"Ist das jetzt der Urlaub?" - Christine Hutterer - E-Book

"Ist das jetzt der Urlaub?" E-Book

Christine Hutterer

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Beschreibung

ALLES IST MÖGLICH – Christine Hutterer hat sich mit ihrem Mann, der dreijährigen Tochter, dem elfmonatigen Sohn und einem liebenswerten, aber nichtsdestotrotz eigenwilligen Esel auf eine abenteuerliche Wanderung durch Korsika begeben. Blasen an den Füßen und Probleme beim Kartenlesen gehören beim Wanderurlaub dazu. Doch was tun, wenn sich der Esel weigert, Brücken zu überqueren, wilde Stiere am Wegesrand lauern und der Herbergsvater zwar den Esel, aber nicht die Kinder aufnehmen will? Die Autorin räumt mit der weitverbreiteten Meinung, dass man als junge Familie auf außergewöhnliche Reisen verzichten muss, auf humorvolle und charmante Weise auf.

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Seitenzahl: 259

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Christine Hutterer

»Ist das jetzt der Urlaub?«

Unsere abenteuerliche Wanderung mit zwei kleinen Kindern und einem Esel auf Korsika

Mit 94 Fotos

www.herbig-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook:

2012 F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlag: Wolfgang Heinzel

Fotos: Christine und Philipp Hutterer

Karte: Eckehard Radehose, Schliersee

Satz und Layout: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-7243-6001-8

Terra magica ist seit 1948 eine international geschützte Handelsmarke des Belser Reich Verlags AG.

Besuchen Sie uns im Internet unter www.terramagica.de

Danksagung

Zu Beginn unserer Überlegungen hat kaum jemand daran geglaubt, dass eine längere Eselwanderung mit den beiden kleinen Kindern gut gehen könnte. Ich danke allen, die uns trotzdem unterstützt haben!

Vielen Dank an unsere Freunde und Familien, die uns während der Reise die Fußball-Ergebnisse und andere wichtige Nachrichten übermittelt und unsere Erlebnisse auf Twitter verfolgt haben.

Herzlichen Dank an Barbara Böckelmann und Konstanze Machka für kritische Anmerkungen zum Manuskript. Herzlicher Dank gilt auch Verena Pritschow bei terra magica, die sich für die Geschichte begeistert und mich bei der Entstehung meines ersten Buches wunderbar betreut hat.

Danke, Philipp, dass du dich mit mir zusammen an das Abenteuer Eselwanderung gewagt und beim Abenteuer »Buch schreiben« immer an mich geglaubt hast. Danke, Valentina und Silvester, dass ihr uns in jedem Moment blind vertraut habt. Ohne euch hätten wir diese Reise nie gemacht.

Und natürlich: Danke, Bronco!

Inhalt

Prolog

Wie alles begann

Es geht los

Erster Tag: Orto – Letia

Zweiter Tag: Letia – Marignana

Dritter Tag: Ruhetag in Marignana

Vierter Tag: Marignana – Evisa

Fünfter Tag: Evisa – Ota

Sechster Tag: Ota – Porto

Siebter Tag: Porto – Serierra

Achter Tag: Serriera – Curzu

Neunter Tag: Curzu – Girolata

Zehnter Tag: Ruhetag mit Eselfreundschaft

Elfter Tag: Girolata – Galéria

Zwölfter und dreizehnter Tag: Kraft tanken in Galéria

Vierzehnter Tag: Galéria – Monte Estremo

Fünfzehnter Tag: Ruhetag in Monte Estremo

Sechzehnter Tag: Monte Estremo – Refuge de Puscaghia

Siebzehnter Tag: Refuge de Puscaghia – Castellu di Vergio

Achtzehnter Tag: Ausflug nach Porto

Neunzehnter Tag: Castellu di Vergio – Albertacce

Zwanzigster Tag: Ein Abstecher nach Calacuccia

Einundzwanzigster Tag: Albertacce – Refuge de la Sega

Zweiundzwanzigster Tag: Refuge de la Sega – Bergerie de Vaccaghia

Dreiundzwanzigster Tag: Ausflug zum Lac de Nino

Vierundzwanzigster Tag: Bergerie de Vaccaghia – Soccia

Fünfundzwanzigster Tag: Ausflug nach Sartène

Tipps für eine Eselwanderung mit kleinen Kindern

Karte

Prolog

Der Esel rennt, er galoppiert geradezu! Er hat sich losgerissen und ich komme nicht hinterher. Meine kleine Tochter wird auf dem Rücken des Esels hin und her geschüttelt, sie schreit. Außer Atem, wie in Zeitlupe, sehe ich, wie sie in weiter Entfernung zur Seite rutscht, sich festkrallt, sich nicht mehr halten kann und fällt.

Ich schrecke hoch. Es dauert einige Augenblicke, bis ich merke, dass ich nur geträumt habe. Ich setze mich auf, Philipp liegt neben mir, sein Atem geht ruhig. Mit noch immer klopfendem Herzen stehe ich auf und gehe ins Kinderzimmer. Valentina liegt in ihrem Hochbett, ihr Kuscheltier, Herrn Wutzel, hat sie fest im Arm. Wie ich sie so friedlich schlafen sehe, werde ich ruhiger. Ich decke sie wieder zu, denn sie hat sich freigestrampelt. Ihr kleiner Bruder Silvester schläft auch tief und fest in seinem Gitterbettchen. Ich gehe in die Küche und fülle ein Glas mit Leitungswasser. Ist eine Wanderung mit einem Esel für uns vielleicht doch keine so gute Idee? Was kann alles passieren? Und vor allem: Was machen wir, wenn etwas passiert? Könnten wir jetzt noch alles absagen? Morgen wollen wir schon losfahren, Richtung Korsika. Den ganzen Abend haben wir mit Packen verbracht, die letzten Wochen und Monate mit der Planung.

Meine Füße werden auf dem Fliesenboden kalt und so schiebe ich die Fragen beiseite, stelle das Glas ab und schlüpfe wieder unter die Decke. Es wird schon gut gehen, ist der letzte Gedanke, an den ich mich erinnern kann.

Noch hatten wir keine Ahnung, was später auf uns zukommen sollte.

Wie alles begann

Aus einem Witz wird Ernst

Als Valentina einen Bruder bekam und wir einen Sohn, war uns noch nicht klar, was wir knapp ein Jahr später zusammen erleben würden. Doch schon nach wenigen Wochen zu viert tauchte der Wunsch auf, als Familie zu verreisen. Als Valentina ein kleines Baby war, flogen wir mit ihr ans andere Ende der Welt, nach Neuseeland, und reisten dort umher. Sie war sieben Monate alt und wir waren junge Eltern. Die Zeit zusammen als Familie war sagenhaft. Ich hatte acht Wochen lang die wichtigsten Menschen in meinem Leben um mich.

Der Wunsch nach gemeinsamer Zeit trieb uns an. Vom Aufwand, den eine längere Reise mit zwei kleinen Kindern bedeutet, ließen wir uns nicht abschrecken. Für ein neues Abenteuer boten sich die Sommermonate an und wir sammelten Ideen. Wohin könnten wir fahren? Sollten wir mit einem Campingbus reisen? Vielleicht entlang der kroatischen Küste? Oder eine Tour durch die osteuropäischen Staaten, in denen wir uns allerdings überhaupt nicht verständigen könnten? Länger im Gespräch war eine Ostseeumrundung. Ich sah mich schon borschtschessenderweise in Polen oder mit von kroatischen Kieselstränden geplagten Füßen.

Doch irgendwie wollte die Begeisterung nicht überspringen. Könnten wir nicht etwas machen, das unserem Spaß an sportlicher Betätigung genügen würde? Der erste Gedanke galt dem Radfahren. Wir fahren Rennrad, haben auch schon die Alpen mit dem Mountainbike überquert. Doch mit Gepäck und zwei kleinen, noch nicht selbst Rad fahrenden Kindern kämen nur Straßen oder Forstwege infrage. Das schien uns zu unspektakulär. Außerdem war die Vorstellung, dass beide Kinder nur im Anhänger sitzen könnten – Valentina wäre gerade drei Jahre, Silvester nicht einmal ein Jahr alt – etwas störend. Wie wäre es mit einem Boot oder einem Kanu? Doch das Risiko mit kleinen Kindern auf dem Wasser war uns zu groß. Außerdem gibt es in Wassernähe immer Mücken, meine Erzfeinde. Also zu Fuß, mit dem Pferd oder einem Kutschenwagen? Da sagte ich zum Spaß: »Wir könnten doch mit einem Esel wandern!« Vor einigen Jahren hatte ich in einer Sendung im Fernsehen gesehen, dass man in Frankreich geführte Touren mit einem Esel unternehmen kann. Das Tier trägt dabei das Gepäck und der Eselführer versucht, das Beste aus dieser Zweisamkeit zu machen. Meditieren oder Ähnliches scheint beim Eselwandern üblich zu sein. Wir lachten ausgiebig über die Idee. Jeder von uns hatte Bilder und Eigenschaften im Kopf, an die man typischerweise im Zusammenhang mit Eseln denkt: störrisch, gemütlich, langohrig, »Die Bremer Stadtmusikanten« und »Tischlein deck dich«.

Doch in der nächsten Zeit wanderte ein Esel durch nahezu jede meiner Gehirnwindungen. Irgendwie erzeugte er ein wohliges, fröhliches Gefühl im Bauch, wann immer er mich mit seiner Schnauze imaginär stupste.

»Du, das mit dem Esel – könntest du dir so was vorstellen?«, fragte ich Philipp dann. »Mit einem Esel noch eher als mit einem Pferd. Die wirken immer gleich so edel. Da würde ein Esel schon besser zu uns passen«, erwiderte er. Doch wo könnten wir mit einem Esel wandern? Und wie lange? Geht das überhaupt mit Kindern? Bräuchten wir einen oder zwei Esel? Wie viel Gepäck kann ein Esel tragen? Und wo findet man eigentlich fundierte Informationen über Esel und Reisen mit ihnen?

Das Internet führte uns nach wenigen Klicks in eine nie für möglich gehaltene Parallelwelt: Eselverleihstationen auf einer interaktiven Frankreichkarte, Kindersitze für Esel, die wie große geflochtene Körbe aussahen, Artikel über Eselwanderungen, Kataloge zum Buchen solcher Ausflüge, Kindergeburtstage mit Eseln, Mondschein-Eselwanderungen. Auf einmal erschien die Möglichkeit, mit zwei kleinen Kindern eine Wanderung zu machen, gar nicht mehr so absurd. Und für uns wäre der Sport gleich integriert.

Anders waren die Reaktionen unserer Familie und Freunde: »WAS wollt ihr machen? Vier bis sechs Wochen mit einem ESEL wandern? Aber was macht ihr in der Zeit mit den Kindern?« »Na, die nehmen wir natürlich mit!« »Ja aber was, wenn …« So begannen die meisten Gespräche. Die Fragen, was wir machen würden, wenn der Esel nicht weiterwollte, nicht weiterkönnte, Hunger hätte, Durchfall bekäme, die Kinder nicht leiden könnte, sich ein Bein bräche oder plötzlich Goldstücke spuckte, ließen uns kalt. Wir waren vielmehr damit beschäftigt herauszufinden, ob und wo wir einen Esel (oder zwei?) für unsere Reise bekommen könnten. Wir dachten daran, einen Esel für die Reise zu kaufen. Doch Philipps Mutter war entsetzt: »Dann bringt’s den hernach nimmer los und dann steht er bei uns im Garten!«, war ihre größte Sorge.

»Alles ist möglich«

Eines Abends kam Philipp nach Hause und erzählte, ein ehemaliger Kollege aus dem Süden Münchens hätte von einem Eseltreffen im Jahr zuvor gehört und ihm den Namen des Veranstalters genannt. Bei dem Gedanken an ein Eseltreffen mussten wir schmunzeln. Als wir es googelten, fanden wir tatsächlich Informationen und Fotos und bedauerten bereits, nicht dort gewesen zu sein.

Einige Tage später nahmen wir uns Zeit und riefen bei dem Veranstalter des Eseltreffens, dem Sepp, an. Er war am Telefon erst etwas einsilbig, doch als wir ihm von unserer Idee erzählten, konnten wir doch einige Informationen aus ihm herauskitzeln. Wir fragten beispielsweise, ob man einfach einen Esel auf einem Markt kaufen könne oder wo man ein geeignetes Tier herbekomme. Vom Kauf eines Esels riet er uns schnell ab, da ein Esel es gewöhnt sein muss zu gehen, »und wennst du einfach oanen kaufst, dann woaßt du net, ob der mit dir so mitgeht«. »Was können Esel denn für Wege gehen und können da auch Kinder drauf reiten?«, wollte Philipp wissen. Darauf erwiderte Sepp nur: »Mei, des kimmt immer auf den Esel an. I bin selbst a moi mit meinem Esel, dem Rudi, über die Alpen ganga. Da kimmt dann a kloaner Bach und da geht er net nüber. Brücken san a oft schwierig.«

Ich versuchte, mich zu konzentrieren, aber ich musste bei dieser nüchternen Schilderung furchtbar lachen. Philipp konnte sich am Telefon auch nur schwer zurückhalten. Sepp erzählte uns noch einige weitere Geschichten von Eseln, die für uns unglaublich komisch waren – für ihn allerdings nicht. Dennoch bot er uns an, dass wir ihn besuchen und uns den Esel für ein paar Stunden ausleihen könnten, um zu testen, ob Valentina sich auf ihn setzen würde.

Nachdem uns Sepp nicht vehement von unserem Vorhaben abgeraten hatte (zugeraten hatte er uns allerdings auch nicht), überkam uns die Zuversicht. Jawohl, wir wollten mit einem Esel wandern. So schwer konnte das doch nicht sein! Wir fingen nun endlich mit der Suche nach einem möglichen Reiseziel an und begannen unsere Recherchen in Frankreich, da Eselwandern dort verhältnismäßig gut etabliert zu sein schien. Auf der Eselverleihstation-Internetseite suchten wir uns einige Anbieter in den Pyrenäen und in den Alpen aus, schließlich wollten wir ja nicht nur in der Ebene durch Felder marschieren. Wir fürchteten, dass es zwischen bebauten Äckern noch schwieriger sein könnte, mit einem Esel voranzukommen, als im kargen Gebirge. Auf Korsika waren auch zwei Adressen angegeben. Zugleich recherchierten wir nach weiteren Möglichkeiten in Österreich und der Schweiz.

Mit den Resten unserer Schulfranzösischkenntnisse und unter Zuhilfenahme eines Wörterbuchs entwarfen wir eine Anfrage auf Deutsch und Französisch:

Guten Tag,

wir sind sehr daran interessiert, eine Wanderung auf Korsika/in den Pyrenäen/in den Alpen mit einem Esel zu machen.

Wir, das sind meine Frau, unsere zwei Kinder im Alter von ein und drei Jahren und ich.

Ist es möglich, einen Esel für vier bis sechs Wochen zu mieten?

Zu welchen Konditionen wäre das möglich?

Viele Grüße

Philipp Hutterer

So starteten wir die Suche nach unserem Urlaubsziel und schickten diese E-Mail an zahlreiche Adressen. Die Antworten, die wir bekamen, enthielten mindestens eine der folgenden Aussagen, manchmal eine Kombination aus mehreren oder allen Punkten:

Wir vermieten Esel nur für einen oder einige Tage, nicht für mehrere Wochen.Wanderungen mit Esel sind nur mit einem Führer möglich.Die Kinder sind zu klein. Ein Kind kann frühestens ab 5/6/8 Jahren auf einem Esel reiten.Die Etappen in dem Gebiet sind zu lang für eine Reise mit Kindern.Wir vermieten im Sommer wegen Waldbrandgefahr keine Esel und bieten auch keine Wanderungen an.Waren Sie schon mal im Gebirge???Wir sind nicht in den Pyrenäen. (Das lag möglicherweise daran, dass wir manche E-Mails mit dem falschen Text abgeschickt hatten.)

Wir bekamen aber nicht nur Absagen. In den Pyrenäen wäre wohl das ein oder andere Eselabenteuer möglich gewesen. Es gab eine deutsche Frau, die dorthin ausgewandert war und zu dem Zeitpunkt damit begann, Eselwanderungen anzubieten. Sie fand die Idee großartig, war aber noch sehr unsicher, ob es gut gehen würde, Esel so lange zu vermieten. Also suchten wir weiter. Aus Österreich bekamen wir bei unseren Anfragen sämtliche bereits genannten und noch weitere Argumente zu lesen, die gegen eine Wanderung von mehr als einigen Stunden oder maximal einem Tag sprachen. Offensichtlich gab es für eine solche Reise kein allgemein gültiges Urteil: geht oder geht nicht.

Einige Tage später, wir waren von den ganzen niederschmetternden Aussagen doch etwas demotiviert, bekamen wir eine Nachricht aus Korsika: »Alles ist möglich, bitte rufen Sie uns an.« Diese kurze, alles und nichts sagende E-Mail ließ unsere Herzen höher schlagen. Um am Telefon auch all unsere Fragen loswerden zu können, baten wir Philipps Bruder Stefan, für uns zu telefonieren, da er einige Jahre zuvor ein Jahr in Frankreich verbracht hatte. Doch selbst er musste das französische Wort für »Esel« (âne) nachschlagen.

Ich war nervös wie am ersten Schultag, als Stefan die Nummer wählte. Während des Gesprächs machte er sich Notizen, schmunzelte und stellte alle unsere notierten Fragen. Als er aufgelegt hatte, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht: »Dominique sagt, es wäre alles kein Problem, ihr sollt nur einen Esel nehmen, man könne zelten oder in sogenannten ›Gîtes d’étape‹ schlafen, den Wanderunterkünften entlang der Fernwanderwege, Valentina könne auf dem Esel reiten und ihr sollt ihm mitteilen, welche Strecken ihr gehen möchtet. Er würde sich um die tägliche Verpflegung des Esels kümmern.«

Unglaublich! Wer ist dieser Mann, der uns eine solche Reise zutraut? Er kennt uns doch gar nicht! Bisher sind wir nur auf Skepsis gestoßen und bei diesem Dominique klingt es, als wäre es ganz alltäglich, Esel wochenlang zu leihen. Wo ist der Haken bei der Sache? Hat er überhaupt Esel? Wer »Asterix auf Korsika« gelesen hat, der weiß, dass die Korsen ein, nun, eigenwilliges Volk sind.

Wir begannen nun mit der detaillierten Planung. Wir liehen uns Wanderführer über den GR 20, den »Mare a Mare«, den »Mare e Monti« – allesamt Fernwanderwege, die Korsika von Nord nach Süd, von Ost nach West oder aus einer Kombination von beiden durchziehen. Wir studierten Kartenmaterial, um einen Eindruck von den Verhältnissen vor Ort zu bekommen und anhand der Streckenbeschreibungen der Wanderführer und der Karten Hängebrücken zu identifizieren, die bestenfalls ein Zirkusesel, nicht aber ein bodenständiger korsischer Esel gehen könnte.

Wir telefonierten mit Freunden, die mit Fahrrädern und zwei kleinen Kindern durch Mittel- und Südamerika gefahren waren, und beratschlagten über die sinnvollste Ausrüstung. Wie wird die Trinkwassersituation sein? Ob wir aus den Bächen bedenkenlos trinken könnten oder ob es genügend Brunnen unterwegs geben würde, konnten wir nicht herausfinden. Daher überlegten wir auch, wie wir Wasser trinkbar machen könnten. Nach einigem Recherchieren und Informieren entschieden wir uns für die platzsparende Variante: ein kleines Fläschchen mit Chlortropfen.

Als eine Kernfrage kristallisierte sich bald der Themenkomplex »Zelt« heraus. Da wir schlecht abschätzen konnten, wie viele Stunden wir am Tag damit verbringen würden, einen sturen Esel zum Gehen zu bewegen, rechneten wir damit, dass die in den Wanderführern angegebenen Tagesetappen für uns nicht zu schaffen sein würden. Eine Campingausrüstung könnte uns also helfen, die Gehstrecken an unsere Bedürfnisse anzupassen. Doch eine Ausrüstung mit Vier-Mann-Zelt, Isomatten, Schlafsäcken, leistungsfähigem Kocher usw. wiegt mindestens zehn Kilo. Ein Esel kann etwa 40 bis 45 Kilogramm tragen. Da Valentina in voller Montur bereits 18 Kilogramm wog, blieben für Kleidung, Windeln, Milchpulver, Babygläschen für Silvester, Waschbeutel, Reiseapotheke, Regenkleidung, Spielsachen und weitere Utensilien noch maximal 25 Kilogramm. Da wurde uns eines bewusst: Entweder verzichteten wir auf die Zeltausrüstung oder Valentina musste zehn Kilo abnehmen! Da letzteres Szenario nicht realisierbar erschien, wurde kurzerhand das Zelt gestrichen.

Von nun an war die Küchenwaage immer griffbereit, um Socken und Unterhosen zu wiegen. Schnell war klar, dass wir die Kleidung von drei auf zwei Garnituren reduzieren mussten, aber auf weniger als zwei Unterhosen und zwei Paar Socken wollten wir uns nicht einlassen. Schließlich braucht man im Urlaub auch ein wenig Luxus. Für die Kinder gab es dafür einige Extrawürste: Mützen, Fleecehosen, Strumpfhosen. Für Valentina hielten wir einen Fahrradhelm für sinnvoll, falls sie doch herunterfallen sollte. Außerdem besorgte ich für sie Radhandschuhe, um ihre Hände zu schonen. Schließlich wussten wir nicht, wo und wie sie sich festhalten müsste, da der Esel keinen Reitsattel tragen würde, sondern ein irgendwie geartetes Tragegestell. Auch für Philipp und mich setzten wir Radhandschuhe auf die Liste – zum Führen des Esels. Die Reisetaschen, die wir brauchten, wählten wir nach Gewicht aus. Jede Position wurde auf das Gramm genau in eine Excel-Tabelle eingetragen. Auf diese Weise konnten wir Übergepäck und freie Reserven schnell identifizieren.

Rudi, der Testesel

Plötzlich erschien alles ziemlich einfach. Doch wussten wir noch nicht, ob Valentina sich überhaupt trauen würde, auf einem Esel zu reiten. Also besuchten wir Sepps Esel Rudi. Obwohl Rudi ein Esel stattlicher Größe und Erscheinung war, zögerte Valentina keinen Augenblick aufzusteigen. Anfangs beklagte sie sich, dass es so wackelig sei, doch nach kurzer Zeit fing sie schon an zu scherzen. An alle Zweifler draußen in der Welt: Ein dreijähriges Kind kann sehr wohl auf einem Esel reiten! Ihr habt ja keine Ahnung. Damit war geklärt: Auch das letzte mögliche KO-Kriterium für eine Eselwanderung hatte sich in Luft aufgelöst.

Obwohl es noch viele weitere Unsicherheiten gab, sagten wir Dominique zu und reservierten per E-Mail einen Esel für vier Wochen. Die Prozedur war deutlich weniger aufwendig als bei einem Mietwagen, trotz vergleichbarer Funktion.

Die vier Abenteurer (von links): Philipp, Valentina, ich und Silvester

Der Tag vor der Abreise

Plötzlich stand die Abreise direkt bevor. Valentina hatten wir inzwischen darauf eingeschworen, bald jeden Tag auf einem Esel reiten zu dürfen, und Silvester begann gerade zu laufen. Vielleicht sorgte er sich darum, wie er wohl reisen würde, wenn seine Schwester gemütlich auf einem Esel thronte und seine Eltern mit diesen riesigen Stiefeln davonmarschierten ...

Am Abend vor der Abreise sammelten sich überall in der Wohnung Häufchen von Kleidung, Ausrüstung, Babypflegeartikeln, Stirnlampen, Badesachen, Sonnenhüten und Blasenpflastern. Die Mischung war außergewöhnlich. Ohne Zweifel stand uns eine Reise bevor, die man gemeinhin als Outdoor-Urlaub bezeichnen würde. Das schlug sich auch in der Auswahl der Kleidung und Gegenstände nieder. Gleichzeitig aber packten wir für einen Familienurlaub mit einem Baby und einem Kleinkind! Nebenbei lief im Fernsehen das Fußballspiel Deutschland gegen Australien der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Philipp, für den Fußball so interessant ist wie für Frauen eine Unterbodenwäsche beim Auto, verstand nicht, warum ich doch ein wenig wehmütig war, ausgerechnet während der WM in die Abgeschiedenheit zu reisen. Er fand es lachhaft, dass ich eine kleine Deutschlandfahne einpackte. »Die trägst aber du!«, war sein Kommentar dazu.

Überraschenderweise schafften wir es fast mühelos, alle Utensilien in den beiden wasserdichten 90-Liter-Taschen, einem 60-Liter-Rucksack, der Kraxe und dem 10-Liter-Kinderrucksack zu verstauen. Heimlich packte ich für mich noch eine dritte Unterhose ein.

Es geht los

Korsika, wir kommen!

Gegen Mittag fahren wie aus München los. Wir haben es nicht eilig, denn unsere Fähre geht erst in drei Tagen. Nach einer ersten Übernachtung in der Jugendherberge in Bregenz sind wir schon in Urlaubsstimmung. Auf unserem weiteren Weg Richtung Süden steuern wir ein kleines Bergdorf zwischen Lago Maggiore und Luganosee an. Philipp möchte dort noch ein wenig Ahnenforschung betreiben. Um seine Uroma rankt sich das Gerücht, sie sei ein Findelkind gewesen. Philipp möchte dem auf den Grund gehen und erkundigt sich in der Bücherei. Der Bibliothekar sucht mit ihm in alten Dokumenten nach Hinweisen. Es bleiben am Ende mehrere Einträge mit dem gleichen Namen. Auf der Gemeinde erfährt er von alten Italienern zu guter Letzt tatsächlich, in welchem Haus seine Uroma geboren ist. Ein Findelkind war sie demnach nicht.

Zwischenstopp zur Ahnenforschung auf dem Weg nach Korsika

Von Savona, westlich von Genua, fährt unsere Fähre am übernächsten Morgen Richtung Bastia ab. Auf Korsika angekommen werden wir schnell vom Charakter der Insel gefangen genommen. Begrenzt wird die Insel von 1000 Kilometern Sandstrand und Felsküste. Im Zentrum befindet sich alpine Landschaft mit zerklüfteten, teilweise bis in den Hochsommer schneebedeckten Bergen, einsamen Flusstälern und Schluchten.

Uns beeindruckt die Fahrt von Bastia in das kleine Dorf Poggiolo, der Ausgangspunkt unserer Wanderung in der Westhälfte der Insel. Die Berge um uns herum werden immer höher, die Straßen immer enger und kurviger. Kurz vor dem Ziel macht uns Valentina unmissverständlich klar, dass Kurven fahren nicht zu ihren Stärken zählt, und spuckt uns das Mittagessen ins Auto. Silvester ist sehr interessiert daran, was seine große Schwester da Tolles veranstaltet, und wird ungehalten, als wir ihn aus dem Auto nehmen und damit vom Ort des Geschehens entfernen.

Nach einem Zwischenstopp, bei dem wir alle betroffenen Regionen des Autos waschen, erreichen wir Poggiolo. Die Ortsschilder sind auf Französisch und auf Korsisch, doch die französische Bezeichnung kann man in den meisten Orten nicht mehr lesen: Die Schilder sind zerschossen oder übermalt. Wir haben keine Adresse von Dominique und fahren daher einfach in den Ort. Schließlich fragen wir die erste und einzige Person, die wir weit und breit finden können, ob er einen Dominique Corieras kenne. Er dreht sich um, setzt sich auf seinen Motorroller und deutet uns an, ihm zu folgen. Wie sich herausstellt, ist er Dominiques Sohn.

Dominique selbst ist eine imposante Erscheinung. Ein großer Mann mit großem Umfang, großen Händen, tiefer Stimme und stahlblauen Augen. Er trägt ein Flanellhemd, eine robuste Arbeitshose und mächtige Stiefel. Alles an ihm ist groß. Aber liebenswert. Er und seine Frau Marie, die gegen ihren Mann rein körperlich wie ein kleines Mädchen wirkt, versorgen uns und die Kinder mit Saft und Süßigkeiten und fragen uns über die Anreise und unsere Pläne für die Wanderung aus. Auf Karten zeigt uns Dominique grob, wo wir mit dem Esel gehen können und welche Passagen unpassierbar sind. Eine genaue Route besprechen wir nicht. Nur, dass wir zu Beginn in Richtung Meer, also Richtung Westen, gehen möchten. Er erklärt uns, dass man einem Esel von Anfang an klarmachen müsse, wer der Chef sei. Dann hätte man auch keine Probleme damit, dass er nicht gehen würde. Er deutet das an, indem er laut mit der Zunge schnalzt und die Arme mit geballten Fäusten an den Körper presst – ähnlich wie beim Ententanz. Dann demonstriert er mit der Hand und einem Pfeifen, dass der Esel davonzischt. Wir sind beeindruckt.

Die Hauptstraße von Orto – eng und beeindruckend

Wir planen noch eine Nacht in einem kleinen Ferienhäuschen im nahe gelegenen Ort Orto ein, um uns auf den großen Marsch vorzubereiten. Marie begleitet uns bis dahin und allein diese Fahrt ist beeindruckend. Die Straße, gerade einmal so breit wie ein kleines Auto, führt direkt zwischen engen Steinhäusern hindurch und erlaubt den Blick auf hohe, imposante Berge. Wir fahren bis zum Ende der Straße. Dort gibt es keinen Parkplatz, dort kann man nicht wenden, hier beginnt einfach ein Wanderweg. Und genau dort steht die kleine Holzhütte, in der wir heute Nacht bleiben werden. Irgendwie befinden wir uns schon jetzt am Übergang zu unserem großen Abenteuer, es ist uns nur noch nicht bewusst. Ganz ohne Vorwarnung stehen wir direkt an der Schwelle zum wilden, ungebändigten, ursprünglichen Korsika. Für heute allerdings gibt es noch eine Schonfrist. Die Hütte ist bestens ausgestattet mit Waschmaschine, Mikrowelle, Fernseher und auch sehr gemütlich.

Die große Kunst des Packens

Wir verabreden uns mit Dominique und Marie für den nächsten Tag um zehn Uhr zur Übergabe des Esels. Um wenigstens mit frischer Wäsche zu starten, waschen wir noch eine Maschine, die leider aufgrund des Regens am Nachmittag nicht trocknen will. Wir schalten also die Heizlüfter auf Maximum und trocknen unsere Kleidung darüber, was sich als sehr zeitaufwendig erweist. Dazwischen krabbelt und klettert Silvester herum, zieht an den Kleidungsstücken und erforscht die neue Umgebung.

Zeitvertreib am Nachmittag: Büchervorlesen und Davonkrabbeln

Die Hütte hat einen Wohn-Essraum mit Küche, ein Bad mit Dusche und zwei Schlafzimmer. Valentina fühlt sich gleich zu Hause und packt die Spielsachen aus. Ausdauernd baut sie für ihren kleinen Bruder einen Turm aus Plastikbechern auf, den er sogleich wieder umschmeißt. Dabei lacht er laut und steckt uns alle mit seiner Fröhlichkeit an.

Als abends die Kinder in ihren Betten liegen, überlegen wir, wie wir die Taschen optimal packen können, um schnell an wichtige Gegenstände zu kommen und gleichzeitig nicht zu viel selbst tragen zu müssen. Wir beratschlagen über personenbezogene oder themenbezogene Packweise und entscheiden uns dann für eine Mischung: Es gibt eine Mädchentasche – diese bekommt einen »Conni«-Aufkleber nach der gleichnamigen Geschichtenreihe für Kinder – und eine Jungentasche ohne Kennzeichnung. In der Mädchentasche gibt es, zusätzlich zu der Kleidung von Valentina und mir, den Themenbeutel »Schlafen« mit allen Schlafsäcken und Schlafanzügen und die Reiseapotheke. Zu den Männern kommt dafür Bekleidung zum Thema »Regen« und Silvester-spezifische Produkte wie Windeln, Feuchttücher, Gläschen, Milchpulver. In den kleinen Kinderrucksack packen wir die spärliche Auswahl an Spielsachen (Stapelbecher, Fingerpuppen, ein Raupenspiel, Holzstifte und ein kleiner Block), fünf Pixi-Bücher, ein Lernspiel und die Kuscheltiere. Für Valentina ist Herr Wutzel dabei, ein ehemals weißer Bär mit blauen Augen und einem Mond in den Händen; Silvester wird von Herrn Hase, einem blau-weiß gestreiften Schmusetuch mit Schlappohren, und seinem Spieluhraffen begleitet. Dieser Rucksack wird, ebenso wie die Kulturbeutel, als Ausgleichsgewicht verwendet, wenn eine Tasche deutlich leichter ist als die andere. Schließlich müssen die Taschen ähnlich viel wiegen, damit der Esel auf beiden Seiten gleichmäßig belastet wird.

Regen – wir verschieben den Start

Am nächsten Morgen hängen die Regenwolken tief zwischen den Bergen. Es ist neblig und nicht besonders einladend, um eine Wanderung zu starten. Wir ziehen den Kindern die Strumpfhosen an, suchen die Regentüte aus der Männertasche und machen Frühstück. Ich kann vor lauter Nervosität kaum etwas essen. Ich fühle mich so angespannt wie vor einer wichtigen Prüfung oder einem Sportwettkampf. Ständig renne ich auf die Toilette und vergesse, was ich gerade tun wollte.

Kurz bevor wir das Haus verlassen, kommt Marie vorbei. Da das Wetter den ganzen Tag so schlecht sein soll, empfiehlt sie uns, erst am nächsten Tag aufzubrechen. Wir lassen uns überzeugen und packen wieder aus. Die ganze Aufregung umsonst! Wenigstens kann ich jetzt essen. Leider haben wir aber nicht mehr genügend Vorräte, um uns bis morgen versorgen zu können. Also setzen wir uns ins Auto und fahren die 20 kurvigen Kilometer bis in den nächsten größeren Ort Vico (930 Einwohner), in dem es immerhin einen Supermarkt gibt. Valentina hält das Geschaukel gut aus. Mit großen kugelrunden dunklen Augen und ernstem Gesichtsausdruck erklärt uns das kleine Mädchen, dass sie uns rechtzeitig Bescheid gibt, wenn sie spucken muss. Sie hält auch verständig die Tüte fest, die wir ihr vorsichtshalber gegeben haben.

In Vico angekommen hüpft sie fröhlich aus dem Auto. Ein bisschen blass ist sie zwar um die Nase, aber offensichtlich geht es ihr noch gut. Als Henkersmahl planen wir für den Abend Bœuf bourguignon und kaufen dazu noch eine Flasche kräftigen Rotwein, damit ich trotz Nervosität auch gut schlafe. Im Supermarkt spricht eine ältere Frau Valentina an. Sie freut sich über das Strahlen auf dem Gesicht des Kindes. Doch auf einmal wird Valentina ganz klein und unscheinbar, beinahe unsichtbar. Sie stellt sich hinter meine Beine und schaut vorsichtig an ihnen vorbei. Auch das Lachen ist aus ihrem Gesicht verschwunden. Ganz plötzlich kommt ihre Schüchternheit Fremden gegenüber zum Vorschein und mir wird noch einmal bewusst, wie klein sie eigentlich noch ist.

Den restlichen Tag verbringen wir damit, zu spielen, vorzulesen, Silvester bei seinen Gehversuchen zu beobachten und immer wieder einen Blick in die Karten zu werfen und hinauf in den grauen Himmel zu schauen. Voller Erwartungen, Vorfreude und Abenteuerlust gehen wir alle ins Bett.

Erster Tag

Orto – Letia

Wieder Regen – wir wollen trotzdem los

Als wir aufstehen, begrüßt uns die gleiche Szenerie wie am Tag zuvor: Regen, kühles Wetter und wolkenverhangene Berge. Doch wir entscheiden, heute loszugehen, komme, was wolle. Für die Kinder heißt das, wieder Strumpfhosen und Fleeceklamotten anzuziehen. Die Regenjacken lassen wir oben in der Tasche. Aus den Resten unseres Frühstücks packen wir eine Brotzeit und stecken auch die letzte rohe Kartoffel und einen Brühwürfel ein. Dass uns diese zwei Zutaten später noch große Dienste erweisen werden, ahnen wir nicht.

Um kurz vor zehn Uhr verlassen wir die gemütliche Blockhütte und fahren mit dem Auto wenige Kilometer zu unserem Startpunkt. Dort treffen wir auf Dominique, seinen Sohn, seine Eltern und einen Bekannten. Wir gewinnen den Eindruck, dass sich jeder der Anwesenden auf unsere Kosten den Tag versüßen will: Was, die wollen mit dem Esel wandern? Vermutlich haben sie, nachdem wir losmarschiert sind, Wetten abgeschlossen, wann wir aufgeben und um Hilfe flehend anrufen würden.

Bronco

Da steht er nun also, »unser« Esel. Endlich treffen wir ihn persönlich! Auf den ersten Blick sieht er so aus, als hätte er ein gemütliches Wesen. Sein Fell ist braun und die Haare ziemlich lang. Dadurch wirkt er ein wenig struppig. Er hört auf den rustikalen Namen Bronco, gesprochen »Bronkuu«, und ist etwa zehn Jahre alt. Die Augen sind von weißen Blessen umrahmt und die Schnauze ist gräulich-weiß. Auf dem Nasenrücken hat er einen Wirbel, der die Richtung der kurzen borstigen Haare vorgibt. Die Ohren sind wunderschön groß und weich. Ich bin sofort begeistert von seinem Anblick und seiner Ausstrahlung. Valentina ist sehr neugierig, doch hat sie auch großen Respekt und traut sich noch nicht, Bronco zu streicheln. Ich nehme sie auf den Arm und wir betrachten den Esel gemeinsam. Gleich zeigt sie mir, wo die Ohren, Augen und das Maul sind. Dann streicheln wir den Esel zusammen. Silvester hingegen ist nicht zu bremsen. Der kleine Blondschopf mit den noch kurzen weichen Haaren hat sofort leuchtende Augen. Er tätschelt das Fell, zieht Bronco an den Ohren und juchzt und lacht dabei vor Aufregung.

Unser Familienzuwachs Bronco weiß so wenig wie wir, was ihn in den nächsten Wochen erwartet.

Dominique führt uns zusammen mit seinem Sohn vor, wie wir den Esel führen sollen. Einer von uns hält den Führstrick und geht vorne, der andere geht hinter Bronco. Entscheidend ist, dass er uns als Chefs akzeptiert. Dazu müssen wir unsere Autorität deutlich zum Ausdruck bringen. Das geschieht mit einem lauten, animalischen »AAÜÜÜÜÜÜÜÜÜHHHHHHhhhhh!!!«, das irgendwo hinten aus dem Hals gepresst wird. Dominique macht es uns vor und sofort fängt Bronco an zu rennen. Das scheint ja wirklich einfach zu sein. Wir lachen über den Laut, das werden wir doch wohl hinbekommen.

Bronco hat auf seinem Rücken eine Satteldecke und darauf einen Gepäckträger. Das ist ein Gestell aus Holz, an dem die Taschen befestigt werden können. Und damit das Sattel-Gepäckgestell auch dauerhaft an der richtigen Stelle bleibt, trägt Bronco noch einen Gurt vorne um die Brust herum und einen hinten um die Oberschenkel. Dominique hängt die beiden großen Taschen an das hintere Holzkreuz des Gepäckträgers und verteilt die restlichen Taschen, einen Beutel, in dem sich alle unsere Getränkeflaschen befinden, und einen Rucksack mit Kraftfutter für zwei Tage so, dass beide Seiten etwa gleich schwer sind.