akuten gesundheitlichen Problemen – auch bei Beschwerden, die eigentlich ambulant versorgt werden könnten. Die Folge: überlastete Notaufnahmen, damit steigende Behandlungsrisiken durch Fehler und unnötig hohe Kosten im Bereich der Notfallbehandlung. Mit einer differenzierten Steuerung von Notfallpatient:innen mittels Assistenzdiensten will das Projekt OPTINOFA eine bessere Verteilung der Hilfesuchenden zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Bereich erreichen. Die Projektleitung liegt bei der Universitätsmedizin Göttingen. OPTINOFA wird für vier Jahre mit ca. 4,3 Mio. Euro gefördert. Konsortialpartner sind das Universitätsklinikum Magdeburg, das Wissenschaftliche Institut der AOK, die Hochschule Heilbronn, die AOK Niedersachsen, die DAK-Gesundheit und die Techniker Krankenkasse. Derzeit wird der Abschlussbericht erstellt.

Technische Basis bildet eine Software, die die 20 häufigsten notfallmedizinischen Leitsymptome und -diagnosen etablierter Triage-Systeme mit aktuellen Leitlinien und Kriterien einer sektorenspezifischen Zuweisung verknüpft. So wurden leitsymptombasiert neue Notfall-Algorithmen für die Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit und der erforderlichen Notfallversorgungsstufe entwickelt. Dieser intelligente Assistenzdienst, der über ein mobiles Endgerät oder direkt in der Klinik vor Ort genutzt wird, soll eine strukturierte Ersteinschätzung rasch und ortsunabhängig ermöglichen. Getestet und wissenschaftlich überprüft wird diese neue Versorgungsform in beteiligten Modellkliniken und in den angeschlossenen kassenärztlichen Bereitschaftsdienstpraxen. Erfragt wird im Projekt auch, wie das medizinische Personal diese neue Versorgungsform in Bezug auf Akzeptanz, Anwendbarkeit und Nutzen einschätzt.

Beispiel 3: WiZen – Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren

Krebserkrankungen sind bereits heute die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass die Behandlung in zertifizierten onkologischen Zentren die Überlebenschance von Krebspatient:innen erhöht. Dieser Hypothese geht das Projekt WiZen nach, das vom Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung der medizinischen Fakultät an der TU Dresden geleitet wird. Es wird mit 1,6 Mio. Euro für 39 Monate gefördert. Konsortialpartner sind die Universität Regensburg, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V., das Wissenschaftliche Institut der AOK sowie die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. Seit Oktober 2022 liegt ein Ergebnisbericht vor.

Verglichen werden Daten zur Diagnostik und Behandlung von Krebspatient:innen, die entweder in onkologischen Behandlungszentren oder in nicht-zertifizierten Kliniken behandelt wurden. Datenquellen sind Routinedaten aus dem AOK-System und Daten von vier klinischen Krebsregistern. Bezogen auf die Krankheitsbilder ist das Projekt breit aufgestellt: Es fließen Informationen zu Brustkrebs, Lungenkrebs, Prostatakrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Dickdarmkrebs sowie zu Tumoren des Zentralnervensystems, des Kopf-Hals-Bereiches und zu gynäkologischen Tumoren ein.

Erste Aussagen zu den Projektergebnissen im Rahmen eines Symposiums im April 2022 war sehr vielversprechend. Sie legten nahe, dass eine Behandlung an zertifizierten Zentren die Sterblichkeit von Patient:innen senkt (AOK Bundesverband 2022). Dies bestätigte sich auch im Abschlussbericht, sodass der Innovationsausschuss eine Empfehlung gegenüber verschiedenen Akteuren aussprechen konnte, Erkenntnisse aus dem Projekt in die Versorgung einfließen zu lassen.

Hinweise zum Innovationsfonds:

Hinweis auf Förderbekanntmachungen unter https://innovationsfonds.g-ba.de/foerderbekanntmachungen/

Beratung zur Antragsstellung durch das Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR-Projektträger), der als Dienstleister des Innovationsausschusses agiert: Beratungshotline: +49 228 38211020

E-Mail-Anfragen zu neuen Versorgungsformen: [email protected]

E-Mail-Anfragen zu Versorgungsforschung: [email protected]

2.3Zusammenfassung

Die vom Innovationsausschuss geförderten Projekte sollen Antworten zum Anpassungs- und Handlungsbedarf des Gesundheitssystems beisteuern, der sich aus den medizinischen, soziodemografischen und strukturellen Entwicklungen unabdingbar ergibt. Insbesondere bei Krankenhäusern, die vielfältige Versorgungsaufgaben wahrnehmen, ist der Anpassungs- und Handlungsbedarf wie eingangs beschrieben groß. Die vorgestellten Projekte bilden natürlich das breite Spektrum an Herausforderungen und kreativen Lösungsansätzen nur begrenzt ab. Alle drei zeigen aber, dass die hier untersuchten Fragestellungen und erprobten Versorgungsformen nicht nur für die Arbeit des G-BA relevant sind, sondern für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens insgesamt. So konnte das durch das ERIC-Projekt etablierte Netzwerk an Kliniken einen wichtigen Beitrag zur besseren Versorgung von Patient:innen mit COVID-19 leisten. Der im Projekt OPTINOFA erprobte Ansatz einer softwaregestützten Steuerung von Notfallpatient:innen in die bedarfsgerechte Versorgungsebene könnte im besten Fall direkt in die aktuelle Arbeit des G-BA einfließen. Bis zum Sommer 2023 soll der G-BA nämlich ein Ersteinschätzungsverfahren zur ambulant-stationären Notfallversorgung vorlegen, das künftig bundesweit genutzt wird. Erst kürzlich hatte der Gesetzgeber diesen Auftrag für den G-BA zeitlich gestreckt – nicht zuletzt deshalb, weil derzeit kein geeignetes Software-System existiert, wie es in der Begründung zum Kabinettsbeschluss zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz heißt. Die Ergebnisse des Projekts WiZen werden bereits seit Monaten fachlich diskutiert, da sie für mehrere Regelungsbereiche des G-BA von hoher Relevanz sind: Zentrums-Regelungen, Mindestmengen, datengestützte Qualitätssicherung mit Krebsregisterdaten, Kriterien für Zertifikate und Strukturqualitätsvorgaben. Dass dies alles bereits vor der Empfehlung durch den Innovationsausschuss erfolgte, zeigt welche Innovationskraft im System vorhanden ist.

Krankenhäuser sollten daher die Möglichkeiten zur Entwicklung und Erprobung neuer Versorgungsmodelle, die der Innovationsfonds auf jeden Fall bis 2024 bietet, intensiv nutzen. Selbst wenn nicht jedes geförderte Projekt Empfehlung zur Überführung in die Versorgung erhält; auch die Erfahrung, dass eine Idee nicht funktioniert, ist eine wichtige Erkenntnis und hilft anderen daraus zu lernen und erfolgreicher zu sein.

Das Prognos-Gutachten zum Innovationsfonds hat eine Entfristung des Innovationsfonds empfohlen; der politische Wille dazu war bereits zuvor als Absichtserklärung im Koalitionsvertrag verankert worden. Bisher steht ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren jedoch aus. Angesichts der Herausforderung durch Corona-Pandemie und Rekordminus bei den GKV-Finanzen ist es nachvollziehbar, dass eine Entfristung nicht oberste Priorität hat. Jedoch sollte das Gesetzgebungsverfahren hierzu bald angegangen werden, um allen Beteiligten die nötige Planungssicherheit zu geben und um zu verhindern, dass die Arbeit des Innovationsfonds 2024 abrupt endet.

Hintergrundinformationen zum Innovationsfonds finden Interessierte unter: https://innovationsfonds.g-ba.de/

Literatur

AOK Bundesverband (2022) Krebs-Behandlungen in Zentren steigern die Überlebenschancen deutlich. URL: https://aok-bv.de/presse/termine/index_25319.html (abgerufen am 10.02.2023)

Augurzky B, Krolop S, Pilny A, Schmidt CM, Wuckel C (2020) Krankenhaus Rating Report 2020. Ende einer Ära. Aufbruch ins neue Jahrzehnt. medhochzwei Verlag, Heidelberg

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021) Für ein gesundes Leben. Kommt gut an – Deutschlands Gesundheitsforschung. URL: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/files/BMBF_Gesundheitsbroschuere_2021.pdf (abgerufen am 10.02.2023)

Bundesregierung (2020) Antwort auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Abfluss der Mittel aus dem Bundesförderprogramm Breitbandausbau, Drucksache 19/16656

Busse R (2021) Krankenhäuser sind in Deutschland überflüssig. In: Der Tagesspiegel. URL: https://www.tagesspiegel.de/politik/gesundheitsoekonom-reinhard-busse-im-interview-krankenhaeuser-sind-in-deutschland-ueberfluessig/27636330.html (abgerufen am 10.02.2023)

Deutscher Bundestag (2019) Unterrichtung durch die Bundesregierung. Zwischenbericht über die wissenschaftliche Auswertung der Förderung durch den Innovationsfonds im Hinblick auf deren Eignung zur Weiterentwicklung der Versorgung. URL: https://dserver.bundestag.de/btd/19/085/1908500.pdf (abgerufen am 10.02.2023)

Deutscher Bundestag (2022) Unterrichtung durch die Bundesregierung. Abschlussbericht über die wissenschaftliche Auswertung der Förderung durch den Innovationsfonds im Hinblick auf deren Eignung zur Weiterentwicklung der Versorgung. URL: https://dserver.bundestag.de/btd/20/013/2001361.pdf (abgerufen am 10.02.2023)

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) (2018) Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung. URL: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2018/Gutachten_2018.pdf (abgerufen am 10.02.2023)

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) (2021) Digitalisierung für Gesundheit Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems. URL: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2021/SVR_Gutachten_2021.pdf (abgerufen am 10.02.2023)

Schmiedhofer MH, Searle J, Slagman A, Möckel M (2017) Inanspruchnahme zentraler Notaufnahmen: Qualitative Erhebung der Motivation von Patientinnen und Patienten mit nichtdringlichem Behandlungsbedarf. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York

Stephani V, Busse R, Geissler A (2019) Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich. In: Klauber J (Hrsg.) Krankenhaus-Report 2020. 17–32. Springer, Berlin, Heidelberg

Weiterführende Literatur

Hecken J (2022) Es geht nicht um Überzeugungsarbeit. In: Operation Gesundheitswesen 11/2022, 11–13

Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J (2019) Krankenhaus-Report 2019. Das digitale Krankenhaus. Springer Verlag, Berlin

Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J, Beivers A (2020) Krankenhaus-Report 2020. Finanzierung und Vergütung am Scheideweg. Springer Verlag, Berlin

Prof. Josef Hecken

Josef Hecken ist seit 2012 unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und seit Ende 2015 auch Vorsitzender des Innovationsausschusses beim G-BA. Zuvor war er zwischen 2009 und 2012 Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Von 2008 bis 2009 leitete er als Präsident das Bundesversicherungsamt (heute Bundesamt für soziale Sicherung). Der studierte Rechtsanwalt war von 2004 bis 2008 Landesminister für Justiz, Gesundheit und Soziales im Saarland und bekleidete zuvor verschiedene andere politische Funktionen.

 

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Digitale Transformation als Gamechanger in der Gesundheitsversorgung

Markus Müschenich und Laura Wamprecht

3.1Der Start der digitalen Transformation in Krankenhäusern

Die digitale Transformation hat schon lange begonnen und gestartet sind die Krankenhäuser. Müsste man ein Start-Datum festlegen, dann am ehesten das der Eröffnung des Unfallkrankenhauses Berlin im Jahr 1997. Papierlos, voll digital und die Prozesse entsprechend optimiert. Dazu der vermutlich erste Ärztliche Direktor und Geschäftsführer mit einer Website über eine eigene Domain. Sensationell vor 25 Jahren.

In der Hall of Fame der digital transformierten Krankenhäuser folgte 2011 das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit HIMSS Level 7. Und wer sich heute die Sana Kliniken AG anschaut, der sieht einen erfolgreichen Krankenhauskonzern, der längst viel mehr macht als nur Patienten im analogen Krankenhaus zu versorgen und der mit einer vorbildlichen Digitalstrategie einschließlich diversen Investments in Digital Health Start-ups und eines Chief Transformation Officers im Vorstand glänzen kann. Schaut man weiter in die Gesundheitswirtschaft, dann fallen noch die Privaten Krankenversicherungen mit einem eigenen Digital Health Fonds auf, der den Auftrag hat, in solche Unternehmen zu investieren, die die digitale Transformation des Gesundheitswesens maßgeblich vorantreiben können. Gleichzeitig müht sich Pharma vereinzelt mit Digital Acceleratoren und beginnt gerade die DiGAs für sich zu entdecken.

Wunderbare Beispiele, doch leider nur Kasuistiken und in der Gauß’schen Normalverteilung der bisherigen digitalen Transformationsaktivitäten ganz außen. Noch warten wir also auf einen Gamechanger, der eine solche Stärke haben muss, dass sich wirklich grundlegend etwas ändert. Solche Paradigmenwechsel kommen allerdings höchst selten aus dem System selbst. Weder erfand Brockhaus Google (oder wenigstens Wikipedia), noch wurde Tesla als Tochtergesellschaft eines traditionellen Autobauers ins Leben gerufen. Sprechen wir hier nicht nur über einen ordnungspolitischen, sondern über einen durch digitale Technologien ausgelösten Paradigmenwechsel, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesundheitssystem selbst für die Veränderung sorgt, praktisch auf null. Wir alle wissen: Die Digitalisierung der Welt hat unser Gesundheitswesen bislang weitestgehend ausgespart. Die digitale Systemkompetenz ist unterirdisch.

3.2Die digitale Transformation des Gesundheitswesens

Was also muss passieren, damit unser Gesundheitswesen digital disruptiert wird. Wie wäre es vielleicht, wenn man parallel ein komplett neues – und vollständig digitales – Gesundheitswesen aufbauen würde, das peu à peu das alte Gesundheitswesen dort ersetzt, wo es vorteilhafter wäre. Nicht denkbar? Doch! Denn genau das passiert gerade in der Welt jenseits des Gesundheitswesens. Dort entsteht, getrieben durch gewaltige Konzerne und (noch) kleine Start-ups und finanziert über Milliarden-Investments ein paralleles Wirtschaftssystem. Man nennt es Web3. Besser bekannt als Metaverse. Es soll die nächste Ära des Internets werden und wird – kaum zu glauben – begehbar sein.

Sicher ist: Die Gesundheitswirtschaft wird diese einmalige Chance nutzen, hier aktiv zu werden und Umsatz zu machen. Nicht sicher ist, ob die alten, traditionsreichen Vertreter schnell genug sein werden oder aber den neuen Health-Tech-Playern das Feld überlassen werden. Die Geschichte der Medizin wird es uns lehren, sobald das Kapitel zu Ende geschrieben ist.

Um die Kraft und das Potenzial des Web3 zu verstehen, hilft der Blick auf die Anfänge des Internets. Es gab die rein statischen Seiten, die Informationen bereitstellten und weitgehend an abfotografierte, mit einer Schreibmaschine geschriebene Textseiten erinnerten. Alles das basierte auf offenen Protokollen wie http für Websites, SMTP für Emails und FTP für die Datenübertragung.

Ab Mitte der 2000er-Jahre kam das Internet der zweiten, aktuellen, Generation in Gang. Geprägt wurde es von zentralisierten Plattformen wie Google, Facebook, LinkedIn, usw., die nicht nur eine bessere User-Experience, sondern vor allem ein neues Geschäftsmodel mit sich brachten. Fortan sprachen alle von der Plattformökonomie und dem Prinzip des „attract to extract“ – mit kostenlosen Services wurden erst User angesprochen (attracted), die dann in einem zweiten Schritt begannen, die kostenpflichtigen Services zu nutzen (extracted) oder mehr oder weniger freiwillig die Nutzerdaten für Marketingzwecke zur Verfügung stellten.

Nun kommen die neuen, auf der Blockchain-Technologie basierenden, Internet-Protokolle in die digitale Welt. Diese automatisieren Prozess soweit, dass die Verbindung zwischen Verbrauchern und Anbietern von Services keiner Plattformen mehr bedarf. Gleichzeitig ermöglicht es die Blockchain, dass digitale Güter (z.B. ein digital erzeugtes Bild) ein Echtheitszertifikat erhält, das gleichzeitig eindeutig seinen Besitzer nachweist. Diese sogenannten Non-Fungibel-Tokens (NFTs) machen digitale und normalerweise per Mausklick kopierbare digitale Produkte plötzlich zu Einzelstücken und damit als Original handelbar. Das geht so weit, dass eine digitale Gucci Tasche als NFT einen Käufer fand, der mehr als 3.000 Dollar für diese virtuelle Tasche bezahlte. Kombiniert wird das Ganze mit den virtuellen Umgebungen, die wir aus den Online-Spielen kennen und in denen sich bereits heute Millionen Nutzer tummeln. So werden sich Websites und Apps zu einer Multi-User Umgebung entwickeln, in die die Nutzer eintauchen können. Diese Immersion ist eines der Erfolgsgeheimnisse und der Motivations-Motor des Metaverse. Aus den digitalen Spielewelten entstehen nach und nach neue digitale Lebenswelten, die immer perfekter eine Parallelwelt zu unserem analogen Dasein schaffen. Experten sind überzeugt, dass jeder Aspekt unserer realen Weltwirtschaft im Metaverse noch einmal abgebildet werden wird. So entsteht ein neuer globaler Wirtschaftsraum, in dem in Echtzeit kommuniziert, gehandelt und – via Avatar – gelebt werden kann. Kein Wunder also, dass Modehäuser, Sportartikelhersteller und sogar Supermärkte bereits ihre virtuellen Geschäftsgebäude auf hochpreisigen virtuellen Grundstücken errichtet haben und ihre Produkte aus der realen Welt nun als digitales Abbild im NFT-Format auch im Metaverse verkaufen. So trägt der Avatar eines modebewussten Nutzers standesgemäß Nike Sneaker zu einer Gucci Tasche. Der menschliche Besitzer kann die digitalen Stücke – Dank Blockchain – genauso als Original und Besitz ausweisen, wie das, was zu Hause in seinem Kleiderschrank und Schuhregal zu finden ist.

Die Techwelt nebst Investoren gibt sich überzeugt, dass das Metaverse gekommen ist, um zu bleiben. Facebook hat sich in Meta Platforms umbenannt und investiert Milliarden Dollar in die Entwicklung von Hardware und Geschäftsmodellen rund um dieses neue Virtual Reality-Universum. Apple und Google arbeiten fieberhaft daran, Smartglasses auf den Markt bringen, die die klobigen VR-Brillen ablösen werden und so das Leben im Metaverse deutlich komfortabler machen werden. Daneben boomen die Marktplätze für NFT’s und die ersten Start-ups kümmern sich darum, dass mittels spezieller Handschuhe und Kleidungsstücke auch haptische Eindrücke aus dem Metaverse auf den Nutzer übertragen werden können. Diese Aktivitäten spiegeln sich wider in beeindruckenden Umsatzprognosen. 2028, so Morgan Stanley, wird die Marktgröße der Metaverse-Industrie acht Billionen Dollar betragen. Das passt zur Voraussage von Gartner, dass sich bereits 2026 25% der Weltbevölkerung täglich eine Stunde im Metaverse aufhalten werden1. Das sind zwei Milliarden User-Stunden pro Tag. Sicher findet sich ein relevanter Anteil von Menschen unter den Nutzern, die regelmäßig die Gesundheitssysteme in Anspruch nehmen. Kein Zweifel also, dass auch der Gesundheitsmarkt eine Daseinsberechtigung im Metaverse haben wird und so ein Grundmehr, sich das Szenario Healthcare in the Metaverse genauer anzuschauen.

3.3Das Metaverse für die Gesundheitswirtschaft

Wer auf Youtube nach ConceptHealth: Edd Kewin. Eine kleine, kleine Narbe sucht, findet ein Video2 aus dem Jahr 2008, in dem die Geschichte von einem Berliner Schriftsteller erzählt wird, der dringend eine Operation benötigt, aber aus Mangel an Zeit – die Deadline der Abgabe eines Manuskriptes naht – sich weder um die Vorstellung bei einem Arzt, noch um die Auswahl eines Krankenhauses und auch schon gar nicht um die Vereinbarung eines passenden OP-Termins kümmern kann. Der vielbeschäftigte Schriftsteller löst das Problem, indem er seinen Avatar – eben Edd Kewin – auf die Suche nach einem geeigneten Chirurgen schickt und ihm auch noch die lästige Aufgabe der Terminvereinbarung überträgt. Die Anfangsszene, in der der Schriftsteller seinen Avatars auf die Reise ins Gesundheitssystem im Metaverse schickt, endet damit, dass Edd Kewin den Zugriff auf die elektronische Patientenakte seines „Meisters“ bekommt. Edd Kewin begibt sich – ausgestattet mit Prokura und Daten – auf die Suche nach einem geeigneten Arzt und landet schließlich beim Avatar des Chefarztes des Waldkrankenhauses in Berlin Spandau, wo er sich zur OP und möglichen Alternativen aufklären lässt. Nebenbei checkt er die Qualitätsindikatoren von Arzt und Krankenhaus und kehrt schlussendlich mit einem OP-Termin und einer Prognose der zu erwartenden postoperativen Einschränkungen zurück zu seinem menschlichen Ebenbild.

Die Premiere des Films auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit im Jahr 2008 stieß auf eine interessante Mischung aus Faszination, Unverständnis und Entsetzen. Wenn man damals gefragt hätte, wer ein solches Szenario für realistisch hält, man hätte vermutlich wenige aus der Zuhörererschafft gefunden. Für die Allermeisten war es unterhaltsame Science Fiction.

Fast eineinhalb Jahrzehnte später und Dank multipler technologischer Fortschritte wird aus Science Fiction nun Realität und man kann sich das Metaverse nicht nur als neue Spielwiese der Gesundheitswirtschaft vorstellen, man kann bereits erahnen, dass der strategische Impact im Wettbewerb der Akteure enorm sein wird. Es wir eher harmlos beginnen.

Beispiel:

In einem ersten Schritt werden wir die Repräsentanzen der erfolgreichen Player im Metaverse finden. Der Krankenhauskonzern wird sein Flagship-Hospital dort ebenso präsentieren, wie das Pharmaunternehmen sein virtuelles Headquarter. Diese Phase wird dann enden, wenn die ersten Patienten ihre elektronische Patientenakten mit ihren Avataren verbinden und so Digital Patient-Twins erschaffen. Mit diesem Schritt betritt der Patient die Bühne und wird sich nicht mehr über die Homepage über das passende Krankenhaus informieren, sondern über den Besuch in der Metaverse Dependance. Hier kann der Avatar des Patienten sich nicht nur anschauen, wie das Krankenhaus von innen aussieht. Vielmehr kann er mit dem Avatar des Chefarztes Kontakt aufnehmen, das Pflegepersonal persönlich kennenlernen und eine Simulation des stationären Aufenthalts vornehmen. Die Reservierung des passenden Zimmers und das Kennenlernen der zukünftigen Zimmergenossen eingeschlossen. Werdende Eltern werden sich so ihren Kreissaal aussuchen und die Simulation in der kosmetischen Chirurgie wird neue Dimensionen erreichen.