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Simon Scarrow

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Beschreibung

Britannien, A. D. 44: Die Invasion Roms auf Britannien hat viel Blut gekostet. Doch noch immer gibt es Widerstand. Die Männer der Zweiten Legion kämpfen trotz hoher Verluste weiter. Unter ihnen ist Figulus, ein junger Centurio, der sich durch besondere Tapferkeit hervortut und den Schlachtentod nicht fürchtet. Während der Winter naht, sehen sich die römischen Truppen einem neuen, gnadenlosen Feind gegenüber: einer Horde entfesselter Krieger, die sie aus dem Verborgenen angreifen. Für Figulus beginnt eine gefährliche Mission, die nur Sieg oder Verderben kennt!

"Invasion" enthält die Vorab-Episoden "Invasion" 1-5 gesammelt in einem Band.

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Seitenzahl: 731

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ZUM BUCH

Britannien A. D. 44: Figulus, ein junger Centurio, kämpft in der Zweiten Legion für den Sieg Roms. Um Britannien endgültig zu unterwerfen, greifen Figulus und seine Männer die Insel Vectris an, die Basis des Widerstands. Nach blutigen Schlachten wird Figulus zum Lohn für seine Tapferkeit schließlich ein Auftrag zugeteilt, der die römische Invasion entscheiden könnte. Figulus soll im Gebiet des britannischen Widerstands einen König installieren, der Rom ergeben ist. Für Figulus und seine treuen Kämpfer gibt es nur zwei Wege: Sieg oder Tod …

ZUM AUTOR

Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre als Dozent für Geschichte an der Universität von Norfolk, eine Tätigkeit, die er aufgrund des großen Erfolgs seiner Romane nur widerwillig und aus Zeitgründen einstellen musste.

Besuchen Sie Simon Scarrow im Internet unter www.scarrow.co.uk

SIMON SCARROW

T. J. ANDREWS

INVASION

Aus dem Englischen von Frank Dabrock und Martin Ruf

WILHELM HEYNE VERLAG

Die Originalausgabe INVADER erschien 2016 bei Headline Publishing Group, London

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Vollständige deutsche Erstausgabe 07/2016

Copyright © 2016 by Simon Scarrow and T. J. Andrews

Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Werner Bauer

Umschlagillustration: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/nejro Photo

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-16994-7V004

www.heyne.de

Für E. G.

KAPITEL 1

Calleva, A. D. 44

Ein kühler Windstoß fegte durch das Zelt des Hauptquartiers, als der neue Legat der Zweiten Legion durch die geöffnete Zeltklappe schritt.

»Erhebt euch!«, rief der Lagerpräfekt den Offizieren zu, die im Innern saßen. »Der Legat ist da.«

Die Offiziere verstummten, erhoben sich unverzüglich von ihren Klappstühlen und nahmen Habachtstellung ein, während der Legat an ihnen vorbeimarschierte. Lucius Aelianus Celer nickte in Richtung des Präfekten; seine Hände und sein Gesicht kribbelten von der kalten Nachtluft. Er war erst vor Kurzem aus Rom eingetroffen, um das Kommando über die Legion zu übernehmen, und er war einigermaßen entsetzt angesichts der beklagenswerten Verhältnisse auf der Insel. Mit jedem weiteren Tag sehnte er sich nach der wohligen Wärme seiner Heimat Kampanien zurück. Während Celer die Kälte aus seinen Gliedern schüttelte, trat er an einen Holzrahmen mit einer Karte aus Tierhaut, die vor den Reihen seiner versammelten Offiziere aufgebaut war. Ein Tribun, der neben der Karte stand, trat nach vorn und reichte ihm einen Holzstock. Celer warf dem Präfekten einen flüchtigen Blick zu und streckte seinen Rücken.

»Danke, Quintus Silanus.« Der Präfekt nickte. Celer wandte sich den Offizieren zu und richtete mit seiner sanften, vornehmen Stimme das Wort an sie. »Rühren, meine Herren.«

Förmlich eingehüllt in unbehagliches Schweigen, nahmen die versammelten Männer Platz. Selbst im fahlen Schein der Öllampen konnte Celer die tiefe Besorgnis in ihren Gesichtern erkennen. Weniger als ein Monat war vergangen, seit die Zweite Legion unter dem Kommando seines Vorgängers Vespasian diesen Caratacus geschlagen hatte, den König der Catuvellaunen und Anführer jener einheimischen Stämme, die beschlossen hatten, den römischen Invasoren Widerstand zu leisten. Nach langem, blutigem Kampf hatte Vespasian Caratacus’ Armee schließlich in einer offenen Feldschlacht vernichtend geschlagen. Für den Sieg hatten die Römer allerdings einen hohen Preis gezahlt; die Zweite Legion erlitt schmerzliche Verluste, und Caratacus konnte seinen Häschern entkommen. Für das laufende Jahr war ihr Einsatz beendet, der Winter stand vor der Tür, und die Soldaten würden die nächsten Monate – bis zum nächsten Einsatz im Frühling – eingepfercht in der Festung verbringen. Celer räusperte sich.

»Es ist kalt heute Nacht, meine Herren, darum werde ich mich kurzfassen«, erklärte er. »In den vergangenen Wochen haben wir zahlreiche Berichte erhalten von Angriffen auf unsere Stellungen im Süden. Spähtrupps wurden aus dem Hinterhalt überfallen, Festungen dem Erdboden gleichgemacht und Versorgungslager der Flotte geplündert. Wir reden hier nicht von vereinzelten Gelegenheitsüberfällen, sondern von koordinierten Angriffen. Die Lage ist besorgniserregend. Man hat mir berichtet, dass die griechischen Händler sich inzwischen weigern, außerhalb der Legionslager ihren Geschäften nachzugehen.« Für seine letzte Bemerkung erntete er höfliches Gelächter von seinen Zuhörern. Celer machte eine Pause und zeigte die Andeutung eines Lächelns, bevor er fortfuhr: »Ich weiß, einige von uns hatten gehofft, dass der Sieg über Caratacus diesem gottverlassenen Land Frieden bringen würde. Doch es scheint, dass unsere Feinde nach seiner Flucht neuen Mut geschöpft haben. Die Durotriger haben ihren Widerstand gegen unsere unabwendbare Herrschaft noch verstärkt. Mein geachteter Vorgänger Vespasian konnte dieses Gebiet zwar erobern, doch ist es ihm nicht gelungen, es unter seine Kontrolle zu bringen – und ich habe vor, dieses Versäumnis nachzuholen.«

Celer wandte sich der Karte zu, die den breiten Streifen Süd-Britanniens zeigte, der offiziell unter römischer Herrschaft stand und der sich östlich des Flottenstützpunkts in Rutupiae, entlang der Themse, vorbei an Calleva, bis zur Bergregion im Westen erstreckte. Celer deutete mit dem Kopf auf die Karte.

»Wir haben Informationen, die darauf hindeuten, dass hinter den Angriffen Krieger der Durotriger stecken, die von der Insel Vectis aus operieren.« Er zeigte mit dem Stock auf eine keilförmige Insel, ein paar Meilen vom Festland entfernt. »Während der Überraschungsangriffe unter Vespasians Kommando auf ihrem Gebiet letzten Sommer ist es zahlreichen Feinden gelungen, aus den Hügelfestungen zu fliehen. Da Vespasian es so eilig hatte, weiter nach Westen vorzurücken, hat er es versäumt, sich um dieses Gesindel zu kümmern, sodass sich die Männer nach Vectis zurückziehen konnten.«

Celer wandte sich erneut den Offizieren zu und hielt seinen Stock fest umklammert, sodass das Blut aus seinen Fingerknöcheln wich. Dann fuhr er fort: »Von seinem Stützpunkt auf Vectis aus konnte der Feind eine Angriffswelle nach der anderen starten und sich wieder auf die Insel zurückziehen, bevor unsere Streitkräfte ihn erfolgreich bekämpfen konnten. Meine Herren, es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Vectis endgültig unter unsere Kontrolle bringen und die Durotriger daran hindern, die Insel als Stützpunkt zu nutzen, von dem aus sie unsere Versorgungslinie entlang der Küste angreifen. Aus diesem Grund werden sich morgen bei Tagesanbruch die Fünfte, Sechste, Siebte und Neunte Kohorte auf den Weg zum Kriegshafen westlich von Noviomagus Regnorum machen. Justament sind ein Dutzend Galeeren und Versorgungsschiffe der britannischen Flotte zum Hafen in Rutupiae unterwegs. Sobald wir dort eingetroffen sind, werden wir an Bord gehen, die Schiffe mit unseren Versorgungsgütern beladen und nach Vectis aufbrechen.«

Unter den Männern hob leises Gemurmel an bei der Vorstellung, so kurz vor den bitterkalten Wintermonaten erneut in den Kampf zu ziehen. Mehrere Offiziere wechselten argwöhnische Blicke; einige der Männer in den hinteren Reihen brummten vor sich hin. Celer ließ sich davon nicht beeindrucken. Er hob die Hand, und schnell kehrte wieder Ruhe ein.

»Glücklicherweise ist Fortuna uns wohlgesinnt. In den letzten paar Wochen sind unsere einheimischen Kundschafter auf Vectis im Verborgenen tätig gewesen und haben Informationen über den Feind gesammelt. Sie haben uns berichtet, dass die Durotriger über keine nennenswerten Verteidigungsanlagen verfügen.« Celer lachte in sich hinein. »Tatsache ist, dass sie in den Bergen ein Lager für den bevorstehenden Winter errichten. Wenn wir jetzt zuschlagen, können wir die Festung einnehmen, bevor die Durotriger es schaffen, ihre Verteidigungsanlagen fertigzustellen, den Feind besiegen und vor den ersten Stürmen wieder ins Lager zurückkehren.« Er betrachtete seine Männer mit einem selbstzufriedenen Grinsen. »Der Vorteil wird auf unserer Seite sein. Wir sind dem Feind zahlenmäßig überlegen, und er hat keine Fluchtmöglichkeit. Außerdem ist eine Vorhut unserer Flotte entlang der Küste in Stellung gegangen und schneidet den Nachschub durch Sympathisanten vom Festland ab. Unter diesen Umständen sollte Vectis leicht einzunehmen sein. Natürlich wird es wie immer Widerstandnester geben, die es auszumerzen gilt. Sobald das geschehen ist, können wir die Beute aufteilen.«

Bei der Aussicht auf einen Anteil an der Kriegsbeute hellte sich die Stimmung im Zelt schlagartig auf. Celer wusste, dass jeder Offizier mit den Gefangenen eine hübsche Stange Geld verdienen konnte, wenn man sie nach Gallien verschiffte und als Sklaven verkaufte, ganz zu schweigen von den Schätzen aus kunstvoll verzierten Waffen und Schmuck, die die einheimischen Aristokraten gehortet hatten.

»Hier werden wir anlegen.« Er deutete mit seinem Stock auf eine langgezogene Bucht an der Ostküste der Insel. »Der Feind wird nicht mit einem Angriff von Osten rechnen. Auf meinen Befehl hin haben die Kundschafter die Durotriger mit Falschinformationen versorgt. Sie glauben, dass wir uns von Norden nähern, was naheliegender wäre.« Er ließ den Stock zur Mitte der Insel wandern, zu einem Meeresarm, der sich bis zur Küste im Norden erstreckte. »Abgesehen von ein paar vereinzelten Kämpfern wird der Osten von Vectis kaum verteidigt.«

Celer suchte sich ein Gesicht in der Schar der Offiziere heraus und richtete seinen Blick auf einen Mann, der in der ersten Reihe saß. Er hatte hellblaue Augen, eine Adlernase und trug einen edlen Umhang. »Tribun Palinus.«

»Herr?« Der Mann hob den Blick und blinzelte.

»Ich übertrage dir das Kommando über die Fünfte Kohorte. Deine Männer werden als Erste an Land gehen und vor den Hauptstreitkräften den Strand sichern. Denkst du, dass du der Aufgabe gewachsen bist?«

Mit unübersehbarem Stolz warf Palinus sich in die Brust. »Du kannst dich auf mich verlassen, Herr. Ich werde dich nicht enttäuschen.«

»Gut.« Celer schenkte ihm ein schwaches Lächeln, dann richtete er den Blick auf die anderen Männer. »Noch irgendwelche Fragen?«

Ein Centurio in einer der hinteren Reihen hob die Hand. Es handelte sich um einen kleingewachsenen, blassen Mann mit dunklem, lockigem Haar, und im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden hatte er keine Narben. Celer musterte ihn kühl.

»Ja, Centurio Ocella?«

»Herr«, sagte er vorsichtig. »Wie stark ist die Truppe, mit der wir es zu tun haben?«

»Laut unseren Kundschaftern handelt es sich höchstens um einige hundert Männer«, entgegnete Celer wie beiläufig; er wollte der guten Stimmung keinen Dämpfer verpassen. »Umso wichtiger ist es, dass wir uns gleich auf den Weg machen, bevor sie Gelegenheit haben, sich zu verschanzen und Verstärkung zu holen. Natürlich würde ich lieber mit mehr Männern angreifen, aber wie ihr alle wisst, wurde die Legion durch die jüngsten Kämpfe mit Caratacus empfindlich in Mitleidenschaft gezogen. Einige eurer Einheiten wurden stark dezimiert. Sie werden durch die Reservisten, die vor Kurzem in Gesoriacum eingetroffen sind, wiederaufgestockt.« Der Legat deutete mit dem Kopf auf den Präfekt. »Silanus war für ihre Ausbildung verantwortlich und hat mir versichert, dass die Männer kampfbereit sind. So ist es doch, Silanus?«

»So bereit, wie sie nur sein können, Herr«, erwiderte der Präfekt zurückhaltend.

»Mein Reden.« Celer nickte energisch mit dem Kopf. Dann gab er dem Ordonnanzoffizier den Stab zurück und streckte seinen Rücken. »Meine Herren, die Eroberung von Vectis ist von entscheidender Bedeutung, falls es uns nicht gelingen sollte, beim kommenden Feldzug weiter vorzurücken. General Plautius hat den Befehl erteilt, das Territorium hinter dem Gebiet der Durotriger zu erobern. Einige der Stämme in dieser entfernten Region haben bereits Abgesandte nach Calleva geschickt und um Frieden ersucht.« Der Legat lächelte. »Es scheint, als würde unsere Strategie des totalen Krieges gegen die Durotriger unter den Nachbarstämmen für Unruhe sorgen. Das ist gut so, denn der Kaiser hat großes Interesse daran, diese unzivilisierte Region zu befrieden, damit die Leute dort für sich selber sorgen können.« Plötzlich verhärteten sich seine Gesichtszüge. »Allerdings können wir nicht weiter nach Westen vorrücken, solange unsere Versorgungslinie ins Hinterland weiteren Überfällen ausgesetzt ist. Noch Fragen?«

Er ließ seinen Blick durch das Zelt wandern. Keiner sagte etwas, und Celer nickte zufrieden. »Gut.« Er gab einem Offizier, der in der Mitte der ersten Reihe neben Tribun Palinus saß, ein Zeichen. Alle Augen richteten sich auf einen grobschlächtigen Mann, der bereits Fett angesetzt hatte und dessen dunkle Hautfarbe seine Herkunft von südlich des Apennins verriet.

»In meiner Abwesenheit wird Militärtribun Aulus Vitellius das Kommando über den Rest der Zweiten Legion übernehmen«, sagte Celer. »Einige von euch werden den Tribun bereits aus den Anfangstagen der Invasion kennen. Er ist vor Kurzem aus Rom zurückgekehrt, um sich wieder der Zweiten Legion anzuschließen. Präfekt Silanus hat ihn auf den neusten Stand gebracht.«

Vitellius lächelte den Legaten bedächtig an. »Ich freue mich darauf, meine Pflichten zu erfüllen, Herr«, sagte er mit tiefer Stimme, bevor er sich an die Offiziere wandte und sie mit seinem eisigen Blick anstarrte. »Rom hat einige Annehmlichkeiten zu bieten, gewiss. Aber ich muss sagen, dass es ein gutes Gefühl ist, wieder im Kreise wahrhafter Kameraden zu sein.«

Celer zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin mir sicher, dass Tribun Vitellius in der Zwischenzeit als Befehlshaber der Legion gute Arbeit leisten wird.«

Er bedachte Silanus mit einem kurzen Nicken und ging dann Richtung Zelttür. Die Offiziere erhoben sich alle gleichzeitig und nahmen Habachtstellung ein, während der Legat steif aus dem Zelt schritt, dicht gefolgt von seinen Ordonnanzoffizieren und Vitellius. Sobald der Legat und sein Gefolge das Zelt verlassen hatten, entließ Silanus die Offiziere und erinnerte sie in barschem Tonfall daran, bei den Sekretären des Legaten ihre schriftlichen Befehle abzuholen, bevor sie zu ihren Einheiten zurückkehrten, um ihre Männer zu informieren.

Die Offiziere verließen das Zelt und traten in die eisige Abendluft. Obwohl es noch nicht Winter war, hatte sich das Wetter bereits verschlechtert und erinnerte sie auf grausame Weise an die langen, beschwerlichen Monate, die ihnen bevorstanden. Während die Offiziere auf die verschiedenen Baracken zusteuerten, schnaubte Centurio Ocella verärgert.

»Na großartig«, murmelte er seinem Optio zu. »Wirklich großartig.«

»Was ist, Herr?«

Ocella blieb stehen und starrte seinen Untergebenen, den man ihm erst vor Kurzem zugeteilt hatte, wütend an. Der Mann war eine imposante Erscheinung, mit seinen breiten Schultern und seinen strammen, kräftigen Muskeln, die seine Uniform zu sprengen drohten; außerdem verlief eine rosafarbene Narbe über seinem rechten Auge. Mit seinem wirren Haar und seinen stoppeligen Wangen wirkte er wie ein fähiger, wenn auch durchschnittlicher Soldat, dachte Ocella. Aber er gab einen armseligen Optio ab. Er war völlig überfordert von der täglichen Schreibarbeit und den administrativen Aufgaben, die von einem untergebenen Offizier erwartet wurden. Wer auch immer ihn ursprünglich auf diesen Posten befördert hatte, musste verzweifelt gewesen sein, fand Ocella, oder schlicht verrückt. Jetzt hatte er diesen stämmigen Gallier am Hals. Sein letzter Optio war an einer infizierten Beinverletzung gestorben, die er im Kampf mit Caratacus’ Armee erlitten hatte, und der Legat hatte Ocella entgegen der sonstigen Gepflogenheiten diesen Optio aufgezwungen und ihm verwehrt, wie normalerweise üblich unter den gewöhnlichen Soldaten seinen eigenen Mann auszuwählen. Eine Tatsache, die die Verachtung für den Mann, der vor ihm stand, nur noch verstärkte.

»Was zur Hölle glaubst du wohl, Figulus?«, blaffte Ocella verächtlich und schützte sich gegen den heftigen Wind. »Ich meine den Einsatz. Bei diesem lausigen Wetter das Meer zu überqueren, das ist nicht ungefährlich. Und wozu? Um sich einen jämmerlichen Haufen versprengter Einheimischer auf einer entfernten Insel vorzunehmen.« Er murmelte einen Fluch und wandte den Blick ab. »Währenddessen geht es bei der Vierzehnten und Neunten Legion im Westen und im Norden richtig zur Sache.« Rasch richtete er den Blick wieder auf seinen Stellvertreter. »Und ich wette, dass die Kriegsbeute dort größer ausfallen wird.«

Horatius Figulus schürzte die Lippen. Trotz der harschen Worte seines befehlshabenden Offiziers bemerkte er einen deutlichen Anflug von Furcht in den Augen des Centurio, außerdem zitterte seine Stimme merklich. Figulus war lange genug Soldat in Rom gewesen, um zu wissen, dass Ocella nur dem Status nach Soldat war, jene Sorte Offizier, die lieber die Montur inspizierten und die Nächte mit Trinkgelagen, Glücksspiel und Huren verbrachten als auf dem Schlachtfeld dem echten Soldatenhandwerk nachzugehen. Figulus spürte, dass Ocella wie all diese Kommandanten von dem Bedürfnis getrieben war, sich um jeden Preis vor seinen Kameraden zu beweisen.

Figulus zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, wir haben größere Sorgen als den Umfang der Beute, Herr.«

»Ach ja?« Ocella hob eine Augenbraue. »Was willst du damit sagen?«

Figulus kratzte sich am Bart. »Es gibt in ganz Britannien keine grausameren Krieger als die Durotriger, Herr. Wenn viele von ihnen auf Vectis stationiert sind, werden sie sich nicht ergeben, ohne heftig Widerstand zu leisten. Mit oder ohne Hügelfestung.«

»Und was macht dich zu einem Experten für die Durotriger, hm?« Bevor Figulus etwas erwidern konnte, strich Ocella sich übers Kinn und fügte hinzu: »Ich schätze, als halber Gallier bist du mit diesen Wilden praktisch verwandt.«

Figulus war ein wenig erbost über diese Beleidigung, schluckte aber seine Wut runter. Obwohl sein Vater lange genug in der Hilfskohorte gedient hatte, um die römischen Bürgerrechte zu erwerben, und seinen Sohn dazu erzogen hatte, seinem Beispiel zu folgen, war Figulus ziemlich stolz auf seine gallische Abstammung. Er hatte seine Kindheit, als Enkel eines angesehenen Haeduers, in der Stadt Lutetia in seiner Heimat Gallien verbracht, bevor er sich im Alter von achtzehn Jahren der Zweiten Legion angeschlossen hatte. Wenn ihm jemand aus der Legion vorwarf, in einem Loyalitätskonflikt zu stehen, erwiderte Figulus rasch, dass er römischer als die meisten Römer sei. Doch obwohl an der Zuneigung für seine Kameraden nie ein Zweifel bestand, wusste er, dass die Wahrheit ein wenig komplizierter war. Er spürte seine gallische Herkunft in jeder Faser seines Körpers, und er hielt die Erinnerung an seine Vorfahren am Leben, indem er die Sprache der Einheimischen erlernte, die Ähnlichkeit mit dem Gallischen hatte. Nachdem er die letzten Wochen in Calleva verbracht hatte, sprach er den lokalen Dialekt inzwischen fließend. Einige der Soldaten machten Scherze über seine gallischen Vorfahren oder zogen ihn deswegen liebevoll auf; Ocella hingegen bedachte ihn mit kaum verhohlenen Sticheleien. Aber Figulus ließ sich darauf nicht ein und antwortete ihm höflich.

»Nicht nur das, Herr. Ich habe gegen sie gekämpft. Letzten Sommer. Unter dem Kommando von Vespasian. Wir haben sie aus einer Hügelfestung nach der anderen vertrieben. Sie haben sich erbittert zur Wehr gesetzt, das kannst du mir glauben. Selbst die Frauen und Kinder. Sie wollten lieber sterben, als sich zu ergeben.«

»Ach ja? Du hast gehört, was der Legat bei der Einsatzbesprechung gesagt hat. Die Hügelfestung ist noch nicht fertig, die Versorgungslinie der Einheimischen wurde abgeschnitten, und sie rechnen nicht mit einem Angriff aus dem Osten. Was sollte also schiefgehen?«

Ohne zu antworten, richtete Figulus den Blick auf die Verteidigungsanlage, die die hölzerne Festung umgab. Jenseits davon erstreckte sich die Stadt Calleva, mit einem Meer aus Strohdächern, die hinter einem Erdwall emporragten. Die Zweite Legion war erst nach dem jüngsten Einsatz wieder in das Lager bei Cavella zurückgekehrt, trotzdem hatten die Bewohner angefangen, die römischen Sitten und Gebräuche zu übernehmen. Neue Straßen waren nach römischem Vorbild im Gittermuster angelegt worden. Unzählige Tavernen und Bordelle hatten eröffnet; und einige der ortsansässigen Aristokraten kleideten sich wie die Römer. Figulus fand es erstaunlich, wie schnell sich dieser Teil der Provinz verändert hatte.

Trotzdem spürte er, wie sich sein Brustkorb vor Anspannung zusammenzog. Er richtete seinen Blick wieder auf Ocella. »Ich würde dir gerne zustimmen, Herr. Aber lass dir gesagt sein: Die Eroberung von Vectis wird sehr viel mühsamer, als du glaubst …«

KAPITEL 2

Insel Vectis, fünf Tage später

Ein gellender Schrei zerriss die feuchtkalte Luft, als ein Pfeil an Figulus vorbeisauste und den Soldaten neben ihm in den Hals traf. Der Mann wurde herumgeschleudert, sein Kopf schnellte nach hinten, und eine Blutfontäne schoss aus seinem Mund, während er ins Wasser fiel, das um ihn herum aufspritzte.

»Am Strand Formation einnehmen!«, brüllte Ocella seinen Männern zu, als er vor Figulus das Ufer erreichte. »Formation einnehmen, verdammt noch mal!«

Als die Soldaten über die Reling der Galeeren in das eiskalte Wasser sprangen, wurden sie augenblicklich von den Bogenschützen unter Beschuss genommen, die auf den Kalkklippen zu beiden Seiten des schmalen Strandstreifens kauerten. Begleitet von einem tödlichen Zischen, regnete es unablässig Pfeile auf die Soldaten herab. Einige von ihnen wurden niedergestreckt, sobald sie im Wasser landeten, worauf ihre durchbohrten Leiber unter die Oberfläche sanken, während die Schäfte aus ihren Hälsen und Körpern ragten. Andere humpelten, die Hände gegen ihre Wunden gedrückt, verzweifelt auf den Strand längs der Sandbank zu, wo sich das flache Wasser vom Blut rot verfärbte.

Figulus watete an toten und sterbenden Soldaten vorbei, die Nackenmuskeln vor Wut angespannt. Ihre Landung war ein Desaster gewesen. Bei Tagesanbruch waren die zwölf Galeeren vom Flottenstützpunkt in Noviomagus in See gestochen und hatten, schwer beladen mit Soldaten, Kurs auf die Ostküste von Vectis genommen. Kurz vor der Küste waren die ersten vier Galeeren auf eine Sandbank aufgelaufen, sodass die Männer an Bord gezwungen gewesen waren, von Deck zu springen und durch das eiskalte Wasser zu waten, das ihnen fast bis zum Hals reichte. Der Rest der Flotte dümpelte weiter draußen auf dem Meer, während die Kommandanten Befehl gaben, die Schiffe um die aufgelaufenen Galeeren zu navigieren, sodass sich ihre Ankunft verzögerte. Figulus warf einen Blick über die Schulter und erblickte die zusammengedrängten Soldaten auf den überfüllten Decks der Galeeren, die mit ansehen mussten, wie ihre Kameraden sich unter Lebensgefahr ihren Weg an den Strand bahnten.

Er wandte den Blick wieder nach vorne, während die Überlebenden der Sechsten Centurie Richtung Küste wateten und sich um Ocella versammelten. Mit einem gleichmäßigen Geräusch prasselte heftiger Regen auf ihre Helme herab, und die Männer wurden von ihren Panzern, den Kurzschwertern und Schilden nach unten gezogen; zusätzlich zum Gewicht ihrer Ausrüstung hatten sich ihre Uniformröcke aus Wolle mit Wasser vollgesaugt. Während Figulus sich weiter durch das flache Wasser schob, spürte er, wie etwas Kaltes über eines seiner stämmigen Beine strich. Er senkte den Blick und sah unter der Wasseroberfläche die Gliedmaßen eines bleichen Körpers. Mehrere Pfeilschäfte ragten aus seiner Brust, und die ausdruckslosen Augen des Mannes waren weit aufgerissen, das Gesicht zu einem Ausdruck stummen Schmerzes erstarrt. Figulus stieß mit seinem Schild den toten Soldaten zur Seite und rannte, indem er den Pfeilen auswich, an Land, wo seine Nagelschuhe im feuchten Sand ein schmatzendes Geräusch von sich gaben.

Am Strand bot sich ihm ein düsteres Bild des Schreckens. Wo er auch hinschaute, krümmten sich Soldaten am Boden, und die Brandungswellen spülten unablässig Blut auf den feuchten Sand. Durch die Geschosse, die von den Klippen herabregneten, zur Untätigkeit verdammt, waren die Überlebenden der ersten Angriffswelle außerstande gewesen, eine Formation zu bilden, um den nachfolgenden Truppen wirkungsvoll Schutz zu bieten, sodass ihre Kameraden von den Bogenschützen in den Klippen nach Belieben niedergestreckt wurden. Ein paar vereinzelten Soldaten war es gelungen, sich auf dem halbmondförmigen Strand aufzustellen. Während die Pfeile sich neben dem Optio mit einem dumpfen Geräusch in den Sand bohrten, spürte er, wie sich sein Herz, erfüllt von heftigem Zorn, verkrampfte. Wieder einmal hatte ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Briten es geschafft, ihrem römischen Feind herbe Verluste zuzufügen.

»Hier rüber!«, brüllte Ocella Figulus zu, während die Centurie einen groben Kreis bildete und die Männer ihre Schilde über die Köpfe hielten, um sich vor den Geschossen zu schützen, die auf sie herabprasselten. »Heute noch, Optio Figulus!«

Als der Optio weiterlief, wurde die Luft von einem heftigen, windähnlichen Zischen erfüllt: Ein Schwarm Pfeile sauste in hohem Bogen durch den grauen Himmel und regnete, begleitet von einem Chor schmerzerfüllter Schreie, auf die freistehenden Männer der Fünften Kohorte nieder. Einer der Pfeile durchbohrte den Arm eines Mannes direkt vor Figulus. Der Legionär ließ seinen Schild fallen und griff nach der Spitze, die aus seinem Fleisch ragte, dann sank er verzweifelt auf die Knie. Der Gallier hob sein Schwert über den Kopf, und es ertönte ein metallisches Klirren, als ein Geschoss gegen seinen Schildbuckel schepperte. Figulus stolperte über eine Leiche, die mit ausgebreiteten Armen und Beinen dalag, verlor den Halt, stürzte zu Boden und klatschte mit dem Kopf voran in eine schimmernde Blutlache neben dem Körper eines verwundeten Soldaten. Er blinzelte einige Tropfen Salzwasser aus den Augen, rappelte sich schnell wieder auf und stürzte weiter. Als er einen Blick über die Schulter warf, bohrten sich ein paar Schritte hinter ihm mehrere Pfeile in den Sand.

Einen Moment später kam er neben seinem Centurio abrupt zum Stehen, während das Herz in seinem Brustkorb heftig hämmerte. Ocella warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

»Was, verdammt noch mal, hat so lange gedauert?«, blaffte er.

»Tut mir leid, Herr«, brummte Figulus. »Ich habe meinen Talisman fallen lassen.« Als er den fragenden Blick des Centurio bemerkte, öffnete er seine linke Faust, um ihm das silberne Medaillon mit der Göttin Fortuna zu zeigen. »Ich hätte es beinahe in der Brandung verloren.«

Für einen Moment fehlten Ocella die Worte. »Deswegen hättest du dich fast töten lassen?« Er schüttelte erbost den Kopf. »Verdammte Gallier … Vergiss das Ding. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir stecken tief in der Scheiße. Diese Bogenschützen haben uns hier festgenagelt, und die Kohorte ist in Auflösung begriffen. Die meisten unserer Schiffe sitzen draußen auf dem Meer fest. Lediglich die Fünfte Kohorte und eine Reiterstaffel haben es an Land geschafft, und von den Kriegsschiffen kommt erst Unterstützung, wenn sie diese verfluchte Sandbank umschifft haben.«

Ocella deutete mit dem Kopf aufs Meer hinaus, und Figulus folgte seinem Blick. Über den Galeeren, die auf der Felszunge aufgelaufen waren, zeichnete sich eine dunkle Wolkenbank ab. Dahinter schaukelten weitere Kriegsschiffe in der schweren See auf und nieder. Unter ihnen konnte Figulus ein größeres Schiff ausmachen, eine Pentere, an deren Mast ein langes lilafarbenes Banner flatterte. Der Optio identifizierte es als das Schiff des Legaten.

Er wandte sich wieder dem Centurio zu und räusperte sich beklommen. »Allein die Götter wissen, wann Celer und die anderen Männer an Land kommen.«

»Ein paar vereinzelte Kämpfer«, murmelte Ocella. »Das hat uns der Legat versprochen. Jetzt sieh dich nur mal um. Verdammt noch mal, sind das etwa nur ein paar vereinzelte Kämpfer?« Er deutete auf die Bogenschützen, die auf den Klippen hockten.

Figulus hielt den Griff seines Schildes noch fester umklammert und ließ seinen Blick über den Strand wandern.

»Wo ist Tribun Palinus?«, blaffte Ocella. »Er soll hier das Kommando haben.«

»Da, Herr«, rief ein Soldat zur Rechten von Figulus. »Palinus ist mit der Kavallerie da oben.« Er deutete nach Westen. Der leicht abschüssige Strand mündete in ein Geröllfeld, hinter dem eine niedrige, aber steile Felswand emporragte. Mehrere von Bäumen gesäumte Rinnen zerschnitten die Felswand, sodass man auf natürlichem Weg den Strand verlassen konnte. Er wurde zu beiden Seiten von steil aufragenden Klippen begrenzt, und das Ufer schnitt in die Küste wie eine Kerbe, die man in einen Holzblock geschlagen hatte. Ocella schnaubte durch seine aufgeblähten Nasenlöcher. »Das ist typisch für den verdammten Palinus, spielt sich mal wieder auf. Irgendwelche Idioten halten ihn für den neuen Kaiser.«

In diesem Moment wurde die Luft von dumpfen Schlägen und lautem Klappern zerrissen, und statt der Pfeile regnete es jetzt Speere. Ein gellender Schrei hallte durch die feuchte Luft, als ein Speer den Kettenpanzer eines Soldaten durchschlug und sich in sein Fleisch bohrte. Ein weiterer Soldat am Rand der Formation heulte schmerzerfüllt auf, nachdem ein Speer unterhalb seines Schildes seinen Stiefel durchdrungen hatte. Augenblicklich verfärbte das Blut den Sand neben seinem Fuß. Der Soldat ließ seinen Schild los und griff nach unten, um sich die Wunde zu halten. Eine Handvoll Pfeile landete scheppernd im Geröllfeld, aber einer von ihnen durchbohrte seinen Nacken, worauf er mit einem erstickten Schrei vor Figulus zusammenbrach.

»Die Schilde hoch!«, brüllte Ocella seinen Männern zu. »DIE SCHILDE HOCH, HAB ICH GESAGT!«

Die Männer kauerten sich unter ihre Schilde, während die Geschosse weiter auf sie herabprasselten und wie riesige Hagelkörner, die auf ein Ziegeldach krachten, von den Rändern der Schilde abprallten. Dann ertönte plötzlich ein eigenartiges Surren, und zusätzlich zu den unablässig herabsausenden Speeren trafen die Geschosse von Steinschleudern mit ohrenbetäubendem Scheppern die römischen Schilde und Helme. Vereinzelt ertönten Schreie, jedes Mal, wenn einer der Speere einen Schild durchschlug und sein Ziel aufspießte oder eine Bleikugel die Knochen eines Soldaten zertrümmerte. Aber alles in allem boten die Schilde den Soldaten gegen die heftige Flut der Geschosse einen einigermaßen zuverlässigen Schutz. Figulus spürte, wie sein Schild vibrierte, und hörte das laute Knacken von splitterndem Holz, als ein Speer sich krachend hineinbohrte und die Spitze wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt durch das Holz drang. Er biss die Zähne zusammen, und sein Unterarm und sein Bizeps schmerzten von der Anstrengung, den Schild über seinen Kopf zu halten. Trotz der Kälte war er schweißgebadet, die Anstrengungen des Kampfes forderten ihren Tribut.

»Haltet die Stellung!«, brüllte Ocella. »Sie können nicht ewig damit weitermachen!«

Einen Moment später hörte es plötzlich auf, Geschosse zu regnen, und am Strand herrschte Stille. Lediglich das unablässige Rauschen und Gluckern der Wellen und die Hilfeschreie der verwundeten Männer waren zu vernehmen. Figulus spähte über den Metallrand seines Schildes zur Klippe im Norden und verfolgte aufmerksam, wie die Bogenschützen aus seinem Blickfeld verschwanden.

»Vielleicht hat Palinus sie verjagt«, murmelte Ocella vor sich hin. »Dieser ehrgeizige Dummkopf. Er wird die ganzen Lorbeeren einheimsen, wie üblich.«

Knurrend zog Figulus den Speer aus seinem Schild. »Wie schade. Ich hatte mich schon darauf gefreut, sie mir vorzuknöpfen.«

»Vielleicht hat er sie doch nicht verjagt«, murmelte der Legionär neben ihm unheilvoll.

Figulus warf dem Mann einen Blick zu. Über die Seite seines Gesichts verlief eine auffallende Narbe, und er hatte die rotblauen Wangen eines Alkoholikers. Er war einer der Ersten, die sich dem Gallier nach der Überfahrt vor ein paar Tagen vorgestellt hatten. Titus Terentius Rullus war einer der Veteranen der Sechsten Centurie.

»Wie?«, blaffte Ocella. »Was soll das heißen?«

Rullus deutete mit dem Kopf auf die breiteste Rinne in der Felswand. Der Centurio und sein Stellvertreter wandten ihre Blicke gleichzeitig in dieselbe Richtung. Figulus erblickte etwas, das sich von den Bäumen am oberen Ende der Rinne auf sie zu bewegte. Als es aus dem trüben Dunkel und dann die Klippe heruntergaloppiert kam, erkannte der Gallier, dass es sich um ein strahlend weißes Pferd handelte, das sich ihnen mit wahnsinnigem Tempo näherte. Aber er bemerkte noch etwas anderes und spürte, wie ein Gefühl kalter Furcht seinen Nacken hinaufkroch.

»Scheiße«, brummte er. »Ist das Tribun Palinus’ Pferd, Herr?«

Das Pferd kam noch näher und bäumte sich auf, als es den Fuß des Abhangs erreichte hatte. Figulus und die anderen bemerkten die Blutstriemen auf den Flanken des Tiers.

»Sieht so aus, als hätten die Scheißkerle Palinus den Garaus gemacht«, murmelte Rullus.

Irgendwo hinter den Bäumen auf der Felswand ertönte ein bedrohlicher Schlachtruf. Und im selben Moment bezogen am oberen Ende der größten Rinne mehrere muskulöse Gestalten Position; ihre mit blauer Farbe beschmierten Körper waren im Schatten kaum zu erkennen. Jeder Krieger schwang ein Langschwert und schlug damit immer wieder herausfordernd gegen seinen Rundschild. Einige der Durotriger stimmten fremdartige Gesänge an und beschworen den Beistand ihrer Götter, um den Feind zu vernichten. Einer der Männer stieß seinen Speer gen Himmel, und Figulus spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte, als er den abgetrennten Kopf des Tribunen auf der Speerspitze erblickte. Dann ließen die Einheimischen ihre Hörner erklingen, um ihre Truppen in die Schlacht zu führen. Die Fanfare hatte die erwünschte Wirkung und jagte Figulus und seinen Kameraden einen kalten Schauer über den Rücken.

»Durotriger«, sagte Rullus. »Wie’s aussieht, sind es mehrere Hundert von ihnen. Sie müssen Palinus und seine Männer in die Enge getrieben haben, als sie den Gipfel der Klippe erreicht haben. Die armen Kerle.« Er wandte sich dem Gallier zu. »Es scheint, dass sich dein Wunsch doch noch erfüllt, Herr.«

Figulus umschloss mit seinen dicken Fingern noch fester den Griff seines Kurzschwerts und grinste beim Anblick der wilden Krieger, die auf der Kuppe der Klippe aufgereiht standen, während er seinen Männern zurief: »Wenn diese Scheißkerle es auf die harte Tour wollen, dann sind sie bei uns genau richtig!«

KAPITEL 3

Schlagartig verstummte das wilde Schlachtgeschrei der Durotriger, und nach einer kurzen Pause stürmten die Krieger von der Klippe auf die Kohorte zu, die sich am Strand versammelt hatte, und durchbrachen das hohe Gras, das die Rinne in dichten Büscheln bedeckte. Ihre mit Kalk beschmierten Haare wehten über ihre breiten Schultern nach hinten. Ocella unterdrückte seine Angst und fuhr herum, um das Wort an die Centurie zu richten.

»Also schön, Männer! Ausschwärmen! Reihenformation! SOFORT!«

Augenblicklich lösten die Männer ihre sichere Verteidigungsformation auf und hoben mit einer einzigen flüssigen Bewegung ihren Schild vor den Körper, während Ocella seine Position in der ersten Reihe einnahm. Viele der Soldaten hatten ihre Speere fallen lassen, als sie sich mühevoll ihren Weg an Land gebahnt hatten, und Figulus dirigierte jene, die noch eine Wurfwaffe hatten, in die letzte Reihe, sodass sie über die Köpfe der Kameraden hinweg ihre Waffen schleudern konnten. Ocella befahl den Männern in der vordersten Reihe, ihre Schwerter zu zücken, und als sie aus den Scheiden gezogen wurden, erfüllte das ermutigende Geräusch von knirschendem Metall die Luft. Die anderen Centurionen am Strand erteilten ähnliche Befehle, während die Männer der Fünften Kohorte sich bereit machten, den Kriegern, die auf sie zugestürzt kamen, entgegenzutreten.

»Nehmt die Speere!«, brüllte Figulus.

Die Männer in der hintersten Reihe hoben ihre Speere in die Höhe und hielten sie waagerecht über ihre Schultern.

Inzwischen hatte die dunkle, gewaltige Masse der Durotriger den Fuß der Klippe erreicht und stürmte weniger als hundert Schritte von den Römern entfernt über den Kiesstrand. Sie nahmen in loser Formation fast die gesamte Länge des Strandes ein, und aus dieser Distanz konnte Figulus erkennen, dass einige von ihnen über ihren Uniformröcken Kettenpanzer trugen. Die struppigen Bärte unter ihren Helmen waren jetzt deutlich zu sehen, und auf ihre Schilde waren fremdartige Zeichen gemalt. Die meisten Krieger hatten ihre Oberkörper entblößt, und eine Handvoll von ihnen trug überhaupt keine Kleidung, um ihre Verachtung für die römischen Feinde zum Ausdruck zu bringen. Einige wenige waren mit Speeren bewaffnet, die meisten jedoch schwangen die schweren Langschwerter, die von den Kelten sehr geschätzt wurden.

Die Durotriger rannten dicht gedrängt über den Kiesstrand, einige der Männer liefen vornweg. Figulus beobachtete, wie der Abstand zwischen den Römern und ihrem Feind rasch kleiner wurde, und wartete darauf, den Männern das Zeichen zu geben, ihre Speere auf die heranstürmenden Briten zu schleudern. Er musste den richtigen Zeitpunkt erwischen. Warf man sie zu früh, würden die Speere vor ihrem anvisierten Ziel aufkommen. Warf man sie jedoch zu spät, würden sich die Durotriger auf die erste Reihe der Römer stürzen, bevor die Eisenspitzen ins Schwarze treffen konnten. Inzwischen war der Abstand zu den Kriegern so gering, dass Figulus den wilden Ausdruck in ihren Augen erkennen konnte sowie ihre weit aufgerissenen Münder, mit denen sie ihren Schlachtruf ausstießen.

»Werft die Speere!«, brüllte Ocella.

Die Männer in der hinteren Reihe schleuderten alle gleichzeitig ihre Geschosse auf die Durotriger. Die Speere sausten in hohem Bogen durch den grauen Himmel und stürzten einen Moment später auf die Krieger herab, die sich jetzt kurz vor der Centurie befanden, und die langen Eisenschäfte durchbohrten ihre primitiven Rundschilde. Die Briten in der ersten Reihe fielen vornüber, als wären die Männer auf einer vereisten Fläche ausgerutscht. Einige gingen sofort zu Boden, andere taumelten weiter, während sie die Speere, die aus ihren Oberkörpern ragten, umklammert hielten, bevor sie von dem wilden Strom wütender Krieger hinter ihnen zur Seite gestoßen wurden. Ein nackter Brite kreischte laut auf, als sich ein Speer in seine Leiste bohrte und Blut auf seine Beine und Füße spritzte.

Während die verwundeten Durotriger zu Boden gingen, drohte den Männern an vorderster Front bereits von den Kriegern aus der nächsten Reihe Gefahr. Ocella richtete sein Schwert auf die feindliche Horde. »Vorwärts!«, rief er.

Die Sechste Centurie rückte mit dem Rest der Kohorte auf einer Linie vorwärts, und alle Centurionen wandten konsequent jene Taktik an, die Rom in zahllosen Schlachten gegen seine unzivilisierten Feinde so gute Dienste erwiesen hatte. Das Klirren von Metall auf Metall war zu hören, als die feindlichen Parteien übereinander herfielen. Die Legionäre schützten ihre Oberkörper mit ihren Schilden und stachen mit ihren Kurzschwertern auf die Hälse ihrer Feinde ein, wie sie es in den unblutigen Feldschlachten während ihrer Ausbildung auf dem Exerzierplatz immer wieder geübt hatten. Sie kämpften Schulter an Schulter und bildeten mit ihren Schilden eine massive Wand gegen den Feind. Mit präzisen Stößen stachen die Männer auf die wütenden Krieger vor sich ein und zielten auf die verwundbaren Körperteile: auf die Kehle und den oberen Teil der Brust. Die Durotriger ihrerseits versuchten, mit ihren Langschwertern auszuholen, sodass sie gezwungen waren, ihre Deckung aufzugeben und vor den Römern ungeschützt dastanden.

Figulus rief den Männern der zweiten Reihe zu, dass sie ihre Schwerter bereithalten sollten, während sie darauf warteten, die Position der Soldaten einzunehmen, die vor ihnen getötet wurden, und rasch die Lücke in der Wand aus Schilden zu schließen. Die Männer gingen erschreckend schnell zu Boden; Sanitäter eilten die Reihe auf und ab und verbrachten die Schwerverletzten weiter den Strand hinunter, wo sie sicher waren. Die Männer, denen man nicht mehr helfen konnte, wurden zur Seite gezogen, wo sie sich vor Schmerz im Sand wälzten und nach ihrer Mutter riefen, während sie unweigerlich verbluteten …

Als die Legionäre weiter vorrückten, brüllte jemand eine Warnung, und erneut regnete es Geschosse von der Klippe herab, die neben der rechten Flanke der römischen Linie emporragte. Ein schmerzerfüllter Schrei ertönte, und einer der Männer aus Figulus’ Centurie sank, den Oberschenkel von einem Pfeil durchbohrt, zu Boden.

»Hintere Reihe! Schilde hochnehmen!«, brüllte Figulus, und sofort rissen zu beiden Seiten die Männer ihre Schilde in die Höhe und bildeten damit eine massive Wand über ihren Köpfen, die ihnen – und in geringerem Maße den Männern in der ersten Reihe – Schutz bot. Einige Geschosse der Feinde landeten auf ihren eigenen Kriegern, die schwere Verletzungen erlitten und laut aufschrien, während ihre Kameraden sich auf die Wand aus römischen Schilden stürzten. Figulus spähte über die Schulter seines Vordermanns und sah einen Durotriger, der sein Schwert vor ihm herumwirbelte und sich durch eine Lücke in der Reihe zwängte. Doch bevor er sich auf die Legionäre stürzen konnte, wurde er von einem der Speere seiner Kameraden getötet. Ocella, der die vordere Reihe verlassen hatte und verzweifelt die Männer in die Lücken stieß, drehte sich mit entsetztem Gesicht zu Figulus um.

»Warum zum Teufel beschießen sie uns immer noch? Merken die nicht, dass sie ihre eigenen Männer treffen?«

Figulus stöhnte resigniert auf. Ungeachtet der Gefahr für ihre eigenen Männer, dezimierten die Pfeile und Speere der Durotriger auch die Zahl der römischen Soldaten. Die vorderste Reihe geriet ins Wanken, und es taten sich immer mehr Lücken auf. Es würde nicht mehr lange dauern, dann könnten die feindlichen Krieger die Römer dank ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zurückdrängen. Figulus lenkte Ocellas Aufmerksamkeit auf die Stammesangehörigen oben auf der Klippe.

»Sie werden uns töten, Herr. Wir müssen den Strand verlassen.«

Ocella schüttelte den Kopf. Sein gerötetes Gesicht war schweißgebadet. »Wir haben eindeutige Befehle. Wir halten die Kampflinie, bis die anderen Kohorten an Land gehen können, um unsere Position zu sichern.«

»Wenn wir nichts unternehmen, gibt es keine Kampflinie mehr.«

»Wir halten die Stellung!«, ordnete Ocella unbeirrt an. »Hier!« Er trat einen Schritt auf seinen Stellvertreter zu und senkte seine Stimme. »Wenn du noch einmal meine Autorität zu unterwandern versuchst, lasse ich dich unter Anklage stellen.«

Figulus kochte vor Wut. Die Sechste Centurie war in ernsthafter Gefahr, und ihr befehlshabender Offizier, der in der Hitze des Gefechts von Unschlüssigkeit und Furcht ergriffen wurde, interessierte sich mehr dafür, wie er seinen Untergebenen wegen vermeintlicher Geringschätzung bestrafen konnte. Höhnisch grinsend, wandte Ocella sich von ihm ab. In diesem Moment prallte ein Bleigeschoss von einer der Schleudern an seinem Helm ab. Mit einem leisen Stöhnen taumelte Ocella rückwärts, verdrehte die Augen und sank in den Sand. Figulus warf einen Blick auf den bewusstlosen Offizier. Hellrotes Blut lief ihm übers Gesicht. Ein Sanitäter ging neben dem Centurio in die Hocke und untersuchte ihn rasch, bevor er sich Figulus zuwandte.

»Er ist bewusstlos«, sagte der Sanitäter.

Figulus zögerte einen Moment, und Rullus ergriff vor ihm das Wort. »Sieht aus, als hättest du jetzt das Kommando, Optio … Herr.«

»Also schön.« Figulus nickte und hielt den Griff seines Schildes noch fester umklammert, während er sich daranmachte, seinen Platz in der vorderen Reihe einzunehmen und zum Angriff auf die Durotriger zu blasen.

»Wir müssen den Bogenschützen irgendwie Einhalt gebieten.« Rullus deutete mit dem Kopf auf die von Pfeilen verletzten Männer, die auf dem Geröllfeld hinter ihnen lagen. »Dann haben wir wenigstens eine Chance.«

Figulus zögerte und blinzelte Blut und Schweiß aus den Augen. »Aber wie?«

Der Veteran deutete auf eine schlammige Wasserrinne, die die Felswand durchschnitt. »Wenn wir es schaffen, uns mit einem kleinen Trupp den Weg dort hinauf zu bahnen, können wir diesen Scheißkerlen eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht vergessen werden.«

Auf dem grimmigen Gesicht des Galliers machte sich ein anerkennendes Grinsen breit. »Das ist perfekt. Du übernimmst hier so lange das Kommando, Rullus.« Er gab den etwa dreißig Männern in der zweiten Reihe ein Zeichen und deutete mit dem Schwert auf die Klippe. »Die ersten drei Abteilungen! Mir nach!«

Während das Blut in seinen Ohren rauschte, führte Figulus die Soldaten um die rechte Flanke der Centurie und stürmte den Strand zur Klippe hinauf. Mehrere Durotriger bemerkten die Römer, die an ihnen vorbeirannten, und entfernten sich von ihren Kameraden, um ihnen den Weg abzuschneiden, indem sie sich mit ihren Langschwertern auf die Soldaten stürzten. Figulus schlug mit seinem Schild nach einem der heranstürmenden Krieger, und der Eisenbuckel krachte mit einem dumpfen Knirschen gegen das Gesicht des Mannes. Während die Römer den Kiesstrand überquerten und die Rinne hinaufkletterten, spürte der Gallier, wie seine Wadenmuskeln vor Anstrengung schmerzten und seine Lungen brannten.

Doch er stieg verbissen den steilen Hang hinauf, und auf dem Gipfel der Klippe wandte er sich dem wilden Haufen Einheimischer zu, die am Felsvorsprung aufgereiht standen. Die Briten verfolgten das Kampfgeschehen am Strand, während sie die Römer mit Pfeilen, Speeren, Bleikugeln und kleinen Felsbrocken bombardierten. Figulus wurde von fiebriger Erregung ergriffen bei der Vorstellung, die ahnungslosen Barbaren zu töten.

»Bleibt in meiner Nähe!«, befahl er seinen Männern. »Wir werden mit aller Härte zuschlagen.«

Während die Legionäre die Oberseite der Klippe entlangrannten, warf einer der Briten einen Blick über die Schulter und erblickte die Römer. Mit panisch geweiteten Augen drehte er sich zu seinen Kameraden um und warnte sie vor den heranstürmenden Soldaten. Augenblicklich kehrten die Briten dem Felsrand den Rücken zu. Einige von ihnen schafften es, in einem flachen Winkel ihre Speere fortzuschleudern, aber Figulus und seine Männer hatten sie bereits erreicht. Der Soldat zur Rechten des Optio stöhnte auf, als sein Knie von einem Speer zertrümmert wurde. Im nächsten Moment stürzten sich die Römer auf die einheimischen Krieger. Die Briten griffen nach ihren Handwaffen, ein zusammengewürfeltes Arsenal aus Äxten und Messern, die gegen die breiten Schilde und Panzer der Legionäre kaum etwas ausrichten konnten. Nach und nach drängten Figulus und seine Männer den Feind an den Rand der Klippe.

Der Gallier spähte über seinen Schild hinweg und sah einen Speer aufblitzen, der auf ihn zugeschnellt kam, während ein Brite damit in seine Richtung stieß. Mit seinem beschädigten Schild wehrte der Optio den Angriff geschickt ab. Der Krieger fletschte die Zähne, als seine Waffe von dem gewölbten Rand des Schilds abprallte, und wurde zur Seite gedrängt, sodass sein Körper dem Gegner schutzlos ausgeliefert war. Dankbar machte Figulus sich den Vorteil zunutze und stach dem Mann sein Schwert in die Brust. Es ertönte ein grauenvolles Knirschen, während die Spitze des Schwertes in das weiche Fleisch drang und über den harten Knochen kratzte. Zitternd ließ der Brite seine Waffe los und sank vor den Füßen des Optio zu Boden.

Die Durotriger, die den ersten Angriff überlebt hatten, saßen zwischen den Römern und der steil abfallenden Klippe in der Falle. Figulus forderte seine Männer auf, den Feind weiter zurückzudrängen. Zu seiner Linken entdeckte er einen nackten Briten, der mit den Händen die Oberseite eines Legionärsschilds umklammert hielt und versuchte, ihn dem Soldaten zu entreißen. Figulus drehte sich rasch zu dem Krieger herum und stach ihm in die Kehle, bevor dieser den verängstigten Legionär packen konnte.

In einer letzten Anstrengung rückte der kleine Trupp Römer weiter vor, und die verbliebenen Durotriger stürzten auf den Felsen unter sich in den Tod. Einige klammerten sich an ihre Kameraden und zerrten sie in die Tiefe. Einer der Männer hielt sich am Knie eines Legionärs fest, als er den Halt verlor, und riss den verzweifelten Römer mit in den Tod. Lediglich eine Handvoll Barbaren schaffte es, vom Rand der Klippe fortzukrabbeln. Aber die Römer stürzten sich sofort auf sie, um ihre Kameraden zu rächen, die durch die Geschosse, die von der Klippe herabgeprasselt waren, den Tod gefunden hatten. Sie würden keine Gefangenen nehmen.

Nachdem die Römer alle Feinde auf der Klippe getötet hatten, sah Figulus sich um; immer noch ganz außer Atem nahm er den Schauplatz in Augenschein. In der Tiefe konnte er Dutzende gekrümmter Körper ausmachen, die auf den Felsen zerschmettert worden waren. Dann hob er den Blick Richtung Kiesstrand, wo die Männer der Fünften Kohorte weiter vorrückten. Als er sah, wie die Einheimischen in der hintersten Reihe sich abwandten, um von der blutbespritzten Kiesfläche zu fliehen, wurde er von einer Woge der Erleichterung ergriffen. Innerhalb kürzester Zeit traten die Durotriger Hals über Kopf den Rückzug an; die wenigen verbliebenen Krieger ließen ihre toten Kameraden zurück und rannten um ihr Leben.

Draußen in der Bucht war es einem der Kriegschiffe mit Katapulten an Bord gelungen, die aufgelaufenen Galeeren zu umsteuern. Die Trireme nahm Kurs auf die Küste, und in gleichmäßigem Rhythmus hoben sich die Ruder und durchschnitten das Wasser. An Bord bereiteten die Männer die Katapulte vor, um damit den zurückweichenden Feind zu beschießen. Figulus hörte, wie in der Ferne ein Befehl gerufen wurde, dann hallten mehrere laute Knalle wie von Peitschenhieben über das Wasser, als die Katapulte ihre Steine abfeuerten, die in hohem Bogen über die Kohorte hinwegsausten und auf die flüchtenden Durotriger niederprasselten. Wie eine riesige Faust zertrümmerten die unbehauenen Steine ihre Schädel und Wirbelsäulen. Eine letzte Salve Bolzen mit Eisenköpfen, die von den Wurfmaschinen desselben Schiffes abgeschossen wurden, streckte weitere Feinde nieder. Die überlebenden Krieger warfen verängstigte Blicke über ihre Schultern und schafften es schließlich, vom Strand zu entkommen; sie verschwanden aus dem Blickfeld und ließen den Schauplatz des Gemetzels hinter sich. Einige der Legionäre versuchten, die Verfolgung aufzunehmen, aber mit dem schweren Panzer am Körper gaben sie es schnell wieder auf und rangen, über ihre Schilde gekrümmt, nach Luft.

Figulus führte seine Männer an dem Felsvorsprung entlang wieder zurück, um den Feinden, die in ihre Richtung flüchteten, den Weg abzuschneiden, aber es gab für seine Männer nichts mehr zu tun. Der Kampf war vorbei. Als die Überlebenden der Fünften Kohorte aus den Wasserrinnen traten, stürzten die Soldaten sich auf jene Einheimischen, die zu schwer verletzt waren, um zu fliehen. Ihnen war nicht danach, gegenüber ihren besiegten Feinden Gnade walten zu lassen, und sie töteten die verwundeten Durotriger dort, wo sie lagen. Figulus sah, wie mehrere Legionäre einen Krieger umringten, der am Boden kniete. Begleitet von Jubelrufen stachen sie einer nach dem anderen mit ihren Schwertern auf ihn ein. Der Krieger verharrte trotzig in seiner aufrechten Position, selbst dann noch, als er sich an seinem eigenen Blut verschluckte. Figulus unterdrückte das Verlangen dazwischenzugehen und wandte den Blick ab.

Der Strand war mit Leichen und herrenlosen Ausrüstungsgegenständen übersät. Figulus war erstaunt, wie unglaublich dünn viele der toten Briten waren. Wo er auch hinschaute, sah er hervortretende Brustkörbe und ausgemergelte Gesichter. In seinem Innern tobten widersprüchliche Gefühle – wie jedes Mal in jenen schrecklichen Momenten nach einem Kampf. Als Soldat in Diensten des Kaisers war Figulus nur zu bewusst, dass es sich bei den Kriegern, die er getötet hatte, um Kelten handelte. So wie seine Vorfahren.

»Das reinste Blutbad, Herr«, sagte Rullus, als er neben ihn trat und mit seinen blassgrauen Augen den Strand weiter unten überblickte. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Sie haben sich blindlings auf uns gestürzt, einige mit nichts weiter als ihren bloßen Fäusten. Im Kampf gegen spitze Stahlwaffen!«

»Kaum zu glauben, wie sehr sie die Römer hassen«, meinte Figulus ruhig. »Es wäre besser für sie gewesen, wenn sie sich ergeben hätten. Inzwischen müssten sie eigentlich wissen, dass sie uns nicht besiegen können.«

Für einen Moment verstummte er, dann fiel ihm etwas ein, und er wandte den Blick Richtung Klippe.

»Wo ist der Centurio?«, fragte er und ließ seinen Blick über die Reihen der Männer wandern.

Rullus deutete mit dem Kopf auf die verwundeten Soldaten, die zusammengedrängt auf dem Kiesstrand lagen. »Unten bei den anderen Verletzten, Herr. Sieht nicht so aus, als würde er so bald wieder zu sich kommen.« Er hielt inne und schaute nach links und nach rechts, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte. Dann beugte er sich dicht zu Figulus vor und sprach mit gedämpfter Stimme. »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Herr. Du solltest dich in der Gegenwart des Centurio besser vorsehen. Bevor Ocella in die Zweite Legion versetzte wurde, war er Offizier der Prätorianergarde.«

»Warum sollte er seine komfortable Position in der Garde aufgeben, um sich nach Britannien versetzen zu lassen?«

Rullus zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war das nicht seine Entscheidung. Vielleicht ist er deshalb so unausstehlich zu uns.« Er atmete geräuschvoll durch die Zähne und fügte hinzu: »Der letzte Mann auf deiner Position hat nicht lange durchgehalten. Man hat ihn nach Gesoriacum zurückgeschickt, um dort die Rekruten auszubilden. Lass dir gesagt sein, Herr. Mit Ocella sollte man es sich nicht verscherzen.«

KAPITEL 4

Eine in Violett getauchte Abenddämmerung breitete sich über Vectis aus, und das Meer glitzerte im schwächer werdenden Licht wie Tausende funkelnder Schwertspitzen, als die letzten Galeeren am Strand anlegten. Der Himmel war inzwischen aufgeklart, und die Matrosen entluden den Proviant und die Ausrüstung für die Soldaten. Im Laufe des Nachmittags hatten mehrere Gruppen von Ruderern die Schiffe befreit, die auf die Sandbank aufgelaufen waren. Sie hatten bis über die Hüften im eiskalten Wasser gestanden und an Tauen gezogen, die am Bug eines jeden Schiffes befestigt waren, sie über die Sandbank gewuchtet und der Reihe nach wieder flottgemacht. Während die Schiffe von der Sandbank gezogen wurden, steuerte der Rest der Flotte am späten Nachmittag langsam den Strand an.

Männer aus jeder Centurie der Fünften Kohorte wurden für die trostlose Aufgabe abkommandiert, die Toten vom Strand fortzuschaffen. Auf einer Wachstafel wurden die Namen sämtlicher toter Legionäre festgehalten, damit die Centurionen wussten, wie viele Männer sie verloren hatten. Die Verletzten wurden direkt an Ort und Stelle behandelt, während jenseits der Klippe, ein Stück landeinwärts, ein Feldlazarett aufgebaut wurde. Die Toten wurden zusammengetragen und in mehreren Reihen aufgebahrt, um sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, den man errichten würde, nachdem man Feuerholz gesammelt hatte. Jeder Leiche wurden Panzer, die Waffen und Stiefel abgenommen und anschließend dem Quartiermeister gebracht, wo sie repariert und eingelagert wurden, um bei Bedarf wiederverwendet zu werden.

Auf Befehl des Legaten wurden die Leichen der Durotriger am Fuß einer der Felswände auf einen Haufen geworfen, als eindringliche Mahnung daran, welchen Preis jene zahlen, die sich Rom widersetzen. Ihnen wurden ebenfalls Waffen und Ausrüstung abgenommen, damit sie Plünderern nicht in die Hände fielen, die sie womöglich an die Feinde Roms verkaufen würden.

Nachdem alle Streitkräfte an Land gegangen waren, entsandte der Legat die Kundschafter der Kavallerie, um weiter im Landesinneren nach Spuren des Feindes zu suchen, während die Kohorten endlich von der Küste abzogen und die Klippen hinter sich ließen, mit der Erinnerung an den Kampf, der sich in ihr Gedächtnis gebrannt hatte. Die erschöpften Männer beseitigten das verstreute Dickicht am Boden jenseits der Küste und machten sich an die beschwerliche Aufgabe, im Angesicht des Feindes ein Marschlager zu errichten. Zunächst hoben sie mit ihrem Schanzzeug einen vier Meter tiefen Graben aus, dann türmten sie die Erde aus dem Graben zu einem drei Meter hohen Innenwall auf, in dessen Oberseite spitze Holzpfähle gerammt wurden, die mit Lederriemen zusammengezurrt wurden; sie dienten im Falle eines feindlichen Angriffs als riesige Krähenfüße.

Sobald die Verteidigungsanlagen fertiggestellt waren, begannen die Männer, ihre Zelte aufzubauen. Anschließend – jetzt, da die Legion und ihr Tross von einer schützenden Einfriedung umgeben waren – schlugen sich die Soldaten endlich ihre Bäuche mit dampfendem gepökeltem Schweinefleisch und Gerstenbrei voll. Bei Einbruch der Nacht zogen sie sich in ihre Acht-Mann-Zelte aus Ziegenleder zurück, wo sie sich an die Lagerfeuer hockten und sich und ihre feuchte Kleidung wärmten, einander schmutzige Witze erzählten, Würfel spielten und versuchten, die schrecklichen Erinnerungen an den Kampf zu vertreiben. Die Männer in Arbeitsuniform wurden mit der beschwerlichen Aufgabe betraut, am nahegelegenen Waldrand Bäume zu fällen, um für ihre gefallenen Kameraden einen Scheiterhaufen zu errichten.

Sobald Figulus seine Pflichten für den heutigen Tag erfüllt hatte, leistete er Rullus und seiner Abteilung an ihrem Lagerfeuer Gesellschaft und wärmte sich die Hände. Er hatte den Arzt der Zweiten Legion gefragt, ob Ocella sich wieder erholen würde, doch der Centurio, der auf einem dünnen Schlafsack auf dem Boden lag, faselte nur zusammenhangsloses Zeug, während er den Kopf von einer Seite zur anderen warf. Figulus hatte gehofft, er wäre wieder so weit bei Verstand, dass er erneut das Kommando über die Sechste Centurie übernehmen und er selbst sich wieder den weniger wichtigen Aufgaben zuwenden könnte. Aber unter den momentanen Umständen schien es, als müsste der Optio mindestens für die nächsten paar Tage das Kommando übernehmen – er hasste das, denn tief in seinem Herzen betrachtete er sich als einfachen Soldaten und schätzte die Kameradschaft unter seinen Mitstreitern. Immerhin blieb er in der Zwischenzeit von der kleinkarierten Art des Centurio verschont. Ocella war ein brauchbarer Offizier, der sich auf das Erscheinungsbild und die Disziplin seiner Männer etwas einbildete. Die geringste Unpünktlichkeit wurde mit einem frostigen Blick und einer drakonischen Strafe geahndet. Für Figulus war das Leben unter dem Kommando von Ocella eine echte Herausforderung, denn dieser stürzte sich erbarmungslos auf jeden noch so kleinen Fehler, der ihm unterlief, tadelte ihn bei der Inspektion wegen eines Schmutzflecks auf seiner glänzenden Gürtelschnalle oder wegen der kleinsten Unstimmigkeit in seinen Berichten. Insgeheim vermutete Figulus, dass Ocella sich über ihn ärgerte, weil er mehr Erfahrung auf dem Schlachtfeld vorzuweisen hatte; vielleicht sah Ocella durch ihn seine Autorität bedroht. Figulus wurde schwer ums Herz, als ihm klar wurde, dass seine Tage in der Sechsten Centurie gezählt waren, wenn er seine Unstimmigkeiten mit dem Centurio nicht beilegen würde.

Rullus und die anderen Legionäre kauerten schweigend um das Lagerfeuer, die Gesichter hell vom Schein der Flammen. Figulus bemerkte den Ausdruck dumpfer Müdigkeit darin und beschloss, sie ein wenig aufzuheitern. »Also«, sagte er mit einem aufgesetzten Grinsen. »Wer will einen kleinen Zaubertrick sehen?«

Rullus verdrehte die Augen. »Bei den Göttern. Jetzt geht das schon wieder los!«

Figulus wandte sich zu Rullus um und zwinkerte ihm zu. »Dieser Trick klappt wirklich. Ich habe ihn von einem sizilianischen Kaufmann in Rutupiae.« Er ließ seinen Blick über die Gesichter der Männer am Lagerfeuer wandern. »Ich brauche nur einen Freiwilligen.«

»Wohl eher jemanden, der sich zum Idioten macht.« Rullus kicherte.

»Hier, Herr«, sagte der Legionär, der Figulus gegenüberhockte.

Figulus betrachtete den schlanken, jugendlich wirkenden Legionär. Gaius Arrius Helva war einer der neuen Rekruten, die einen Tag, bevor sie von Calleva losmarschiert waren, der Sechsten Centurie zugewiesen worden waren. Wie alle neuen Rekruten kurz nach ihrer Ankunft in Britannien war ihm eine Mischung aus Naivität und Großspurigkeit zu eigen – bis die unerbittliche Auseinandersetzung mit dem Feind sie in kampfgestählte Veteranen verwandeln würde und sie es nicht abwarten konnten, diesen Küstenstrich wieder zu verlassen. Während der kurzen Zeit, die Figulus jetzt bei der Sechsten Centurie war, hatte er Helva nur flüchtig kennengelernt, aber der neue Rekrut machte einen vielversprechenden Eindruck. Er brannte darauf, sich seiner Kameraden würdig zu erweisen, und seine Begeisterung für das Soldatenleben stand in krassem Gegensatz zum müden, zynischen Gesichtsausdruck vieler älterer Soldaten.

Figulus nahm eine Münze aus seiner Geldbörse. »Also gut, mein Junge. Zeig deine Handfläche.«

Artig streckte Helva dem Optio seine Handfläche entgegen. Nachdem Figulus seine eigene Hand mit der Innenseite nach unten auf die des Legionärs gelegt hatte, nahm er die Münze und zeigte sie den Männern am Lagerfeuer, bevor er sie mitten auf seine Hand legte.

»Also«, sagte er. »Ihr könnt deutlich sehen, dass die Münze auf meiner Hand liegt, nicht wahr?« Die Männer nickten. »Nun, was würdest du sagen, wenn ich behaupte, dass ich diese Münze durch meine Hand in deine Hand wandern lassen kann?«, sagte er dann, an Helva gewandt. Der Legionär starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen ungläubig an.

»Durch deine Hand?«, wiederholte er. »Diese Münze? Das ist unmöglich. Nur die Götter sind dazu in der Lage.«

»Die Götter … und Rosenölhändler«, murmelte Rullus. »Ich wette vier Sesterzen, dass es nicht klappt.«

»Abgemacht!«, erwiderte Figulus kurzerhand.

Er zählte bis drei, und während er seine freie Hand hoch über den Kopf hob, sprach er die Worte, die der Sizilianer ihm beigebracht hatte, und schlug auf die Hand, mit der er Helvas Handfläche umklammert hielt. Dann wartete er einen Moment. Helva beugte sich erwartungsvoll vor, als Figulus langsam seine Hand fortnahm. Selbst Rullus schob trotz seiner offensichtlichen Skepsis den Kopf vor, um besser sehen zu können.

»Leer!«, verkündete Rullus und schlug sich auf den Oberschenkel. »Ich wusste es!« Er rieb sich schadenfroh die Hände. »Du schuldest mir vier Sesterzen, Herr.«

»Blödsinn!« Figulus blickte finster drein. »Aber – ich verstehe das nicht. Ich habe genau das getan, was mir der Kaufmann gesagt hat. Und ich habe den richtigen Zauberspruch aufgesagt.«

»Her mit dem Geld, Gallier«, wiederholte Rullus scherzhaft.

Während er sein Schicksal verfluchte, griff Figulus in seine Geldbörse und holte vier Münzen heraus. Er konnte den Verlust nur schwer verschmerzen, da er den Großteil seiner Ersparnisse beim Würfelspiel verloren hatte. Und er hatte leider feststellen müssen, dass er ein unerklärliches Verlangen danach verspürte. Jedes Mal wenn er verloren hatte, war er schlecht gelaunt und schwor sich bei Jupiter, dass er nie wieder einen Würfelbecher anrühren würde. Aber am nächsten Tag hockte er in der dunklen Ecke irgendeiner zwielichtigen Spelunke stets aufs Neue am Spieltisch und verspielte noch mehr von seinem sauer verdienten Sold. Erst vor Kurzem hatte er beim Würfeln in Calleva einen ganzen Monatssold verwettet, nachdem er zwanzig Runden hintereinander verloren hatte – weshalb er im Nachhinein überzeugt war, dass sein gerissener Gegner ihn betrogen hatte.

»Optio Horatius Figulus?«, blaffte eine Stimme.

Figulus fuhr herum, als ein Mann das Zelt betrat. An seinem Helmbusch konnte Figulus erkennen, dass es sich um einen der persönlichen Leibwächter des Legaten handelte. Der Mann blickte Figulus direkt ins Gesicht. Er hatte den Stab, wie ihn die Optios bei sich trugen, neben Figulus auf dem Boden bemerkt.

»Das bin ich«, erwiderte er.

Der Leibwächter nickte. »Der Legat wünscht dich zu sprechen.«

»Jetzt?« Figulus bekam flüchtig mit, wie Helva und Rullus im trüben Schein des Lagerfeuers verwunderte Blicke austauschten. »Warum?«

Das Gesicht des Leibwächters gab nichts preis. »Und zwar sofort, wenn ich bitten darf, Herr. Der Legat ist ein vielbeschäftigter Mann.« Er gab Figulus ein Zeichen, ihm zu folgen, und marschierte unverzüglich den Hauptweg hinunter, der zur Mitte des Lagers führte.

Warum wollte der Legat ihn zu so später Stunde noch sehen?, fragte sich Figulus, während er dem Leibwächter, an den Baracken und Getreidelagern vorbei, folgte. Vor den Zelten des Feldlazaretts entdeckte er eine kurze Reihe mit bedeckten Körpern. Ein Stück dahinter kamen sie an das Hauptquartier des Legaten, ein großes Zelt, das dort stand, wo die beiden Hauptwege des Lagers sich kreuzten. Davor standen zwei Wachen, und zu beiden Seiten, auf jeweils einem Ständer, lagen die Standarten der Legion. Der Soldat, der Figulus eskortierte, näherte sich der offenen Zelttür, und die beiden Wachen nickten ihrem Kameraden zu und machten Platz.

»Tritt ein, Herr. Der Legat erwartet dich«, sagte der Leibwächter mit ausdrucksloser Stimme.

Beim Eintreten stieg Figulus der süßliche Geruch von warmem Wein in die Nase. Im Zelt war es angenehm warm. In allen vier Ecken loderten Kohlenpfannen und schützten das Quartier gegen das schlechte britische Wetter. Auf einem niedrigen Tisch in einer der Ecken standen eine Servierplatte, auf der sich kalter Braten türmte, und ein Ständer mit einem Messingkrug über einer Öllampe, der bis zum Rand mit Wein gefüllt war. Dünne Dampfschwaden stiegen aus dem Krug empor. In der Mitte des Zelts stand ein großer Klapptisch, umgeben von einem halben Dutzend gepolsterter Lederhocker.

Legat Celer saß mit gerunzelter Stirn hinter dem Klapptisch, während er konzentriert eine Wachstafel vor sich auf dem Tisch studierte. Figulus stand einen Moment lang – der ihm wie eine halbe Ewigkeit vorkam – vor ihm und betrachtete die luxuriöse Einrichtung im Zelt des Legaten. Zwischen ihr und der Ausstattung eines einfachen Soldaten lagen Welten, und der Gallier fühlte sich schrecklich deplatziert.